Den folgenden Artikel habe ich für das Timotheus-Magazin #11 zum Thema "Vorbilder" geschrieben. Wer das Heft oder ein Jahresabo bestellen möchte, kann dies gerne hier tun. Ich kann es sehr empfehlen.
Jonathan
Edwards – ein Leben zur Ehre Gottes
Als Christen, die wir dem
Herrn Jesus Christus nachfolgen, wünschen wir uns doch alle, ein
Leben zur Ehre Gottes zu führen. Wenn wir darin nach einem Vorbild
suchen, werden wir in Jonathan Edwards ganz bestimmt fündig. Er war
keinesfalls perfekt, aber sein ganzes Leben war von dem Wunsch
durchdrungen, dass alles, was er tat, zur Ehre Gottes geschehen möge.
Kindheit und Jugend
Jonathan Edwards kam am
5. Oktober 1703 als fünftes Kind und einziger Sohn – ihm folgten
noch sechs weitere Schwestern – von Timothy und Esther Edwards,
geborene Stoddard, in East Windsor zur Welt. Sein Großvater
mütterlicherseits war Solomon Stoddard, der Pastor von Northampton,
dessen Nachfolger Jonathan eines Tages werden sollte. Timothy
Edwards, der Vater von Jonathan, war Prediger in East Windsor.
Zu Beginn hatte ihn sein
Vater in vielen Dingen unterrichtet, er hat also die Schulzeit zu
Hause verbracht. 1716 begann seine Zeit am College, was durch
verschiedene Umstände eine recht chaotische Zeit war. Timothy
wollte, dass sein Sohn im reformierten Glauben erzogen wurde. In
Harvard, wo er selbst diese Zeit verbracht hatte, wurden die Lehrer,
welche noch recht glaubten, durch andere ersetzt, die den
reformierten Glauben ablehnten, und den Menschen mit seinem freien
Willen in den Mittelpunkt stellten. Es musste ein neues College her.
So gründete man das College, aus welchem später die Yale-University
wurde. Jonathan war vielseitig interessiert, ein wacher Beobachter
mit einer alles durchdringenden Logik. So schrieb er schon in der
Zeit am College Abhandlungen über bestimmte Naturphänomene.
In diese Zeit am College
fällt auch seine Bekehrung. Diese muss im März 1721 stattgefunden
haben und hat sein Leben recht stark verändert. Er schreibt dazu:
„Das erste Mal erinnerte ich mich dieser Art von inwendiger,
lieblicher Freude an Gott und an göttlichen Dingen, die ich seither
vielfach genossen habe, beim Lesen folgender Worte (1. Timotheus
1,17): „Dem König der Zeitalter aber, dem unvergänglichen,
unsichtbaren, alleinigen Gott, sei Ehre und Herrlichkeit von Ewigkeit
zu Ewigkeit! Amen.“ Als ich diese Worte las, da kam in meine Seele
ein Empfinden für die Herrlichkeit des göttlichen Wesens, und es
war, als sei sie ganz davon erfüllt. Es war ein neues Empfinden,
völlig anders als alles, was ich bisher erlebt hatte. Nie kamen mir
irgendwelche Schriftstellen so vor, wie es bei diesen Worten der Fall
war. Ich dachte bei mir, welch wunderbares Wesen dies sei und wie
glücklich ich doch sein müsste, wenn ich mich dieses Gottes
erfreuen könnte und zu ihm in den Himmel entrückt würde und
gleichsam ewig in ihm aufginge! […] Ich ging zu Gott, um ihn zu
bitten, dass ich mich seiner freuen möge, und betete auf eine Weise,
die sich völlig von allem unterschied, was ich zu tun gewohnt war;
eine ganz neue Art der Herzensregung und Liebe war aufgebrochen.“i
Entschieden für Gott
In den Jahren nach seiner
Bekehrung wuchs in Jonathan das Verlangen, ein immer heiligeres Leben
führen zu können. Ein Leben, das Gott gefällt. Er wollte seinem
Herrn dienen, und das möglichst schnell. So wartete er gar nicht
erst, bis er den Master-Titel bekommen hatte, was bis 1723 gedauert
hätte, sondern ging bereits im Alter von 19 Jahren nach New York, wo
er die Arbeit eines stellvertretenden Predigers der dortigen
Presbyterianischen Kirche tat. Im August 1722 begann er seine Arbeit
in New York, welche bis im April 1723 dauerte. Er merkte sehr wohl,
dass er in vielen Dingen noch zu lernen hatte. Aus diesem Grund
begann er in der Zeit von Sommer 1722 bis im darauffolgenden Sommer,
seine Entschlüsse („Resolutions“) zu Papier zu bringen.
Innerhalb von einem Jahr wuchs das Werk auf 70 Entschlüsse, zu denen
er sich verpflichtete. Die ersten sind schon sehr deutlich: „1.
Ich verpflichte mich, dass ich alles tun werde, was immer zu Gottes
Verherrlichung dient, und zu meiner Freude, solange ich lebe,
ungeachtet des Zeitaufwands, sei es jetzt oder nie, unzählige
Zeitalter von jetzt an. Ich habe mich entschlossen, was auch immer
nötig ist, zu tun, was ich glaube, was meine Pflicht ist, und was am
meisten dem Wohl und dem Allgemeinwohl dient. Ich verpflichte mich
dazu, unabhängig davon, auf welche Weise, und auf wie viele oder wie
große Schwierigkeiten ich stoße. 2. Ich verpflichte mich, mich
fortwährend zu bemühen, neue Hilfsmittel oder Vorrichtungen zu
suchen, um die vorigen Dinge zu fördern. 3. Ich verpflichte mich,
dass, wenn ich je fallen sollte oder lau werde, d.h. wenn ich eines
dieser Dinge vernachlässigen sollte, dass ich Buße tun werde für
alles woran ich mich erinnere, sobald ich wieder zu mir komme. 4. Ich
verpflichte mich, keine Art von Dingen zu tun, weder im Geist noch
mit meinem Körper, außer dem, was Gott verherrlicht; noch werde ich
so sein, wie es Gott missfällt, noch so etwas zu dulden, wenn ich es
vermeiden kann. 5. Ich verpflichte mich, niemals einen Moment Zeit zu
verlieren, sondern Zeit, so gut ich das kann, in günstigster Weise
zu nutzen.“ii
Auf diese Art und Weise geht es weiter. Jonathan
Edwards wünschte sich nichts sehnlicher als dies, dass sein ganzes
Leben unter die Herrschaft Gottes gestellt wird. Die Deutlichkeit
dieser Entschlüsse erstaunt uns. Wir leben in einer Zeit, in der
nichts mehr gebraucht würde, als entschiedene, entschlossene
Nachfolger Christi. Deshalb wäre es von riesigem Gewinn, wenn wir
wieder beginnen würden, Edwards zu lesen, von ihm zu lernen und uns
mit seiner Entschiedenheit der Nachfolge Jesu hinzugeben.
Die große Erweckung
Nach seinem
stellvertretenden Predigtdienst in New York ging er zurück nach
Yale, wo er als Tutor arbeitete. Das heißt, er half einer Anzahl von
Studenten bei Fragen, die das Studium oder auch die persönliche
Entwicklung betraf. Dort arbeitete er und konnte in seiner Freizeit
weiter seinen Studien nachgehen. 1727 wurde er als Helfer und
Nachfolger für seinen Großvater Solomon Stoddard nach Northampton
berufen. In diesem Jahr heiratete er Sarah Pierrepont, die auch aus
einer wichtigen Predigerfamilie stammte. 1729 starb Solomon Stoddard,
von nun an war Edwards allein für die Gemeinde in Nothampton
verantwortlich. Zwei Jahre danach begann eine Bewegung im Ort: Die
Menschen begannen vermehrt nach dem Glauben zu fragen. Die Kneipe
wurde kaum noch besucht, dafür wurde an allen Orten von Gott und
seinem Wirken gesprochen. Interessant ist, dass in jener Zeit in
vielen Orten Amerikas eine ähnliche Bewegung begann, die ihren
gemeinsamen Höhepunkt in den Jahren 1741 und 1742 hatte. Diese Zeit
nennt man „The Great Awakening“ (die große Erweckung).
In jener Zeit hatte
Edwards seine berühmteste Predigt gehalten, nämlich „Sinners in
the Hands of an angry God“ (Sünder in den Händen eines zornigen
Gottes). Eine der größten Herausforderungen von Edwards, die sich
jedoch auch uns heute stellt, ist die Frage, wie man das, was die
Bibel lehrt, möglichst verständlich erklären kann. Die Bibel lehrt
den Zorn Gottes über Sünder, die nicht bereit sind, Buße zu tun.
Deshalb muss man den Menschen dies so klar machen, dass sie es
verstehen und sich zu Herzen nehmen. So predigt er über 5. Mose
32,35: „Der
Gott, der dich über dem Abgrund der Hölle festhält, so, wie man
eine Spinne oder ein widerliches Insekt über das Feuer hält, ist
furchtbar provoziert: Sein Zorn gegen dich brennt wie ein Feuer; er
sieht, dass du nichts anderes verdienst, als ins Feuer geworfen zu
werden; […] Du hast ihn unendlich mehr beleidigt, als ein Rebell
jemals seinen Fürsten beleidigen könnte; und es gibt nichts außer
Seiner Hand, was dich halten könnte, sodass du nicht jeden Moment
ins Feuer fallen könntest.“iii
Die
Auswirkungen dieser Predigten waren groß. Viele Menschen wurden sich
plötzlich schlagartig der Heiligkeit Gottes bewusst, ebenso aber
auch, dass sie selbst Sünder waren und welch eine große Kluft sich
zwischen ihnen und dem herrlichen Gott befindet. Manche begannen zu
weinen, andere schrien in ihrer Erkenntnis auf, wieder andere lachten
und freuten sich, dass sie die Erlösung annehmen durften. Das führte
aber auch zu Problemen, denn es tauchte die Frage auf, inwieweit
diese Gefühle tatsächlich die Echtheit eines Glaubens bezeugen
konnten. In der Auseinandersetzung mit dieser Frage entstand eines
seiner wichtigsten Werke: „Religious Affections“ (Religiöse
Gefühle). Hierzu muss man vorausschicken, dass Edwards wohl der
Letzte gewesen wäre, der die Gefühle als solche grundsätzlich
verdammt hätte. Für ihn gehören Gefühle zum Glauben wie das
Wasser zum Fisch. Dies wird auch in seinen Resolutions deutlich.
Gefühle führen zu Handlungen, deshalb müssen die richtigen Gefühle
gefördert werden. Ein Glaube, der nur aus den richtigen Gedanken und
Bekenntnissen besteht, ist für Edwards gar kein Glaube. So schreibt
er zu der Haltung, die alle Gefühle verwirft: „Statt
glaubensmäßige Regungen ohne Prüfung zu schätzen und zu
bewundern, verwirft und verachtet man sie ohne Prüfung. Hierin
erkennt man die List Satans … Er weiß genau, dass er auf diese
Weise alle Frömmigkeit zu einem rein äußerlichen Formalismus ohne
jedes geistliche Leben machen und die Kraft der Gottseligkeit samt
allen geistlichen Sachverhalten ausschließen kann. So wird allem
wahren Christentum die Tür verschlossen.“iv
Man
kann aber auch auf der anderen Seite vom Pferd fallen. In der Zeit
der großen Erweckung gab es zahlreiche Menschen, die Predigten vor
allem um der Gefühle willen aufgesucht haben. Manche haben gar nicht
mehr richtig gearbeitet, weil sie so verrückt nach diesen Gefühlen
waren, die manche Predigten hervorriefen. So geriet die Erweckung als
Ganzes ins Kreuzfeuer. Edwards hielt deshalb auch einmal eine
Predigt, in der er die Kennzeichen der echten Erweckung nannte: „1.
stärkt sie in den Menschen die Hochachtung vor Jesus als Sohn Gottes
und Retter der Welt. 2. führt sie dazu, dass sie sich von ihren
Verderben und Begierden weg der Gerechtigkeit Gottes zuwenden. 3.
verstärkt sie ihre Achtung vor der Heiligen Schrift. 4. erbaut sie
ihren Verstand in den objektiven Wahrheiten des offenbarten Glaubens.
5. erweckt sie echte Liebe zu Gott und den Mitmenschen.“v
Auch hier ist es an der Zeit, von Jonathan Edwards zu lernen, wenn
wir uns Erweckung wünschen. Sein Predigtstil hatte sich immer mehr
dem Werk des Heiligen Geistes angepasst, von dem der Herr Jesus
sagte: „Und
wenn jener kommt, wird er die Welt überführen von Sünde und von
Gerechtigkeit und vom Gericht.“
(Johannes 16,8) Edwards hatte erkannt: Wenn wir Erweckung wollen, so
müssen wir mit dem Geist Gottes zusammenarbeiten.
Ein Streit und seine
Folgen
Als Jonathan Edwards die
Gemeinde in Northampton übernahm, war dort von seinem Großvater die
Praxis gewesen, dass jeder beim Abendmahl teilnehmen durfte, der
nicht gerade in auffälliger Sünde gelebt hatte. Dazu muss man
natürlich wissen, dass in jener Zeit das Abendmahl nicht ein Teil
des Gottesdienstes war, sondern eine gesonderte Veranstaltung, die
alle acht Wochen stattfand. Zu dieser wurden nur die Personen
hereingelassen, die für sich eine Zulassung erbeten hatten. Nun ging
es um die Frage, wer diese Zulassung bekommen sollte. Solomon
Stoddard hatte die Gemeinde aufgefordert, dass möglichst viele zu
dieser Veranstaltung kommen mögen. Er verstand das Abendmahl als
etwas, was auch zur Bekehrung hinführen kann. Die einzige Bedingung,
die er festlegte, war ein gottgemäßes Leben. Im Laufe seines
Dienstes und seiner zunehmenden Erkenntnis von Gottes Wort kam
Jonathan Edwards zu einem anderen Ergebnis. Er erkannte, dass das
Abendmahl für die vorbehalten ist, die bereits gläubig sind. Seinen
Grundsätzen folgend, wollte er möglichst keine Zeit verlieren und
eine neue Ordnung für die Zulassung erstellen. Mit diesem Wunsch
kam eine Kontroverse zum Vorschein, die untergründig schon länger
am schwelen war. Es gab einige, die mit Edwards unzufrieden waren,
und diese Frage als Anlass nahmen, nun offen gegen ihn zu arbeiten.
Ein Gemeindeausschuss konnte sich nicht einmal einigen, ob Edwards zu
dem Thema eine öffentliche Veranstaltung einberufen durfte oder
nicht. So sah er als einzigen Ausweg die Möglichkeit, seine Sicht
der Dinge schriftlich festzuhalten. Was entstand, war ein Buch, von
dem er verlangte, dass alle, die abstimmen wollten, wie es mit der
Gemeinde weitergehen sollte, dieses zuerst lesen müssten. Kurze Zeit
darauf wurde er in Northampton abgewählt und trat im Juli 1750 von
seinem Amt zurück.
Hier sehen wir einen der
Charakterzüge, die es ihm in seinem Beruf wohl oft nicht leicht
machte. Er war sehr hilfsbereit und hatte auch oft und viele Gäste
bei sich, aber in erster Linie brannte er für Gott und für die
Heiligung seiner Gemeinde. Wo er etwas Neues erkannt hatte, musste es
möglichst schnell umgesetzt werden. Da kam wohl seine Gemeinde nicht
mehr hinterher, was zu Konflikten führte. Auch hier können wir von
ihm lernen. Es braucht Geduld, um eine ganze Gemeinde dorthin zu
führen, dass sie mit solch gravierenden Neuerungen einverstanden
ist. Vergleichbar ist dieser Konflikt zum Beispiel mit unseren
heutigen Fragen nach dem Musikstil in der Gemeinde.
Das Ende und Erbe
eines Gottesmannes
Nachdem er von seinem Amt
in Northampton zurückgetreten war, zog er nach Stockbridge um. Dies
war ein kleiner Ort, der am Rande der Wildnis lag. Hier übernahm er
eine kleine Gemeinde von Siedlern und half in der Indianermission
mit. Die Zeit dort war recht schwierig, denn er litt an finanziellen
und auch gesundheitlichen Nöten. Außerdem hatte er auch dort
Gegner, die sich gegen ihn wandten. Theologisch gesehen war die Zeit
nach dem Rücktritt in Northampton die erfolgreichste, denn in dieser
Zeit fand er Gelegenheit, um verschiedene Werke fertigzustellen und
zu schreiben. Im Alter von 55 Jahren starb er am 22. März 1758.
Die Yale-Universität hat
die ganzen Werke von Jonathan Edwards in 73 Bänden herausgegeben.
Das ist ein immenses Erbe, das wir dankbar annehmen dürfen. Seine
Biographie des Indianermissionars David Brainerd hat in vielen
Generationen dazu geführt, dass sich junge Menschen für die Mission
begeistern ließen. Seine Schriften zur Erweckung können uns auch
heute helfen, wenn wir uns Erweckung wünschen. Seine
Auseinandersetzungen mit dem freien Willen zeigt auch uns, wo die
Möglichkeiten und Grenzen des menschlichen Willens liegen. Und dass
uns seine „Resolutions“ zu einem hingegebenen,
christuszentrierten und dienstbereiten Leben anspornen mögen, das
ist mein Gebet.
Soli Deo Gloria – Gott
allein die Ehre!
Quellenangaben:
i Jonathan
Edwards, Personal Narrative in: Murray, Iain H., Jonathan Edwards –
ein Lehrer der Gnade und die große Erweckung, Christliche
Literaturverbreitung, Bielefeld, 2011, S. 71
ii Jonathan
Edwards, Resolutions, eigene Übersetzung
iii Jonathan
Edwards, The Works of Jonathan Edwards Volume Two, Sinners in the
Hands of an Angry God, eigene Übersetzung
iv Jonathan
Edwards, Religious Affections in: Murray, Iain H., Jonathan Edwards
– ein Lehrer der Gnade und die große Erweckung, Christliche
Literaturverbreitung, Bielefeld, 2011, S. 331
v Lawson,
Steven J., The Unwavering Resolve of Jonathan Edwards, Reformation
Trust Publishing, Orlando, Florida, 2008, S. 13, eigene Übersetzung