Montag, 17. November 2014

Bibliothek der Weltliteratur 4: Bekenntnisse von Aurelius Augustinus

Bekenntnisse des heiligen Augustinus. Ungekürzte Ausgabe nach der Übersetzung von O. Bachmann, Atlas-Verlag Köln 1956

Heute wieder ein Griff in die Bibliothek der Weltliteratur und ein weiteres Buch, das es wert ist, auch heute noch gelesen zu werden. Die Bekenntnisse von Augustinus sind wohltuend ehrlich und realistisch in unserer Zeit der stumpfsinnigen Gleichgültigkeit gegenüber der Sünde im Leben. Augustinus schrieb keine Autobiographie, denn er geht nicht auf alle Zeiten seines Lebens ein. Auch sind es keine Memoiren, denn sie wurden mitten im Leben geschrieben. Es ist vielmehr eine Sammlung von Rückblicken auf sein Leben, die er mit zwei Dingen verbindet: Erstens mit dem Lobpreis Gottes, der ihn gerettet, erlöst, befreit hat aus den Ketten der Sünde, ihm die Augen für die Wahrheit geöffnet und sein Herz mit Liebe zu Gott erfüllt hat, aber auch eine entwaffnend ehrliche und realistische Sicht auf die Sünde, die sein Leben so ruiniert hat, bevor er von Gott bezwungen wurde.

Augustinus kam am 13. November 354 in Thagaste (im heutigen Algerien) zur Welt. Seine Mutter Monica war Christin, die ihn so zu erziehen versuchte. Er hatte in der Zeit seiunes Studiums eine große Abneigung gegen die griechischen Philosophen, wie er in den Bekenntnissen bezeugt. Er studierte Rhetorik und wurde dann selbst Lehrer. In dieser Zeit führte er ein ausschweifendes Leben und wandte sich dann dem Manichäismus zu. Das war eine pseudochristliche gnostische Religion, die von einem starken Dualismus geprägt war: In der Welt herrscht ein Kampf zwischen dem Licht und der Finsternis. Das Licht ist in der Gefangenschaft der Finsternis und das Leben der Menschen spielt dabei eine Rolle, um das Licht aus dieser Gefangenschaft zu befreien. Nebst den Menschen, die keine Manichäer sind, gibt es zwei Arten von Menschen: Die Hörer und die Erwählten. Die Erwählten müssen immer ganz streng asketisch leben (kein Sex, reiner Vegetarismus, kein Alkohol, keine manuelle Arbeit, etc.), die Hörer nur am Sonntag. Durch dieses asketische Leben kann der Mensch mithelfen, das Licht zu befreien, bis es irgendwann ganz frei sein wird.

Augustinus ist also Lehrer der Rhetorik und Anhänger des Manichäismus. In diese Zeit fällt eine schwere Krankheit, die sowohl körperlich als auch psychisch zu begründen ist. Er stand immer unter Druck, als Manichäer Gott durch ein asketisches Leben gefallen zu wollen, aber er merkt, wie er es nicht schafft. Er muss seinen Beruf aufgeben und beschließt, sich noch mehr dem Dienst Gottes zu widmen. Mit den Worten von Römer 13, 13 – 14 wird Augustinus nun endlich zum einen Gott der Bibel bekehrt. Als er seiner Mutter davon erzählt, freute sie sich: „Wir erzählten ihr, wie es geschehen war; sie jubelte und triumphierte, und sie pries dich, der überschwenglich mehr tun kann über alles, das wir bitten oder verstehen, da sie sah, dass ihr von dir weit mehr gewährt worden war, als sie in ihrem Jammer und ihren Tränen zu bitten pflegte.“ (S. 131)

In einem ähnlichen Stil ist das ganze Buch als eine Zwiesprache mit Gott aufgebaut, das überall von Lobpreis und Gebeten, Danksagungen und Bitten durchdrungen ist. Etwa so: „Erhöre, o Gott, mein Gebet, dass meine Seele nicht müde werde unter deiner Zucht und dass ich nicht lass werde im Bekenntnis deines unendlichen Erbarmens, durch welches du mich von allen Irrwegen abgebracht hast, dass du mir süßer wirst als alle Verführungen, denen ich folgte, dass ich dich liebe mit allen Kräften und deine Hand erfasse mit ganzem Herzen und du mich entreißest aller Versuchung bis ans Ende. Denn dir, o Herr, mein König und mein Gott, deinem Dienste sei gewidmet, was ich als Knabe Nützliches erlernte, was ich spreche, schreibe, lese und zähle; wenn ich Eitles erlernte, züchtigtest und vergabst du mir meine sündhafte Lust an solcherlei Eitelkeiten. Und ich lernte durch sie wohl viel nützliche Worte, die aber auch ohne eitle Dinge erlernt werden können, und das ist der sichere Weg, auf dem die Knaben wandeln sollten.“ (S. 17 - 18)

Wer das Buch noch nicht gelesen hat, sollte dies unbedingt noch nachholen. Ich wünschte mir, dass mehr Bücher in diesem Stil geschrieben würden. Mit so viel Gottes- und Selbsterkenntnis, so viel Ehrlichkeit und mit einem Herzen, das vom Gotteslob überfließt.

Mittwoch, 12. November 2014

Eine Singkultur entwickeln

Die letzten Wochen ist es ruhig geworden um meine noch nicht abgeschlossene Serie zum Thema „Lobpreiskultur“. Dies hat nicht nur damit zu tun, dass ich nebst dem Bloggen viel anderes zu tun hatte, sondern auch damit, dass der heutige Teil eine ganz besondere Herausforderung ist. Bisher habe ich mich damit befasst, wie man der Gemeinde das Mitsingen einfacher machen kann (Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4). Heute möchte ich den Kern des Problems angehen: Viele Menschen singen nicht mit, weil sie keine Gelegenheit hatten, eine Singkultur zu entwickeln. Noch vor einigen Jahrzehnten war es in manchen Berufen üblich, bei der Arbeit zu singen, aber versuche man dies heute mal in der Firma... Vielerorts würde das nicht einmal geduldet. Stattdessen wurde das aktive Singen durch passive Berieselung durch Radio, CD oder Ähnliches ersetzt.

Heute möchte ich ein paar Vorschläge machen, wie man als Gemeinde eine Singkultur entwickeln kann. Ich habe dazu in den vergangenen zwei Monaten einige Blogs und Predigten von Pastoren anderer Gemeinden gelesen und nach Hinweisen dazu gesucht. Eines ist aber wichtig, bevor ich zu den Vorschlägen komme. Wir müssen versuchen, die Hemmschwelle von Anfang an möglichst tief zu halten. Somit sollten die ersten drei oder vier Teile der Serie zumindest überdacht werden, was in der Hinsicht noch vereinfacht werden könnte.

1. Wir brauchen eine tief gegründete Theologie des Lobpreises
Singen ist nicht nur eine Sache, die uns Menschen gut tut. Das stimmt zwar auch, aber ist sekundär. Primär müssen wir sehen, dass wir einen singenden Gott haben. Dies wird in Zephanja 3,17 deutlich. Und weil Gott ein singender Gott ist und uns nach Seinem Bilde geschaffen hat, dürfen wir ein singendes Gottesvolk sein. Lobpreis ist außerdem eine wichtige Art der Antwort von uns Menschen an Gott – oder auch zuweilen ein Gebet oder eine Frage. Lobpreis kann Wunder tun – so etwa die Türen des Gefängnisses öffnen und manch anderes mehr. Beginnen wir also damit, über die Wichtigkeit und Bedeutung des Lobpreises nachzudenken und lassen unser Herz damit erfüllt sein.

2. Wir brauchen eine gesunde Lehre über den Lobpreis
Aus der tief gegründeten Theologie des Lobpreises folgt die gesunde Lehre in der Gemeinde. Wir Menschen tendieren dazu, die Wichtigkeit von Dingen aufgrund der Häufigkeit zu bewerten. Wenn häufig über den Lobpreis gelehrt wird, werden wir ihn auch als etwas Wichtiges empfinden. So braucht es immer wieder eine Erinnerung daran – und zwar nicht nur vom Lobpreisleiter, sondern auch in der Predigt. Es braucht also Predigten über den Lobpreis. Manche Prediger nutzen auch die Predigt-Einleitung, um ein Thema des Lobpreises noch einmal aufzugreifen und zeigen damit, dass er wichtig ist.

3. Wir brauchen gute Vorbilder im Lobpreis
Menschen brauchen sichtbare Vorbilder. Wenn die Ältesten und Leiter der Gemeinde passiv sind im Lobpreis, werden die übrigen Gemeindemitglieder – insbesondere die Männer unter ihnen – sich das zum Vorbild nehmen. Aktive Vorbilder, die mitsingen und sich auch sonst am Lobpreis beteiligen, haben es leichter, eine Singkultur in der Gemeinde zu etablieren. Dabei ist es unwichtig, ob man darin besonders begabt ist oder nicht – das sichtbare Vorbild macht Welten aus.

4. Wir brauchen Lobpreis in allen Bereichen der Gemeinde
Das ist jetzt eine Frage von Gemeindekonzepten. Der Lobpreis soll nicht auf den Gottesdienst am Sonntag beschränkt sein. Sei es bei Lehr- oder Gebetsveranstaltungen, im Kindergottesdienst oder bei den Royal Rangers (oder Jungschar, Pfadfinder oder wie auch immer man das nennt) und in der Jugend. Wenn möglich auch in Hauskreisen und ähnlichen Veranstaltungen. Wenn viel und häufig die Möglichkeit zum Singen geschaffen wird, fällt es leichter, mit einzustimmen.

5. Wir brauchen singende Familien
Ich denke, hier liegt ein großer Knackpunkt. Wer als Kind in der Familie ganz natürlich zum Singen angeleitet wird, hat es auch im späteren Leben viel leichter beim Mitsingen. Ideal wäre natürlich auch eine musikalische Familie, wo zusätzlich gemeinsam Instrumente gespielt werden. Ich persönlich hatte das Privileg, so aufzuwachsen und kann es nur weiterempfehlen. Dies jedoch von jeder Familie zu verlangen, wäre mehr als unrealistisch. Aber zumindest gemeinsame Zeiten des Singens in der Familie – und sei es zu einer leisen Hintergrund-CD – müsste machbar sein. Die heutigen Kinder werden eines kommenden Tages die Instrumentalisten und Sänger in der Gemeinde sein. Durch die Lieder im Lobpreis wird viel wichtige Lehre über Gott weitergegeben. Man darf nicht vergessen, dass die Psalmen mit ihren wunderbaren Aussagen über Gott das Liederbuch, der „Pfingstjubel“ der Bibel sind. Der Befehl von Kolosser 3,16 gilt auch der Familie, sie ist die kleinste Einheit einer göttlichen Versammlung von Menschen.

6. Wir brauchen Anleitung zu allen diesen Punkten
Zum Schluss möchte ich etwas noch einmal verdeutlichen: Nichts von all dem oben Genannten wird einfach so von selbst passieren. Alle diese Punkte brauchen klare Anleitung und Anweisung – und zwar nicht nur einmal, sondern immer wieder. Wir brauchen immer wieder die Reflektion einer Theologie des Lobpreises. Wir brauchen immer wieder Lehre darüber. Wir brauchen immer wieder Ermutigung und Anleitung dazu, wie das in den verschiedenen Bereichen der Gemeinde und auch des Familienlebens umgesetzt werden kann.


Donnerstag, 6. November 2014

Moralistisch-therapeutischer Deismus: Lösungsansätze

Gestern habe ich den Begriff des „moralistisch-therapeutischen Deismus“ vorgestellt. In einem späteren Kapitel seines Buches „Soul Searching – The Religious and Spiritual Lives of American Teenagers“ versucht Christian Smith, konstruktive Lösungsansätze zu entwickeln. Er kommt zu folgenden Schlüssen (Übersetzung jeweils von mir):

Die beste Art, um die meisten Jugendlichen stärker und ernsthafter in Bezug auf ihre Glaubensgemeinschaft miteinbezogen zu bekommen, besteht darin, ihre Eltern stärker und ernsthafter in Bezug auf ihre Glaubensgemeinschaft miteinzubeziehen. Für Jahrzehnte bestand in vielen religiösen Traditionen die vorherrschende Art der Jugendarbeit darin, die Teenager von ihren Eltern wegzuziehen. In manchen Fällen haben Jugendpastoren sogar begonnen, die Eltern als Feinde zu betrachten. Es gibt ohne Zweifel eine Zeit und einen Platz für Situationen und Aktivitäten nur unter Teenagern; doch unsere Erkenntnisse zeigen, dass insgesamt eine Jugendarbeit am besten im größeren Kontext einer Familienarbeit betrieben wird, dass Eltern als unverzichtbare Partner in der religiösen Formung der Jugend betrachtet werden müssen.“ (S. 267)

Eltern und Glaubensgemeinschaften sollten sich nicht davor scheuen, Teenager zu lehren. Erwachsene zögern nicht, Teenager anzuweisen und von ihnen bestimmte Dinge zu erwarten, wenn es um Schule, Sport, Musik und mehr geht. Aber es scheint eine merkwürdige Zurückhaltung unter Erwachsenen zu geben, Teenager zu belehren, wenn es um den Glauben geht. Erwachsene scheinen häufig nicht mehr zu tun wollen, als Teenager mit dem Glauben in Kontakt zu bringen. Viele Erwachsene scheinen uns beinahe eingeschüchtert zu sein von Teenagers, sie haben Angst davor, als „uncool“ gesehen zu werden. Und es scheint, dass viele Jugendmitarbeiter unter einem großen Druck stehen, die Teenager zu unterhalten. Tatsächlich jedoch glauben wir, dass die meisten Teens belehrbar sind, auch wenn sie selbst das nicht wirklich wissen oder sich anmerken lassen, dass sie interessiert seien.“ (S. 267)

Drittens scheint es uns, dass religiöse Erzieher viel stärker an der Artikulation arbeiten müssen. Wir waren erstaunt, zu realisieren, dass es für viele der Teens, die wir interviewten, schien, als ob unser Interview das erste Mal war, dass irgend ein Erwachsener sie überhaupt gefragt hätte, was sie glaubten. Im Gegensatz dazu konnten sich dieselben Teenagers erstaunlich gut zu anderen Themen äußern, in denen sie ausgebildet wurden, wie etwa das Trinken [von Alkohol], Drogen, Geschlechtskrankheiten und Empfängnisverhütung. Es war auch überraschend, wie viele christliche Teens zum Beispiel sich dabei wohl fühlten, allgemein über Gott zu reden, aber nicht spezifisch über Jesus.“ (S. 267)

Religiöse Gemeinschaften sollten sorgfältiger darüber nachdenken und auch der Jugend helfen, darüber nachzudenken, was die Unterschiede sind zwischen (1) ernsthaftem, gut verständlichem, persönlich überzeugtem und gemeinschaftlichem Glauben gegenüber (2) respektvollem, bürgerlichem Diskurs im pluralistischen öffentlichen Bereich gegenüber (3) anstößigem, offensivem Reden über den Glauben, der lediglich die Leute abstößt. Die meisten Teens in den USA halten sich eifrig an das Zweite und verzichten auf das Dritte von diesen. Aus einem allgemeinen Mangel an Unterscheidung zwischen diesen dreien scheint es, dass das Erste oft verloren geht.“ (S. 268)

Glaubensgemeinschaften würden auch gut daran tun, so denken wir, sich bewusst zu werden, dass eine primär instrumentalistische Sicht vom Glauben ein zweischneidiges Schwert ist. Für viele Eltern sind die religiösen Gemeinschaften gut und wertvoll, weil sie in ihren Kindern gute Ergebnisse erzielen. Viele Gemeinden scheinen daraus Kapital zu schlagen, um an Familien von Kindern und Jugendlichen zu appellieren. Es ist eine empirische Tatsache, dass Jugendliche, die im Glauben engagiert sind, im Leben weiter kommen als Jugendliche, die nicht im Glauben engagiert sind, und zwar aus verschiedenen Gründen. Das kann ermutigend sein für Gläubige. Aber das zur hauptsächlichen Legitimation des Glaubens zu machen, verkommt leicht zu einer „Gemeinde-ist-gut-weil-sie-hilft-meinem-Kind-von-den-Drogen-wegzubleiben-und-die-Benutzungsrate-der-Sicherheitsgurte-erhöht“-Mentalität.“ (S. 270)

Mittwoch, 5. November 2014

Moralistisch-therapeutischer Deismus

Mit dem Begriff „moralistisch-therapeutischer Deismus“ fasst der Soziologe Christian Smith seine Ergebnisse einer groß angelegten Studie in Nordamerika in seinem Buch „Soul Searching – The Religious and Spiritual Lives of American Teenagers“, das 2005 erschien, zusammen. Der Begriff lässt sich mit fünf Grundsätzen festlegen:

1. Es gibt einen Gott, der die Welt geschaffen hat, der sie ordnet und über das menschliche Leben auf der Erde wacht.
2. Gott will, dass die Leute gut sind und nett und fair miteinander umgehen, wie es in der Bibel und in den meisten Weltreligionen gelehrt wird.
3. Das zentrale Ziel im Leben ist es, glücklich zu sein und sich gut zu fühlen.
4. Gott muss nicht besonders ins Leben einbezogen werden, es sei denn,wenn Gott gebraucht wird, um ein Problem zu lösen.
5. Gute Menschen kommen in den Himmel, wenn sie sterben.
(Christian Smith, Soul Searching, S. 162f, Übersetzung von mir)

Das ist also so ungefähr das Glaubensbekenntnis eines großen Teils der nordamerikanischen Jugend von heute. Und vermutlich nicht nur von Nordamerika. Dieses Denken ist schon lange über den großen Teich zu uns herübergeschwappt.

Das Ziel eines solchen Lebens besteht im stets gesuchten Wohlfühlen, ein Wellness-Evangelium nach dem Motto: Ich bin ok, du bist ok, wir sind alle gleich, also sind alle Unterschiede gleichgültig und egal. Christian Smith beschreibt diese Haltung des moralistisch-therapeutischen Deismus mit den drei Stichworten:

Moralistisch: Um ein gutes, glückliches Leben zu führen, müsse man eine gute, moralische Person sein. Wenn man sehe, dass man nicht so gut sei, müsse man einfach versuchen besser zu werden, das sei alles, meinte jemand in einem Interview.

Therapeutisch: Im Zentrum des Lebens stehe das Wohlbefinden, das Sich-gut-Fühlen, Probleme zu lösen, etc. Es geht also nicht mehr um Gott als Zentrum des Lebens, sondern nur um „ich ich ich“, um ich, mich, mein und mir. Gott hat eine Statistenrolle als Glücklichmacher, und damit hat es sich dann auch.

Deismus: Gott hält sich nach dieser Vorstellung weitgehend aus dem täglichen Leben heraus, stellt keine Ansprüche, will nur, dass der Mensch sich wohl fühlt und sein Leben in den Griff bekommt. Solange der Mensch kein Eingreifen Gottes in sein Leben wünscht, hält sich dieser deistische Götze ganz brav aus dem Leben heraus.

Was auffällt, ist die zunehmende Unfähigkeit, den eigenen Glauben klar zu sehen, zu reflektieren und zu artikulieren. Das ist unter anderem auf einen großen Mangel an klarer biblischer Lehre zurückzuführen. Was wir brauchen, ist mehr Bibellehre. Die großen Linien der Heilsgeschichte, die sich als roten Faden durch jedes Buch der Bibel hindurchzieht. Die großen Lehren von der Dreieinigkeit Gottes, von der Menschwerdung Christi, der Erlösung am Kreuz von Golgatha, von der Auferstehung, von Pfingsten und der Anwendung der Erlösung auf unser Leben. Vom rettenden Glauben, der Heiligung und der letztendlichen Verherrlichung. Und ebenso brauchen wir mehr Apologetik, also die Fähigkeit, den christlichen Glauben in Worte zu fassen und ihn zu verteidigen.

Die heutige Jugend lebt in einem Zeitalter, das von einer Vielzahl von Ideologien geprägt ist. In dieser Zeit ist es wichtig, dass man fähig ist, Ideologien an der Bibel zu prüfen. Gott möchte, dass die aufwachsende Generation stark ist und nicht ständig von allen möglichen Ideologien und Lehren hin- und hergeworfen wird. Auch heute hat Gott Menschen eingesetzt, welche die Dienste erfüllen sollen, von denen Paulus schreibt: 

Und Er hat etliche als Apostel gegeben, etliche als Propheten, etliche als Evangelisten, etliche als Hirten und Lehrer, zur Zurüstung der Heiligen, für das Werk des Dienstes, für die Erbauung des Leibes des Christus, bis wir alle zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, zur vollkommenen Mannesreife, zum Maß der vollen Größe des Christus; damit wir nicht mehr Unmündige seien, hin- und hergeworfen und umhergetrieben von jedem Wind der Lehre durch das betrügerische Spiel der Menschen, durch die Schlauheit, mit der sie zum Irrtum verführen, sondern, wahrhaftig in der Liebe, heranwachsen in allen Stücken zu ihm hin, der das Haupt ist, der Christus. Von ihm aus vollbringt der ganze Leib, zusammengefügt und verbunden durch alle Gelenke, die einander Handreichung tun nach dem Maß der Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Gliedes, das Wachstum des Leibes zur Auferbauung seiner selbst in Liebe.“ (Epheser 4, 11 - 16)


Sonntag, 2. November 2014

Robert Letham – Die heilige Dreieinigkeit

Letham, Robert, The Holy Trinity, P&R Publishing Company, Phillipsburg, 2004, 551 Seiten

Wer mich kennt, weiß, dass ich ein begeisterter Leser bin, der an Büchern so ziemlich alles verschlingt, was ihm in die Hände gerät. Doch um dieses Buch zu beschreiben, sind wohl so ziemlich alle Superlative zu klein. Ich möchte es vergleichen mit Jostein Gaarders „Sofies Welt“, das mir vor 20 Jahren den Blick für die interessanten Fragen der Philosophie und die Wichtigkeit der Kulturgeschichte geöffnet hat, oder mit Stephen Kings „Es“, welches ich vor etwa 15 Jahren kaum aus den Händen legen konnte. Doch dieses Buch von Letham ist anders. Es ist kein Roman, sondern eigentlich ein Lehrbuch. Es geht um die biblische Lehre von der göttlichen Dreieinigkeit. In vier Teilen und insgesamt 20 Kapiteln wird dargelegt, was die Bibel dazu sagt, wie sich die Lehre in der frühen Theologiegeschichte entwickelt hat, was wichtige Theologen des 20. Jahrhunderts dazu geschrieben haben und welche praktischen Auswirkungen diese Lehre für unser tägliches Leben haben. Eins ist das Buch allerdings nicht – es ist keine trockene Abhandlung von Lehrsätzen, sondern ein fesselndes Werk, das ich trotz der Länge von über 500 Seiten in wenigen Tagen verschlungen habe.

Zu Beginn – noch in der Einleitung – kommt Letham zum Schluss, dass die Dreieinigkeit nicht nur lange Zeit stark vernachlässigt wurde, sondern auch in der heutigen Zeit häufig zu falschen Lehren führt. Er zeigt auf, dass die Dreieinigkeit – ein Gott in drei Personen und drei Personen in einem Gott – wie eine Schaukel ist, auf der man auf zwei Seiten kippen kann. Wenn man die Einheit Gottes zu stark betont, lehrt man sehr schnell drei Personen, die lediglich verschiedene Erscheinungsformen desselben Gottes sind, und dabei die ewigen Unterschiede zwischen den drei Personen verwischt. Das nennt man „Modalismus“ (von lateinisch „modus“ für „Erscheinungsform“). Auf der anderen Seite steht man in Gefahr, die Unterschiede der drei Personen zu stark zu betonen, was dazu führt, dass man Gott Sohn (Jesus) und den Heiligen Geist zu niedrigeren Personen macht als Gott Vater. Das nennt man „Subordinationismus“, weil man damit den Sohn und den Geist dem Vater unterordnet. Letham zeigt auf, dass die meisten Christen in unserer westlichen Gesellschaft in der Praxis Modalisten sind.

Darauf folgt in den ersten drei Kapiteln ein relativ schneller Durchgang durch die Bibel. Im ersten Kapitel geht es um das Alte Testament, in welchem vor allem der eine Gott betont wird. Israel lebte unter fremden Völkern, die allesamt polytheistisch geprägt waren, also an viele Götter glaubten. Deshalb musste der eine Gott betont werden. Und trotzdem gab es implizit immer wieder Hinweise auf die Mehrzahl der Personen der Dreieinigkeit. Im zweiten Kapitel geht es um die Menschwerdung Jesu und die Beziehung Jesu zum Vater, während sich das dritte Kapitel speziell mit dem Heiligen Geist und mit den Abschnitten befasst, in welchen alle drei Personen genannt werden. An das dritte Kapitel ist ein Exkurs angehängt, der sich noch im Detail mit der Dreieinigkeit im Epheserbrief befasst. Damit ist der erste Teil „Scripture“ abgeschlossen. Mit 88 Seiten ist der Platz recht knapp bemessen, aber Letham schafft das Erstaunliche, so ziemlich alles total Wichtige in diese Seiten hineinzulegen. Die Fußnoten sind auch immer einen Blick wert und haben mir manch ein weiteres Buch schmackhaft gemacht. So ähnlich geht es mir beim Lesen von guten Büchern oft: Ein Buch ist abgehakt, dafür ein gutes Dutzend neue auf der Liste.

Der zweite Teil besteht aus den Kapiteln vier bis zwölf. In diesen wird die Auseinandersetzung um die Lehre von der Dreieinigkeit behandelt. Letham zeigt, dass die biblische Idee von der Dreieinigkeit, die ja bereits im Neuen Testament deutlich angelegt war, von Anfang an in der frühen Kirche anerkannt war. Der Begriff selbst kam jedoch erst auf, als eine erste Bewegung diese Lehre verwerfen wollte und man sie daher begründen musste. So befasst sich das vierte Kapitel mit den ersten Christen, das fünfte mit dieser ersten Gegenbewegung, mit der arianischen Kontroverse. Im sechsten Kapitel wird uns Athanasius vorgestellt, der als Erster eine extensive Abhandlung über den Heiligen Geist geschrieben hat. Das siebte Kapitel berichtet von den drei „kappadozischen Vätern“, die aus der Gegend von Kappadozien stammten, weshalb man sie so nannte. Diese drei, Basilius der Große, sein Bruder Gregor von Nyssa und deren beider Freund Gregor von Nazianz, haben sich alle drei sehr stark mit den Fragen um die Dreieinigkeit befasst. Die Beschlüsse des Konzils von Konstantinopel 381 n. Chr gehen in großen Teilen auf diese drei zurück. Das Konzil selbst und das Glaubensbekenntnis, das dort geschrieben wurde, wird im achten Kapitel angesprochen. Das neunte Kapitel zeigt den Einfluss von Augustinus auf. Dann kommt eine längere Zeit, in der wenig geschehen ist. Die Sicht von Augustinus war für den westlichen Teil der Kirche wichtig, die Arbeit der kappadozischen Väter für den östlichen Teil der Kirche, doch zunehmend wurden die Differenzen größer. Die Ostkirche betonte immer mehr die Unterschiede der drei Personen, die Westkirche immer mehr die Einheit. Was daraus folgte, war 1054 n. Chr die Trennung der beiden Kirchen in die katholische und die orthodoxe Kirche. Letham zeigt diese Entwicklung und die Spaltung in den Kapiteln zehn und elf auf, und widmet das zwölfte Kapitel dem Reformator Johannes Calvin.

Im dritten Teil geht es in den Kapiteln 13 – 16 um die wichtigsten Theologen des 20. Jahrhunderts. Zuerst um Karl Barth. Dieser hat die Dreieinigkeit als Zentrum der Theologie aufgestellt. Seine Schwäche ist jedoch, dass er den Heiligen Geist nicht als Person, sondern vielmehr als eine Kraft betrachtet. Im Kapitel 14 geht Letham auf die drei westlichen Theologen Karl Rahner, Jürgen Moltmann und Wolfhart Pannenberg ein. Alle drei neigen zu einer Art Panentheismus (der Lehre, dass Gott zwar von der Schöpfung zu unterscheiden ist, aber dass Gott in der Schöpfung und die Schöpfung in Gott ist und deshalb Gott von der Schöpfung oder vom Menschen in gewisser Weise abhängig ist). Letham beschreibt dies natürlich weitaus ausführlicher, ich empfehle jedem, der dies anders sieht, das Kapitel bei Letham selbst zu lesen. Drei Theologen der Ostkirche werden im Kapitel 14 beschrieben: Sergius Bulgakov, Vladimir Lossky und Dumitru Staniloae. Wie bereits gesehen, ist die Gefahr im Osten groß, dass man die drei Personen zu stark betont, was auf Kosten der Einheit des einen Gottes zu drei einzelnen Göttern führt. Das 16. Kapitel stellt den Theologen Thomas F. Torrance vor, dessen Auseinandersetzung mit der Dreieinigkeit laut Letham die stärkste ist unter den wichtigen zeitgenössischen Beiträgen. Torrance hat unter Karl Barth studiert, ist aber kein typischer Barthianer, sondern versucht auf kreative Weise zu zeigen, dass sich die östliche und die westliche Kirche im Prinzip eben doch nicht so sehr unterscheiden. Er möchte mehr Einheit unter den Kirchen erreichen. Er geht deshalb hinter Augustinus zurück, dorthin, wo sich alle noch einig waren über das Wesen der Lehre von der Dreieinigkeit.

Der vermutlich wichtigste Teil für unsere Zeit ist der krönende Abschluss des Buches. In den Kapiteln 17 – 20 geht es um die Praxis. Letham zeigt, welche Konsequenzen die Lehre von der Dreieinigkeit für unser Leben im Alltag und in der Gemeinde hat. Hierzu ein paar wichtige Zitate:

We worship the Father, who chose us in Christ before the foundation of the world, who planned our salvation from eternity, who sent his Son into the world and gave him up for us. We worship the Son, in filial relation to the Father, who willingly "for us and our salvation" was made flesh, who submitted himself to a life in a fallen world, who trod a path of lowliness, temptation, and suffering, leading to the cruel death of the cross. [...] We worship the Holy Spirit, who gives life and breath to all, who grants us the gift of faith, who sustains us through the difficulties of life as Christians in a world set in hostility to God, and who testifies the Son.“ (S. 419)

There is a need to refocus Western hymnody. We need more Trinitarian hymns. There was an outpouring of such hymns following the Trinitarian crisis, but by the high Middle Ages this had slowed to a trickle, eventually to dry up altogether.“ (S. 422)

Chief of all, the Trinity must be preached and must shape our preaching. Preaching is the high point of worship. Not only must the Trinity be preached, but all preaching must be shaped by the active recognition that the God who is proclaimed is triune. A Trinitarian mind-set must become as integral to the preacher as the air we breathe.“ (S. 423)

Who can listen to [Beethoven's] Piano Trio in B-flat, Op. 97 (the "Archduke"), especially the third movement - the andante cantabile - and not be led behind the mundane? The question of Beethoven's beliefs is beside the point. It is irrelevant. He was a man, made in God's image, the master of a creative medium that God himself has made for our good and as a vehicle to glorify him. He was working with a genre that owed its development to the Christian faith. The whole notion of developing a theme, of moving progressively and purposefully to a goal, of returning after a myriad of complex modulations to a resolution, of a variety of instruments playing different notes that are all part of a single score, is based on the matrix of realities found in the created order, which the Holy Trinity put there in the work of creation itself, and reflects who he is. The turbulent rationalist Beethoven, the angst-ridden Mahler, the syphilitic Schubert, the scatological Mozart, as well as the pious Bruckner and Johann Sebastian Bach, all testify - whether deliberately, as in the case of the last two, or unwittingly - to the triune God who made them and the world around them, to his unity in diversity, purpose, structure, and beauty, which such human creativity mirrors.“ (S. 438f)

The two major challenges to the Christian faith today - the postmodern thinking of our own culture and Islam - are both deviations from the created order of unity in diversity and diversity in unity that the Holy Trinity has embedded in the world.“ (S. 442)

Postmodernism asks us to accept for itself what it denies to everything and everyone else. It denies and deconstructs absolute truth claims, yet its own claims are absolute, excluded from the relativism that it foists on the assertions of others. It claims that all human language refers only to itself. This is an absolute claim, applying to all human discourse, spoken or written. It is also reductionistic, reducing the whole of reality to one form, in this case a particular theory of language. Such reductionism is not a claim about language so much as a philosophy, a worldview, a fundamentally religious worldview.“ (S. 453)

Since God himself is love (1 John 4:16), and we have fellowship and communion with him, love is the acid test of our discipleship. If we love others, we belong to Jesus Christ. If we lack love, we are not his at all. God is a triune communion of persons. Love is intrinsic to who he is. Attributes like grace, mercy, justice, and even holiness are all relative to creatures. His wrath is relative to sinners, as the expression of his holiness in response to human sin. Love, however, belongs to who he is in himself in the undivided communion of the three persons.“ (S. 477)

Das Buch ist ein echter Genuss. Es ist leicht verständlich geschrieben, wenn auch mit einigen theologischen Fachausdrücken. Diese werden jedoch bei der Einführung des jeweiligen Begriffs sehr gut, anschaulich und verständlich erklärt. Wer also einigermaßen geübt ist im Lesen von englischen Texten und die Angst vor den Fremdwörtern überwinden kann, wird das Buch auch ohne theologische Vorbildung verstehen. Außerdem ist nach den zwei Appendizes (Anhängen) auch ein Glossar angehängt, in welchem die Fremdwörter auf insgesamt 7 Seiten noch einmal erklärt werden. Auch hier wieder verständlich und einfach. Auch ist das ganze Buch von Bibelzitaten geradezu durchtränkt und hat mich immer wieder in Lobpreis geführt beim Lesen. Es ist auch wohltuend, wie Letham sich konstruktiv-kritisch mit den Beiträgen auseinandersetzt. Es geht ihm nicht um das Abkanzeln bestimmter Autoren, sondern er sucht das Gespräch mit den Büchern der einzelnen Autoren und setzt sich wirklich konstruktiv mit ihnen auseinander. Davon will ich mir noch eine Scheibe abschneiden.

Zwei kleine Mängel sind mir dennoch aufgefallen. Zunächst gibt es Abschnitte im Buch, die mehrmals mehr oder weniger eins zu eins identisch übernommen werden. So etwa wichtige Zitate von den kappadozischen Vätern. Eins davon erscheint in der Einleitung, dann im Kapitel über die Kappadozier und im letzten Teil des Buches, bei der praktischen Anwendung gleich noch ein drittes Mal. Mit einzelnen anderen Abschnitten verfährt Letham ähnlich. Das fand ich etwas schade. Auch die Auswahl der Theologen – gerade was Mittelalter und Reformation, sowie die Zeit danach betrifft, empfand ich als etwas dürftig. Warum bei der Behandlung der Reformation etwa Martin Luther, Huldrych Zwingli oder Heinrich Bullinger gänzlich außen vor gelassen wurden, konnte ich nicht verstehen. Ebensowenig die Aussage, dass John Owen und Jonathan Edwards keine nennenswerten neuen Beiträge zur Lehre von der Dreieinigkeit beigetragen hätten (vgl. S. X im Vorwort), kann ich nicht unterschreiben.

Davon abgesehen möchte ich das Buch sehr empfehlen. Es wäre außerdem zu wünschen, dass das Buch auf Deutsch übersetzt und herausgegeben werden könnte.

Montag, 27. Oktober 2014

Geschichten des Aufbruchs – ein Rückblick

Am Ende eines jeden Buches bleibt die Aufgabe, das Brauchbare herauszufischen und Schlüsse zu ziehen aus dem, was man gelesen hat. Verschiedene Dinge sind mir dabei wichtig geworden, weshalb ich sie etwas ausführen möchte.

Was nehme ich mit?
Ich finde es ermutigend, dass Menschen den Mut haben, bestimmte Dinge in Frage zu stellen. Diese Fragen sind wichtig. Wir brauchen Fragen. Wir brauchen Zweifel. Wir brauchen die Suche nach neuen Wegen des Ausdrucks, das Gespräch mit der Gesellschaft. Wir brauchen eine neue Liebe zur Kunst, eine Leidenschaft für das Schöne und das Künstlerische. Unbedingt! Ich habe mit Spencer Burke geweint, als er sehen musste, dass die Menschen in der Gemeinde die Welt der Künstler nicht verstehen konnten und umgekehrt. Das hat mich mitgenommen – und ich teile seine Gefühle hierin absolut.

Auch das, was im Buch häufig als „Reduktionismus“ bezeichnet wird, nämlich ein verkürztes Verständnis des Evangeliums, nach welchem man durch Ja-Sagen und Nachsprechen von einer Art „Übergabegebet“ gerettet wird, sehe ich ebenso kritisch wie die Autoren des Buches. Hieran muss ganz dringend gearbeitet werden, dass unser Verständnis von Evangelisation, Wiedergeburt und Bekehrung wieder vollständig wird.

Ebenso sehe ich die Wichtigkeit der Gemeinschaft, des Zusammenlebens, gegenseitiger Ehrlichkeit und Offenheit. Unser Leben kann und soll anziehend werden – attraktiv für Menschen. Auch dieser Punkt hat mich sehr positiv angesprochen. Allerdings ist ein solches Zusammenleben und Vorleben auch in schon längst bestehenden Gemeinden möglich. Das ist kein Alleinstellungsmerkmal emergenter Gemeindeformen.


Was muss ich am Buch kritisieren?

1. Krisen- und Opfermentalität
Im Mittelpunkt dieser Geschichten steht immer eine „Krise“. Viele der Autoren sind Menschen, die sich selbst als Opfer von („traditionellen“) Gemeinden sehen und sich selbst auch ganz bewusst als solche stilisieren. In unserer Zeit hat das Opfer immer recht – egal, ob es die sich vom Patriarchat unterdrückt fühlenden Frauen sind, die nach einer Quote schreien, oder vermeintliche Opfer des – oft sehr diffus verstandenen - „Modernismus“ der Gemeinden. Wer eine Krise durchmacht, ist ein Opfer, und Opfer verlangen, dass man ihnen recht gibt. Wer ihnen zu widersprechen wagt, wird der Seite der Unterdrücker zugerechnet. Es findet eine kolossale Emotionalisierung jeder Debatte statt, weil sich das Opfer ja emotional angegriffen fühlt. So wird jede sachliche Diskussion verunmöglicht. Das ist heutzutage allgemein eine sehr beliebte Strategie, um recht zu bekommen.

2. Viele Fragen – keine Antworten
Die Geschichten sind voll von Protest. Sie werfen viele Fragen auf, was an sich etwas Gutes ist. Ich bin für vieles dankbar, was in den Geschichten als Fragen auftaucht. Das Problem liegt woanders begraben: Die Fragen werden nur aufgeworfen, ohne Antworten zu geben. Zuweilen scheint es so, als wollte man ganz bewusst keine Antworten geben. Es wird gegen alles protestiert, was man so als „status quo“ in traditionellen Gemeinden zu entdecken glaubte. Alles, was bisher „normal“ war, ist automatisch schlecht. Man bricht auf, nach irgendwo im Nirgendwo, ziellos, frei von allen Antworten, frei von jedem Ziel. Diese Freiheit wird gefeiert, auch wenn – oder gerade weil? - sie in vielen Fällen zu zweifelhaften Irrwegen führt. So etwa zu esoterischen Indianerritualen bei Spencer Burke und manches mehr. Man will neue Wege finden, indem alle biblischen und historischen Leitplanken in Frage gestellt werden – und landet so irgendwann am Abgrund, wo das Zentrum der Geschichte und des christlichen Glaubens verschwunden sind. Einige der Autoren tragen eine große Verantwortung, weil sie Funktionen der Leitung innehatten oder noch immer haben. Menschen sehen zu ihnen auf, nehmen sie als ihre Vorbilder. Was sie die Menschen mit ihren Geschichten lehren, ist, dass es auf die Fragen keine echten Antworten gibt. Jeder Mensch müsse die Antworten selbst finden, aber es gibt ja noch nicht einmal echte Hinweise darauf, wo man Antworten finden kann.

3. Vermeintliche Gegensätze
Sehr beliebt ist das Konstruieren von vermeintlichen Gegensätzen – so etwa, wie bereits bemerkt, im Untertitel des Buches „Moving from Absolute to Authentic“. Etwas Absolutes ist nicht per se ein Gegensatz zu etwas Authentischem, also etwas Echtem. So wird immer wieder eine Art Gegensatzpaar zwischen Dingen hergestellt, die eigentlich überhaupt keine Gegensätze sind – und noch nicht einmal Widersprüche enthalten.

4. Neue babylonische Sprachverwirrung
Statt anerkennen zu können, dass Gott die Sprache und Worte als Medium für Seine Offenbarung ausgewählt hat, wird die Sprache von Grund auf dekonstruiert und neu mit Inhalten gefüllt. Es wimmelt von Begriffen, die der Bibel und der Theologie entnommen sind – wofür sie jedoch gebraucht werden, ist ganz unterschiedlich. So sprechen zahlreiche Autoren vom Heil, von der Gnade, vom Reich Gottes, vom Evangelium, und so weiter. Doch keiner traut sich, diese Begriffe zu definieren. So kann sie jeder selbst mit den Inhalten füllen, die ihm behagen. Diese radikale Dekonstruktion von bekannten Begriffen führt zu einer neuen Art der babylonischen Sprachverwirrung – allerdings in einem weitaus alarmierenderen Grad: Wusste doch beim Original jeder sofort, dass er seine Mitmenschen nicht mehr verstehen kann, ist dieses Wissen nunmehr verschwunden. Da jeder die Begriffe an sich kennt, sie jedoch unterschiedlich füllt, sind Missverständnisse geradezu vorprogrammiert. Wer nur irgendwo die Vorsilbe „Post-“ voranstellt, ist aus dem Schneider. Er kann dann jedes Wort, das er damit versieht, ganz genau so interpretieren, wie es ihm gerade in den Kram passt – und er ist immun gegen jeden Widerspruch. Ich glaube, wir brauchen eine post-emergente Bewegung.


Samstag, 25. Oktober 2014

Bibliothek des Weltliteratur 3: Homers Odyssee

Schon wieder Homer? Mag sich der Leser fragen, der gut aufgepasst hat. Im letzten Monat bin ich kurz auf Homers Buch Ilias eingegangen. Die Odyssee ist gewissermaßen der Nachfolgeband der Ilias. Und dann doch auch wieder nicht. Es sind beides eigenständige Bücher, bei denen jeweils andere Personen und Ereignisse im Zentrum stehen. Ist Odysseus in der Ilias eine zwar wichtige, aber dennoch eher nebensächliche Figur, rückt er in der Odyssee in den Mittelpunkt. Die Ilias hört auf, bevor der Trojanische Krieg zu Ende ist. Man weiß noch nicht, wie er ausgeht. In der Odyssee erfährt man davon – allerdings erst nach einer Weile.

Die Odyssee ist spannend geschrieben – und zuweilen auch ein wenig verwirrend. Das ist Absicht, es gehört zu Homers Schreibstil, dass er gern mit Rückblicken und Parallelhandlungen arbeitet. So ist das Buch nicht linear aufgebaut, sondern eher wie ein Krimi, wo auch oft mit Rückblenden gearbeitet wird.

Am Anfang der Geschichte ist Odysseus auf der Insel Ogygia, wo ihn die Meernymphe Kalypso in einer Art Gefangenschaft hält. Bereits seit sieben Jahren befindet er sich dort, als die Götter auf dem Olymp beschließen, Odysseus soll befreit werden und nach Hause zurückkehren können. In der Zwischenzeit ist Telemachos, der Sohn von Odysseus, in Ithaka. Seine Mutter Penelope wird von vielen Männern bestürmt, die sie heiraten wollen. Sie jedoch will auf ihren Mann Odysseus warten. Die Göttin Pallas Athene geht nun zu Telemachos und erklärt ihm, dass sein Vater bald nach Hause kommen werde. Sie macht ihm damit Mut, seine Mutter weiterhin zu unterstützen und treu auf Odysseus zu warten.

Dann schickt der Göttervater Zeus seinen Boten Hermes los, um Kalypso klar zu machen, dass sie jetzt endlich Odysseus loslassen muss. Endlich lässt sie ihn ziehen. Odysseus baut sich ein Floß, mit dem er das Meer durchqueren will. Doch der Meeresgott Poseidon schickt einen Sturm – und das Floß kentert. Mit letzter Mühe kann sich unser Held auf das Festland Scheria retten. Dort ist die Heimat der Phaiaken. Er trifft Nausikaa, die Tochter des Phaiakenkönigs Alkinoos. Sie nimmt ihn in das Vaterhaus mit und damit beginnt der Hauptteil der Geschichte, nämlich die Erzählungen der Irrfahrt von Odysseus. Nun berichtet er von seinen Erlebnissen, die er mit Riesen, Zauberinnen, Sirenen, Rindern oder auch mal mit der griechischen Unterwelt, dem Hades, gemacht hat. Dieser Teil ist sehr unterhaltsam und bisweilen auch ein wenig spöttisch zu lesen.

Ab dem 13. Teil des Buches wird die Rahmenhandlung wieder aufgenommen. Odysseus ist nun zu Ende mit seiner Erzählung und wird nach Ithaka zu seiner Familie gebracht. Doch – Moment mal, da kommt er nicht einfach hin. Dort ist nämlich eine ganze Horde von Freiern, die noch immer seine Frau Penelope belagern. Odysseus ist noch nicht stark genug, um es mit ihnen aufzunehmen. So kommt Pallas Athene ein weiteres Mal und verwandelt ihn in einen Bettler. Als solcher kehrt er in sein eigenes Haus zurück, wo ihn niemand erkennt, stärkt sich und bereitet sich darauf vor, die Freier zu bekämpfen.

Am Ende besiegt er seine Feinde mit dem Bogen und gibt sich nun endlich auch seiner Frau zu erkennen. Diese jedoch will ihm erst gar nicht glauben. Sie wendet eine List an, indem sie befiehlt, man möge ihm das Bett, das inzwischen draußen stünde, vorbereiten. Daraufhin ist er gekränkt, weil er davon ausging, dass sein Bett noch immer an der alten Stelle war: „O Frau! Wahrhaftig! Ein herzkränkendes Wort hast du da gesprochen! Wer hat mir das Bett woanders hingestellt? Schwer wäre es, und wäre er auch noch so kundig, wenn nicht ein Gott selbst käme und es nach seinem Willen leicht an eine andere Stelle setzte. [...]“ (S. 301) Daran erkannte sie, dass es tatsächlich ihr Odysseus war – die Rückkehr ist nach langen 20 Jahren endlich vollendet.

Die Odyssee ist ein Roman. Ein Helden-Epos. Eine erfundene Geschichte. So viel ist klar. Und doch ist sie zugleich eine Geschichte, die von großer Menschenkenntnis zeugt. Es werden viele menschliche Leidenschaften angesprochen und der Umgang damit. Mich persönlich bewegt die von Homer erzählte große Treue von Odysseus und Penelope. Zunächst ist da die Frau, die 20 Jahre nach dem Fortgang ihres Mannes in den Krieg auf ihn wartete, obwohl sich ihre Halle Tag für Tag mit einer großen Auswahl an Männern füllte, die sie alle heiraten wollten. Sie hätte sich bloß für einen von ihnen entscheiden müssen. Ihr Mann war verschollen, von den meisten seiner Kollegen im Krieg war schon längst die Kunde ihres Todes im Umlauf. Und sie wartete geduldig auf ihren Mann. Und dann ist da der große Held Odysseus, der starke Mann, der alles tat, um möglichst schnell zu seiner Frau nach Hause kommen zu können. Auch er war begehrt – er hatte unterwegs viele Möglichkeiten, sich zu verweilen.

Und dann gibt es auch in dieser Geschichte eine Menge, die wir fürs Leben als Nachfolger Jesu Christi lernen können. Manchmal ist die Sünde wie die Sirenen in der Odyssee. Es gibt zwei Arten, wie man sich vor ihnen schützen kann: Entweder man verstopft sich die Ohren und hört nicht hin, oder aber man lässt sich an den Schiffsmast fesseln. Das Zweite kommt jedoch auch bei Odysseus einer Folter gleich. Die Sirenen singen, rufen und locken unwiderstehlich. So ist auch die Sünde. Wenn wir unsere Ohren und Gedanken nicht mit etwas Besserem verstopfen, wird sie uns foltern – oder auf den Klippen auflaufen lassen.


Montag, 20. Oktober 2014

Timotheus Magazin #17: Die Auferstehung

Schon ein paar Tage lag sie jetzt ungeöffnet herum – nicht etwa weil sie mich nicht angesprochen hätte, im Gegenteil, aber zuerst musste ich einmal die Zeit finden, um mir die neue Ausgabe zu Gemüte zu führen. Dazu vielleicht ein kleines persönliches Geständnis am Rande: Ich bin durch und durch ein Genießer, der die Zeit und Ruhe braucht, um sich eines neuen Kunstwerks anzunehmen. Und darum handelt es sich ja bekanntlich nicht nur bei Filmen, Musik, Bildern oder Theaterstücken, sondern auch bei Büchern und Zeitschriften.


Das Titelbild ist schon ein Kunstwerk für sich gesehen. Unschwer lässt sich eine Szene der Bibel ermitteln: Petrus und Johannes im leeren Grab. Das Bild ist liebevoll gestaltet, den Gesichtern sieht man den Schrecken, bzw. das Erstaunen an. Die Perspektive ist mit den hellen und dunklen Bereichen sehr schön herausgearbeitet, obschon man sieht, dass hinter der Gestaltung nicht der Perfektionismus, sondern die Experimentierfreude sitzt. Meine persönliche Meinung: Noch besser geht fast nicht. Auch der übrige Aufbau der Titelseite macht mit seinem wohltuend zurückhaltenden Layout viel Freude. Liebes Team des Timotheus-Magazin, gerne mehr davon!

Auch das Editorial macht Lust auf mehr. Mehr von dieser Macht der Auferstehung zu lesen oder zu hören. Peter Voth schreibt: „Die Auferstehung Jesu Christi ist nicht nur ein historisches Faktum, sondern eine geistliche Realität, die ganz wesentlich bestimmt, wie ich meinen Weg in der Nachfolge Tag für Tag gehe.“ (S. 2) Zunächst mal mein „Amen“ dazu! Nun bleibt die Frage, ob es den Artikeln im Einzelnen gelingt, diese praktischen Konsequenzen der Auferstehung lebbar herauszuarbeiten.

Was bringt mir die Auferstehung? (S. 4 – 7) von Benjamin Schmidt
Der erste Artikel nähert sich der Frage von der Auferstehung vom Heidelberger Katechismus her. Ich habe mich an der Stelle über die Reihenfolge der Artikel gewundert. Ich denke, dass es damit zusammenhängt, dass man mit einem möglichst praktischen Artikel anfangen wollte. Das ist legitim so, aber ich persönlich hätte eher einen Grundsatzartikel wie „Das Faktum der Auferstehung“ an den Anfang genommen und den kirchengeschichtlichen Beitrag (ein solcher ist ja die Näherung vom Heidelberger Katechismus bekanntlich) gegen Ende des Heftes gelegt. Aber nun sei es wie es sei, der Artikel selbst gefällt mir gut. Er zeigt anhand der Frage 45 des Heidelberger Katechismus und seiner Antwort drei Bereiche, in denen die Auferstehung Jesu uns ganz praktisch zugute kommt: Die Rechtfertigung, die Ermöglichung der Wiedergeburt und die Gewissheit des ewigen Lebens. Zu jeder der drei Teilantworten wird ausgeführt, was das für unser tägliches Leben bedeutet.

Auferstehung im Hier und Jetzt (S. 8 – 11) von Waldemar Justus
Im zweiten Artikel beschreibt Waldemar Justus sehr schön, was es bedeutet, dass der Tod und die Auferstehung Jesu vollbracht ist. Anhand des Fußballvereins Bayern München, dessen Meistertitel im Frühjahr bereits 7 Spieltage vor Ende der Saison klar wurde, zeigt er auf, dass auch unsere Auferstehung mit Jesus bereits Wirklichkeit geworden ist. Es ist vollbracht. Zwar müssen auch wir noch 7 Spieltage mitspielen (vielleicht auch 60 oder 90 Jahre lang?), aber der Sieg ist vollbracht, es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis uns der Pokal (oder die Krone des ewigen Lebens) überreicht wird. Super Artikel!

Brannte nicht unser Herz? (S. 12 – 15) von Ron Kubsch
Auch der dritte Artikel ist äußerst lesenswert. Ron Kubsch erklärt die Bedeutung der Auferstehung anhand des Geschehens mit den zwei Jüngern, die auf dem Weg nach Emmaus sind. „Jesus macht den Männern klar, dass der schriftgemäße Glaube an eine viel umfassendere Erlösungshoffnung anknüpft als an die Hoffnung auf ein irdisches neues Reich. Das ganze Alte Testament weist auf ihn als Messias hin (vgl. Johannes 7,38). Jesu Leid und Tod am Kreuz sind der Weg der Erlösung, so beginnt die Herrschaft Jesu in Herrlichkeit.“ (S. 14)

Das Faktum der Auferstehung (S. 16 – 19) von Daniel Facius
Vermutlich hätte ich diesen Artikel an den Anfang gestellt. Der Autor, Daniel Facius, beschäftigt sich mit der Frage nach dem historischen Geschehen und der Nachweisbarkeit der tatsächlichen Auferstehung. In Anbetracht des geringen Platzes fällt die Auseinandersetzung mit den Berichten von der Auferstehung leider etwas kurz aus. Dennoch ist der Artikel ermutigend und macht bestimmt manch einem Leser Appetit auf eine längere Auseinandersetzung damit. Ich empfehle dafür etwa das Buch, das auch als erste Fußnote im Artikel erscheint: Josh McDowell – Die Tatsache der Auferstehung.

Reformation braucht mehr als einen Josia (S. 20 – 23) von Jochen Klautke
Der nächste Artikel hat nichts mit der Auferstehung zu tun – zumindest nicht direkt. Es geht um Josia und um Reformation. Josia war ein guter König, der Reformation brachte. Aber – wie es im Artikel heißt - „Wahre Reformation braucht mehr als einen Josia.“ (S. 23) Für wahre Reformation braucht es einen Jesus Christus, einen Messias, einen Erlöser. Deshalb ist Jesus Christus auch der eine, wahre Josia, der wahre König und Reformator. Zu allen Zeiten.

Auferstehung im AT (S. 24 – 27) von Andreas Münch
Was im Artikel über die Emmausjünger angedeutet wird, entfaltet sich im letzten Artikel von Andreas Münch. Er geht der Frage nach, wo das Alte Testament bereits von der Auferstehung spricht. In der kanonischen Reihenfolge sucht er nach Hinweisen: Bei Mose, Hiob, David, Jesaja und Daniel gibt es sehr konkrete Vorstellungen von einer Auferstehung. Auch dieser Artikel hat mich sehr angesprochen, da ich die ganzen AT-Belege einer Auferstehungshoffnung noch nie in einer solchen Dichte gesehen habe. Prädikat: Lesenswert!

Insgesamt gesehen ist diese Ausgabe m.E. Eine der reifsten mit einem hohen Niveau. Praktisch, gut verständlich, aber auch nahe an der Bibel gehen die Beiträge auf das Thema ein. Einmal mehr hat Timotheus Magazin es geschafft, eine Ausgabe zu gestalten, die den Ansprüchen gerecht wird, die sie an sich selbst stellt. Wie ich bereits bei den Artikeln anmerkte, hat mich die Reihenfolge etwas irritiert. Davon abgesehen jedoch eine rundum gelungene Ausgabe. Wer die Zeitschrift noch nicht abonniert hat, kann dies hier tun.



Mittwoch, 15. Oktober 2014

Geschichten von Glaubenskrisen

Der dritte und letzte Hauptteil des Buches beinhaltet vier persönliche Geschichten, die sich um Glaubenskrisen drehen.

Brad Cecil - „Ich sagte dir, wir waren nicht verrückt!“
Den Anfangspunkt seiner Glaubenskrise sieht Brad Cecil in den Worten seines Professors im theologischen Seminar: „Man könnte es so interpretieren, aber es wäre falsch.“ (S. 166) Ihm wurde klar, dass man, um diesem Professor zustimmen zu können, von den gleichen Voraussetzungen ausgehen muss. Dies begann Cecil, der sich bis damals als „evangelical of the fundamentalist persuasion“ mit „[...] evidentiary apologetics, fundamentalism, literalism, dispensationalism, conservative theology, and evangelical eschatology“ (S. 167) bezeichnete, herauszufordern. Auf der Reise, die damit begann, wurde er zu einem Vertreter des Postmodernismus.

Auf seiner Suche kam er von Ludwig Wittgenstein über Jacques Derrida zu Richard Rorty. Da es in seiner Gemeinde damals (1995) zu wenig junge Erwachsene gab, begann er mit einer neuen Art von Gottesdiensten, die hauptsächlich auf „sharing life with people“ (S. 172) baute. Dies baute auf einem neuen Konzept von Wahrheit auf: „The new understanding of truth means that you cannot obtain truth if you aren't participating in community. A new concept of truth has emerged: community equals truth.“ (S. 175)

Hierzu gäbe es eine Menge zu sagen. Ich spare mir das Meiste für einen späteren Post, nur ein kurzer Gedanke dazu: Die Emerging Church hat die Wichtigkeit der Gemeinschaft nicht für sich gepachtet. Schon lange davor, mitten im Zeitalter der Moderne, gab es diese Gemeinschaft. Man erinnere sich zum Beispiel nur an L'Abri und Francis und Edith Schaeffer.


Jay Bakker – Schockierende, unerwartete Gnade
Bakker war der Sohn der ehemaligen Televangelisten Jim und Tammy Bakker, die auf dem Sender CBN ihre Show „PTL“ (Praise The Lord) hatten. Als Jay 11 Jahre alt waren, kam so einiges über seine Eltern ans Tageslicht – der Vater kam ins Gefängnis und die Mutter ließ sich einige Jahre später scheiden.

Jay Bakker erlebte Gott in seiner Kindheit vor allem als Auge. Gott sieht alles, und wir müssen immer bereit sein, wenn Jesus wiederkommt. Durch den Skandal mit seinen Eltern verlor Bakker seine gesamte Identität – plötzlich wollte niemand mehr etwas mit ihm zu tun haben. Er übernahm eine Stelle in der Jugendarbeit, und doch hatte er die ganze Zeit Angst davor, einen Fehler zu machen.

Die Worte, die sein Leben veränderten, waren: „Even if you're out here smoking cigarettes, God still loves you!“ (S. 186) Er begann, die Bibel für sich selbst zu lesen und sie sich selbst zuzusagen. Und hier liegt ein großes „Geheimnis“. Wir alle brauchen unser ganzes Leben lang, uns selbst immer wieder die Bibel zuzusprechen. Wir haben die Aufgabe, uns selbst das Evangelium zu predigen. Der Glaube kommt aus der Predigt, die Predigt aus Gottes Wort.

Deshalb nennt Bakker sein Kapitel auch „Schockierende, unerwartete Gnade“ und ich denke, dass es insgesamt ein gutes, wertvolles Kapitel ist. Ich bin der Meinung, dass er mit manchen Sätzen auf der anderen Seite vom Pferd fällt, aber es ist einiges echt gut, sodass wir davon ruhig lernen dürfen. Alles prüfen und das Gute behalten ist in unserer Zeit ganz besonders wichtig. Zu oft wird alles ungeprüft angenommen oder alles ungeprüft verworfen.


George R. Baum – Aus dem Wasser auftauchend
Baum wuchs in einer lutheranischen Gemeinde auf – und war immer wieder erstaunt, wie oft man ihm dort sagte: „Erinnere dich an deine Taufe!“, denn diese fand in einem Alter statt, an das man sich ja keinesfalls erinnern konnte. Christsein hatte für ihn vor allem mit Regeln zu tun: „It seemed to me that what folks really wanted to see in my relationship with God was good behaviour. Doing the right thing didn't seem to be related to any earthly rewards (other than the obvious ability to sit down comfortably), but I was struck deep with the notion that God wanted me to behave.“ (S. 194)

Baum kommt immer wieder auf den „Sack O' Faith“ zu sprechen. Mit diesem „Sack des Glaubens“ meint er die Gesamtheit dessen, was er zu glauben gelehrt hat. Der Rucksack, in dem sein Glaube aufbewahrt wird, könnte man sagen. Er wollte allerdings nicht wissen, was in diesem Rucksack drin ist – denn es machte ihm Angst.

Doch es kam, wie es kommen musste: Als sein Bruder an AIDS erkrankte, geriet er in eine Krise, in der er sich bewusst wurde, was in seinem „Sack O'Faith“ war: „As I looked in my bag of religious phrases and philosophies I came up empty.“ (S. 196) Baum wurde sich bewusst, dass er sich in einem Zustand befand, den die Bibel mit „geistlich tot“ beschreibt. Durch das Lesen von Lazarus, der von den Toten auferweckt wurde, fasste er Hoffnung und kam zum Glauben: „It was the story of Lazarus to which I clung, for many reasons. First and foremost, Lazarus didn't bring himself out of the grave. Nobody blamed him for being dead, though they did sort of blame Jesus, I suppose. But all Lazarus did was die and then come out when Jesus called.“ (S. 200)

So bekam das Totsein und Auftauchen aus dem Wasser in der Taufe für ihn eine ganz neue und echt lebendige Bedeutung, wie Paulus dies in Römer 6, 3 – 6 beschreibt. Erinnere dich an deine Taufe!


Parush R. Parushev – Glaube, der zählt, in der Kultur von Gespenstern
In Bulgarien kurz nach dem 2. Weltkrieg geboren, wuchs Parushev in einer Familie von fanatischen Kommunisten auf. Er selbst gab sich diesem Glauben an den Kommunismus auch hin – bis zu dem einen Moment, in welchem er katholischen Gläubigen aus Polen begegnete. Was ihn beeindruckte, war, dass sie ein ganz anderes Leben lebten: „This is how, upon meeting those Polish believers, it occurred to me that something was wrong with the beliefs of my family. Although two generations before me were ready to die for their beliefs, Communism wasn't enough to regenerate the lives of others. In fact, the moral life of the socialist community I was living in was degenerating every year.“ (S. 208)

Er und seine Frau fanden den Weg zu den Gemeinschaften der Baptisten und Pfingstler. Dieses Erlebnis beschreibt er folgendermaßen: „Something new entered our life. It began with a real conversion experience out of which came a sense that a new reality, not human-made, was emerging. We encountered the presence of a Ghost who was real, the Holy Spirit of God himself. In the world around us – about to fall apart – that presence was bringing new meaning into our lives, with wholeness, joy, and fulfilling hope.“ (S. 212)

Sie gingen dann zusammen in die USA, um dort Theologie zu studieren. Nach dem Studium kamen sie nach Europa zurück und versuchen, der Kirche hier zu helfen, mit den Schwierigkeiten einer nachchristlichen Gesellschaft klarzukommen: „Now in many parts of Europe the church has to learn to be a minority, witnessing to a culture that is increasingly secularist and aggressively antireligious.“ (S. 217)

Montag, 13. Oktober 2014

20. Loßburger Waldlauf...

... und ich mitten drin :D

Am Samstag, dem 11.10.2014 fand bereits zum 20. Mal der Loßburger Waldlauf statt. Da ich gerne jogge und laufe, hat mich dieses Ereignis schon länger interessiert, aber zum ersten Mal konnte ich live dabei sein.

Über 300 Läufer haben sich im Voraus angemeldet - davon gut die Hälfte für den Hauptlauf über 10,3km. Da ich in letzter Zeit aber nicht wirklich zum Trainieren gekommen bin, habe ich mich für die kürzere Strecke angemeldet: Den "Jedermannslauf" über 3'180m.

Der Samstagvormittag war kühl und regnerisch, gegen Mittag hörte der Regen auf, allerdings war der Untergrund nach wie vor feucht und deshalb auch rutschig. Um 13:15 Uhr war der Start meines Laufs - für diesen waren 32 Personen gemeldet.

 Hier noch vor dem ersten Start.



 Das Bild von vor dem Lauf: Noch fit und fröhlich



 Kurz vor dem Ziel: Immer noch fröhlich aber etwas weniger fit.




 Als es auf das Ziel zuging, konnte ich kaum glauben, dass der Lauf schon zu Ende war; das letzte Stück den Berg hoch joggte ich noch mittelschnell und ließ mich zweimal überholen. Das war etwas ärgerlich. Aber für meinen Mangel an Training bin ich mit der Zeit und dem Platz für dieses Jahr zufrieden. Vielleicht nächstes Jahr beim Hauptlauf?



 Jeder erfolgreiche Teilnehmer hat ein T-Shirt bekommen. Nun denn, machen wir etwas Werbung ;-)