Freude an Gott
Wir leben in einer Zeit,
in welcher man viel davon spricht, was Gott für uns getan hat, was
Er für uns tut, was Er uns schenken möchte, was Er für uns bereit
hält – aber wo wird noch darüber gepredigt, wer und wie Gott ist?
Wo wird man noch dazu herausgefordert, sich auf den eifernden,
eifersüchtigen, feurigen, mit Inbrunst liebenden aber auch über das
Unrecht zürnenden Gott einzulassen? Es ist wunderbar, wenn wir uns
an dem erfreuen können, was Gott alles für uns tut, getan hat,
geschaffen hat – alles zu unserer Freude. Aber wie viel größer
und besser ist eine Freude an Gott um Gottes Willen! Der Herr Jesus
sagte: Selig sind, die nicht sehen und doch glauben. Heute würde Er
wohl sagen: Selig sind, die nicht empfangen und doch Freude haben!
Die schlimmste Sünde
oder anders gesagt: die Sünde schlechthin, wird in Jeremia 2, 13
genannt: „Mein Volk hat eine zweifache Sünde begangen: Mich,
die Quelle des lebendigen Wassers, haben sie verlassen, um sich
Zisternen zu graben, löchrige Zisternen, die kein Wasser halten!“
Es ist die Sünde schlechthin, Gott als die Quelle unseres Lebens zu
verlassen, um uns auf eine eigene, selbstgerechte Lebensgrundlage zu
verlassen, die kein echtes Leben bringt. Es ist die Sünde
schlechthin, Gott als die Quelle unserer Kraft zu verlassen, um uns
auf unsere eigene, menschliche Stärke zu verlassen. Es ist die Sünde
schlechthin, Gott als die Quelle unserer Freude zu verlassen, um
unseren eigenen, weltlichen Freuden einen höheren Platz einzuräumen
als Ihm, dem Herrn.
Paulus schreibt im ersten Kapitel des Römerbriefs von dieser Sünde:
„Denn es wird geoffenbart Gottes Zorn vom Himmel her über alle
Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, welche die Wahrheit
durch Ungerechtigkeit aufhalten, weil das von Gott Erkennbare unter
ihnen offenbar ist, da Gott es ihnen offenbar gemacht hat; denn sein
unsichtbares Wesen, nämlich seine ewige Kraft und Gottheit, wird
seit Erschaffung der Welt an den Werken durch Nachdenken
wahrgenommen, so daß sie keine Entschuldigung haben. Denn obgleich
sie Gott erkannten, haben sie ihn doch nicht als Gott geehrt und ihm
nicht gedankt, sondern sind in ihren Gedanken in nichtigen Wahn
verfallen, und ihr unverständiges Herz wurde verfinstert. Da sie
sich für weise hielten, sind sie zu Narren geworden und haben die
Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes vertauscht mit einem Bild,
das dem vergänglichen Menschen, den Vögeln und vierfüßigen und
kriechenden Tieren gleicht.“ Was
die Menschen also getan haben, war genau dies, was Gott dem Volk
Israel durch Jeremia vorwirft: Sie haben Gott als Quelle von allem
Guten verlassen und stattdessen die Schöpfung angebetet. Die
Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes vertauscht mit der
Schöpfung! Und hier kommt nun, was uns alle das angeht: Wie viele
Christen freuen sich mehr über die Erlösung, über die
Geistesgaben, über die Vollmacht, die Gott ihnen gibt, über ihren
Mund, mit dem sie Gott bezeugen können oder über ihre
Gelehrsamkeit, mit der sie über göttliche Dinge philosophieren
können, als über Gott Selbst! Da sie sich für weise hielten, sind
sie zu Narren geworden. Da geht es nicht einfach nur um „die
Ungläubigen da draußen“, nein, da sind wir alle herausgefordert,
uns zu prüfen!
Eines Tages, wenn die
ganzen Gerichte vorbei sein werden, und die Ewigkeit begonnen hat,
dann werden wir sehen, wie das sein wird. Dann wird die Erlösung
nicht mehr nötig sein, denn es wird in Gottes Gegenwart nur noch
Erlöste geben. Es werden keine Geistesgaben mehr gebraucht, denn
Gottes Reich wird vollkommen zu Ende gebaut sein. Es wird auch kein
scharfsinniges Nachdenken oder ein gutes Mundwerk mehr nötig sein.
Das Einzige, was dann noch zählen wird, ist die Frage, ob wir
gelernt haben, Gott als Quelle unserer Freude zu sehen und zu
genießen. Das höchste Ziel des Menschen ist es, Gott zu erkennen
und sich an Ihm zu erfreuen. Und je mehr wir uns an Ihm erfreuen,
desto mehr ist Er geehrt. Das heißt nun für uns, dass tatsächlich
die Freude am Herrn unsere Stärke ist, und wenn wir zu Gottes Ehre
leben wollen, sind wir dazu herausgefordert, diese Freude am Herrn zu
suchen und darin zu wachsen. Wenn am Schluss eine Ewigkeit lang (und
die ist dann doch eine recht lange Dauer) nur noch Gott da ist, wird
sich zeigen, ob wir dies gelernt haben. Und ich kann mir vorstellen,
dass es für manche von uns, die sich nie darum gekümmert haben,
sondern immer nur die weltliche Freude oder die Freude an der
Schöpfung und an den Gaben Gottes kennengelernt haben, wird diese
Zeit wohl auch nicht ganz einfach sein.
Unsere Zeit prägt uns zu
einer Konsumgesellschaft, die sich an dem erfreut, was man schnell
haben kann. Freude an Gott ist nichts, was einem einfach so zufliegt.
Man kann sie auch nicht kaufen. Sie will erarbeitet werden. Aber sie
ist es wert, erarbeitet zu werden, denn sie ist es, was in der
Ewigkeit bleibenden Bestand haben wird.
Gottes Befehl an uns,
dass wir uns zu jeder Zeit freuen sollen, ist gewissermaßen ein
Dilemma, in dem wir alle stecken. Denn niemand kann Freude "machen".
Freude ist eine Frucht des Geistes, und kann deshalb nur empfangen
werden. So, wie der Baum sich nicht entscheiden kann, im Frühjahr
Frucht zu tragen, ist es auch für uns nicht möglich, Freude durch
einen reinen Akt des Willens zu empfangen. Sonst wäre es keine
Frucht des Geistes, sondern eine Frucht des Willens. Nun haben wir
einerseits also einen Befehl, der uns sagt, dass wir uns allezeit
freuen sollen, andererseits aber keine Möglichkeit, diesen Befehl
aus eigener Kraft zu befolgen. Ich glaube, dieses Dilemma ist eben
gerade deshalb perfekt für uns gemacht, weil es uns in die
Ver-Zwei-flung und in die Ent-Täuschung treiben soll.
Die Verzweiflung ist der
Zustand, in welchem wir gewahr werden, dass es zwei (oder mehr) Dinge
gibt, die man tun sollte, aber unter keinen Umständen selbst
zusammenbringen kann. Deshalb ist Verzweiflung der Zustand der
äußersten Not des Hin- und Hergerissenseins zwischen zwei oder mehr
Möglichkeiten. Zugleich bewirkt es auch Ent-Täuschung, also den
Zustand, der eine Selbsttäuschung beendet. Solange man meint, dass
man etwas selbst tun kann, täuscht man sich, deshalb ist diese
Enttäuschung sehr hilfreich. Der Mensch in unserer modernen
Konsumgesellschaft bildet sich sehr viel auf sich, auf seine
Erfahrung, auf seinen Verstand, auf sein Vermögen, seine Erlebnisse
und so weiter ein. Er braucht deshalb ganz dringend diesen Zustand
der Verzweiflung und der Enttäuschung, um sich ganz neu auf das
einlassen zu können, was Gott von ihm und für ihn möchte.
Noch einmal zurück zum
Thema: Freude ist eine Frucht des Geistes. Psalm 1 sagt es deutlich,
auch Jesus sprach oft von der Frucht, die wir bringen sollen. Im
ersten Psalm heißt es von dem Gläubigen, dass er wie ein Baum ist,
der an Wasserbächen gepflanzt ist und seine Frucht bringt zu seiner
Zeit. Das Bild ist perfekt zugeschnitten auf unser Leben als
Nachfolger Jesu. Betrachten wir dieses Bild aus dem ersten Psalm mal
im Detail:
- Wie ein Baum, der gepflanzt ist. Es ist ganz wichtig, dass wir uns bewusst sind: Gott hat uns da gewollt, wo wir sind. Wir sind in die richtige Zeit, in die richtige Familie, in das richtige Umfeld, an den richtigen Ort, und so weiter, hingestellt. Es ist kein Zufall, dass wir geboren wurden. Es war kein „Unglück“ oder sonst etwas Ähnliches, sondern Gott hat uns gewollt, geschaffen und an den richtigen Ort gepflanzt. Egal, wie schwierig die Menschen um uns sind, Gott hat uns genau zu ihnen geschickt, wir haben eine Verantwortung für den Umgang mit ihnen.
- Gepflanzt an Wasserbächen. Ein Baum braucht Wasser, Licht und Nährstoffe für gesundes Wachstum. Deshalb haben wir Gottes Wort bekommen, dazu die Predigt in der Gemeinde, die Gemeinschaft mit anderen Gläubigen, und so weiter. Auch unsere Gemeinde ist der Ort, an den wir gepflanzt sind. Dort gehören wir hin, denn Gott hat die Predigt von Gottes Wort dazu bestimmt, uns zu helfen, wenn es uns an Glauben mangelt.
- Damit ein Baum stark werden kann und zu einem stabilen Wurzelwerk kommen und an Stärke zunehmen, braucht er ziemlich viel Gegenwind. So sind die Schwierigkeiten in unserem Leben nicht etwa eine Strafe oder eine Art gestelltes Bein von Gott, selbst wenn uns das manchmal so vorkommt. Vielmehr dient es uns zum Besten, damit wir daran reifen, wachsen und stärker werden können.
- Damit ein Baum viel Frucht bringen kann, ist es wichtig, dass er regelmäßig „beschnitten“, also zurückgeschnitten, wird. Bei einem Baum werden nur die stärksten Äste übrig gelassen, der Rest muss tüchtig zurückgeschnitten werden, damit die Kraft des Baumes nicht für die vielen schwachen Ästchen verschwendet wird, die nur wenig Frucht tragen können. Auch in unserem Leben gibt es Dinge, darin sind wir durch Schwierigkeiten und Gegenwind schon stark gewachsen, haben darin Vertrauen auf Gott gelernt, und andere Dinge, die bringen uns immer wieder in Versuchung, ihnen mehr zu vertrauen als Gott. Von solchen Dingen sagte Jesus mal, dass wir sie abhacken und wegwerfen sollen, wenn sie uns in solche Versuchung führen. Also: Unser Auftrag ist es, auf die Sachen freiwillig zu verzichten, die uns von Gott wegführen, und über all unser Tun immer wieder mit uns selbst ins Gericht gehen, uns prüfen, was es in unserem Leben gibt, was uns verführt. Davon spricht Paulus, wenn er in Bezug auf das Herrenmahl schreibt, dass es besser sei, wenn jeder sich selbst richten würde. Wenn wir es nämlich nicht selbst – freiwillig – tun, so muss es Gott tun, denn Er wird alles tun, um uns mit Seiner Liebe festzuhalten und nicht von Ihm weglaufen zu lassen.
- Der Baum bringt Frucht zu seiner Zeit. Im Winter erholt er sich, im Frühjahr wächst er besonders stark, blüht im frühen Sommer und dann kommt die Frucht, die im Herbst dann geerntet werden kann. Die Frucht braucht ihre Zeit, aber sie kommt. Unsere Aufgabe ist es, alles aus dem Weg zu räumen, was die Frucht vom Wachsen abhalten kann. Mehr müssen wir gar nicht, ja, vielmehr: Wir können es gar nicht! Wenn wir unseren Teil dazu täglich tun und mit uns selbst ins Gericht gehen und auf das verzichten, was uns von Gott wegbringt, dann kann es gar nicht anders sein, als dass die Frucht wächst und irgendwann reif ist. Das ist das geistliche Gesetz von Saat und Ernte. Wer mit Tränen sät, wird mit Freuden ernten, sagt die Bibel. Es braucht Geduld, es braucht Ermutigung dazu, es braucht immer wieder damit weitermachen, aber gerade dadurch machen wir den Weg frei für das Wachstum der Freude in Gott.