Freitag, 30. Dezember 2016

Bücher, die mich 2016 speziell beschäftigt haben

Von den rund 80 Büchern, die ich letztes Jahr gelesen habe, möchte ich hier eine Auswahl nennen, die mich besonders beschäftigt, berührt oder beeinflusst haben. Nicht alles in allen Büchern kann ich unterschreiben, also bitte ich etwaige von mir beeinflusste Leser darum, alles mit Verstand und Unterscheidung zu lesen oder im Zweifel vorher nachzufragen. Links führen zu meinen Blog-Posts zu den jeweiligen Büchern.

Romane
-J. R. R. Tolkien, Herr der Ringe
-Dorothy L. Sayers, Mord braucht Reklame

Biographien

Geschichte
-Richard Tarnas, Das Wissen des Abendlandes
-Alexis De Tocqueville, Democracy in America

Theologie
-David F. Wells, Losing Our Virtue
-Vern S. Poythress, Redeeming Science
-Mark Noll, The Scandal of the Evangelical Mind

Sonstiges
-Stephen Hawking, Eine kurze Geschichte der Zeit
-Kitty Ferguson, Gott und die Gesetze des Universums
-Friedrich Nietzsche, Die fröhliche Wissenschaft


Mittwoch, 21. Dezember 2016

Das nehme ich mir fürs Neue Jahr vor.


Jedes Jahr kommt zwischen Weihnachten und Neujahr häufig die Frage auf: Und was nimmst Du Dir fürs Neue Jahr vor? Und dann stößt meine Antwort meist auf Unverständnis und große Augen. Heute möchte ich diese Antwort etwas genauer untersuchen und auch begründen. Meine Antwort lautet: Nichts.

Im Laufe der Jahre bin ich zum Schluss gekommen, dass diese Neujarsvorsätze einige Gefahren bergen und deshalb kontraproduktiv sind. Sie bergen die Gefahr, dass man das Umsetzen guter Erkenntnisse auf die lange Bank schiebt. Wenn ich erkenne, dass ich was ändern sollte, dann will ich nicht bis zum 1. Januar warten. Denn solange ich das erkenne und es nicht umsetze, ist es mir zur Sünde geworden (Jakobus 4,17). Wenn ich also sowas erkenne, dann nehme ich meine Terminplanung zur Hand und sehe zu, dass ich das so bald wie möglich ändern kann.

Die zweite Gefahr besteht darin, dass man den Jahresanfang vergötzt. Man hebt diesen derart als etwas Besonderes in die Höhe und schreibt ihm magische Kräfte zu. Magisches Denken ist ein Götzendienst. Wer denkt, am Anfang des Jahres würde es mit dem Umsetzen der Vorsätze besser klappen, weil es der Jahresanfang ist, schreibt diesem solche Kräfte zu. Es ist ein Tag wie jeder andere auch. Wenn es natürlich zufällig der erste Tag ist, an welchem der Terminplan eine solche Umsetzung erlaubt, ist das kein Problem. Aber den Jahresanfang um des Jahresanfangs willen zu erhöhen ist Götzendienst.

Die dritte Gefahr sehe ich regelmäßig ungefähr am 10. Januar eintreffen. Dann macht sich Resignation breit. Dann kommt das Einsehen: Auch dieses Jahr hat es wieder nicht geklappt. Versuchen wir es halt nächstes Jahr wieder. Es entwickelt sich eine Gewohnheit des Nichtschaffens und eine Gleichgültigkeit. „Kann ja vorkommen. Ist ja nicht so schlimm. Habs mal wieder probiert und bin gescheitert.“ Zu diesem Punkt der Resignation möchte ich nie gelangen. Es ist mein Gebet, dass mein Zorn gegen die Sünde immer größer bleibt als die sich immer wieder entwickelnde Gleichgültigkeit.

Doch wie lässt es sich besser machen? Hier meine Tipps dazu.

1. Plane Veränderungen möglichst bald nach der Einsicht. Das Hinausschieben führt zum Vergessen, aber auch dazu, dass man dann immer wieder darüber nachdenkt, bis es sich plötzlich lächerlich oder unwichtig anfühlt.

2. Plane Veränderungen in kleinen Etappenschritten. Beispiel Bibellesen: Nicht von heute auf morgen gleich mit 5 Kapiteln anfangen, sondern zB enen Monat lang jeden Tag ein Kapitel, im zweiten Monat jeden Tag zwei Kapitel und so langsam steigern. Notiere die Etappenziele und lege fest, woran Du feststellen willst, wann das jeweilige Ziel erreicht ist.

3. Nimm Dir nie vor, nur mit etwas aufzuhören, sondern versuche, das Gegenteil der schlechten Gewohnheit zur guten Gewohnheit zu machen (oder etwas anderes Gutes, wenn es vom Schlechten kein Gegenteil gibt).

4. Behandle die guten Gewohnheiten wie wichtige Termine. Trage sie wenn möglich in den Terminplan ein mit Uhrzeit und halte Dich dann auch daran, selbst wenn es niemand überwacht.

5. Sprich mit einem Freund oder einer Freundin über den jeweiligen Vorsatz und bitte die Person, immer mal wieder nachzuhaken, wie es dabei gerade geht. Behandle den Vorsatz so, als ob Du ihn der anderen Person schuldig wärst.

6. Sei geduldig. Neue Gewohnheiten brauchen enorm viel Zeit. Und das ist gut so, auch wenn es uns oft lieber wäre, wenn es schneller ginge. Eine Gewohnheit ist eine sehr starke Verknüpfung im Gehirn. Wenn es einfacher ginge, wären alle Gewohnheiten nicht wirklich Gewohnheiten, sondern es würde uns lebenslänglich schwerfallen, richtig zu handeln.

7. Belohne Etappenziele. Suche etwas Gutes aus, was Du Dir beim jeweiligen Erreichen eines Etappenziels tust. Wichtig dabei: Etwas Gutes und keinesfalls das, was Du Dir grad abgewöhnen willst. Viel Erfolg beim Umsetzen der nächsten Vorsätze!


Freitag, 16. Dezember 2016

Fürchte Dich nicht... ...vor dem Fehler machen


Immer wieder fällt mir auf, wie viele Menschen zurückhaltend sind, am liebsten schweigen, sich bloß nicht zu weit aus dem Fenster lehnen wollen. Aus Angst. Angst, sie könnten damit einen Fehler machen. Angst, sie würden damit Gott enttäuschen. Angst, sie würden nicht mehr ernst genommen. Angst, einen „Shitstorm“ auszulösen. Ein paar Gedanken dazu.

Jeder von uns wird immer wieder Fehler machen.
Wenn jemand an einen Unfall heranläuft, gibt es nur einen Fehler: Nichts zu machen. Wer keine Ausbildung in der Rettung hat, kann für Fehler nicht belangt werden. Wenn etwas passiert, was dem Verunfallten zusätzlich Schaden zufügt, so ist der Ersthelfer immer auf der sicheren Seite. Es ist natürlich ein Unterschied, wenn vorsätzlich Schaden zugefügt wird, aber davon gehen wir ja nicht aus. Wer hilft, möchte Leben retten. Und so ist es da gesetzlich geregelt, dass Ersthelfer nicht belangt werden können. Das Schlimmste, was man machen kann, ist nichts zu machen, aus Angst, etwas falsch zu machen. Seien wir ganz ehrlich: Jedem wird es immer wieder passieren, dass wir Fehler machen. Manchmal gibt es auch Situationen, wo wir uns nur zwischen schlechten Wahlmöglichkeiten entscheiden können. Das ist in unserer gefallenen Welt etwas ganz Normales. Damit müssen wir klarzukommen lernen. Wer das nicht einsehen will, verweigert sich der Realität. Auch in solchen Momenten ist es wichtig, dass wir irgend eine Entscheidung treffen und daran festhalten. Das Schlimmste ist, wenn wir nichts tun, weil dann wird die Entscheidung doch getroffen – aber nicht von uns selbst, sondern von den Umständen. In solchen Momenten ermutigt uns Martin Luther mit seinem Wort, das er schon 1521 seinem Freunde Melanchthon schrieb: „Sündige kräftig, aber glaube noch kräftiger.“ Wenn wir uns nur zwischen schlechten Möglichkeiten entscheiden können, so sollen wir nach bestem Wissen und Gewissen eine Entscheidung treffen und dies im Glauben an den Gott, der größer ist als unsere Entscheidungen.

Gott ist immer noch größer.
Das führt mich zu einem zweiten Gedanken. Es geht bei der Freiheit des Christen nicht darum, dass wir tun und lassen sollen, was uns gerade einfällt. Freiheit bedeutet nicht nur von etwas befreit zu werden, sondern vor allem zu etwas. Christus befreit uns von unserm Selbst. Vom Kämpfen um ein Selbst-Wertgefühl. Vom Stolz auf sich selbst und was man schon alles erreicht hat. Von der Selbst-Überhebung, mit der man sich besser fühlen will als der andere. Gott ist das Zentrum des Christen, weshalb dieser sich selbst verleugnen muss, damit er aufhört, um sich selbst zu drehen. Selbstverleugnung bedeutet, sich selbst zu sterben. Sich bewusst zu werden, dass man es nicht schafft. Dass man Jesus braucht. Dass man die Kraft der Auferstehung und ein neues Herz nötig hat, um Gott und seinen Nächsten zu lieben. Und da merken wir: Gott ist größer. Es geht nicht so sehr um uns selbst, es geht um Ihn. Gott ist größer als all unsere Fehler. Er ist so groß, dass Er unsere Fehler schon kennt, bevor wir sie begehen. Er ist so groß, dass Er unsere Fehler nutzen kann, um Geschichte zu schreiben. Das bedeutet nun keinesfalls, dass wir unsere Entscheidungen auf die leichte Schulter nehmen sollen. Es bedeutet aber, dass wir im Fall eines Falles wissen dürfen, dass unser Gott immer noch größer ist. Er wird nicht von uns enttäuscht oder überrumpelt von unseren Fehlern. Joseph wurde von seinen Brüdern verkauft und kam so nach Ägypten. Gott gebrauchte diese schreckliche Sünde, um damit Weltgeschichte und Heilsgeschichte zu schreiben und eine ganze Gegend in der Hungersnot zu bewahren.

Werdet wie die Kinder.
Wenn ich unseren Sohn beim Wachsen und Lernen zuschaue, so freue ich mich immer über alles Neue, was er lernt. Zur Zeit ist er immer wieder dabei, neue Wörter zu testen und zu lernen. Kinder lernen sehr leicht, weil sie sich keine Gedanken über Fehler machen müssen. Sie freuen sich, wenn sie was sagen können und besonders wenn sie auch noch verstanden werden. Wir dürfen auch hier von den Kindern lernen. Mir ist das Lernen von Sprachen schon immer recht leicht gefallen, weil ich da wenig Hemmungen habe, Fehler zu machen, korrigiert zu werden und daraus zu lernen. Korrektur ist nichts Schlechtes, sie ist nichts, dessen wir uns schämen müssen. Sie ist notwendig für jeden von uns. Leben ist lernen. Lernen bedeutet Fehler zu machen und zu korrigieren.


Donnerstag, 15. Dezember 2016

Abhörprotokolle von Soldaten im 2. Weltkrieg


Sönke Neitzel / Harald Welzer, Soldaten. Protokolle vom Kämpfen, Töten und Sterben, S. Fischer Verlag, 3. Aufl. 2011 Amazon-Link

Da mich Geschichte und Politik sehr interessiert, habe ich kürzlich das Buch „Soldaten“ von Sönke Neitzel und Harald Welzer gelesen. Das Buch gibt einen sehr spannenden, wenn auch durchaus gewöhnungsbedürftigen Einblick in die Welt der Soldaten im 2. Weltkrieg. Es ist sehr lebhaft und interessant geschrieben. Die Soldaten, welche in den britischen und amerikanischen Gefangenenlagern waren, wurden bei ihren Gesprächen abgehört und die wichtigsten Gespräche wurden gleich mitgeschrieben. So kam es zu rund 150'000 Seiten Quellenmaterial, das lange Zeit in den Archiven verstaubte. Einige der Gespräche wurden ausgewählt und auszugsweise im Buch wiedergegeben. Dazwischen werden die Gespräche immer wieder im soldatischen Referenzrahmen eingebettet und so besser verständlich gemacht.

Was ist denn nun so ein Referenzrahmen? Ich möchte dazu ein paar Zitate aus dem Buch anführen: „Menschen sind keine Pawlow'schen Hunde. Sie reagieren nicht mit konditionierten Reflexen auf vorgegebene Reize. Zwischen Reiz und Reaktion gibt es bei Menschen etwas Hochspezifisches, das ihr Bewusstsein ausmacht und die menschliche Gattung von allen anderen Lebewesen unterscheidet: Menschen deuten, was sie wahrnehmen, und erst auf Grundlage dieser Deutung ziehen sie Schlussfolgerungen, entscheiden und agieren sie.“ (S. 16) Dieses „Hochspezifische“ wird im Buch als der Referenzrahmen bezeichnet. Referenzrahmen gewährleisten Handlungsökonomie: Das allermeiste, was geschieht, lässt sich in eine bekannte Matrix einordnen. Das wirkt entlastend: Kein Handelnder muss immer wieder bei null beginnen und stets aufs Neue die Frage beantworten: Was geht hier eigentlich vor? Der allergrößte Teil der Antworten auf diese Frage ist voreingestellt und abrufbar - ausgelagert in einen kulturellen Orientierungs- und Wissensbestand, der weite Teile der Aufgaben im Leben in Routinen, Gewohnheiten, Gewissheiten auflöst und den Einzelnen kolossal entlastet.“ (S. 17)

Moderne Menschen müssen beständig zwischen unterschiedlichen Rahmenanforderungen – als Chirurg, als Vater, als Kartenspieler, als Sportler, als Mitglied einer Eigentümergemeinschaft, als Bordellbesucher, als Patient im Wartezimmer, etc. - hin- und herwechseln und die mit jeder Rolle verbundenen Anforderungen bewältigen können. Dazu gehört auch, dass man das, was man im Rahmen der einen Rolle tut, aus der Sicht der anderen Rolle distanziert betrachten und beurteilen kann – dass man also zu unterscheiden in der Lage ist, wo Emotionslosigkeit und professionelle Kälte gefragt sind (bei einer Operation) und wo nicht (beim Spiel mit den Kindern).“ (S. 23)

(Mein Einwurf) Der Referenzrahmen ist also die kulturelle Eingebettetheit, in der eine Weltanschauung entsteht. Weltanschauungen lassen sich von uns reflektieren. Beim Referenzrahmen ist das viel schwieriger, weil dieser nicht nur von einem selbst abhängt, sondern von der ganzen Umwelt (Kultur) mitgeprägt wird. Hier bedarf es immer wieder einer objektiven, mit der Geschichte abgeglichenen Sicht aus der Distanz und das Bewusstsein, dass unsere Zeit und Kultur kein Deut besser sind als alle anderen. Das Problem unserer Zeit besteht darin, zu glauben, dass man tolerant sei, aber zugleich die eigene Toleranz vergötzt, erhöht und versucht, andere Kulturen zur selben Toleranz zu missionieren. (Ende Einwurf)

Wie kommt es, dass im 2. Weltkrieg so viel Gewalt normal war? Sie war es deshalb, so die Autoren, weil der Krieg ein Umfeld schuf, in dem die Gewalt erwünscht war und so auch genügend Gelegenheiten dazu gab. Letzten Endes gibt es immer Gewalt, die Frage ist nur, in welcher Form: „Im häuslichen Bereich gibt es nach wie vor Gewalt gegen Partnerinnen und Partner, gegen Kinder und Haustiere, in abgeschotteten sozialen Räumen wie in Kirchen oder Internaten ebenfalls. In öffentlichen Räumen wie Stadien, Diskotheken, Kneipen, in U-Bahnen oder auf der Straße finden Schlägereien und Überfälle, auch Vergewaltigungen statt. Daneben gibt es reguläre Formen öffentlichen Gewaltgebrauchs jenseits des staatlichen Gewaltmonopols, etwa im Kampf- oder Boxsport und in den Inszenierungen von Sado-Maso-Clubs. Jede Fahrt auf einer deutschen Autobahn belehrt einen über die chronische Gewalt-, gelegentlich sogar Tötungsbereitschaft ganz normaler Menschen.“ (S. 91)

(Mein Einwurf) Die Bibel macht uns klar, dass es Gewalt gibt seit dem Sündenfall. Bereits in der zweiten Generation der Menschheit gibt es Mord und Totschlag, Neid und Hass. Das sind keine „Mythen mit tieferer Bedeutung“, sondern ist so geschehen, wie Gottes Wort bezeugt. Es sollte uns also nicht erstaunen, dass es in jeder Generation sehr viel Gewalt gibt. Wir sollten uns also auch nicht einbilden, besonders gut zu sein, denn obiges Zitat zeigt, dass wir nicht besser sind, sondern lediglich die Situationen und Legitimation anders geworden sind. Dafür dürfen wir dankbar sein. (Ende Einwurf)

Der Krieg war für viele Soldaten ein Abenteuer. Er gab ihnen die Möglichkeit, sich besser zu fühlen. Sie wurden gebraucht. Sie bekamen einen Sinn im Leben an der Front. Sie konnten Rache nehmen für bereits getötete Freunde und Kollegen. Sie hatten eine Menge neuer Technik, auf die sie stolz waren. Sie konnten ihre Tapferkeit unter Beweis stellen. Und nicht zuletzt konnten sie auch Abzeichen sammeln, die besonders hervorragenden verliehen wurden. All das ist kurz zusammengefasst der wichtigste Inhalt der Protokolle. Man sollte nicht vergessen, dass der Soldat ein Arbeiter im Krieg war. Seine Arbeit war das Töten und Zerstören. Das ist der Unterschied. Die meisten Arbeiten sehen sonst das Aufbauen von etwas vor. Im Krieg ist es das Gegenteil. „Soldaten lösen ihre Aufgabe mit Gewalt; das ist schon das Einzige, was ihr Tun systematisch von denen anderer Arbeiter, Angestellten und Beamten unterscheidet. Und sie produzieren andere Ergebnisse als zivile Arbeitende: Tote und Zerstörung.“ (S. 418)

Die Autoren kommen zur Schlussfolgerung: „Man sollte sich besser fragen, ob und unter welchen sozialen Bedingungen Menschen vom Töten ablassen können. Dann könnte man aufhören, jedes Mal, wenn sich Staaten dazu entscheiden, Krieg zu führen, in ostentative Erschütterung darüber zu verfallen, dass es dabei Verbrechen und Gewalt gegen Unbeteiligte gibt. Die gibt es deswegen, weil der Referenzrahmen 'Krieg' Handlungen gebietet und Gelegenheitsstrukturen entwickelt, in denen Gewalt nicht oder nicht vollständig eingehegt und begrenzt werden kann. […] Wenn man aufhört, Gewalt als Abweichung zu definieren, lernt man mehr über unsere Gesellschaft und wie sie funktioniert, als wenn man ihre Illusionen über sich selbst weiter teilt. Wenn man also Gewalt in ihren unterschiedlichen Gestalten in das Inventar sozialer Handlungsmöglichkeiten menschlicher Überlebensgemeinschaften zurückordnet, sieht man, dass diese immer auch Vernichtungsgemeinschaften sind. Das Vertrauen der Moderne in ihre Gewaltferne ist illusionär. Menschen töten aus verschiedensten Gründen. Soldaten töten, weil das ihre Aufgabe ist.“ (S. 421f)

Was dem Buch fehlt, ist der positive Ausblick, den uns Gottes Wort, die Bibel, gibt. Und das in zweifacher Form. Sie weiß darum, dass der Mensch durch eine echte Bekehrung und Wiedergeburt durch Gottes Kraft verändert werden kann. Sie weiß um die Versöhnung, die schon hier auf Erden möglich ist. Und sie weiß darum, dass das Leben in dieser Welt nicht das letzte Wort sein wird. Deshalb ist es die Aufgabe der weltweiten christlichen Kirche, die gute Nachricht von Jesus Christus weiterzugeben. Weil ER der Einzige ist, der uns tatsächlich von innen nach außen verändern und ein neues Herz mit Liebe statt Hass schenken kann.

Was mir beim Lesen immer wieder aufgefallen ist, ist die Tatsache, dass viele Soldaten ihr Heil im Krieg gesucht haben. Sie sahen im Krieg den Sinn ihres Lebens. Sie wollten immer wieder den kurzen Kick des Spaßes und des Machtgefühls, wenn man seine Gegner umlegen kann. Sie suchten das Abenteuer und die Belohnung im Krieg – wenn sie nur gewusst hätten, dass das größte Abenteuer ein Leben mit Jesus Christus und die größte Belohnung das ewige Leben mit Gott ist.


Freitag, 2. Dezember 2016

Wie können wir denn im postfaktischen Zeitalter leben?

Ich habe bereits vor einer Weile gezeigt, dass wir nicht die ersten sind, die in einem postfaktischen, postdemokratischen und postliberalen Zeitalter leben. Heute möchte ich noch einen Schritt weiter gehen und nach möglichen Antworten auf diese Frage suchen, wie man in einem solchen Zeitalter leben kann. Ich mache gleich zu Beginn zwei wichtige Unterscheidungen. Es gibt zwei mögliche Arten von Antworten auf diese Frage. Eine Art befindet sich innerhalb des Bereichs der allgemeinen Gnade und eine Art innerhalb der speziellen Gnade. Was ist der Unterschied? Die allgemeine Gnade ist die Art, wie Gott unsere Welt lenkt und jeden Menschen und die gesamte Schöpfung segnet. Allgemeine Gnade ist, dass jeder Mensch ein Gewissen hat. Durch das Gewissen wird jeder Mensch davon abgehalten, so schrecklich zu handeln, wie er könnte, wenn er das Gewissen nicht hätte. Zur allgemeinen Gnade gehört, dass Gott die Naturgesetze aufrecht erhält, dass nach dem Regen wieder Sonne, nach der Nacht wieder Tag und nach dem Winter wieder Sommer kommt. Zur allgemeinen Gnade gehört auch, dass es Staaten gibt, die ebenfalls dazu beitragen, dass nicht jeder tun und lassen kann, was ihm gerade in den Sinn kommt, da der Staat dazu Gesetze schafft, die uns in Erinnerung rufen, dass nicht alles erlaubt ist und die uns vor dem Unerlaubten abschrecken. Zur allgemeinen Gnade zählt auch, dass jeder Mensch in der ganzen Schöpfung Gott erkennen kann, aber auch die Freiheit hat, diese Erkenntnis abzulehnen und zu unterdrücken. Zur speziellen Gnade hingegen zählt alles, was Gott denen verspricht, die an Ihn glauben, die von Neuem geboren sind. Aus dem Blickwinkel der speziellen Gnade ist die Antwort auf unsere Frage eindeutig: Was wir brauchen, ist Erweckung, denn dort, wo viele Menschen zum lebendigen, heiligenden und umgestaltenden Glauben kommen, verändert sich auch die jeweilige Gesellschaft zum Guten.

Aber was ist, solange es noch keine solche Erweckung in unserer westlichen Welt gibt? Kann es da eine Antwort geben, die auch aus der Sicht der allgemeinen Gnade zum Guten führt? Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass es auf jeden Fall gute Ansätze gibt, die man überdenken und weiterentwickeln kann. In der Zeit des griechischen Postfaktizismus war es zum Beispiel der Philosoph Aristoteles, der sich darüber Gedanken machte, wie man in dem Zeitalter leben könne. Aristoteles kam zum Schluss, dass die Tugend etwas besonders Wichtiges ist. Doch was ist Tugend genau? David F. Wells beschreibt das in seinem Buch „Losing Our Virtue“ sehr gut. Ich versuche, mit eigenen Worten kurz zu fassen, was Wells als Tugend herausarbeitet. Es gibt im Leben drei Arten von Bereichen. Ein solcher Bereich wird vom Staat mit seinen Gesetzen abgedeckt. Mord und Diebstahl werden durch Gesetze verboten. Das ist der erste Bereich. Auf der anderen Seite gibt es den Bereich der persönlichen Freiheit. Ich kann mich frei entscheiden, ob ich am Abend noch ein Buch lesen, auf Facebook chatten oder einen Film anschauen will. Da hat der Staat nichts festzulegen. Und dazwischen gibt es einen Bereich, der eigentlich durch die Tugend abgedeckt wurde. Die Tugenden sind Leitlinien, die das zwischenmenschliche Miteinander ermöglichen sollen. Höflichkeit ist eine Tugend, die früher in den Familien einen hohen Stellenwert besaß. Es war schwierig, unhöflich zu sein, denn die Menschen waren ihrer Gemeinschaft ein Stück weit ausgeliefert, man konnte nicht einfach so schnell umziehen und woanders eine neue Existenz aufbauen. Wer geizig war, wurde gemieden. Und so weiter. Die Strafe für untugendhaftes Verhalten kam ziemlich automatisch aus der Gesellschaft, in der man lebte. Diese Tugend ist heutzutage verloren gegangen. Zwischen den staatlichen Gesetzen und der persönlichen Freiheit ist ein Vakuum entstanden, um das sich nun die beiden Extreme, Staat und persönlicher Egoismus, streiten.

Aristoteles stand einem ähnlichen Problem gegenüber. In seiner Zeit waren es Sophisten, die eine Lehre vom Leben verbreiteten, die unserer Zeit in gewissen Punkten gleichen. Sie waren der Meinung, dass es keine absolute Wahrheit gebe. Alles sei relativ. Wahrheit sei das, was die besten Rhetoriker durch ihren besten Reden verkündeten. Heute ist Wahrheit das, was jene Minderheiten verkünden, die sich als am meisten unterdrückt darstellen können. Auch das ist eine Form der Rhetorik. Für die Sophisten war der Mensch das Maß aller Dinge. Auch heute klingt es ähnlich: Der Mensch würde seine Realität kulturell selbst konstruieren, und zwar so, dass die Konstrukteure der Realität jeweils die meiste Macht erhielten.

Aristoteles beginnt seine Untersuchung der Ethik mit etwas, was uns auch heutzutage sehr bekannt scheint. Er fängt mit der Feststellung an, dass alle Menschen nach Glück streben. Dazu muss er aber definieren, was Glück ausmacht. Er definiert Glück mit dem richtigen Handeln und richtigen Leben. Das höchste Gut im Leben, das was das Glück ausmacht, ist zugleich aber auch das höchste Ziel im Leben. Aristoteles sagt das ungefähr so: Jeder Mensch hat viele Ziele. Manche Ziele suchen wir für uns selbst, manche auch für andere Menschen, das höchste Ziel hingegen suchen wir um dieses Zieles willen. Und hier muss Aristoteles, aber auch jeder andere Mensch, der versucht, eine Begründung für sein Leben und Handeln außerhalb von Gott zu suchen, auf einen Zirkelschluss zurückgreifen. Die einzige Ethik, welche letztlich ohne einen solchen auskommt, ist die Ethik der Bibel, denn sie kann sich auf die unfehlbare Offenbarung Gottes verlassen.

Jeder Mensch strebt nach Glück. Glück bedeutet richtiges Leben und richtiges Handeln. Glück will der Mensch, um glücklich zu sein, und nicht um damit noch etwas anderes zu erreichen. Die Tugend ist dieses richtige Leben und richtige Handeln. Doch was gehört zu dieser Tugend dazu? Zwei Dinge: Erstens die Vernunft und zweitens das dieser Vernunft gemäße Handeln. Jeder Mensch hat im Leben bestimmte Aufgaben. Er hat einen Beruf, er hat Familie, er läuft an bestimmte Situationen heran, etc. und immer und überall steht er da als Mensch mit bestimmten Aufgaben. Nun gibt es nach Aristoteles viele Momente, in denen man nicht einfach sagen kann: Dann muss jeder die Handlung XY tun. Wer abends in Frankfurt an eine Schlägerei läuft, sollte nicht zwingend eingreifen, denn es könnte sein, dass er mit einem Notruf besser gehandelt hat. So kann die Aufgabe je nach Person ganz unterschiedlich aussehen. Einer ist handwerklich begabt, ein anderer eher intellektuell. Da haben nicht beide dieselbe Aufgabe im selben Moment, sondern wenn jeder mit seinem besten Können mithilft, wird die Sache im Endeffekt besser. Tugend ist nach Aristoteles die Mitte zwischen zwei Extremen:

Feigheit – Tapferkeit – Tollkühnheit
Geiz – Großzügigkeit – Verschwenderei
Schmeichelei – Freundlichkeit – Streitsucht

Sehr viele Tugenden lassen sich in diese Dreiteilung eingliedern. Die „Mitte“ bedeutet bei Aristoteles aber nicht 50%. Das kann sein, muss aber nicht. Es kommt jeweils auf die Situation an. Deshalb braucht es auch den Verstand dazu, der einem hilft, zwischen diesen Extremen zu entscheiden. Und dann gibt es auch noch Tugenden, die keine Mitte haben. Es gibt keine Mitte zwischen Mord und am Leben lassen. Oder keine Mitte zwischen Treue und Ehebruch. Deshalb sind Mord und Ehebruch immer zu verurteilen. Ein weiterer wichtiger Punkt ist auch, dass diese Tugend immer etwas mit unserem Willen, mit einer festen Entscheidung zu tun hat. Ich glaube, das ist in unserer Zeit ebenso wichtig zu sagen wie es damals zur Zeit Aristoteles' war. Wir leben in einer Zeit, in welcher diese Entscheidungen verpönt sind. Eine Entscheidung für etwas bedeutet immer 1000 Entscheidungen gegen mögliche Alternativen. Als ich meine Frau heiratete, habe ich mich gegen Milliarden anderer Frauen entschieden. Aber wer sich nicht entscheidet, bekommt die Rechnung bald, denn dann entscheiden die Umstände für uns und wir müssen mit ihnen klarkommen. Tugend muss entschieden werden, weil sie das Gegenteil des instinktiven Handelns ist.

Doch wie kommen wir dorthin? Uns fehlt die Gesellschaft, die uns für die Untugend straft. Wir können jederzeit fliehen, jederzeit an einem neuen Ort eine neue Existenz aufbauen. Da braucht es unseren Willen, das zu durchdenken. Es braucht auch eine neue Erziehung zur Tugend. Ethik hat eine ganze Menge mit Erziehung zu tun. Der Grundsatz dafür muss lauten, dass es Richtig und Falsch gibt. Dass Richtig und Falsch nicht in den Extremen zu finden ist. Und dass der Mensch eine Vernunft bekommen hat, die ihm dabei hilft. Soviel zu einer Ethik der allgemeinen Gnade. Wichtig bleibt der Hinweis, dass alle Ethik niemanden zu Gott bringt. Dorthin führt nur ein Weg, eine Wahrheit und ein Leben - Jesus Christus. 


Donnerstag, 24. November 2016

Lasst die Kinder laufen lernen!

Stell Dir vor, es wird ein Kind geboren, und die Eltern rufen gleich das Fernsehen an: Kommt bitte schnell her, ihr sollt unser Neugeborenes gleich live übertragen und zeigen, wie gut es laufen kann! Eine absurde Vorstellung, oder? Als unser Sohn zur Welt kam, waren wir stolze, glückliche, strahlende Eltern, aber wir waren uns auch der Grenzen bewusst, die so ein kleines, süßes Geschöpf hat. Inzwischen geht, läuft, rennt unser Sohn. Aber das hat eine gewisse Zeit und viel Übung gebraucht. Ich habe das Gefühl, dass uns dieses Wissen manchmal fehlt, wenn sich jemand frisch bekehrt. Ganz besonders dann, wenn es jemand Bekanntes ist. Eine Celebrity-Person, ein Promi. Dann sind wir nämlich ganz schnell dabei, von einem frisch geborenen Baby das Unmögliche zu erwarten. Und bauen damit einen enorm ungesunden Druck auf.

Was geschieht, wenn sich jemand bekehrt? Jesus nannte das eine Neugeburt. Das ganze Leben muss unter neuen Vorzeichen betrachtet und neu kennengelernt werden. Vom Minus zum Plus: Plötzlich ist die ganze Welt um 180° umgedreht. Alles neu. Alles frisch. Ein radikaler Bruch mit dem Bisherigen. Das bisherige Selbst muss gekreuzigt werden. Ein oft schmerzhafter Vorgang. Schlechte Gewohnheiten durch gute Gewohnheiten ersetzen. Das kann anstrengend sein. Jeden Gedanken unter dem Gehorsam Christi gefangen nehmen. Lernen, mit der neuen Freiheit in Christus umzugehen. Den täglichen Kampf mit der Sünde und den Versuchungen aufnehmen. Den alten Menschen ausziehen und den neuen Menschen anziehen. Das ganze Leben neu ordnen und sortieren.

Und was, wenn jetzt auch noch die Kameras der Reporter ständig dabei sind? Das baut einen unnötigen zusätzlichen Druck auf. Seien wir ehrlich: Jedes Kleinkind fällt zigmal um, bis es einigermaßen fehlerfrei gehen kann. Und jeder neugeborene Christ macht ebenso seine Fehler. Übrigens nicht nur die frisch Neugeborenen. Aber die frisch Neugeborenen machen dabei meist die offensichtlichsten davon. Ein Kind, das ständig vorgeführt wird und immer zeigen muss, welche neusten Fähigkeiten es drauf hat, wird im natürlichen Wachstum gehindert. Es fängt an, für die Show zu leben und lernen. Es merkt: Meine Eltern lieben nur meine Fähigkeiten, nicht mich. Um mich geht es gar nicht, es geht im Leben nur noch um die Show. Und vermutlich wird es alles versuchen, damit die Eltern mit ihm zufrieden sind und ihm Liebe zeigen. Viele junge Christen lernen etwas Ähnliches: Gott geht es nicht so um mich, sondern nur um mein Verhalten.

Wenn man sich auf den christlichen Plattformen umsieht, stellt man immer wieder fest, wie beliebt es ist, auf die bekehrten Promis zu verweisen. Auch in Diskussionen wird das als ein „Argument“ für den Glauben verwendet: Schau mal, weil Promi XY auch Christ ist, solltest Du das auch werden! Ich muss sagen: Ich freue mich sehr über jeden, der zum Glauben kommt, aber solche Artikel und Diskussionen finde ich echt schrecklich. Da sieht man, wie die neubekehrten Promis auf Schritt und Tritt von den Medien verfolgt werden und wie jedes Wort in den Online-Diskussionen zerrissen wird. Da kann ich nur bitten: Lasst die Kinder laufen lernen! Lasst sie erst mal ein paar Jahre in Ruhe ihren neuen Glauben entdecken! Lasst sie in den Gemeinden dieselben Aufgaben übernehmen, wie sie jedes andere neue Gemeindemitglied auch bekommt! Und bitte: Verzichtet die ersten Jahre darauf, Werbung für die betreffende Gemeinde mit diesem Promi-Namen zu machen!

Wenn sie in ihrem Glauben gewachsen sind, fest und mündig geworden, mit einem soliden Fundament an biblischer Lehre ausgerüstet, dann sieht die Welt wieder anders aus. Ok, ehrlich gesagt finde ich die Gemeindewerbung mit den Promi-Namen zu jeder Zeit billig, zumindest Interviews sind dann ok. Aber gerade als christliche Medien sollte es dafür einen Ethik-Code geben, der Prominenten mehrere Jahre Zeit lässt, ohne sie mit Anfragen für Artikel und Interviews unter einen unnötigen und zudem ungesunden Druck zu setzen.

Zu allem Überfluss lauern an jeder Ecke des WWW sensations- und meckergeile Christen, die sich alle Mühe geben, jedem Satz der Promis auszuschlachten. Die einen, um zeigen zu können, warum diese Prominenten auf keinen Fall gläubig sein könnten, die anderen, um sie zu verteidigen und sich dadurch über die Meckerer lautstark aufregen zu können. Das Ganze artet zum Volkssport aus, schürt den Hass und führt zu zunehmender Bitterkeit. Auch hier ist es nötig, eine neue Medienethik zu entwickeln, also die Frage, wie wir als Leser mit solchen Meldungen umgehen. Der erste Schritt ist das Gebet für diese Menschen, denn wir dürfen sicher sein, dass es nicht einfach für die Betreffenden ist und sie unter großem Druck stehen. Als Zweites sollten wir uns deshalb mit Kommentaren dazu zurückhalten. Und nicht zuletzt ist es auch wichtig, dass wir diese Erkenntnisse in unserem Umfeld weitergeben.


Montag, 21. November 2016

Predigtserie über Johannes 17

Gestern habe ich die Predigtserie beendet, die mich seit einem halben Jahr begleitet hat. Das Hohepriesterliche Gebet ist ein absolut starkes Kapitel, das mich immer wieder enorm herausfordert.

29. Mai 2016: „Verherrliche Deinen Sohn!“ (Joh. 17,1-5 Teil 1)
„Jesus Christus hat am Kreuz alles vorbereitet, damit wir mit Gott ins Reine kommen können. All unser Stolz, all unser Egoismus, all unsere Lieblosigkeit, all unser Unglaube, all unsere Süchte, alle unsere Unreinheit, all unsere Habsucht, alle falschen Dinge auf die wir vertraut haben, all das wurde zusammen zu einer Atombombe des göttlichen Zorns zusammengeschnürt und auf Jesus Christus am Kreuz hinabgeworfen. Dort ist Gottes Zorn explodiert und unter dem Zorn ist Gottes Liebe sichtbar geworden. Gott Sohn, Jesus Christus trägt den ganzen göttlichen Zorn und lässt Sich dafür zerschlagen und umbringen. Und dann am dritten Tag ist dieser Jesus Christus von den Toten wieder auferstanden. Alle Schuld war bezahlt. Der Weg zu Gott Vater war frei. Jeder, der an Jesus Christus glaubt, wird gerettet. Jeder, der sagt: Nicht wie ich will, sondern wie du willst! Dein Wille geschehe! Das ist Gnade, das ist Freiheit, das ist Liebe.“

19. Juni 2016: „Das ewige Leben“ (Joh. 17, 1 – 5 Teil 2)
„Das ewige Leben beginnt damit, dass wir anfangen, Gott zu fürchten, es geht weiter, indem wir Gott fürchten, und es wird für alle Ewigkeit so weitergehen, dass wir Gott fürchten. Gott zu fürchten bedeutet, dass wir uns bewusst sind, mit wem wir es zu tun haben. Mit dem ewigen Gott, der Himmel und Erde geschaffen hat, der alle Zeit und jedes Ereignis in dieser Welt in der Hand hält, der alle Macht und alles Wissen hat, der zu jeder Zeit überall zugleich ist, und so weiter. Gott zu fürchten bedeutet ganz praktisch, dass wir vertrauen, dass Gott immer recht hat und wir deshalb jederzeit bereit sein wollen, Seinen Willen zu tun. Was ist diese Ewigkeit? Wir denken sehr oft sehr zeitlich, weil wir in der Zeit leben. Für Gott gibt es keine Zeit, also keine lange Abfolge von einzelnen Momenten. Bei Gott gibt es nur eine endlose Gegenwart. Alles passiert da zugleich, alles ist immer da. Nicht so, dass man mal das und mal jenes und dann wieder was anderes macht, sondern immer alles gleichzeitig und das ohne Ende.“

17. Juli 2016: „Die Herrlichkeit Christi“ (Joh. 17, 1 – 5 Teil 3)
„Das Licht macht alles sichtbar, was in uns drin abgeht. Und dieses Licht zeigt uns eine ganze Menge Dinge, die wir nicht gern in unserem Leben wahrhaben wollen. Eine ganze Menge Selbstsucht, Egoismus, Neid, Angst vor der Meinung anderer Menschen, Unversöhnlichkeit, Verbitterung, Stolz, und so weiter. Das alles ist Gift für unser Leben. Da haben wir nur zwei Möglichkeiten: Entweder wir sehen auf Jesus oder wir verrecken elend an uns selbst. Wenn wir auf Jesus sehen, dann geben wir zu: Herr Jesus, ich bin voll von diesem Gift der Sünde! Rette mich davon! Ich brauche Dich! Und dann sehen wir Ihn am Kreuz von Golgatha hängen, wo Gottes Zorn über unsere Sünde auf ihn niedergeprasselt ist. Wo Er an unserer Stelle aufgehängt wurde, weil wir es verdienen würden, damit wir Frieden mit Gott haben können. Dort am Kreuz wird die Herrlichkeit Jesu ganz besonders deutlich sichtbar, und das meinte Er mit dem Gebet: Und nun verherrliche du mich, Vater, bei dir selbst mit der Herrlichkeit, die ich bei dir hatte, ehe die Welt war. (Joh. 17,5)“

21. August 2016: „Das Gebet für Jesusnachfolger“ (Joh. 17, 6 – 10 Teil 1)
„Die Gemeinde ist in der Welt, aber nicht von der Welt. Sie ist wie ein Schiff, das über die Welt segelt und bereit ist, Menschen zu retten, die nach ihr Ausschau halten. Wenn das Schiff plötzlich zu Wasser wird, hat die Besatzung ein Problem. Dann ertrinken alle. Deshalb darf es nicht sein, dass die Gemeinde verweltlicht. Die Gemeinde ist das Licht in der Finsternis, wenn das Licht zur Finsternis wird, ist das tödlich für alle. Wenn wir ein Leuchtturm sein sollen, dann einer, der in die richtige Richtung weist.“

11. September 2016: „Die Schönheit Gottes“ (Joh. 17, 6 – 10 Teil 2)
„Einheit und Vielfalt sind keine Widersprüche. Einheit in der Vielfalt ist das Schönste, was man sich vorstellen kann. Es wird nur immer dann gefährlich, wenn das eine oder andere davon als Absolut gesetzt wird. Zum Beispiel ist es im Islam so, dass Einheit ganz wichtig ist. Allah darf nur einer, nur eine Person sein. Die Ummah, das heißt die weltweite islamische Gesellschaft oder Gemeinschaft, soll immer gleichartiger werden. Unterschiede sind schlecht, je ähnlicher die Menschen sich sind, desto besser. Im Fernen Osten ist es gerade umgekehrt. Im Hinduismus und im Buddhismus gibt es so viele Erlösungswege wie es Menschen gibt. Da muss jeder seine eigene Erleuchtung suchen und finden, und zwar auf ganz gegensätzliche Art und Weise. Das Problem dabei ist nur, dass jeder sehr unter Druck gesetzt ist, diese Erlösung zu finden. Es gibt keine Heilsgewissheit. Niemand kann dir tatsächlich sagen, dass du auf deinem richtigen Weg bist. Das macht die Gesellschaft sehr ichzentriert. Jeder sucht nur nach dem Seinen. Und da haben wir eine bessere Antwort. Jesus ha gebetet: Und alles, was mein ist, das ist dein, und was dein ist, das ist mein; und ich bin in ihnen verherrlicht. (Joh. 17, 10) Jesus sagt, dass Er in uns verherrlicht ist. Und das ist die eigentliche Antwort. Unser Leben soll zu Seiner Ehre sein. Unsere Erlösung ist ein Mittel zum Zweck, es ist nicht das Letzte und Höchste. Die Erlösung ist nötig, damit wir zu Gottes Ehre leben können, aber sie ist erst der Anfang von einer ewigen, unendlichen, liebevollen, wunderbaren und atemberaubend schönen Beziehung mit Gott.“

25. September 2016: „In der Welt, nicht von der Welt“ (Joh. 17, 11 – 19 Teil 1)
Rückzug wäre ungefähr das Letzte, was Jesus von uns wollte. Was ist dann die richtige Vorgehensweise? Wir brauchen einen Standpunkt, einen Maßstab und Mut. Der Standpunkt ist der Ort, an dem wir gerade stehen. Der Standpunkt beinhaltet alles, was wir bisher gelernt haben, alle Erfahrungen, die wir gemacht haben, usw. Den haben wir, so oder so. Dann brauchen wir einen Maßstab. Dieser Maßstab ist die Bibel. Wenn wir die Zeitung lesen oder die Nachrichten im TV sehen, dann tut es uns gut, dabei gleich zu überlegen, was Gott dazu sagt. Das dritte ist Mut. Mut, hinzugehen in die Welt. In dieses Reich des Teufels. Jesus sendet uns dort rein, damit Gottes Reich in den Herzen der Menschen und in Seiner Gemeinde ausgebreitet und vergrößert wird. Wir brauchen keine Angst vor der Welt haben, denn Jesus hat für uns gebetet und bewahrt uns. Wenn unser Leben in der Welt jedoch eine Bedeutung für das Ausbreiten von Gottes Reich haben soll, ist es immer ganz wichtig, dass wir uns da nicht anpassen, aber auch nicht zurück-ziehen. Christen sind immer eine Gegenkultur zur Welt. Jesus betete: Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt nimmst, sondern dass du sie bewahrst vor dem Bösen. Sie sind nicht von der Welt, gleichwie auch ich nicht von der Welt bin. (Joh. 17, 16) Wenn uns die Welt nicht hasst, sollte uns das zu denken geben. Es könnte es gut sein, dass wir auf einer der beiden Seiten vom Pferd gefallen sind.

16. Oktober 2016: „Heilig durch die Wahrheit“ (Joh. 17, 11 – 19 Teil 2)
„Das ewige Leben ist die Gemeinschaft mit Gott oder anders gesagt: Es ist Gott anschauen in alle Ewigkeit. Ähm, Moment mal, und sonst gibt es da nix zu tun? Ist das nicht langweilig? Nein, das ist hochspannend, das ist eine ganze Ewigkeit lang ständig neue Facetten von Gottes wunderbarem Wesen erkennen und feiern zu dürfen. Das ist Forschung ohne Ende. Hochspannend! Das macht Freude, vollkommene, riesige Freude. Die Heiligung, nach der wir jagen sollen, ist die Vorbereitung auf diese Ewigkeit. Das ist ungefähr so, wie der Musikunterricht vor den Konzerten. Das Musikinstrument will gelernt sein und man verbringt so manch eine Stunde mit Üben und Vorbereiten, mit Grundlagen büffeln und korrigiert werden. Das ist die Vorbereitung, und wer gut vorbereitet ist, wird am Konzert viel Freude haben. Aber auch die Vorbereitung ist schon immer wieder mit Freuden und Höhepunkten verbunden. So ist es auch im Leben mit Jesus. Er möchte uns auf dem Weg der Heiligung immer wieder mit Freuden überraschen und diese kleinen Freuden auf dem Weg sind ein Motivator und zeigen auf die große Freude, die dann noch kommen wird. Je mehr wir Jesus Christus ähnlicher werden, desto größer werden diese Freuden werden, sowohl in diesem Leben, als auch in der Ewigkeit.“

20. November 2016: „Das Wesen geistlicher Einheit“ (Joh. 17, 20 – 26)
Alle, die gläubig und wiedergeboren sind, haben durch die Erlösung diese biblische Einheit bekommen. Und diese Einheit findet am Fuß des Kreuzes von Golgatha statt. Das Kreuz ist der Ort, an dem wir am Boden sind. Es ist der Ort der Demütigung, denn vor dem Kreuz erkennen wir unsere eigene Schrecklichkeit und Verderbtheit. Wir erkennen unsere Selbstsucht, die von Jesus am Kreuz bezahlt werden musste. Wir erkennen, wie schlimm wir sind, weil wir erkennen, dass unsere Schuld vor Gott so groß ist, dass der geliebte Sohn Gottes das einzige Bezahlungsmittel ist, das groß genug ist, um unsere Schuld zu bezahlen. Einheit gibt es dort, wo wir uns immer wieder bewusst werden, wie sehr wir Jesus brauchen. Das einzusehen, macht unser Herz auch anderen Menschen gegenüber groß und hilft uns, sie noch mehr zu lieben. Die Einheit findet auch umso mehr statt, je mehr wir uns von Gott verändern lassen. Das Ziel unseres Lebens hier auf der Erde ist, dass wir dem Bilde Jesu gleichgestaltet werden. Das bedeutet, es geht um unsere Heiligung. Dass wir lernen, gegen Sünden anzukämpfen und uns ihnen zu widersetzen. Dieser tägliche Kampf gegen die Sünde verändert uns und hilft uns auch, für andere Menschen erträglicher zu werden. Ich will noch einen weiteren Punkt hinzufügen. Einheit entsteht dort, wo es um klare Inhalte geht. Das Evangelium ist nicht eine unklare, undefinierbare, diffuse Botschaft, die sich jeder selbst zurechtlegen kann, wie er will. Das heißt, wir müssen miteinander darüber reden. In unserer Zeit der vergötzten Toleranz ist uns die Fähigkeit zum Disputieren verloren gegangen.“

Mittwoch, 16. November 2016

Euer Emergenz, die Postmoderne hat versagt!

Der Blick in die Blogger- und Social-Media-Szene der Emergenten und derer, die ihnen nahe stehen, zeigt sehr schön, wie spätestens die Trump-Wahl das letztliche Versagen der Postmoderne deutlich macht. Die postmoderne Gefühlszentriertheit hat letztlich gesiegt – und nun müssen sich auch die Freunde des Postmodernismus überlegen, welche unverrückbaren und ewig gültigen Werte und Wahrheiten hochgehalten werden müssen, damit man am Ende nicht im Lager der postfaktischen Trump- und AfD-Anhänger landet.

Insgesamt herrscht allerdings noch eine Unsicherheit, in welche Richtung man gehen soll. Vorerst bleibt es also bei tollen Slogans wie „Liebe“, „Barmherzigkeit“ und „gegen die Angst“, die jeder im Prinzip selbst füllen kann. Klar stammen diese Begriffe aus der Bibel. Klar dürfen sie verwendet werden. Was allerdings immer fehlt, sind klare Definitionen, denn jeder der Begriffe umfasst im Grunde genommen einen engen Bereich des Lebens, der klar abgegrenzt werden müsste. Liebe ist exakt das Gegenteil der postmodern verstandenen Gleichmacherei, die alles mit der Dampfwalze einebnet und gleich-gültig macht. Liebe, wie sie die Bibel versteht, ist Gottes eifersüchtiges Verlangen, uns ganz für Sich zu haben und es ist das eifersüchtige Verlangen des Menschen, seine Mitmenschen vor Gott noch heiliger präsentieren zu können.

Ich freue mich, dass hier ein langsames Weiterdenken zu sehen ist. Unsere Gesellschaft ist in einer nachpostmodernen Wüste gefangen und dreht sich immerzu im Kreise um sich selbst. Es ist schon längst bekannt, dass der ethische Relativismus nirgendwo hinführt. Der ethische Relativismus ist eine wert-lose Haltung, die nur so lange etwas bringt, wie Wohlstand und Verantwortungslosigkeit anhält. Sobald es ans Eingemachte geht, wenn Entscheidungen anstehen, für welche Verantwortung getragen werden muss, ist er nicht nur unsinnig, sondern geradezu kontraproduktiv. Vermutlich wird es noch weitere 15 – 20 Jahre dauern, bis die ganze Emergenz in der Gegenwart angekommen ist und nicht mehr weiterhin der Vergangenheit nachtrauert. Der Ansatz einer postmodernen Kirche ist von seinem Ursprung her zum Scheitern verurteilt. Zu diesem Schluss kann man entweder logisch oder experimentell kommen – beide Arten führen zur selben Antwort.

Auf der logischen Ebene ist es so, dass das Evangelium jede Kultur in Frage stellt. Es kann deshalb weder ein modernes, noch ein postmodernes Evangelium geben. Jede Kultur und jede Zeit enthält Wahrheiten, Halbwahrheiten und Verführungen, und die Bibel will alle prüfen und korrigieren. Echte Gemeinschaft und Einheit kann es nur am Boden vor dem Kreuz geben – und zwar vor dem Kreuz Jesu Christi, an welchem unsere Schuld vor Gott bezahlt wurde und wir Christi Gerechtigkeit bekommen haben. Echte Gemeinschaft und Einheit brauchen die Kraft der leiblichen Auferstehung Jesu Christi. Gemeinschaft und Einheit gibt es nur auf der Grundlage, dass Gottes Wort, die ganze Bibel, vollumfassend wahr ist. Ohne Wenn und Aber. Auf der experimentellen Ebene kann man schon lange erkennen, dass die Postmoderne nicht dabei geblieben ist, nur ihre Mutter, die Moderne, zu verschlingen, sondern zur Autophagie neigt: Sie frisst sich selbst auf, indem sie sich die Grundlage entzieht, auf der sie baut. Sie kritisiert die Sprache – muss sich aber zugleich jener bedienen, um diese kritisieren zu können. Sie stellt das lineare Denken in Frage – wobei sie zugleich dem linearen Gedanken folgt, dass das lineare Denken falsch sei. Sie rebelliert gegen Metanarrative, während sie sich selbst eines solchen bedient. Sie meint, es gebe keine absolute Wahrheit – sagt dies jedoch mit dem Selbstbewusstsein dessen, der im Besitz einer solchen ist.

Und dann, spätestens wenn ein postfaktisch agierender, Hass verbreitender, weißer Mann in Amerika Präsident wird, zeigt sich diese Schwäche auch äußerlich. Solange alles gut geht, es keine größeren Krisen gibt, jeder genug zu Essen und eine Rente hat, lässt sich gut mit der Postmoderne leben. Doch ist dieser Wohlstand keine Selbstverständlichkeit. Irgendwann wird es wieder Schwierigkeiten geben. Und spätestens dann kann das Denken eines Weltbilds einen Reality-Check durchlaufen. Dies ist nun der Fall. Bis zur nächsten Wahl in Deutschland sind nur noch wenige Monate. Vielleicht kann dies ein Ansporn zum tiefen Nachdenken über die biblische Weltanschauung und unsere Kultur in der nachpostmodernen Wüste sein. Vielleicht wird dies zu einer erneuten Reformation, zu einer Rückkehr zur Bibel allein, zum Glauben allein, zur Gnade allein, zu Christus allein führen. Es wäre zu hoffen. Alle Ehre Gott allein!


Freitag, 11. November 2016

Was sind „Gated Communities“?

Als Gated Communities bezeichnet man schon länger Wohnkomplexe oder -gebiete, die in sich geschlossen sind. Der Begriff bedeutet übersetzt so etwas wie „eingezäunte Gemeinschaften“. Dabei spielt es keine Rolle, worin der Zaun besteht. Manchmal werden solche Wohnkomplexe durch Security überwacht, aber in den allermeisten Fällen ergibt sich der Zaun von selbst. Im Ostberlin der DDR war das Wohngebiet der Funktionäre der DDR ein solches abgeriegeltes Wohngebiet. Wer drin war, kam nicht raus, und wer draußen war, kam nicht rein. Außer man wurde zum Funktionär ernannt. Schulen, Einkaufszentren, alles Notwendige war in diesem Gebiet.

Ein anderer Zaun kann zum Beispiel auch das Einkommen, die politische Einstellung oder die Hautfarbe sein. Wer gerne Filme schaut, dem wird bestimmt schon aufgefallen sein, wie diese gepflegten Vorortgebiete der oberen Mittelschicht eine besondere Rolle spielen. Dorthin zu kommen ist der Traum der meisten Amerikaner, denn wer dort ein hübsches Einfamilienhaus beziehen kann, der hat es zu was gebracht. In diesen Filmen wird ganz bewusst mit diesem Traum gespielt. In den Innenstädten gibt es ebenso homogene Straßen und Wohngebiete. Das ganze Leben spielt sich zunehmend in diesen homogenen Kreisen ab. Während ein Land nach außen hin immer vielfältiger aussieht, geschieht innen das Gegenteil: Es entstehen viele homogene Subkulturen, die unter sich bleiben.

Etwas Ähnliches geschieht auch online. Während das Internet zahllose Informationen bereitstellt, die einem ein Fenster zur ganzen Welt bieten könnten, stellt sich heraus, dass das die meisten Menschen überfordert. So viele Menschen, so viele Meinungen, so viele Probleme, die erst durch die Globalisierung sichtbar werden. Der Schutzmechanismus besteht für die meisten Menschen darin, sich in „Gated Communities“ zu verschanzen. Wenn man von den Kulturen überfordert ist, die man antrifft, dann zieht man sich lieber in die wohlige, homogene Subkultur zurück. In den sozialen Medien, die durchaus asozial werden können, sucht man sich den Freundes- oder Bekanntenkreis nach Kriterien der Gemeinsamkeit aus. Wenn man alle Fans von Sahra Wagenknecht und Frauke Petry, Claudia Roth oder Horst Seehofer aus der Freundesliste gekickt hat, dann lebt es sich sehr wohlig in der eingezäunten Blase der eigenen Selbstgenügsamkeit.

Das Problem dabei ist das: Wenn man immer nur von Menschen umgeben ist, welche die eigene Meinung bestätigen, geschieht in diesen eingezäunten Kreisen automatisch eine Radikalisierung. Für andere Sichtweisen ist man nicht mehr offen, da man beständig die Bestätigung der Freunde bekommt. Unbemerkt schleicht sich in diese Kreise eine stetige Radikalisierung ein, eine Spirale, die immerzu weiter in diese Radikalisierung und Blindheit für alles andere führt. Der Hass auf die andersdenkenden Menschen wächst. Man mag nur noch die lauten Schreier; wer die anderen nicht mit möglichst großer Häme oder Hass überhäuft, von dem lassen wir uns nichts sagen. So konnte sich der frisch gewählte US-Präsident profilieren.

Gestern kam in einem SWR2-Interview der Begriff der Anti-Politik auf. Auch diese Anti-Politik hat eine Menge mit den „Gated Communities“ zu tun. Die Frage ist: Wem vertrauen wir noch? Wer in einer solchen Meinungsblase lebt, vertraut nur noch jenen, welche die eigene Sichtweise bestätigen. Da sich die Politik jedoch von diesen Gated Communities dadurch unterscheidet, dass sie sich ständig mit vielen verschiedenen Meinungen und Wünschen auseinandersetzen muss, und deshalb oft zu differenzierteren Ergebnissen kommt, verliert sie an Vertrauen jener, welche sich in diese eingezäunten Gemeinschaften zurückziehen. Wohin das führen wird, dürfen wir auch hier in Europa bald sehen.


Donnerstag, 10. November 2016

10 Thesen zu Politik und Zukunft


1. Die Welt wird nicht untergehen. Sie hat schon ganz andere Gestalten gesehen.

2. Es wird Veränderungen geben. Auch hat sich die Vorhersehbarkeit verringert.

3. Alle Politiker brauchen unser Gebet. Das wird von Gott gefordert.

4. Die Politik der Überraschungseier wird immer beliebter. Gewählt wird, um möglichst nicht dasselbe wie bisher zu bekommen.

5. Der Populismus ist die Autoimmunerkrankung der Demokratie. Eine Demokratie wird sich nie automatisch erhalten, sondern läuft immer Gefahr, in eine extreme Richtung abzudriften. Es braucht das Engagement von allen (oder möglichst vielen).

6. Europa hinkt den USA meist um 15 – 20 Jahre hinterher. Wenn hier nichts geschieht, lässt sich leicht sehen, was die nächsten Jahrzehnte bringen werden.

7. Das Prinzip von „Gated Communities“ ist am zunehmen, sowohl online als auch in der Gesellschaft und in Städten. Das wiederum wird zu stärkeren Gegensätzen führen, bei denen es nur ums Dagegen-Sein geht.

8. Was nötig ist, wird eine biblische Sicht von Nationen und der Demokratie sein. Diese sind keine von Menschen geschaffene Einrichtungen, sondern wurzeln im Wesen und Charakter Gottes.

9. Gnade und Respekt sind wichtige Elemente einer biblischen Weltanschauung. Wir müssen lernen, respektvolle Worte zu wählen, auch wenn wir der Meinung der anderen Person vollkommen widersprechen. Zudem müssen wir uns bewusst sein, dass nur Gottes Gnade ermöglicht, dass sich Menschen korrigieren lassen. 

10. Ich bete für Erweckung, denn nur Erweckungen können langfristige positive Veränderungen in der Gesellschaft bewirken.

Dienstag, 8. November 2016

7 Gründe für das Lesen von Biographien

Etwa 10 – 15% aller Bücher, die ich pro Jahr lese, sind Biographien. Zur Zeit bin ich an Manfred Kühns Kant-Biographie. Biographien stehen bei mir häufig am Anfang einer Zeit, in welcher ich mich mit dem Werk oder der Zeit der jeweiligen Person befassen will.

In der Einleitung zur Kant-Biographie stellt Kühn eine interessante Frage, die mich einmal mehr zur Reflexion über meine Gründe zum Studium von Biographien angeregt hat. Hier das Zitat von Kühn:

Ich weiß nicht wirklich, was Biographien für so viele Leser eine derartige Faszination verleiht. Ist es einfach die Neugier zu wissen, wie die 'Berühmten' gelebt haben? Ist es Voyeurismus, ein unschöner Drang, einen Einblick in die schmutzigen kleinen Geheimnisse der 'Großen' zu bekommen? Ist es Eskapismus, ein Versuch eines stellvertretenden Lebens, eine Art Romanze für Menschen mit eher intellektuellen Neigungen? Oder ist es eine Art Versuch, in unserem eigenen Leben Sinn zu finden? Zahlreiche Selbsthilfebücher sind Zeugnis dafür, dass das Bedürfnis nach einem 'erfolgreichen' Leben weit verbreitet ist. Von erfolgreichen Menschen könnte man meinen, sie hätten dieses flüchtige Ziel erreicht - und erfolgreiche Philosophen, also Menschen, die darüber nachgedacht haben, was zum Erfolg führt, könnten mehr zu bieten haben als die meisten.“ (S. 38)

Ich habe mir Gedanken gemacht, warum ich Biographien lese. Unter anderem aus den folgenden sieben Gründen:

1. Biographien erweitern meinen Horizont.
Wenn ich eine Biographie lese, so muss ich über meinen Tellerrand hinausschauen. Ich darf die Welt mit fremden Augen sehen und erkennen, wie andere Menschen zu anderen Zeiten gelebt, geliebt, gelacht und gearbeitet haben. Meist bin ich dann so richtig dankbar, heute leben zu dürfen. Sehr viel Armut ist inzwischen erfolgreich bekämpft worden. Es gibt dafür andere Sachen anzupacken.

2. Biographien bewahren mich vor dem „chronologischen Snobismus“.
Beim Lesen einer Biographie darf ich aber auch erkennen, dass weder ich noch meine Zeit der Nabel der Welt sind. C. S. Lewis sprach davon, dass es leider nicht möglich sei, in die Zukunft zu reisen, um zu sehen, wie unsere Zeit und unser Handeln dereinst gesehen würden. Deshalb brauchen wir den Blick früherer Zeiten, der uns eine etwas objektivere Sichtweise auf unsere Zeit schenkt. Jedes Zeitalter hat eine ganze Menge blinder Flecken, und deshalb gibt uns die Kenntnis des eigenen plus mehrere anderer Zeitalter so etwas wie ein mehrdimensionales Bild der Realität.

3. Biographien zeigen mir den Denkweg auf.
Jeder Mensch verändert sich im Laufe seines Lebens. Das ist ganz normal und gesund so. Wenn ich eine Biographie lese, möchte ich etwas über das Erleben der Person erfahren, welches zu diesen Veränderungen geführt hat. Das hilft mir, sowohl dessen Werk zu verstehen, als auch zugleich meine eigene persönliche Biographie zu reflektieren.

4. Biographien erweitern meinen Geschichtshorizont.
Ich habe anderswo geschrieben, warum die Auseinandersetzung mit Geschichte (und da nicht nur mit den letzten 80 Jahren) so immens wichtig ist. Durch eine Biographie lerne ich diese Zeiten noch besser und persönlicher kennen, weil ich Personen kennenlerne, welche in dieser Zeit gelebt und gewirkt haben. Das hilft mir, die Geschichte noch besser zu kennen.

5. Biographien helfen mir, richtig und falsch zu unterscheiden.
Bei diesem Punkt muss ich natürlich ein wenig aufpassen, dass das nicht falsch verstanden wird. Was ich damit meine, ist folgendes: Wenn ich die Biographien mit einer biblischen Weltanschauung im Hinterkopf lese; besser noch: Wenn ich gleichzeitig in der Bibel blättere, während ich die Biographie lese und die Biographie anhand der Heiligen Schrift beurteile, dann erweitert die Biographie mein Unterscheidungsvermögen von gut und böse, richtig und falsch. Anders gesagt: Mein Gewissen wird sensibilisiert und hilft mir dadurch auch im Alltag.

6. Biographien ermutigen mich.
Wenn eine Biographie nicht gerade eine realitätsferne Hagiographie ist (und solche versuche ich nach Möglichkeit zu vermeiden), dann lerne ich einen einfachen Menschen kennen, der mit seinem Leben etwas erreicht hat. Ich lerne seine Schwierigkeiten, Trauer, Freude, alltäglichen Gewohnheiten kennen und sehe, wie einfache Menschen gebraucht werden, um Großes zu erreichen. Jeder von uns ist in einem Netzwerk von Menschen eingegliedert, wo wir Tag für Tag einen Unterschied machen können. Wenn wir das tun, dann haben wir Großes erreicht. Das lehren mich die meisten Biographien.

7. Biographien führen mich in die Anbetung Gottes.
Ob ich der Person zustimme oder nicht, über welche die Biographie geschrieben wurde, aber jede Biographie führt mich dazu, Gott anzubeten. Manche dieser Menschen haben uns viel Verständnis von der Welt gegeben, indem sie geforscht und nachgedacht haben. Andere haben eine Menge für Gottes Reich getan. Und dann gibt es auch noch jene Biographien, die mich dankbar machen, dass ich nicht so viel Macht bekommen habe wie andere, weil diese Macht so schnell einen Menschen betrügt und seine schlimmsten Seiten zeigt.


Und was sind Deine Gründe, um Biographien zu lesen?


Samstag, 5. November 2016

Ein postfaktisches, postdemokratisches, postliberales Zeitalter

Wahrheit ist, was überzeugt. Jeder kann sein, was er will. Freiheit ist nicht so wichtig wie Sicherheit und Gleichheit. Es kann keine objektive Wahrheit geben. Wahrheit wird von der Gesellschaft konstruiert. Gefühle sind wichtiger als Tatsachen. Jeder hat seine eigene Erfahrung und Auffassung. Der Mensch ist das Maß aller Dinge.

Könnten diese obigen Sätze unserer Zeit entstammen? Ja, sie könnten. Und manch einer hält unsere Zeit für einzigartig. Doch könnten obige Zeilen ebenso gut im Athen vor 2500 Jahren gesagt oder geschrieben worden sein. Der letzte Satz ist übrigens genau in jener Zeit entstanden – es ist einer der ganz wenigen Sätzen, die man mit Sicherheit Protagoras zuschreiben kann.

Vor ungefähr 2500 Jahren war Athen eine blühende Stadt. Der technische Fortschritt und immer neue wissenschaftliche Entdeckungen prägten das Leben. Die Kunst hatte einen wichtigen Platz im Leben eingenommen. Athen war eine Demokratie – zwar nur eine der freien Männer, aber trotzdem hatte so jede Familie ein Mitspracherecht. Der Mittelstand war längere Zeit gewachsen und hatte Hoffnungen geweckt. Die Menschen sahen immer mehr, wieviel sie aus eigener Kraft erreichen konnten – mit Hilfe von Werkzeugen, Tieren und Angestellten. Der griechische Götterhimmel war tot – man feierte zwar die wichtigsten Feste zu Ehren der Götter, aber hauptsächlich deshalb, weil es die einzigen freien Tage des Jahres waren und weil man dazu verpflichtet war. Der griechische Götterhimmel war Staatsreligion. Doch längst war das alles nur noch tote Tradition. Wer nicht bei dieser staatlichen Götteranbetung teilnahm, dem drohte Verbannung oder gar Todesstrafe.

Der technische Fortschritt stärkte das Selbstbewusstsein der Athener enorm. Zugleich aber wuchs das neue Wissen derart rasant an, dass man es irgendwie sammeln und auch weitergeben musste. Diese Aufgabe als Universalgelehrte nahmen die Sophisten auf. Sie studierten das Wissen, sammelten es, und zogen umher, um es jedem anzubieten, der ihnen genug Geld dafür zahlte. Die Sophisten merkten bald, dass manche Dinge dieser Wissenschaften im krassen Widerspruch zueinander standen. Statt einer universalen Theorie, die alle Dinge umfasst, gab (und gibt) es nur mehrere einzelne Theorien, die nicht vereinbar sind. So kamen sie zum Schluss, dass alles relativ sei. Wahrheit sei nichts Absolutes, sondern der einzelne Mensch sei immer das Maß aller Dinge.

Was musste nun kommen? Plötzlich wurde die Rhetorik zum wichtigsten Zweig der Wissenschaften. Wie kann man überzeugend reden? In der athenischen Demokratie war dies besonders wichtig, denn jeder konnte mitreden, und wer überzeugte, befahl. So wurde aber zugleich aus dieser Demokratie eine Postdemokratie. Es wurde zu einer „Rhetorikratie“, eine Oligarchie der wenigen, in Rhetorik gut geschulten, reichen Bürger. Immer wieder kam es zu bürgerkriegsähnlichen Aufständen, Absetzungen, Verbannungen, die das Leben der Demokratie schwächten. Statt Fakten zählten die Gefühle, welche durch gelehrte Reden hervorgerufen wurden. Das Problem mit den Gefühlen in der Politik ist, dass sie ungerecht sind. Angst, Zorn, Mitleid, Empörung haben in der Politik nichts verloren. Gefühle ersetzen die Gerechtigkeit und führen zwangsläufig zu einem Zustand, den die Bibel „Ansehen der Person“ nennt. Gerechtigkeit wäre, wenn alle gleich behandelt werden – ohne Ansehen ihres Standes, Geschlechts, Reichtums (oder Armut), etc. Auch heute geht die Gerechtigkeit unter – zugunsten einer falsch verstandenen Pseudo-Gerechtigkeit, die versucht, Unterschiede durch politische Aktionen wie etwa Steuern, Gesetze, oder individuelle Behandlung vor Gericht, einzuebnen.

Die antiken Sophisten waren postliberal. Eigentlich sollte die attische Demokratie ja die Freiheit des Einzelnen schützen und stärken. Die Sophisten unterstützten die Reichen, die politische Ambitionen hatten und ihnen Geld für ihr Wissen und den Unterricht in der Rhetorik bezahlen konnten. Auch die heutigen Sophisten rufen wieder nach einem starken Staat mit Überwachung und Schutz vor dem Terrorismus. Sie sind einerseits bereit, mehr überwacht zu werden, aber zugleich hat man dann Probleme mit den USA, ist lieber für die Russen, wo es mit der Demokratie auch nicht weit her ist, und schimpft über die NSA. Was wäre die bessere Alternative? Wenn wir weiterhin Demokratie wollen, dann wird nur eines übrig bleiben. Wir müssen uns darum bemühen. Demokratie ist – anders als die meisten von der Demokratie beschenkten Menschen denken – kein automatischer, immer bleibender Zustand. Sie lebt davon, dass sich der Einzelne einbringt und mitarbeitet. Ohne die vielen Einzelnen mit ihren unterschiedlichen Sichtweisen, Ideen und Alternativen wird die Politik zur alternativlosen Oligarchie – zu einer Herrschaft der Wenigen, in der nur noch abgenickt wird, was sowieso schon längst feststeht.

In die Zeit der antiken Sophisten wurde Sokrates geboren, etwas später sein wichtigster Schüler Platon, sowie danach dessen Schüler Aristoteles. Diese drei Philosophen versuchten, eine Antwort auf die Sophisten zu geben. Sie gingen den Fragen nach, wie man richtig leben kann, auch in Zeiten, in denen der Götterhimmel nichts mehr zu bieten hatte. Zunächst war ihnen wichtig, dass Wissen ein demokratisches Gut ist. Sie gingen nicht nur zu den Reichen, sondern redeten mit allen, die sich dafür interessierten. Jeder darf das Wissen haben, jeder darf und kann über die großen Fragen dieser Welt nachdenken. Sie alle waren sich darin einig, dass die Realität, die wir mit unseren Sinnen wahrnehmen, tatsächlich real ist, und ebenso auch, dass das richtige Wissen zum rechten Handeln führen wird.

Darüber hinaus konnten sie recht wenig Gemeinsamkeiten finden. Jeder übernahm manch einen Gedanken seines Lehrers, aber drehte die meisten davon auf den Kopf. Für Platon war das eigentlich Realere das Urbild hinter den einzelnen Erscheinungen in der Welt. Die Pferdheit ist realer als das einzelne, unterschiedliche Pferd. Für Aristoteles existiert die Pferdheit gar nicht, sondern nur das einzelne Pferd, und er hält die Pferdheit für eine rein menschliche Erfindung. Aus biblischer Sicht können wir beiden bedingt zustimmen. Gott hat die Pferdheit ausgedacht, nämlich die Spezies namens Pferd, und dazu durch sexuelle Fortpflanzung jedes einzelne Pferd geschaffen. Beides ist gleichermaßen real: Gottes Idee der „Pferdheit“ und die einzelnen „Erscheinungen“ dieser Idee Gottes, nämlich alle real existierenden und jemals real existiert habenden Pferde. Einheit und Vielfalt entstammen Gottes Wesen, da Gott der Dreieine ist, und wenn wir unsere Welt kennenlernen wollen, dann werden wir – ob wir das wollen oder nicht; ob wir diese Wahrheit annehmen oder verdrängen und unterdrücken, das ist uns überlassen – in einem gewissen Maß auch Gottes Wesen kennenlernen.


Dienstag, 1. November 2016

Die Schönheit einer besonderen Freundschaft

Taunton, Larry Alex, The Faith of Christopher Hitchens. The Restless Soul of the World's Most Notorious Atheist. 224S. Kindle-Ausgabe. Link zu Amazon

Christopher Hitchens war einer der sogenannten „vier apokalyptischen Reiter der Nicht-Apokalypse“, also einer der bekanntesten vier „Neuen Atheisten“, zusammen mit Richard Dawkins, Daniel Dennett und Sam Harris. Larry Alex Taunton ist Autor und Direktor der Organisation „Fixed Point Foundation“ (ungefähr „Stiftung des festen Punkts“), welche den christlichen Glauben vertritt und dazu Debatten organisiert und weltweit reist, um an anderen Orten an solchen Debatten teilzunehmen. Eine spezielle Zusammensetzung ist in dieser Freundschaft zu finden, und genau darum geht es in dem Buch. Taunton möchte uns ermutigen, solche speziellen Freundschaften zu suchen und zu wertschätzen. Gleich zu Beginn schreibt er dazu: "I speak exclusively to Christians when I say this: how are we to proclaim our faith if we cannot even build bridges with those who do not share it?" (Kindle-Position 100) Taunton beschreibt diese Freundschaft, aber er sieht auch, dass es Christen gibt, welche ihm diese Freundschaft nehmen möchten, und behaupten, ein Christ könne nicht mit einem Atheisten befreundet sein.

Zuerst beschreibt Taunton das Leben Hitchens'. Dieser war in eine Familie hineingeboren, die gerade am Aufsteigen war. Der Vater war ein einfacher Mann, aber er war im Krieg bei der Armee tätig. Die Mutter wollte unbedingt ihren Kindern einen weiteren sozialen Aufstieg ermöglichen und sparte an allen Ecken und Enden, damit die beiden Söhne eine anständige Privatschule und danach die Universität besuchen konnten. Die Schule war streng religiös, sodass Hitchens einen Hass auf Gott entwickelte. Taunton schreibt: "Every despot in history has claimed to be a man of principle, a champion of the people, but their principles were carefully chosen to match a seething hatred, be it hatred for one’s neighbor, the ruling class, or the Jews. Christopher hated God and was determined that he should master and tyrannize him. To do so, however, he now needed the tools of warfare. In atheism he had found a principle that corresponded to his grievance. Now he had to weaponize it." (Kindle-Pos. 412) Worte haben Macht, und Christopher entdeckte diese Macht früh. In diesen Schulen war Sport etwas sehr Wichtiges, aber da der junge Christopher eher schwächlich und „mädchenhaft“ (er nennt sich selbst „girlish“) war, trug seine Abneigung zum Sport zusätzlich dazu bei, stattdessen die Macht der Worte in Debatten und in schriftlichen Auseinandersetzungen zu schulen. Er wurde ein extremer Linker, der als Journalist und politischer Agitator rund um den Erdball reiste. Wer seine Artikel liest, sieht auf den ersten Blick einen sehr weit belesenen Mann. Doch der erste Blick trügt: "Words as weapons. Reeling bullies. Turning the tide of public opinion. This must all be remembered when we watch Christopher Hitchens in debate. The danger here—and Christopher fell wholeheartedly into its snares—was developing a love of words insofar as they were weapons for attack and defense of his position, rather than loving words insofar as they lead to truth. This, I believe, resulted in Christopher’s wide but not deep reading. [...] Rather than submitting to his professors’ systematic teaching and training of his mind, his reading was defined by predetermined goals: he looked for supportive assertions, witty repartee, and selective facts for ammunition. He remembered only what he could use. Consequently, he never really studied the great books and the great questions in real depth." (Pos. 490) Was ihm fehlte, war die systematische Auseinandersetzung mit dem Gelesenen. Nur wenige Autoren kannte er wirklich, da er meist nur las, um Munition für seine Meinung zu finden. Was nicht seiner Ansicht entsprach, wurde geflissentlich überlesen.

Lange Zeit war sein Leben von diesen zwei Dingen beherrscht: linksextreme Politik und Journalismus. Doch dann kam die Wende – und zwar eine Wende, bei welcher ich mich selbst wiedergefunden habe. Der 11.9.2001 markiert die Wende in Hitchens' Leben. Nun wurde er zu einem Suchenden. So ähnlich ist es mir auch ergangen – nur dass sich die Antworten in entgegengesetzter Richtung ergeben haben. Vom Linksextremen wurde Hitchens zum Unterstützer der Anti-Terror-Politik George W. Bushs und zugleich zum militanten Atheisten. Gehörte der Atheismus bei ihm bisher einfach zu seinem Leben dazu, wurde er nun ein bestimmendes Element. 2007 gab Hitchens ein Buch heraus mit dem Titel „god is not great“ (die dt. Übersetzung bekam den Titel „Der Herr ist kein Hirte“) und damit wurde er zugleich auch als New Atheist bekannt. Dieses Buch war der erste Moment, in welchem Larry Alex Taunton auf Hitchens aufmerksam wurde. Er organisierte mit seiner Fixed Point Foundation eine Debatte zwischen Hitchens und John Lennox. Dies wurde der Beginn dieser ganz besonderen Freundschaft, welche im Rest des Buches geschildert wird.

In dieser Freundschaft entdeckte Taunton einen ganz anderen Hitchens als derjenige, der auf der Bühne zu brillieren wusste. Einen Hitchens, der eigentlich auf der Suche ist. Einen Hitchens, dessen Atheismus Teil seiner Selbstdarstellung ist, der sich in seinem Innersten aber nicht vollständig bewusst ist, was das bedeutet. Taunton hat auch mit Richard Dawkins, Michael Shermer und Peter Singer Debatten organisiert und kannte sich deshalb ziemlich gut aus, was die Positionen dieses Mainstream-Atheismus sind. So beschreibt er, wie Hitchens auf diese Auseinandersetzungen reagierte: "I recall once asking Christopher [Hitchens] if man was, in his view, born good or bad. His answer was emphatic: “Man is unquestionably evil.” I had asked that question of other atheists. Richard Dawkins spoke of genetic predispositions. Michael Shermer referred to social conditions. Peter Singer rejected the idea of such moral constructs. None of them had answered the way Hitchens did. They couldn’t. At least they couldn’t and remain consistent in their atheism. Christopher readily accepted that this was in contradiction to his atheism. He was then midstream of his philosophical transition and hadn’t yet worked out the details." (Pos. 1200)

"Christopher was not the atheist ideologue I had supposed him to be from reading god Is Not Great and listening to his lectures and debates. An ideologue will adhere to his given dogma, no matter what. He places ideas above people because he deems them more important than people. In this he really thinks he is morally courageous because he subordinates his feeling for what he believes is the greater good." (Pos. 1661)

"Christopher Hitchens was a searcher. In search of a unifying philosophy of life, atheism offered nothing. In more honest moments, Christopher would acknowledge this “joylessly, humorlessly, gloomily, pessimistically.” Patriotism, at least, was something. In it were virtues that appealed to the elder Christopher Hitchens if not the younger—tradition, honor, loyalty, and commitment to a cause beyond oneself—and, yet, it was an uncomfortable compromise. Patriotism alone was not a system of thought. It could not provide the answers he wanted to the larger questions of life. It was, he knew, a half measure. Hence, he considered accessorizing it with science on the one hand and religion on the other. His approaches to religion, Christianity really, were what Nicodemus’s might have been had he come to see Jesus by day rather than by night: as that of reporter or critic rather than as a would-be disciple. Hitchens was not as certain about his atheism, whatever his public professions to the contrary." (Pos. 2563)

2010 wurde bei Hitchens Speiseröhrenkrebs diagnostiziert, und Taunton war einer der ersten, die es erfahren durften. In der darauffolgenden Zeit unternahmen Taunton und Hitchens zwei längere Autofahrten, bei welchen sie zusammen im Johannesevangelium lasen und darüber miteinander sprachen. Kurz vor dem Tod Hitchens' wurde noch einmal eine Debatte organisiert, in welcher sich die beiden Freunde gegenüberstehen durften. Kurz danach starb Hitchens. Man weiß nichts darüber, was aus den Worten geworden war, die Taunton mit ihm teilte. Es gibt kein Zeugnis davon, dass er sich bekehrt hätte. Aber es gab auch nicht das Gegenteil davon – so sehr es sich die anderen Atheisten auch gewünscht hätten: "The atheist side wanted a saint, a man who would endure to the very last, courageously facing death in a way that—if he could just hold out—would show them that it could be done, quieting their own doubts about the hereafter. And, at first, Hitchens seems to be assuming that role. But he began introducing doubts, rather than hoped-for verities. In the same interview with Jeffrey Goldberg, Christopher leaves the door not simply cracked, but wide open to “a Prime Mover or a higher intelligence.” Much more than attacking the idea that there is a god, Christopher attacks the “man-made” notion that anyone speaks on that entity’s behalf. This is hardly the stuff of a public conversion, but neither is it the conventional atheist dogma he usually spouted." (Pos. 2731)

Es ist ein Buch, das mich enorm mitgenommen hat in die Welt dieser Freundschaft. Zwei so unterschiedliche Männer mit so unterschiedlichen Ansichten, die sich dennoch mit sehr viel Respekt begegnen können. Eine echte Männerfreundschaft, die so tief geht, dass man sich nicht ständig sehen muss, und trotzdem einander zuerst Mitteilung macht, wenn man eine einschneidende Erfahrung im Leben macht, wie etwa die Krebsdiagnose. Lassen wir uns von Taunton zu solchen Freundschaften ermutigen!