Nachdem
ich mich bereits Ende letzten Jahres mit dem Lesen von Büchern
befasst habe (siehe hier:
http://jonaserne.blogspot.de/2013/12/gedanken-zum-lesen.html),
war ich sehr interessiert daran, auch mal einen echten Profi dazu zu
lesen. Über den amerikanischen Pastor und Theologen John Piper
bin ich auf das Buch „How to read a book“ von Mortimer Adler
gestoßen. Mehr als einmal empfiehlt Piper das Buch von Adler, so zum
Beispiel, wo er in seinem relativ neuen Buch „Think!“ (kostenloser Download als PDF) schreibt:
„My
most moving introduction to the exciting world of serious reading
came from Mortimer Adler’s classic, How
to Read a Book,
which is still in print (and doing nicely at Amazon) seventy years
after first being published in 1939.“ (S. 43).
Zunächst
unterscheidet Adler zwischen zwei – besser gesagt drei – Arten
von Lesen. Es gibt das Lesen rein zum Vergnügen, auf das er im Buch
nicht weiter eingeht. Und dann gibt es zwei Arten von Lesen, die er
klar unterscheidet: Das Lesen zum Gewinn neuer Information und das
Lesen zum Gewinn neuer Erkenntnis. Der Unterschied – so könnte man
ihn nennen – besteht zwischen dem passiven und dem aktiven Lesen.
Wer passiv liest, meint schon von vornherein, dass er das Gelesene
verstehen würde, in Wirklichkeit gewinnt er aber nur neue
Information. Er kann nicht wirklich verstehen, was der Autor nun
eigentlich sagen wollte und warum er das sagt.
Adler
betont sehr zu Recht die Wichtigkeit der Bücher früherer
Generationen. Er bedauert, dass dies nicht mehr als so wichtig
betrachtet wird und nur noch den Historikern überlassen wird. Wer
wissen will, wer wir sind und wie wir zu diesem jetzigen Dasein
gekommen sind, wird nicht um die alten Bücher herumkommen. So
kritisiert er auch das Schulsystem. Das Bildungssystem, so sagt
Adler, und die Kultur erhalten sich gegenseitig aufrecht.
Nach
den einführenden Kapiteln kommt Adler auf drei Wege des aktiven
Lesens zu sprechen. Wer das aktive Lesen lernen wolle, müsse die
drei Wege des Lesens zuerst separat lernen und üben, mit der Zeit
würden sie aber leichter zusammenfallen. Dies sind die drei „Wege“:
1.
der analytische Weg (der Weg vom Gesamten zu den einzelnen Teilen)
2.
der synthetische Weg (der Weg von den Teilen zum Ganzen)
3.
der evaluative oder kritische Weg (dabei wird der Autor und sein
Bemühen im Buch kritisch unter die Lupe genommen)
Nun
gibt es viele Regeln für diese drei Lesewege. Ich versuche sie
möglichst kurz und einfach zusammenzufassen.
Für
den ersten Weg des Lesens (analytisch) sind vier Fragen
wichtig:
1.
Worum handelt das Buch? Was ist das Hauptthema oder die Hauptthemen?
2.
Was möchte das Buch als Ganzes über dieses Thema aussagen? (in
einer kurzen Aussage)
3.
Aus welchen Teilen besteht das Buch? Wie gehören diese Teile
zusammen?
4.
Welches Problem (oder welche Probleme) versucht es zu lösen?
Dazu
kommt noch die Schwierigkeit, dass viele Bücher nur dann
verständlich sind, wenn sie im Zusammenhang mit anderen Büchern
gelesen werden. So zum Beispiel bei Immanuel Kant sein Hauptwerk über
die Vernunft, welches aus viel Bänden besteht, die nur im
Zusammenhang mit einander verständlich werden. Oder es gibt Bücher,
die als Antwort und Entgegnung auf andere Bücher geschrieben wurden.
Und dazu kommt, dass Autoren oft dasselbe mit unterschiedlichen
Worten beschreiben und verschiedene Dinge mit ähnlichen Worten. Das
muss man dabei alles bedenken.
Für
den zweiten Weg des Lesens (synthetisch) sind auch wieder vier
Fragen wichtig:
1.
Welches sind die wichtigen Worte und was bedeuten sie in diesem Buch?
2.
Welches sind die wichtigen Sätze und was sagen diese aus? (jeweils
in eigene Worte fassen)
3.
Welche Argumente gebraucht der Autor, indem er diese wichtigen Sätze
zusammensetzt?
4.
Von all den Problemen, die der Autor lösen wollte, welche hat er
denn nun tatsächlich erfolgreich gelöst?
Dann
kommt der dritte Weg (kritisches Lesen):
Bei
diesem Lesen geht es darum, dass man bei jedem Buch, das man liest,
ein persönliches Urteil abgeben muss. Stimme ich dem Autor zu in
seinen Schlussfolgerungen? Falls nicht, sind folgende Fragen
hilfreich:
1.
Habe ich verstanden, was der Autor nun tatsächlich sagen wollte?
Falls nein, habe ich tatsächlich mit all meinen Möglichkeiten
versucht, das Beste aus dem Buch zu holen?
2.
Bin ich mir sicher, dass ich ehrlich sagen kann, dass ich den
Bereich, den das Buch abdeckt, so gut kenne, dass ich mir erlauben
kann, den Autor zu kritisieren?
3.
Bin ich mir bewusst, dass eigentlich alle Unstimmigkeiten gelöst
werden können? Wenn man sich darüber nicht im Klaren ist, kann man
die Diskussion auch gleich bleiben lassen.
Wenn
man mit dem Autor nicht übereinstimmt, so gibt es nach Adler nur
vier mögliche Kritikpunkte:
1.
Der Autor ist uninformiert, das heißt, ihm fehlen bestimmte
Bestandteile, die zur Lösung seiner Probleme nötig wären.
2.
Der Autor ist falsch informiert, das heißt, er geht von
falschen Voraussetzungen aus und behauptet, Wissen zu besitzen, das
er nicht besitzt.
3.
Der Autor ist unlogisch, das heißt, er zieht aus den
richtigen Informationen die falschen Schlüsse.
4.
Die Analyse des Autors ist unvollständig, das heißt nicht,
dass man das Thema noch beliebig erweitern könnte, sondern es
bezieht sich darauf, dass für die Lösung seiner Probleme noch mehr
Analysen gemacht werden müssten.
Das
Buch schließt mit einem Überblick über das Lesen von guten Büchern
und der Einführung in die Sammlung der „Great Books of theWestern World“, die unter anderem auch von Adler und Robert M.
Hutchins zusammengestellt wurde. Diese Sammlung umfasst 54 Bände –
in einer späteren Auflage wurde sie auf 60 Bände erweitert – und
sollte meines Erachtens wirklich zu jeder guten gymnasialen Bildung dazu gehören.
Auch
wenn mir manche der Regeln nicht ganz neu waren, habe ich dennoch
enorm viel Neues dazulernen können. Insbesondere der Aufbau mit den
drei Lesewegen finde ich hilfreich – und wünschte, man hätte mir
dies schon an der Schule beigebracht. Ich möchte jedem, der gerne
liest, dieses hilfreiche Buch ans Herz legen. Ich habe es auf
englisch gelesen – kurz bevor ich damit zu Ende war, habe ich
gesehen, dass man es auch auf deutsch kaufen kann.
Übrigens hat vor Kurzem Hanniel Strebel im Blog von Josia - Truth for Youth - auch sehr hilfreiche Tipps zum gewinnbringenden Lesen gegeben.