Freitag, 19. Juli 2013

Jonathan Edwards - ein Leben zur Ehre Gottes

Den folgenden Artikel habe ich für das Timotheus-Magazin #11 zum Thema "Vorbilder" geschrieben. Wer das Heft oder ein Jahresabo bestellen möchte, kann dies gerne hier tun. Ich kann es sehr empfehlen.


Jonathan Edwards – ein Leben zur Ehre Gottes

Als Christen, die wir dem Herrn Jesus Christus nachfolgen, wünschen wir uns doch alle, ein Leben zur Ehre Gottes zu führen. Wenn wir darin nach einem Vorbild suchen, werden wir in Jonathan Edwards ganz bestimmt fündig. Er war keinesfalls perfekt, aber sein ganzes Leben war von dem Wunsch durchdrungen, dass alles, was er tat, zur Ehre Gottes geschehen möge.

Kindheit und Jugend
Jonathan Edwards kam am 5. Oktober 1703 als fünftes Kind und einziger Sohn – ihm folgten noch sechs weitere Schwestern – von Timothy und Esther Edwards, geborene Stoddard, in East Windsor zur Welt. Sein Großvater mütterlicherseits war Solomon Stoddard, der Pastor von Northampton, dessen Nachfolger Jonathan eines Tages werden sollte. Timothy Edwards, der Vater von Jonathan, war Prediger in East Windsor.

Zu Beginn hatte ihn sein Vater in vielen Dingen unterrichtet, er hat also die Schulzeit zu Hause verbracht. 1716 begann seine Zeit am College, was durch verschiedene Umstände eine recht chaotische Zeit war. Timothy wollte, dass sein Sohn im reformierten Glauben erzogen wurde. In Harvard, wo er selbst diese Zeit verbracht hatte, wurden die Lehrer, welche noch recht glaubten, durch andere ersetzt, die den reformierten Glauben ablehnten, und den Menschen mit seinem freien Willen in den Mittelpunkt stellten. Es musste ein neues College her. So gründete man das College, aus welchem später die Yale-University wurde. Jonathan war vielseitig interessiert, ein wacher Beobachter mit einer alles durchdringenden Logik. So schrieb er schon in der Zeit am College Abhandlungen über bestimmte Naturphänomene.

In diese Zeit am College fällt auch seine Bekehrung. Diese muss im März 1721 stattgefunden haben und hat sein Leben recht stark verändert. Er schreibt dazu: „Das erste Mal erinnerte ich mich dieser Art von inwendiger, lieblicher Freude an Gott und an göttlichen Dingen, die ich seither vielfach genossen habe, beim Lesen folgender Worte (1. Timotheus 1,17): „Dem König der Zeitalter aber, dem unvergänglichen, unsichtbaren, alleinigen Gott, sei Ehre und Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.“ Als ich diese Worte las, da kam in meine Seele ein Empfinden für die Herrlichkeit des göttlichen Wesens, und es war, als sei sie ganz davon erfüllt. Es war ein neues Empfinden, völlig anders als alles, was ich bisher erlebt hatte. Nie kamen mir irgendwelche Schriftstellen so vor, wie es bei diesen Worten der Fall war. Ich dachte bei mir, welch wunderbares Wesen dies sei und wie glücklich ich doch sein müsste, wenn ich mich dieses Gottes erfreuen könnte und zu ihm in den Himmel entrückt würde und gleichsam ewig in ihm aufginge! […] Ich ging zu Gott, um ihn zu bitten, dass ich mich seiner freuen möge, und betete auf eine Weise, die sich völlig von allem unterschied, was ich zu tun gewohnt war; eine ganz neue Art der Herzensregung und Liebe war aufgebrochen.“i

Entschieden für Gott
In den Jahren nach seiner Bekehrung wuchs in Jonathan das Verlangen, ein immer heiligeres Leben führen zu können. Ein Leben, das Gott gefällt. Er wollte seinem Herrn dienen, und das möglichst schnell. So wartete er gar nicht erst, bis er den Master-Titel bekommen hatte, was bis 1723 gedauert hätte, sondern ging bereits im Alter von 19 Jahren nach New York, wo er die Arbeit eines stellvertretenden Predigers der dortigen Presbyterianischen Kirche tat. Im August 1722 begann er seine Arbeit in New York, welche bis im April 1723 dauerte. Er merkte sehr wohl, dass er in vielen Dingen noch zu lernen hatte. Aus diesem Grund begann er in der Zeit von Sommer 1722 bis im darauffolgenden Sommer, seine Entschlüsse („Resolutions“) zu Papier zu bringen. Innerhalb von einem Jahr wuchs das Werk auf 70 Entschlüsse, zu denen er sich verpflichtete. Die ersten sind schon sehr deutlich: „1. Ich verpflichte mich, dass ich alles tun werde, was immer zu Gottes Verherrlichung dient, und zu meiner Freude, solange ich lebe, ungeachtet des Zeitaufwands, sei es jetzt oder nie, unzählige Zeitalter von jetzt an. Ich habe mich entschlossen, was auch immer nötig ist, zu tun, was ich glaube, was meine Pflicht ist, und was am meisten dem Wohl und dem Allgemeinwohl dient. Ich verpflichte mich dazu, unabhängig davon, auf welche Weise, und auf wie viele oder wie große Schwierigkeiten ich stoße. 2. Ich verpflichte mich, mich fortwährend zu bemühen, neue Hilfsmittel oder Vorrichtungen zu suchen, um die vorigen Dinge zu fördern. 3. Ich verpflichte mich, dass, wenn ich je fallen sollte oder lau werde, d.h. wenn ich eines dieser Dinge vernachlässigen sollte, dass ich Buße tun werde für alles woran ich mich erinnere, sobald ich wieder zu mir komme. 4. Ich verpflichte mich, keine Art von Dingen zu tun, weder im Geist noch mit meinem Körper, außer dem, was Gott verherrlicht; noch werde ich so sein, wie es Gott missfällt, noch so etwas zu dulden, wenn ich es vermeiden kann. 5. Ich verpflichte mich, niemals einen Moment Zeit zu verlieren, sondern Zeit, so gut ich das kann, in günstigster Weise zu nutzen.“ii Auf diese Art und Weise geht es weiter. Jonathan Edwards wünschte sich nichts sehnlicher als dies, dass sein ganzes Leben unter die Herrschaft Gottes gestellt wird. Die Deutlichkeit dieser Entschlüsse erstaunt uns. Wir leben in einer Zeit, in der nichts mehr gebraucht würde, als entschiedene, entschlossene Nachfolger Christi. Deshalb wäre es von riesigem Gewinn, wenn wir wieder beginnen würden, Edwards zu lesen, von ihm zu lernen und uns mit seiner Entschiedenheit der Nachfolge Jesu hinzugeben.


Die große Erweckung
Nach seinem stellvertretenden Predigtdienst in New York ging er zurück nach Yale, wo er als Tutor arbeitete. Das heißt, er half einer Anzahl von Studenten bei Fragen, die das Studium oder auch die persönliche Entwicklung betraf. Dort arbeitete er und konnte in seiner Freizeit weiter seinen Studien nachgehen. 1727 wurde er als Helfer und Nachfolger für seinen Großvater Solomon Stoddard nach Northampton berufen. In diesem Jahr heiratete er Sarah Pierrepont, die auch aus einer wichtigen Predigerfamilie stammte. 1729 starb Solomon Stoddard, von nun an war Edwards allein für die Gemeinde in Nothampton verantwortlich. Zwei Jahre danach begann eine Bewegung im Ort: Die Menschen begannen vermehrt nach dem Glauben zu fragen. Die Kneipe wurde kaum noch besucht, dafür wurde an allen Orten von Gott und seinem Wirken gesprochen. Interessant ist, dass in jener Zeit in vielen Orten Amerikas eine ähnliche Bewegung begann, die ihren gemeinsamen Höhepunkt in den Jahren 1741 und 1742 hatte. Diese Zeit nennt man „The Great Awakening“ (die große Erweckung).

In jener Zeit hatte Edwards seine berühmteste Predigt gehalten, nämlich „Sinners in the Hands of an angry God“ (Sünder in den Händen eines zornigen Gottes). Eine der größten Herausforderungen von Edwards, die sich jedoch auch uns heute stellt, ist die Frage, wie man das, was die Bibel lehrt, möglichst verständlich erklären kann. Die Bibel lehrt den Zorn Gottes über Sünder, die nicht bereit sind, Buße zu tun. Deshalb muss man den Menschen dies so klar machen, dass sie es verstehen und sich zu Herzen nehmen. So predigt er über 5. Mose 32,35: Der Gott, der dich über dem Abgrund der Hölle festhält, so, wie man eine Spinne oder ein widerliches Insekt über das Feuer hält, ist furchtbar provoziert: Sein Zorn gegen dich brennt wie ein Feuer; er sieht, dass du nichts anderes verdienst, als ins Feuer geworfen zu werden; […] Du hast ihn unendlich mehr beleidigt, als ein Rebell jemals seinen Fürsten beleidigen könnte; und es gibt nichts außer Seiner Hand, was dich halten könnte, sodass du nicht jeden Moment ins Feuer fallen könntest.“iii

Die Auswirkungen dieser Predigten waren groß. Viele Menschen wurden sich plötzlich schlagartig der Heiligkeit Gottes bewusst, ebenso aber auch, dass sie selbst Sünder waren und welch eine große Kluft sich zwischen ihnen und dem herrlichen Gott befindet. Manche begannen zu weinen, andere schrien in ihrer Erkenntnis auf, wieder andere lachten und freuten sich, dass sie die Erlösung annehmen durften. Das führte aber auch zu Problemen, denn es tauchte die Frage auf, inwieweit diese Gefühle tatsächlich die Echtheit eines Glaubens bezeugen konnten. In der Auseinandersetzung mit dieser Frage entstand eines seiner wichtigsten Werke: „Religious Affections“ (Religiöse Gefühle). Hierzu muss man vorausschicken, dass Edwards wohl der Letzte gewesen wäre, der die Gefühle als solche grundsätzlich verdammt hätte. Für ihn gehören Gefühle zum Glauben wie das Wasser zum Fisch. Dies wird auch in seinen Resolutions deutlich. Gefühle führen zu Handlungen, deshalb müssen die richtigen Gefühle gefördert werden. Ein Glaube, der nur aus den richtigen Gedanken und Bekenntnissen besteht, ist für Edwards gar kein Glaube. So schreibt er zu der Haltung, die alle Gefühle verwirft: „Statt glaubensmäßige Regungen ohne Prüfung zu schätzen und zu bewundern, verwirft und verachtet man sie ohne Prüfung. Hierin erkennt man die List Satans … Er weiß genau, dass er auf diese Weise alle Frömmigkeit zu einem rein äußerlichen Formalismus ohne jedes geistliche Leben machen und die Kraft der Gottseligkeit samt allen geistlichen Sachverhalten ausschließen kann. So wird allem wahren Christentum die Tür verschlossen.“iv

Man kann aber auch auf der anderen Seite vom Pferd fallen. In der Zeit der großen Erweckung gab es zahlreiche Menschen, die Predigten vor allem um der Gefühle willen aufgesucht haben. Manche haben gar nicht mehr richtig gearbeitet, weil sie so verrückt nach diesen Gefühlen waren, die manche Predigten hervorriefen. So geriet die Erweckung als Ganzes ins Kreuzfeuer. Edwards hielt deshalb auch einmal eine Predigt, in der er die Kennzeichen der echten Erweckung nannte: „1. stärkt sie in den Menschen die Hochachtung vor Jesus als Sohn Gottes und Retter der Welt. 2. führt sie dazu, dass sie sich von ihren Verderben und Begierden weg der Gerechtigkeit Gottes zuwenden. 3. verstärkt sie ihre Achtung vor der Heiligen Schrift. 4. erbaut sie ihren Verstand in den objektiven Wahrheiten des offenbarten Glaubens. 5. erweckt sie echte Liebe zu Gott und den Mitmenschen.“v Auch hier ist es an der Zeit, von Jonathan Edwards zu lernen, wenn wir uns Erweckung wünschen. Sein Predigtstil hatte sich immer mehr dem Werk des Heiligen Geistes angepasst, von dem der Herr Jesus sagte: „Und wenn jener kommt, wird er die Welt überführen von Sünde und von Gerechtigkeit und vom Gericht.“ (Johannes 16,8) Edwards hatte erkannt: Wenn wir Erweckung wollen, so müssen wir mit dem Geist Gottes zusammenarbeiten.

Ein Streit und seine Folgen
Als Jonathan Edwards die Gemeinde in Northampton übernahm, war dort von seinem Großvater die Praxis gewesen, dass jeder beim Abendmahl teilnehmen durfte, der nicht gerade in auffälliger Sünde gelebt hatte. Dazu muss man natürlich wissen, dass in jener Zeit das Abendmahl nicht ein Teil des Gottesdienstes war, sondern eine gesonderte Veranstaltung, die alle acht Wochen stattfand. Zu dieser wurden nur die Personen hereingelassen, die für sich eine Zulassung erbeten hatten. Nun ging es um die Frage, wer diese Zulassung bekommen sollte. Solomon Stoddard hatte die Gemeinde aufgefordert, dass möglichst viele zu dieser Veranstaltung kommen mögen. Er verstand das Abendmahl als etwas, was auch zur Bekehrung hinführen kann. Die einzige Bedingung, die er festlegte, war ein gottgemäßes Leben. Im Laufe seines Dienstes und seiner zunehmenden Erkenntnis von Gottes Wort kam Jonathan Edwards zu einem anderen Ergebnis. Er erkannte, dass das Abendmahl für die vorbehalten ist, die bereits gläubig sind. Seinen Grundsätzen folgend, wollte er möglichst keine Zeit verlieren und eine neue Ordnung für die Zulassung erstellen. Mit diesem Wunsch kam eine Kontroverse zum Vorschein, die untergründig schon länger am schwelen war. Es gab einige, die mit Edwards unzufrieden waren, und diese Frage als Anlass nahmen, nun offen gegen ihn zu arbeiten. Ein Gemeindeausschuss konnte sich nicht einmal einigen, ob Edwards zu dem Thema eine öffentliche Veranstaltung einberufen durfte oder nicht. So sah er als einzigen Ausweg die Möglichkeit, seine Sicht der Dinge schriftlich festzuhalten. Was entstand, war ein Buch, von dem er verlangte, dass alle, die abstimmen wollten, wie es mit der Gemeinde weitergehen sollte, dieses zuerst lesen müssten. Kurze Zeit darauf wurde er in Northampton abgewählt und trat im Juli 1750 von seinem Amt zurück.

Hier sehen wir einen der Charakterzüge, die es ihm in seinem Beruf wohl oft nicht leicht machte. Er war sehr hilfsbereit und hatte auch oft und viele Gäste bei sich, aber in erster Linie brannte er für Gott und für die Heiligung seiner Gemeinde. Wo er etwas Neues erkannt hatte, musste es möglichst schnell umgesetzt werden. Da kam wohl seine Gemeinde nicht mehr hinterher, was zu Konflikten führte. Auch hier können wir von ihm lernen. Es braucht Geduld, um eine ganze Gemeinde dorthin zu führen, dass sie mit solch gravierenden Neuerungen einverstanden ist. Vergleichbar ist dieser Konflikt zum Beispiel mit unseren heutigen Fragen nach dem Musikstil in der Gemeinde.

Das Ende und Erbe eines Gottesmannes
Nachdem er von seinem Amt in Northampton zurückgetreten war, zog er nach Stockbridge um. Dies war ein kleiner Ort, der am Rande der Wildnis lag. Hier übernahm er eine kleine Gemeinde von Siedlern und half in der Indianermission mit. Die Zeit dort war recht schwierig, denn er litt an finanziellen und auch gesundheitlichen Nöten. Außerdem hatte er auch dort Gegner, die sich gegen ihn wandten. Theologisch gesehen war die Zeit nach dem Rücktritt in Northampton die erfolgreichste, denn in dieser Zeit fand er Gelegenheit, um verschiedene Werke fertigzustellen und zu schreiben. Im Alter von 55 Jahren starb er am 22. März 1758.

Die Yale-Universität hat die ganzen Werke von Jonathan Edwards in 73 Bänden herausgegeben. Das ist ein immenses Erbe, das wir dankbar annehmen dürfen. Seine Biographie des Indianermissionars David Brainerd hat in vielen Generationen dazu geführt, dass sich junge Menschen für die Mission begeistern ließen. Seine Schriften zur Erweckung können uns auch heute helfen, wenn wir uns Erweckung wünschen. Seine Auseinandersetzungen mit dem freien Willen zeigt auch uns, wo die Möglichkeiten und Grenzen des menschlichen Willens liegen. Und dass uns seine „Resolutions“ zu einem hingegebenen, christuszentrierten und dienstbereiten Leben anspornen mögen, das ist mein Gebet.

Soli Deo Gloria – Gott allein die Ehre!


Quellenangaben:
i Jonathan Edwards, Personal Narrative in: Murray, Iain H., Jonathan Edwards – ein Lehrer der Gnade und die große Erweckung, Christliche Literaturverbreitung, Bielefeld, 2011, S. 71
ii Jonathan Edwards, Resolutions, eigene Übersetzung
iii Jonathan Edwards, The Works of Jonathan Edwards Volume Two, Sinners in the Hands of an Angry God, eigene Übersetzung
iv Jonathan Edwards, Religious Affections in: Murray, Iain H., Jonathan Edwards – ein Lehrer der Gnade und die große Erweckung, Christliche Literaturverbreitung, Bielefeld, 2011, S. 331
v Lawson, Steven J., The Unwavering Resolve of Jonathan Edwards, Reformation Trust Publishing, Orlando, Florida, 2008, S. 13, eigene Übersetzung