Stell
Dir vor, es wird ein Kind geboren, und die Eltern rufen gleich das
Fernsehen an: Kommt bitte schnell her, ihr sollt unser Neugeborenes
gleich live übertragen und zeigen, wie gut es laufen kann! Eine absurde
Vorstellung, oder? Als unser Sohn zur Welt kam, waren wir stolze,
glückliche, strahlende Eltern, aber wir waren uns auch der Grenzen
bewusst, die so ein kleines, süßes Geschöpf hat. Inzwischen geht,
läuft, rennt unser Sohn. Aber das hat eine gewisse Zeit und viel Übung gebraucht.
Ich habe das Gefühl, dass uns dieses Wissen manchmal fehlt, wenn
sich jemand frisch bekehrt. Ganz besonders dann, wenn es jemand
Bekanntes ist. Eine Celebrity-Person, ein Promi. Dann sind wir
nämlich ganz schnell dabei, von einem frisch geborenen Baby das
Unmögliche zu erwarten. Und bauen damit einen enorm ungesunden Druck
auf.
Was
geschieht, wenn sich jemand bekehrt? Jesus nannte das eine Neugeburt.
Das ganze Leben muss unter neuen Vorzeichen betrachtet und neu
kennengelernt werden. Vom Minus zum Plus: Plötzlich ist die ganze
Welt um 180° umgedreht. Alles neu. Alles frisch. Ein radikaler Bruch
mit dem Bisherigen. Das bisherige Selbst muss gekreuzigt werden. Ein
oft schmerzhafter Vorgang. Schlechte Gewohnheiten durch gute
Gewohnheiten ersetzen. Das kann anstrengend sein. Jeden Gedanken
unter dem Gehorsam Christi gefangen nehmen. Lernen, mit der neuen
Freiheit in Christus umzugehen. Den täglichen Kampf mit der Sünde
und den Versuchungen aufnehmen. Den alten Menschen ausziehen und den
neuen Menschen anziehen. Das ganze Leben neu ordnen und sortieren.
Und
was, wenn jetzt auch noch die Kameras der Reporter ständig dabei
sind? Das baut einen unnötigen zusätzlichen Druck auf. Seien wir
ehrlich: Jedes Kleinkind fällt zigmal um, bis es einigermaßen
fehlerfrei gehen kann. Und jeder neugeborene Christ macht ebenso
seine Fehler. Übrigens nicht nur die frisch Neugeborenen. Aber die
frisch Neugeborenen machen dabei meist die offensichtlichsten davon.
Ein Kind, das ständig vorgeführt wird und immer zeigen muss, welche
neusten Fähigkeiten es drauf hat, wird im natürlichen Wachstum
gehindert. Es fängt an, für die Show zu leben und lernen. Es merkt:
Meine Eltern lieben nur meine Fähigkeiten, nicht mich. Um mich geht
es gar nicht, es geht im Leben nur noch um die Show. Und vermutlich
wird es alles versuchen, damit die Eltern mit ihm zufrieden sind und
ihm Liebe zeigen. Viele junge Christen lernen etwas Ähnliches: Gott
geht es nicht so um mich, sondern nur um mein Verhalten.
Wenn
man sich auf den christlichen Plattformen umsieht, stellt man immer
wieder fest, wie beliebt es ist, auf die bekehrten Promis zu
verweisen. Auch in Diskussionen wird das als ein „Argument“ für
den Glauben verwendet: Schau mal, weil Promi XY auch Christ ist,
solltest Du das auch werden! Ich muss sagen: Ich freue mich sehr über
jeden, der zum Glauben kommt, aber solche Artikel und Diskussionen
finde ich echt schrecklich. Da sieht man, wie die neubekehrten Promis
auf Schritt und Tritt von den Medien verfolgt werden und wie jedes
Wort in den Online-Diskussionen zerrissen wird. Da kann ich nur
bitten: Lasst die Kinder laufen lernen! Lasst sie erst mal ein paar
Jahre in Ruhe ihren neuen Glauben entdecken! Lasst sie in den
Gemeinden dieselben Aufgaben übernehmen, wie sie jedes andere neue
Gemeindemitglied auch bekommt! Und bitte: Verzichtet die ersten Jahre
darauf, Werbung für die betreffende Gemeinde mit diesem Promi-Namen
zu machen!
Wenn
sie in ihrem Glauben gewachsen sind, fest und mündig geworden, mit
einem soliden Fundament an biblischer Lehre ausgerüstet, dann sieht
die Welt wieder anders aus. Ok, ehrlich gesagt finde ich die
Gemeindewerbung mit den Promi-Namen zu jeder Zeit billig, zumindest
Interviews sind dann ok. Aber gerade als christliche Medien sollte es
dafür einen Ethik-Code geben, der Prominenten mehrere Jahre Zeit
lässt, ohne sie mit Anfragen für Artikel und Interviews unter einen
unnötigen und zudem ungesunden Druck zu setzen.
Zu
allem Überfluss lauern an jeder Ecke des WWW sensations- und
meckergeile Christen, die sich alle Mühe geben, jedem Satz der
Promis auszuschlachten. Die einen, um zeigen zu können, warum diese
Prominenten auf keinen Fall gläubig sein könnten, die anderen, um
sie zu verteidigen und sich dadurch über die Meckerer lautstark
aufregen zu können. Das Ganze artet zum Volkssport aus, schürt den
Hass und führt zu zunehmender Bitterkeit. Auch hier ist es nötig,
eine neue Medienethik zu entwickeln, also die Frage, wie wir als
Leser mit solchen Meldungen umgehen. Der erste Schritt ist das Gebet
für diese Menschen, denn wir dürfen sicher sein, dass es nicht
einfach für die Betreffenden ist und sie unter großem Druck stehen.
Als Zweites sollten wir uns deshalb mit Kommentaren dazu
zurückhalten. Und nicht zuletzt ist es auch wichtig, dass wir diese
Erkenntnisse in unserem Umfeld weitergeben.