Montag, 29. September 2014

Liebster Award

Viktor Janke, Autor des Blogs LGVGH (Liebe Gott Von Ganzem Herzen) hat mich mit dem „Liebster Award“ nominiert. Vielen Dank, lieber Viktor, das ist eine große Freude für mich. Bei diesem „Award“ werden Blogs nominiert, die man weiterempfehlen möchte. Dazu stellt man 11 Fragen, welche die Nominierten dann in einem eigenen Blogpost beantworten dürfen.

Hier die Fragen von Viktor mit meinen Antworten:

  1. Wann hattest du die größte Freude an deinem Blog?
Für mich ist es immer eine Freude, zu hören oder lesen, dass jemand etwas auf meinem Blog gelesen hat, was zum Nachdenken anregt oder sich mit etwas Bestimmtem neu auseinanderzusetzen beginnt. In dem Sinne hatte ich schon oft große Freude, aber so ein „DAS-war-das-absolut-Größte-Erlebnis“ gab es bisher noch nicht.


  1. Wie viel Zeit investierst du in deinen Blog?
Das ist sehr unterschiedlich. Ich versuche, ungefähr einmal pro Woche einen Beitrag zu schreiben. Manchmal werden es mehr, manchmal auch weniger. Da ich mir bei Büchern, die ich lese, schon viele Notizen während des Lesens mache, dauert das Überarbeiten dieser zu Rezensionen nicht so lange. Mal ganz grob überschlagen werden es pro Woche ungefähr 1-2 Stunden reine Blog-Arbeit sein. Daneben schreibe ich aber auch noch anderes in meiner Freizeit. Da versuche ich, viel Abwechslung ins Leben zu bringen.


  1. Was ist dein meistgelesener Artikel?
Mein meistgelesener Artikel heißt „Haben wir das Evangelium verstanden?“ und ist vermutlich auch so etwas wie mein wichtigster Blogpost. In dieser Frage und der Antwort steckt mein ganzes Herzblut. Das Evangelium ist nicht nur was für „Anfänger im Glauben“, sondern ich habe es nötig, mir selbst jeden Tag das Evangelium zu predigen.


  1. Was inspiriert dich zum Schreiben?
Das Schreiben ist zu meiner „zweiten Natur“ geworden. Es hilft mir, über bestimmte Dinge klar zu werden. Es schärft meine Gedanken. Es zwingt mich, Dinge auf den Punkt zu bringen und sie auch verständlich zu formulieren. Und natürlich schreibe ich auch deshalb, weil ich von vielen Menschen weiß, dass sie meine Art zu schreiben oder zu sprechen, hilfreich und lebensverändernd empfinden. Beim Schreiben verarbeite ich, was ich in der täglichen Bibellesezeit lese, dazu natürlich auch das Tagesgeschehen, verschiedene Bücher oder andere Blogs, die ich lese, Gespräche mit meinen Mitmenschen, und so weiter.


  1. Wie bist du zum Glauben gekommen?
Durch den Römerbrief. In einer Predigt über Römer 6,12 kam die Frage: „Was wäre, wenn Du heute sterben würdest?“ Diese Frage hat mich nicht mehr losgelassen. Daraufhin habe ich mehrere Tage lang den Römerbrief mehrmals von vorne bis hinten durchgelesen – bis ich endlich in Römer 10,13 Frieden mit Gott gefunden habe.


  1. Über was würdest du bloggen, wenn du einen weiteren Blog hättest?
Da ich schon hier über ziemlich alles blogge, was mich interessiert, gibt es diese Option nicht. Aber vielleicht würde ich dann den zweiten Blog eher für künstlerische Ergüsse nutzen, zur Zeit ist mein Blog halt ein wildes, kreatives Durcheinander.


  1. Was hat sich bei dir durch das Bloggen verändert?
Geschrieben habe ich schon immer viel – gelesen noch mehr. Durch das Bloggen kommt es jedoch auch anderen Lesern zugute, was mir wiederum hilft, etwas disziplinierter zu sein, denn es zwingt mich, so zu schreiben, dass es verstanden wird. Außerdem hilft mir auch das stete Feedback, selbst wachsen und mich hinterfragen zu können.


  1. Wie viele Leser hat dein Blog?
Zur Zeit habe ich im Schnitt ungefähr 120 Leser pro Tag; an den Tagen, an welchen ich neue Posts veröffentliche, sind es meist mehr, so rund 150 – 180.


  1. Beschreibe ein Erlebnis, dass dir durch den Blog passiert ist.
Nachdem ich im Blog mehrere Ausgaben der Zeitschrift „Timotheus-Magazin“ rezensiert habe, wurde ich auch für einen Artikel angefragt (inzwischen sind es zwei geworden). Das hat mich sehr gefreut.


  1. Wer ist ein Vorbild für dich?
Jetzt wird es schwierig. Da gibt es nämlich viele – insbesondere im Umfeld der amerikanischen „Gospel Coalition“ und im deutschen Bereich um „Evangelium21“. John Piper mit „Desiring God“ ist auf jeden Fall ein großes Vorbild. Bei Tim Challies schaue ich häufig vorbei. Vorbilder sind auch Ron Kubschs TheoBlog und Hanniel Strebels Blog Hanniel bloggt.


  1. Was planst du in der Zukunft mit deinem Blog?
Puh, schwere Frage. Ich habe viele Ideen und Projekte im Kopf, nur fehlt es für die Umsetzung meist an der Zeit. Ein lange gehegter Wunsch wäre eine Plattform wie The Gospel Coalition, wo verschiedene Blogs über ein gemeinsames Netzwerk laufen. Besondere Schwerpunkte werde ich künftig auf die Themen „Evangelium und Kultur“, Apologetik (den Glauben verstehen, formulieren und verteidigen), sowie die Lehre vom Heiligen Geist legen. 


 
Die Regeln des "Liebster Award"
  1. Danke der Person, die dich für den “Liebster Award” nominiert hat und verlinke ihren Blog in deinem Artikel.
  2. Beantworte die 11 Fragen, die dir der Blogger, der dich nominiert hat, stellt.
  3. Nominiere 5 bis 11 weitere Blogger für den “Liebster Award”, die bisher weniger als 1000 Facebook-Follower haben.
  4. Stelle eine Liste mit 11 Fragen für deine nominierten Blogger zusammen.
  5. Schreibe diese Regeln in deinen “Liebster Award” Blog-Artikel.
  6. Informiere deine nominierten Blogger über den Blog-Artikel.


Und ich nominiere:


Zum Heiligen Geist beten?

Bei meiner Beschäftigung mit dem Wesen, Wirken und den Aufgaben des Heiligen Geistes bin ich auf verschiedene Zitate gestoßen, die sich mit der Frage befassen, ob man zum Heiligen Geist beten soll / darf / kann. Drei davon möchte ich heute mal präsentieren:

1. Das Nizäno-Konstantinopolitanische Glaubensbekenntnis
Dieses Glaubensbekenntnis war das Ergebnis eines jahrzehntelangen Ringens mit der Frage von der Dreieinigkeit. Im dritten Abschnitt des Bekenntnisses heißt es:
Wir glauben an den Heiligen Geist, der Herr ist und lebendig macht, der aus dem Vater (und dem Sohn) hervorgeht, der mit dem Vater und dem Sohn angebetet und verherrlicht wird, der gesprochen hat durch die Proheten, und die eine, heilige, katholische und apostolische Kirche. Wir bekennen die eine Taufe zur Vergebung der Sünden. Wir erwarten dieAuferstehung der Toten und das Leben der kommenden Welt. Amen.“ (Quelle: Wikipedia)

2. Charles Haddon Spurgeon
Der „Fürst der Prediger“ hielt im Metropolitan Tabernacle am 10. März 1889 eine Predigt zum Thema „Intime Bekanntschaft mit dem Heiligen Geist“. Darin sagte er:
Somit ist es also so, dass wie wir die Persönlichkeit und Gottheit des Heiligen Geistes kennen, so lernen wir Ihn kennen. Ich meine damit, dass nun eine persönliche Beziehung zwischen dem Gläubigen und dem Heiligen Geist ist, eine bewusste und klare Gemeinschaft und Verbundenheit. Die Gemeinschaft des Heiligen Geistes ist eine der drei erlesenen Segen der großen Segnung. Erfreuen wir uns daran? Wir reden mit Ihm und Er redet mit uns. Wir vertrauen Ihm und Er legt in uns Vertrauen mit manch einer kostbaren Wahrheit Gottes. Wir sind jetzt keine Fremden mehr. Wir reden nicht von Ihm wie von einer Person, die weit weg ist, von der wir gehört haben – von einem göttlichen Geheimnis, mit dem die Propheten und Apostel vor langer Zeit einmal vertraut waren – sondern wir kennen Ihn.“ (Quelle: spurgeongems.org – Übersetzung von mir - Das Zitat stammt von Seite 4)

3. Arthur W. Pink
Pink war einer der großen reformierten Bibellehrer der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. Er hat ein Buch geschrieben, das sich mit dem Wesen des Heiligen Geistes befasst. Im letzten Kapitel geht es genau um diese Frage: Wie ehren wir den Heiligen Geist? Pink zeigt auf, dass das Gebet zum Heiligen Geist nichts ist, was in der Bibel nicht vorkommt und fasst zusammen:
Es ist der Heilige Geist, der nun die Arbeiter beruft, sie ausrüstet, ihnen Aufgaben zuweist und ihre Bemühungen segnet. In 1. Korinther 12,5 und 2. Korinther 3,17 wird der Heilige Geist ausdrücklich „Gott“ genannt. „Preist Gott, von dem aller Segen fließt. Preist Ihn, alle Schöpfung hier unten. Preist Ihn droben, ihr himmlischen Scharen – Preist Vater, Sohn und Heiligen Geist.“ Amen!“ (Quelle: godrules.net – Übersetzung von mir – für Englischversteher lohnt sich, die ganze Seite zu lesen.)


Montag, 22. September 2014

Bibliothek der Weltliteratur 2: Homers Ilias

Nachdem ich letzten Monat die Bibel als das wichtigste Werk der Weltliteratur überhaupt vorgestellt habe, möchte ich heute und die kommenden Monate weitere wichtige Bücher der Weltliteratur vorstellen. Ich beschränke mich dazu vorerst auf die erzählende Literatur, es handelt sich also um Romane, Novellen, Kurzgeschichten, erzählende geschichtliche Literatur, und so weiter. So wollen wir heute in die Zeit vor unserer Zeitrechnung eintauchen und ein solches Buch ansehen, nämlich die Ilias von Homer.

Die Ilias wurde ungefähr um 650 vor unserer Zeitrechnung verfasst. Wer Homer ist, wissen wir nicht genau, es könnte auch sein, dass es sich dabei um eine Gruppe von mehreren Verfassern handelt, die gemeinsam dieses Buch geschrieben haben. Ilias ist ein anderer Name für Troja, und so wird in der Ilias in 24 Abschnitten oder „Büchern“ der „Trojanische Krieg“ literarisch verarbeitet.

Ob es diesen Krieg gegeben hat, ist unklar. Möglicherweise hat ein solcher Krieg um das Jahr 1180 vor unserer Zeitrechnung stattgefunden. Man hat Troja ausgegraben und über zehn verschiedene Schichten gefunden, die übereinander gelagert haben. Das heißt, Troja wurde immer mal wieder zerstört, verbrannt, verlassen, ist verfallen und wurde später wieder aufgebaut und bewohnt. Eine sehr spannende Sache.

Die Ilias selbst erzählt nur von 51 Tagen des insgesamt über 10 Jahre dauernden Kriegs. Das wichtigste Motiv der Erzählung ist der Zorn und seine Folgen. Der Zorn des Gottes Apollon, der eine Seuche über das Heer sendet, weil sein Priester beleidigt und vertrieben wurde. Damit beginnt die Handlung im Buch. Der Zorn des Achilleus, der das ganze Heer spaltet und mit der Zeit dann immer klarer wird, dass ein zerstrittenes Heer keinen Sieg erringen kann. Als Achilleus' enger Freund Patroklos getötet wird, wendet sich dessen Zorn plötzlich – er erkennt den wahren Feind, nämlich die Stadt Troja, die sie belagern. Mit vereinten Kräften geht es nun ans Werk, den teuren Freund zu rächen. Dies wird zur Wende des Krieges, die jedoch nicht mehr in der Ilias geschildert wird, sondern erst im zweiten Homer zugeschriebenen Buch, der Odyssee.

Einige Jahrhunderte lang war die Ilias das Buch, welches gebraucht wurde, um Kindern das Lesen und Schreiben beizubringen. Es wurde in den griechischen Schulen verwendet. Der König und erfolgreiche Kriegsführer Alexander der Große, welcher das damalige Makedonien zu einem großen Weltreich ausgebaut hat, nahm sich Achilleus zum Vorbild für sein eigenes Leben. Dies übte einen gewissen Druck auf ihn aus, denn er wollte ja nicht als feiger gelten als sein Vorbild. Dieser Druck führte dann auch zu seinen Erfolgen. In mehreren Feldzügen eroberte er ganz Griechenland, das riesige Perserreich, das sich damals bis nach Ägypten erstreckte, und erweiterte sein Reich nach Osten bis ins heutige Indien.

Was können wir von der Ilias lernen? Zunächst ist für uns einmal klar, dass es sich um einen Roman handelt. Es ist eine Geschichte, die von griechischen Göttern erzählt, welche sehr menschlich sind. Die griechischen Götter unterschieden sich vom Menschen nur dadurch, dass sie unsterblich waren – und je nachdem noch ein paar Superman-Spezialkräfte besaßen. Der Opferkult an diese Götter war auch zur Zeit des Neuen Testaments im römischen Reich die Staatsreligion. Doch schon längst davor waren die meisten Menschen sich dieser Götter überdrüssig – es gab zahlreiche Spottschriften über diese schwachen griechischen und römischen Götter, die recht weit verbreitet waren. In diese Zeit hinein kam das Evangelium von Jesus Christus, dem wahren Gott und wahren Mensch. So ist es nicht verwunderlich, dass einige Menschen bereit waren, sich diesem allmächtigen, allwissenden, allgütigen und absolut heiligen und gerechten Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs anzuschließen. In diese Zeit hinein entstand die Gemeinde Jesu Christi.

Obwohl die Ilias ein Roman ist, der zahlreiche Ungereimtheiten und auch ethische Schwächen aufzuweisen hat, kommt auch ein Homer nicht daran vorbei, ein Stück weit – unwissentlich natürlich – seine Gottesebenbildlichkeit in sein Schaffen hinein zu bringen. Zwei Wahrheiten sind mir bei der erneuten Beschäftigung mit der Ilias besonders wichtig geworden:

1.) Wir müssen unseren wahren Feind kennen. Solange wir uns davon leiten lassen, unseren Feind unter den eigentlich Verbündeten zu suchen, werden wir uns nur mit Nebenkriegsplätzen aufhalten. Paulus macht uns klar: Zieht die ganze Waffenrüstung Gottes an, damit ihr standhalten könnt gegenüber den listigen Kunstgriffen des Teufels; denn unser Kampf richtet sich nicht gegen Fleisch und Blut, sondern gegen die Herrschaften, gegen die Gewalten, gegen die Weltbeherrscher der Finsternis dieser Weltzeit, gegen die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Regionen. (Epheser 6, 11 - 12)

2.) Zorn kann blind für die Wahrheit machen und uns verbittert werden lassen. Zorn ist an sich nicht etwas Falsches, aber wenn er nicht bald vergeben und bereinigt wird, wächst daraus Bitterkeit und gibt dem Teufel Raum in unserem Leben: Zürnt ihr, so sündigt nicht; die Sonne gehe nicht unter über eurem Zorn! Gebt auch nicht Raum dem Teufel! […] Alle Bitterkeit und Wut und Zorn und Geschrei und Lästerung sei von euch weggetan samt aller Bosheit. (Epheser 4, 26 – 27; 31)


Montag, 15. September 2014

105 Jahre Berliner Erklärung

auch 18 Jahre nach der Kasseler Erklärung (s.u.) wird in einigen Gemeindekreisen noch immer auf die Berliner Erklärung verwiesen, die die Pfingstbewegung als „Geist von unten“, also als eine dämonische Bewegung, einstufte. So möchte ich das 105-jährige „Jubiläum“ der Berliner Erklärung dazu nutzen, um auf die Hintergründe und die Entstehung dieser Erklärung hinzuweisen.

Sommer 1907, Kassel
Um die Vorgeschichte der BE zu verstehen, ist es wichtig, die Vorgänge in Kassel zu kennen. Bei der jährlich im Frühjahr stattfindenden „Brieger Woche“, einer Art Konferenz im heute polnischen Niederschlesien, konnte Pastor Johannes Paul von seinen Erlebnissen berichten, die er in der jungen Pfingstbewegung in Norwegen hatte. Bei dieser Veranstaltung war Heinrich Dallmeyer dabei, der ein Evangelist aus Kassel war. Dallmeyer reiste daraufhin im Juni zu einer Evangelisation in Hamburg, wo zwei Schwestern aus Norwegen waren, die die Geistestaufe und die Gabe der Zungenrede bekommen hatten. Daraufhin lud er die Beiden mit nach Kassel ein, wo sein Bruder ein Blaukreuzhaus leitete und begann mit täglichen Veranstaltungen. Zu Beginn war es eine wirklich außerordentlich gesegnete Zeit, in der eine große Erweckung ausbrach, viele Sünden aufgedeckt, bekannt und Menschen innerlich gereinigt wurden.

Mit der Zeit vermischten sich aber immer mehr menschliche Einflüsse mit dem Wirken des Heiligen Geistes. Die zwei Schwestern aus Norwegen erkannten das und machten am 25. Juli klar, dass das, was jetzt in Zungen gesprochen werde, nicht von Gottes Geist sei. Als Dallmeyer darauf nicht reagierte, verließen die Beiden die Versammlung und kamen nicht mehr zurück. Die ganzen Ausschreitungen und Tumulte begannen zu der Zeit – und wurden so stark, dass die Versammlungen am 1. August unter Polizeiaufgebot beendet werden mussten. Noch am 21. Juli hatte der Evangelist Elias Schrenk festgestellt, dass die Bewegung von Gott sei. Am Am 28. Juli schrieb er Dallmeyer einen Brief mit der Bitte, die öffentlichen Versammlungen einzustellen. Doch Dallmeyer machte weiter – und ließ sich die Versammlungen entgleiten.

Die Berliner Erklärung
Nach diesen Vorkommnissen wechselte Dallmeyer das Lager und begann, die neue Bewegung zu bekämpfen. Er war der Ansicht, dass alles Zungenreden von einem Geist „von unten“, also aus dämonischen Einflüssen, kommen müsse. Inzwischen gab es im Gnadauer Verband drei Lager: Die Freunde der Pfingstbewegung, deren Gegner, und die Neutralen. Dies führte immer wieder zu ganz schwierigen Situationen, weshalb Elias Schrenk 1909 von Heinrich Dallmeyer Material über die ganze Bewegung wünschte. Dallmeyer selbst hat an der Sitzung in Berlin nicht teilgenommen. Walter Michaelis, der damals der Leiter des Gnadauer Verbandes war, lud für den 15. September 1909 nach Berlin ein.

In einer „19stündigen Mammutsitzung“ (Ernst Giese, S. 98) kam es zu dem Dokument, das heute als „Berliner Erklärung“ bekannt ist. Dort wird festgehalten, dass
1. die Pfingstbewegung von unten sei.
2. es ihnen unmöglich sei, eine solche Bewegung als von Gott geschenkt anzusehen.
3. die Gemeinde Gottes in Deutschland darüber Buße tun müsse, dass eine solche Bewegung nach Deutschland kommen konnte.
4. die Lehre vom „reinen Herzen“ (also der anhaltende Zustand totaler Sündlosikgkeit) abgelehnt würde.
5. Pastor Paul nicht mehr als Leiter und Lehrer innerhalb des Verbandes angesehen werden könne.
6. sie nicht auf ein neues Pfingsten, sondern auf die Wiederkunft des Herrn warten würden.

(Zusammenfassung in meinen Worten, genauer Wortlaut nachzulesen zum Beispiel bei Wikipedia)

Anmerkungen von Ernst Giese
Ernst Giese hält verschiedene Dinge fest, die bei der Ausarbeitung der Berliner Erklärung gelaufen sind, welche zeigen, dass diese Erklärung „nicht auf umfangreichem und zuverläßigem Material“ (Giese, S. 108ff) beruhen (ebenfalls meine eigene Zusammenfassung der Punkte bei Giese):
1. Die Erklärung ist privat, es gab keine öffentliche Einladung, sondern die Eingeladenen wurden im Voraus selektiert.
2. Es gibt kein Protokoll der Sitzung, auch haben die meisten zwar für die Resolution gestimmt, aber sie nicht selbst unterschrieben.
3. Sie ist nicht einstimmig beschlossen, da sich drei der Geladenen der Stimme enthielten.
4. Die angeklagte Seite wurde nicht nach Berlin eingeladen, und konnte sich deshalb weder verteidigen, noch über Missverständnisse aufklären.
5. Sie ist ohne jegliche Selbstkritik.
6. Sie beruht auf falschem Material, das nichts mit Pastor Paul und der deutschen Pfingstbewegung zu tun hatte.
7. Sie ist anmaßend (wegen der Formulierung zu Pastor Paul)
8. Sie ist übereilt, denn schon 1910 musste Michaelis selbst zugeben, dass die Lehre vom „reinen Herzen“, wie sie von Pastor Paul gelehrt wurde, keine Sündlosigkeit im absoluten Sinn lehre.

Obwohl es also nötig gewesen wäre, diese Erklärung zurückzunehmen, oder zumindest gründlich zu überarbeiten, wurde sie stattdessen im Gnadauer Verband 1910 bestätigt und zu den offiziellen Dokumenten des Verbands hinzugefügt. Die Christenheit hat in Deutschland einen unheilbaren Riss bekommen.

Die Kasseler Erklärung
Am 1. Juli 1996 haben sich Vertreter der Deutschen Evangelischen Allianz (DEA) und des Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden (BFP) getroffen und eine gemeinsame Erklärung herausgegeben, die die Zusammenarbeit ermöglichen soll. Diese hat die Berliner Erklärung nicht aufgehoben, denn keiner der ursprünglichen Unterzeichner von Berlin war noch am Leben, der diese Erklärung noch hätte widerrufen können. Aufgrund dieser Kasseler Erklärung ist die örtliche Zusammenarbeit von Gemeinden der Evangelischen Allianz mit Pfingstgemeinden endlich möglich geworden.

Vor 5 Jahren, zur 100. Jährung der Berliner Erklärung haben der Gnadauer Verband und der Mühlheimer Verband eine gemeinsame Erklärung herausgegeben, in welcher sie diese Zusammenarbeit im Rahmen der Evangelischen Allianz loben und diese weiterhin fördern wollen. Die historischen Dokumente hätten jetzt keine Bedeutung mehr, sondern man wolle gemeinsam vorwärtsgehen. (Exakter Wortlaut hier)



Verwendete Literatur

Giese, Ernst, Und flicken die Netze, Ernst Franz Verlag Metzingen, 2. Aufl. 1987
Hollenweger, Walter, Handbuch der Pfingstbewegung, Dissertation, 1965, Online-Version [URL: https://archive.org/download/pts_handbuchderpfings_1422_1/pts_handbuchderpfings_1422_1.pdf]
Schmidgall, Paul, Von Oslo nach Berlin, Leuchter Edition Erzhausen, 1. Aufl. 2003
Zopfi, Jakob, … auf alles Fleisch, Dynamis Verlag Kreuzlingen, 1. Aufl. 1985

Dienstag, 9. September 2014

Geschichten von Dienstkrisen


In diesem ersten Hauptteil erzählen die Autoren von ihrem Erleben als Hauptamtliche im Dienst von Gemeinden: Pastoren, Jugendleiter, ein ehemaliger Direktor der Vineyard-Gemeinden der USA berichten, wie sie dazu gekommen sind, die traditionelle Art von Gemeinde zu hinterfragen. Sie stellen viele gute Fragen – ob die Antworten, die sie zu geben versuchen, ebenso gut sind und zu befriedigen vermögen, werden wir noch sehen.

Spencer Burke – Vom dritten Stock in die Garage
Er war ein Pastor einer Megachurch mit 4500 erwachsenen Gottesdienstbesuchern auf dem Gelände und 10'000 Leuten, die insgesamt an den regelmäßigen Programmen teilnahmen. Burke beschreibt diese Zeit und seine Gedanken dazu folgendermaßen:
Try as I might, I'm troubled by things like the parking lot ministry. Helping well-dressed families in SUVs find the next available parking space isn't my spiritual gift. To be perfectly honest, I'm not even comfortable with some of the less sensational aspects of evangelicalism. Three-point-sermons, four-law gospel presentations and 10-step discipleship programs have never rung true to me. And yet during my seminary education, to suggest anything else was heresy. To dare question my alma mater's premillennial, pretribulation doctrinal position, for instance, was to risk expulsion at worst and public humiliation at best. So like all the other students, I bought in. I read all the right books, went to all the right conferences, and said all the right things. For years I played by the rules and tried hard not to think about the lingering questions of my soul. Doubt, after all, is dangerous. Who knows where it might lead? (S. 28)

Zwei Punkte möchte ich davon kurz aufgreifen, in denen ich Burke unbedingt zustimmen muss. Das Eine sind diese 10-Punkte-Programme (und wegen mir auch die Drei-Punkte-Predigten). Das ist nun mal einfach eine viel zu starke Vereinfachung, wenn wir versuchen, jedem unsere Programme aufzuzwingen. Auch die Anzahl der Punkte einer Predigt kann nicht von vornherein vorgeschrieben werden, sie ergibt sich aus dem Text, der ausgelegt werden soll. Eine zweite wichtige Frage betrifft den Umgang mit Zweifeln. Mir ist auch schon öfter aufgefallen, dass in der evangelikalen Welt die Zweifel per se als etwas Schlechtes betrachtet werden. Zu lange haben so viele junge Menschen versucht, ihre Zweifel zu unterdrücken, statt sich fair, kritisch und aktiv mit ihnen zu beschäftigen. Leider fallen viele Vertreter der Emerging Church auf der anderen Seite vom Pferd: Sie verlangen, dass ständig alles immer wieder erneut in Zweifel gezogen wird, sodass es überhaupt keine sichere, unbezweifelbare Grundlage mehr geben kann. Auch dieser Umgang mit Zweifeln, der das Zweifeln schon beinahe vergötzt, ist nicht gesund.

Burke hat dann seinen Job als Pastor aufgegeben und sich in eine alte Garage zurückgezogen. Dies geschah, nachdem er ein spezielles Erlebnis hatte. Er war auf einer Retraite mit Brennan Manning, der ihm sagte, er solle in dieser Zeit keine Bücher lesen – auch nicht die Bibel. In dieser Retraite hatte er eine Art der Begegnung mit Jesus, der ihn einfach festhielt und ihm half, sich verstanden zu fühlen. Dort lernte er „kontemplative Spiritualität“ kennen, woraufhin er sich von seiner Gemeinde trennte und in der Garage zu arbeiten begann. In dieser Garage hat er 1998 die Webseite mit dem Forum und dem Online-Magazin „TheOoze.com“ gegründet. Dies ist eine Art Webseite, wo sich Menschen aus allen möglichen Hintergründen, Religionen und Ideologien trafen und sich über ihre Formen der Spiritualität unterhielten. Seit 2012 ist diese Seite down – ohne eine öffentliche Begründung. 2001 hat er mit anderen Mitgliedern des Forums TheOoze ein sogenanntes „Potlatch“ durchgeführt. Das ist ein Fest, bei dem es um das Verschenken geht. Besser gesagt, es ist ein altes indianisches Ritual, das sehr eng mit dem indianischen Animismus (Glaube an Seelen, Ahnen und Geister, die einen umgeben). Nach und nach wurde Burke immer mehr zu einem Panentheisten (ein Panentheist glaubt, dass Gott in allem ist). Burke sucht also auch in fremden Religionen nach einer Begegnung mit Gott. Damit überschreitet er klar die Linie, die Jesus uns gegeben hat: Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater als nur durch mich! (Johannes 14,6). An dieser Stelle muss man sich fragen, was das für ein Jesus gewesen sein muss, der Burke damals begegnet ist. Alle diese Begegnungen – und ja, es gibt wirklich echte Jesus-Begegnungen!!! - müssen beurteilt werden nach Galater 1,8-9: Aber selbst wenn wir oder ein Engel vom Himmel euch etwas anderes als Evangelium verkündigen würden als das, was wir euch verkündigt haben, der sei verflucht! Wie wir es zuvor gesagt haben, so sage ich auch jetzt wiederum: Wenn jemand euch etwas anderes als Evangelium verkündigt als das, welches ihr empfangen habt, der sei verflucht!

Burke macht den traditionellen Gemeinden drei Vorwürfe:
1. „Geistlicher McCarthyismus“ → Damit meint Burke, dass man sich den Pastor oder andere Pastoren zu Götzen macht: „Call me crazy, but it seems like many of my church friends live on every word that proceeds from the mouths of the evangelical öeaders of the world more than on every word that proceeds from the mouth of God.“ (S. 31)
2. „Geistlicher Isolationismus“ → Damit meint Burke, dass man sich immer mehr in die Gemeinden abschottet und nichts mehr mit dem Rest der Menschen zu tun haben will – man isoliert sich.
3. „Geistlicher Darwinismus“ → Damit meint Burke, dass alles nach dem Motto läuft „größer ist besser“: „Pastoral credibility had everything to do with a big budget they had and how many worshipers came to the Sunday event.“ (S. 34)

Diese drei Dinge stelle ich in unseren Gemeinden auch immer wieder fest. Beim ersten Punkt kann ich mit Burke nicht ganz mitgehen, dass er jede Art von Hierarchie und unterschiedlicher Verantwortlichkeit in den Gemeinden anprangert, aber es ist ganz wichtig, zu sehen, dass es das Extrem recht häufig gibt, dass man versucht ist, geistliche Leiter an die Stelle zu rücken, die nur Gott allein zusteht.

Ein letzter Punkt zu Burke: Er kommt kurz auf das Thema Kunst / Kultur und Gemeinde zu sprechen. Burke war Künstler (Maler) und Pastor zugleich: „When the gallery folks found out I was a pastor, they were stunned. Likewise, my friends at church struggled to understand the arts community I belonged to. If the acquaintances I'd made in both these circles were to wind up in the same room, they wouldn't have anything to say to each other.“ (S. 33/34)

Das ist sehr schade, und ich frage mich, ob es in unseren Gemeinden auch so wäre. Gott hat die Schönheit geschaffen und uns die Kunst gegeben, um Ihn sichtbar zu machen. Ich bin dankbar, dass es hier langsam ein Umdenken in manchen Gemeinden gibt. Wir können aber noch einiges mehr tun, um echte Schönheit zu erkennen, zu würdigen und zu verbreiten.


Todd Hunter – Ins Gespräch einsteigen
Nach einer kurzen Einführung in sein Leben als Gemeindegründer und später nationaler Direktor der Vineyard USA berichtet Hunter von einem Gespräch bei einem Treffen mit jungen Leitern von Gemeinden. Dort wurden plötzlich neue Fragen gestellt: „Gibt es überhaupt Wahrheit?“ - „Wie kann man sie kennen, wenn wir Menschen doch fehlbar sind?“ - „Wie sicher können wir über die Wahrheit sein?“ - „Ist Wahrheit in sich selbst einfach gut?“

Todd hat daraus seine Schlüsse gezogen: „Your systems are perfectly suited to yield the results you are now getting.“ (S. 45) Somit verließ er das System der Vineyard-Gemeinden und machte sich auf die Suche. Dies machte ihn zu einem „Postreduktionisten“, also jemandem, der sagt: Fakten und Glaubensbekenntnisse sind gut, aber sie sind zu sehr reduziert, zu sehr zusammengestaucht, und komprimiert. Deshalb ist der Post-Reduktion-ismus die Folge dieser Entwicklung. In manchen Dingen kann ich ihm durchaus zustimmen, besonders in seiner Kritik an manchen Evangelisationsmethoden: „Salvation, as normally understood outside the context of the whole story (say-a-prayer-so-that-when-you-die-you-can-go-to-heaven), lacks the power to be compelling. The reductionist version was never right or true.“ (S. 49) Leider muss ich auch hier sagen, dass Hunter – so sehr ich ihm in dieser Aussage zustimmen muss – seine Hausaufgaben sehr schlecht gemacht hat. Natürlich ist diese Art der „Bekehrung“ verbreitet – aber sie wird nicht in ihren Kontext oder in ihre Geschichte eingebunden. Sie ist eine sehr späte Erfindung und hat den größten Teil der Kirchengeschichte gegen sich stehen.

Hunter macht daraufhin klar, dass der Postmodernismus eine bestimmte Weltanschauung ist. Er versucht, so sagt er, hinter die Weltanschauung zu kommen: „We are Christ-followers before we are a worldview.“ (S. 50) Das Unterfangen finde ich gut – allerdings zeigen die folgenden Seiten, auf denen er seine Sicht zum Thema „Was ist Wahrheit?“ darlegt, dass sein Denken ziemlich stark vom Postmodernismus geprägt ist.


Tony Jones – In Richtung eines missionales Dienstes
Sie hatten ein Konzert mit einer bekannten Band organisiert. Tony Jones war der Organisator. Er war Jugendpastor einer größeren Gemeinde. So lernte er das Showbusiness kennen: Nachdem die Band bei ihnen gespielt hat, spielte sie am nächsten Tag in derselben Stadt in einer anderen Gemeinde – für einen Fünftel der Gage, die Jones ihnen gegeben hatte. Das führte dazu, dass Jones mit Nachdenken begann. So begann er immer mehr zu hinterfragen.

Die Frage, die sich Jones jetzt hauptsächlich stellt, ist die: Wie können wir die Mission leben? Er kommt zu vier Punkten, die ihm wichtig sind:
1. Pastorale Fürsorge → Für die anderen da sein. Etwas zusammen unternehmen, zusammen reden, etc.
2. Theologische Reflektion„We're called to help our students see the events of this world, those that fill us with hope and those that fill us with despair, from this side of Easter – to view the world through an empty tomb.“ (S. 71)
3. Kontemplatives Gebet → Dabei geht es Jones vor allem um das Erleben der Stille in einer Zeit, die durch stetigen Lärm und Ablenkung geprägt ist.
4. Intergenerationelle Gemeinschaft → Vielfalt leben durch viele Menschen unterschiedlichen Alters, Herkunft, sozialen Stands, etc.

Nun gut, so weit finde ich nichts, was man in traditionellen Gemeinden nicht auch finden könnte. Den Begriff „kontemplatives Gebet“ finde ich allerdings etwas bedenklich, da er aus dem Bereich des Mystizismus kommt.


Chris Seay – Ich habe den Glauben meiner Väter geerbt
Sein Großvater war ein Erweckungsprediger und Pastor einer wachsenden Gemeinde. Er selbst sieht sich als „Postrevivalist“ - man merkt hier schon, dass diese postmodernen Emerger die Vorsilbe „post“ mehr als lieben. Er sagt, dass eine Erweckung nur da möglich sei, wo es noch eine kleine Flamme des Glaubens gebe, die man wieder entfachen könne. Das habe sich inzwischen geändert. Er habe von seinem Opa und seinem Vater nur die allerwichtigsten „essentials“ des Glaubens übernommen und sei jetzt das, was nach der Erweckung käme, nämlich dann, wenn keine Erweckung mehr möglich sei. Für ihn ist der Pastor in diesem neuartigen Setting nur noch ein Geschichtenerzähler, weil Geschichten das Einzige seien, was die postmodernen Menschen ins Leben hinein sprechen könne. Er schreibt:
In the modern context the church ignored biblical narrative and complexity, instead reducing the gospel to a set of propositions („All you have to do is pray these statements, ask Jesus to come into your heart, and you're done“). But if that's all the gospel is, then all we need to do is wage a kind of air campaig, dropping propositions on individuals. As long as they buy the propositions, they're converted. We never really have to meet or know them. Unfortunately, that's exactly what a lot of evangelism has resembled in the modern era. And it doesn't work anymore. We don't talk about the whole of life because – you've heard it before - „the supermarket does the food, the politicians do politics, Hollywood does entertainment, and the church does the soul.“ We're left with a disembodied little chunk.“ (S. 80)
Streng genommen muss man sagen, dass das, was Seay hier kritisiert, noch nie funktioniert hat. Auf diese Weise ist es auch keine Kritik an der echten Evangelisation, die es schon immer gegeben hat.

Im Rest seines Berichtes geht Seay auf drei Arten des Denkens ein: Lineares Denken, zirkuläres Denken und netzähnliches Denken. Er schreibt dem Römerbrief das Erste zu, dem Buch Prediger das Zweite und dem Buch der Sprüche das Dritte. Seine Begründungen sind allerdings sehr weit an den Haaren herbeigezogen.


Chuck Smith, jr. - Aber kommen wir denn von hier nach dort?
Gut – ich muss zugeben, Chuck Smith hatte bei mir schon mit seiner Einleitung fast verspielt, in der er sich über den Predigtstil von Jonathan Edwards auf eine Weise lustig macht, die deutlich zeigt, dass er von jenem nicht mehr weiß als in dem kurzen Abschnitt über die große Erweckung in den Schulbüchern. Ich möchte Chuck Smith an dieser Stelle empfehlen, noch einmal über die Bücher zu gehen und zu sehen, was wir heute in der Postmoderne von Edwards lernen können. Das ist nicht gerade wenig.

Jedenfalls beschreibt Smith seinen früheren Predigtstil als manipulativ und immer negativ auf den Sünden der Zuhörer herumreitend – bis eines Tages John Wimber kam und ihn fragte, was er damit bezwecke. Von jenem Moment an war sein Ziel nur noch, dass die Zuhörer sich gut fühlen sollten. Nun, man kann sich trefflich darüber streiten, ob das wirklich besser ist oder ob er bloß auf der anderen Seite vom Pferd gefallen ist. Möge dies der Leser selbst entscheiden.

Auf jeden Fall begann er und seine Gemeinde daraufhin, sich mit der umliegenden Kultur zu beschäftigen und er stellte fest, dass seine Predigten bis dahin für jene unverständlich waren. Er sagt dazu etwas Wertvolles: „The challenge, as it's always been, is to get to know the dominant culture and to retool our church so that it can effectively be light and salt in a postmodern world.“ (S. 97)

Damit sagt er etwas Wichtiges. Was wir brauchen, ist das Wissen um die vielen Ideologien und Weltbilder, die herumgeistern. Wir brauchen die Fähigkeit, zu unterscheiden, was an einewm Weltbild stimmt und wo es Gottes Wort widerspricht und wie wir diesen Widerspruch so ausdrücken können, dass er verstanden wird.


Eine Schlacht um leere Worthülsen
Was mir immer wieder auffällt, ist, dass sich die Autoren dieser Geschichten nicht trauen, bestimmte Ausdrücke klar zu definieren. Es bleibt alles vage, undeutlich und unverbindlich. Jeder darf sich darunter vorstellen, was ihm behagt. Was ist genau das Evangelium? Es wird von Gospel, Good News, Salvation, Kingdom of God gesprochen, aber niemand definiert diese Ausdrücke. Es werden immerzu nur die „traditionellen“ Definitionen davon durch den Kakao gezogen, ohne eine tatsächlich befriedigende Antwort zu geben, was es denn nun sein soll.


Mittwoch, 3. September 2014

Geschichten des Aufbruchs – eine Einführung

Ich lese zur Zeit das Buch „Stories of Emergence – Moving from Absolute to Authentic“, das von Mike Yaconelli editiert und herausgegeben wurde. Es ist ein Buch, das aus Geschichten besteht. Es sind Geschichten, wie sie von den jeweiligen Menschen persönlich erlebt wurden. Es sind keine Biographien, denn weder werden ganze Lebensläufe beschrieben, noch haben diese Geschichten einen Anspruch der Objektivität. Es sind Rückblicke auf Zeiten, die diese Menschen, welche ihre Geschichten erzählen, geprägt haben und sie dazu gebracht, aufzubrechen und etwas Neues zu tun oder auszuprobieren.

Die Geschichten sind großteils von bekannten Persönlichkeiten der so genannten „Emerging Church“ - so kommen etwa Brian D. McLaren, Spencer Burke oder Tony Jones zu Wort. Kenner der Emerging Church werden mich für meine Übersetzung von „Stories of Emergence“ mit „Geschichten des Aufbruchs“ wohl schlagen wollen, denn genau genommen ist mit „Emergence“ eine Art „Heraustreten“ oder „Sichtbarwerden“ gemeint. Meine Übersetzung ist daher als etwas freier zu verstehen. Die „Emerging Church“ gibt es genau genommen nicht. Es gibt aber eine Zahl von Bewegungen, die sich selbst diesem Phänomen zurechnen. Ganz einfach auf einen Nenner gebracht, könnte man sagen: Emerging Church ist eine Bewegung, die aus dem bisher bekannten, „traditionellen“ Schema ausbrechen will und sich auf die Suche nach etwas Neuem macht. Und nun wird es interessant: Was genau dieses Neue ist, wohin der Weg führt, auf den man aufgebrochen ist, weiß niemand. Anders gesagt: Alles ist möglich. Wenn nur das Konservative, Traditionelle, das „Moderne“, das Bisherige aufgebrochen und hinter sich gelassen wird, ist man plötzlich für alles Neue offen.

Der Untertitel des Buches lautet „Moving from Absolute to Authentic“, auf deutsch also ungefähr so viel wie: „Sich vom Absoluten zum Authentischen bewegen“. Dieser Slogan macht etwas ganz Interessantes deutlich, nämlich dass die meisten Vertreter der Emerging Church einen Widerspruch zwischen allem Absoluten und dem authentischen Leben sehen. Dahinter steckt das Denken und die Weltanschauung der Postmoderne, die besagt, dass alle Wahrheit relativ sei, es also keine objektive Wahrheit geben könne. Vertreter der Emerging Church sagen nun dasselbe etwas anders: Sie sagen nämlich, dass es schon echte, absolute Wahrheit geben könne, aber dass der Mensch diese Wahrheit nicht erfassen könne, weil er ein subjektives Wesen sei. Somit wird hier der Gegensatz zwischen dem Absoluten (dem Anspruch auf eine absolute Wahrheit oder auf deren Erkenntnis) und dem Authentischen, also dem echten Leben konstruiert. So ganz vorweg möchte ich den Autoren des Buches, aber auch anderen Fans der „Emerging Church Bewegung“ die Schriften von Francis A. Schaeffer nahelegen – insbesondere jene, die sich mit dem Thema „Geistliches Leben“ befassen. Ich würde sagen, dass Schaeffer dort sehr schön dargelegt hat, dass es zwischen dem Absoluten und dem Authentischen eben gerade keinen Gegensatz gibt.

Das Buch „Stories of Emergence“ besteht aus 15 Geschichten, von denen eine die Einleitung (von Mike Yaconelli selbst) und eine die Schlussbemerkung (von Brian McLaren) ist. Dazwischen sind die 13 übrigen Geschichten in drei Buchteile gegliedert. Da ich die Zusammenstellung in mehrerer Hinsicht bedenkenswert finde, möchte ich die einzelnen Teile in je einem Beitrag vorstellen und sie dann unter die Lupe nehmen. Auch Geschichten wie in diesem Buch unterliegen dem Befehl Gottes: „Prüft alles, das Gute behaltet!“ (1. Thessalonicher 5,21)

Mike Yaconelli – Die unrechtmäßige Gemeinde
Hier zeigt sich bereits, wie das ganze Buch ein großes rhetorisches Feuerwerk ist: Schon das Vorwort ist eine dieser Geschichten und leitet in die Problematik ein. Das gesamte Buch ist auf eine ganz raffinierte Art und Weise zusammengestellt, wo eine Geschichte zur nächsten weiterleitet und damit immer tiefer in das emergente Denken hinabsteigt. Anders gesagt: Wer einmal damit anfängt, den Autoren der Geschichten in ihren Schlussfolgerungen zuzustimmen, wird sich auch später in den weiteren Teilen nicht mehr davon distanzieren können.

Yaconelli beginnt seine Einführung mit seinen Erlebnissen zum Thema Gemeinde. Er erzählt davon, dass seine Gemeinde, die er als Pastor geleitet hat, von anderen Menschen in Frage gestellt wurde, ob sie denn wirklich eine Gemeinde sei. Das ging so weit, dass er sogar begann, seine Berufung in Frage zu stellen. Und dann stellt er zwei gegensätzliche Modelle von „Gemeinde“ einander gegenüber:
Real“ churches owned buildings, had paid properly educated staff, and, primarily did stuff. Church was about doing. This predominant activist model of church meant that the Church was all about attending, working, teaching, visiting, participating, performing, measuring, evangelizing, watching, committing, reading, memorizing, volunteering, joining. (S. 15)
Yaconelli wirft dieser „real“ church vor, sie würde hauptsächlich aus den drei Werten Leistung, Heuchelei und Tun bestehen. Diesem setzt er ein Erlebnis bei der L'Arche (die Arche) Vereinigung. Dies sind Kommunitäten, in denen geistig behinderte und gesunde Menschen zusammenleben. Yaconelli war in einer solchen Kommunität und lernte dort fröhliches Herumtoben in der Gemeinschaft mit Gott kennen. Dies hat ihn und durch ihn auch seine Gemeinde verändert. Seither würde es in seiner Gemeinde fast nur noch um Geschichten gehen.

Hier hat Yaconelli eine sehr schwierige, aber für Emerging Church-Kreise sehr typische Art der Argumentation übernommen. Er stellt einen Gegensatz von zweiu Dingen her, auf die es überhaupt nicht ankommt. Er schreibt ja im oben zitierten Abschnitt, worauf es bei der einen Definition von „church“ gehe: Um Gebäude besitzen, gut ausgebildete bezahlte Mitarbeiter und um das Füllen von Programm. Hier zeigt sich, dass das Erzählen von Geschichten schon an seine Grenzen stößt. Er ist nicht willens, sich der wichtigen Frage zu stellen, was Gemeinde denn nun wirklich ist. Er macht nur seinem Ärger über das Luft, was ihm an den traditionellen Gemeinden nicht passt und wirft dabei alle in einen Topf: Denen geht es nur um das Gebäude, die Leitung und die Programme! Leider erwähnt Yaconelli mit keinem Wort, was die Bibel, was Jesus zum Thema Gemeinde sagte. Er geht mit keinem Wort auf die Unterscheidung zwischen der „weltweiten“ und der „örtlichen“ oder der „unsichtbaren“ und der „sichtbaren“ Gemeinde ein. Was er sagt, ist lediglich heiße Luft gegen eine vage umrissene Institution, die es so nicht gibt. Wo ich ihm allerdings zustimmen muss, ist, dass das Überladen mit Programmen und das Tun, Tun, Tun, die ständige Leistung und das Vergleichen mit anderen Gemeinden auch hier in Westeuropa eine große Gefahr darstellt.

Yaconelli beschreibt die neuen Gottesdienste seit seiner Erfahrung von L'Arche:
We don't talk about sin very often. In the 12 years since L'Arche, I may have talked about it twice. Do I believe in sin? Of course. Do I believe people are accountable to God for their sin? Absolutely. Do I believe it would be better if people didn't sin? Certainly. But the people who come to Grace Community Church know all about sin. Many of them have lived in it all their lives. It has destroyed their families, their incomes, their futures. They come to church to find out what to do about it. How do they escape the hold sin has on their lives? How do they find a way out of the addiction to sin? How can they find forgiveness and healing – and grace? We don't have to talk about sin. What we're all longing for is good news. (S. 18)

Sünde wird somit nur noch in der horizontalen Ebene gesucht. Er betrachtet als Sünde die Dinge, die Menschen entweder gegen sich selbst oder gegen ihr Umfeld tun. Aber dass Sünde in allererster Linie eine Rebellion und Auflehnung gegen Gott ist, geht bei Yaconelli vollkommen unter. Denn das wissen die Menschen, die zu seiner Gemeinde kommen, nicht einfach aus ihrem Leben. Der Auftrag Jesu lautete auch nicht: Seid einfach die Gemeinde, sondern: So geht nun hin und macht zu Jüngern alle Völker, und tauft sie auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und lehrt sie alles halten, was ich euch befohlen habe. Und siehe, ich bin bei euch alle Tage bis an das Ende der Weltzeit! Amen. (Matthäus 28, 19 - 20)

Der Rest des ersten Kapitels besteht aus einer Begründung, warum das Buch aus Geschichten besteht:
Stories are always unfinished, partial, under construction, never over. What's great about stories is their incompleteness because that reminds us we're still learning, recognizing, and understanding – which reminds us how little we know. Stories are agents of humility because they make clear God isn't done yet. (S. 20)
Dies ist zugleich ein Versuch, seine Aussagen der Prüfung zu entziehen. Man kann damit im Nachhinein immer sagen: Das war mal, Gott war noch nicht fertig. Gott wird bis zum Ende unseres Lebens nicht fertig sein mit uns, das ist wahr. Dennoch ist Gott groß genug, um uns objektive, klare, ewig gültige Wahrheit klar verständlich zu machen. Auch wenn die Erkenntnis mit den Jahren an Tiefe noch zunimmt, bleibt auch das zuerst Erkannte objektive, klare, ewig gültige Wahrheit.

Insgesamt gesehen hat mir Yaconellis Vorwort manches zum Denken gegeben. Doch immer wieder hätte ich mir gewünscht, er hätte seine Hausaufgaben besser gemacht und sich auch in Bezug auf die Theologiegeschichte besser vorbereitet, statt oft nur mit Verallgemeinerungen und in Realität nicht existierenden Widersprüchen zu jonglieren.


Dienstag, 2. September 2014

Plädoyer für eine deutsche Lobpreiskultur

O Land der Dichter und Denker – wirst nun Dein Richter und Henker?

Nein, heute geht es mir weder um die niedrige Geburtenrate – zumindest nicht unter Menschen – noch um die demografischen Verschiebungen, sondern um die deutsche Lobpreiskultur. War das Land Goethes, Schillers, Luthers und Nietzsches viele Jahrhunderte lang für das großartige kulturelle Schaffen bekannt und weitherum gerühmt, befindet sich nun auch die deutsche Dichtung und Liedermacherei im Abstieg. Drei Dinge sind es vermutlich, welche diese Entwicklung beeinflussen: Der deutsche Selbsthass, der sich immer noch nicht vergeben kann, was in den Generationen davor geschehen war und durch den Versuch der schulischen „Aufarbeitung“ an jede neue Generation weitervererbt wird und zugleich die Internationalisierung, durch die das Englische immer mehr deutsches Texten verdrängt. Wer im Ausland bekannt werden möchte, muss englische Lieder singen, um verstanden zu werden. Ein dritter Grund wird wohl sein, dass sehr viele Lieder aus dem Ausland importiert werden: von Hillsong aus Australien, von der Bethel Church in Redding aus Amerika, und so weiter. Und so geht die deutsche Lobpreiskultur Stück für Stück unter. Doch, wie wir gesehen haben, brauchen wir dringend deutsche singbare Lieder, die alle in der Gemeinde verstehen und von Herzen mitsingen können.

Ein Blick über die Grenze
Was wäre, wenn jeder so sänge und Lieder schriebe, wie ihm „der Schnabel gewachsen ist“? Das hat nichts mit „elitärem Denken“ zu tun, sondern wäre total authentisch. Und was wäre schlimm daran, wenn die einen Lieder auf „guad schwäbisch gsunga“ würden und andere, die sonst „platt schnacken“ oder „hessisch babbele“ auch ihre Herkunft in die Lieder einbrächten? Der Blick über die südliche Grenze zeigt: Es kann funktionieren. Die Schweiz hat seit einigen Jahren eine lebendige Mundartworship-Szene. Eine eigens dafür eingerichtete Homepage gibt Einblick in diese Lobpreiskultur – und meine langjährige Erfahrung als Gemeindegänger in der Schweiz zeigt, dass auch Basler mit berndeutschen Liedern etwas anfangen können. Die Reichweite umfasst die ganze Schweiz, auch aus dem „Bündnarischa“ (Graubünden) und dem geografisch auf der anderen Seite gelegenen Walliserisch finden sich Liedermacher mit ihren Songs. Die sprachlichen Unterschiede sind auch in der Schweiz vergleichbar groß. Und die Lieder werden in der ganzen Schweiz mit viel Freude gesungen – wobei einzelne Worte oft leicht angepasst werden, was aber auch niemanden stört.

Mut zum alten Neuen
Was es braucht, ist Mut. Mut, dazu zu stehen, wer man ist und woher man kommt. Überwindung der Selbstverachtung und des Selbsthasses. Mut zum Neuen, das so neu doch nun auch nicht ist. Die deutschen Lobpreiser mit singbaren Liedern, die auch genügend bekannt sind, um in ganz Deutschland gesungen zu werden, lassen sich an einer Hand abzählen. Albert Frey, Arne Kopfermann, Lothar Kosse, Anja Lehmann, die Outbreakband. Auch von diesen ist manches auf englisch statt auf deutsch erschienen. Was es braucht, ist eine neue Generation von Lobpreisern, die den Mut haben, aufzustehen, neue Lieder zu schreiben, Gott zu ehren mit ihren Talenten und das Ganze in der Sprache, die Gott ihnen in die Wiege gelegt hat. Es mag zwar „cool“ und „in“ sein, Fremdes zu übersetzen und zu reproduzieren, aber Gott hat uns Menschen in Seinem Bild gemacht – zum Agieren und nicht nur Re-Agieren.

Ein Netzwerk von Lobpreisern
Ebenfalls eine große Hilfe wäre ein Netzwerk von Menschen, die gemeinsam die deutsche Szene des Lobpreises prägen, stärken und verändern möchten. Wenn du jemand bist, für den das gilt, so möchte ich dich ermutigen, mit anderen Lobpreisern Kontakt aufzunehmen. Vielleicht ergibt sich dadurch eines Tages ein Netzwerk, in welchem der Austausch, die gegenseitige Hilfestellung und so weiter gefördert werden kann. Nicht jeder kann die „School of Worship“ in Bad Gandersheim oder Ähnliches besuchen. Trotzdem kann man ein solcher Lobpreiser sein. Ich möchte dich dazu ermutigen, dran zu bleiben. Weiter zu machen. Weiter zu schreiben, zu singen, zu spielen. Weiter nach Austausch zu suchen. Mich ermutigt da immer wieder, zu sehen, wie viel Lobpreis es in der Ewigkeit geben wird:

Danach sah ich eine große Menge Menschen, so viele, dass niemand sie zählen konnte. Es waren Menschen aus allen Nationen, Stämmen, Völkern und Sprachen. Sie standen in weißen Kleidern vor dem Thron und dem Lamm und hielten Palmzweige in den Händen. Mit lauter Stimme riefen sie: »Der Sieg gehört unserem Gott, der auf dem Thron sitzt, und dem Lamm!« Alle Engel standen im Kreis um den Thron und um die Ältesten und um die vier mächtigen Gestalten. Sie warfen sich vor dem Thron zu Boden, beteten Gott an und sprachen: »Das ist gewiss: Preis und Herrlichkeit, Weisheit und Dank, Ehre, Macht und Stärke gehören unserem Gott für alle Ewigkeit! Amen.« (Offenbarung 7, 9 - 12)