Nachdem es in zahlreichen
Diskussionen immer wieder um das Thema Vegetarismus und Bibel ging,
möchte ich heute mal ein wenig tiefer graben, wie das mit den
Argumenten für den Vegetarismus tatsächlich aussieht.
1. Die
Schöpfung und der Mensch
Gehen wir zunächst ganz
an den Beginn der Bibel: In den ersten zwei Kapiteln finden wir den
Bericht über die Tatsachen, wie Gott die Welt geschaffen hat. Dieser
Bericht zeigt uns eine ganze Menge wichtiger Dinge – ich beschränke
mich hier auf das, was uns zu unserem Thema weiterhilft:
1. Die Schöpfung ist
für Gott. Gott hat alles geschaffen, um erkannt zu werden. Gott
hat alles zu Seinem Lob, zu Seiner Ehre geschaffen. Gleich zu Beginn
der Schöpfung offenbart Sich Gott als der Dreieine: Gott Vater
spricht, Gott Sohn (das Wort, Jesus Christus) erschafft die Dinge,
Gott Heiliger Geist schwebt oder besser übersetzt „brütet“ über
den Wassern und sorgt für die exakte Ausführung.
2. Der Mensch hat eine
besondere Stellung. Er ist im Ebenbild Gottes geschaffen. Er soll
alles beherrschen, und zwar im vollen Sinne von: Bewahren, pflegen,
nutzen, vermehren, verarbeiten, und so weiter. Er ist im Ebenbild
Gottes geschaffen. Das heißt, dass die Menschheit als einzige
Kreatur die ganze Dreieinigkeit Gottes so widerspiegelt wie das kein
anderer Teil der Schöpfung kann. Deshalb ist der Wert des Menschen
unendlich viel größer als derjenige der gesamten restlichen
Schöpfung.
3. Gott schafft als
Krone der Schöpfung den Sabbat. Dieser Tag ist gemacht, damit
der Mensch und die ganze Schöpfung an einem Tag pro Woche die
Gemeinschaft mit Gott in besonderer Weise feiern und auch genießen
kann.
4. Gott hat alles sehr
gut geschaffen. Das Paradies war von Anfang an sehr gut – aber
es war nicht für die Ewigkeit geschaffen, denn es sollte erlöst
werden. Die Notwendigkeit der Erlösung war von der frühesten Zeit
bereits in die Schöpfung eingebaut – und diente wie alles andere
auch dazu, um Gott zu offenbaren, also Gottes Wesen bekannt zu
machen.
5. Gott schafft den
Menschen als Mann und Frau. Das ist etwas ganz Besonderes. Mann
und Frau sind beide gleichwertig aber unterschiedlich gemacht. Das
Geschlecht ist keine gesellschaftliche Zuordnung, sondern von Gott
geschaffen, damit der Mensch in seiner Unterschiedlichkeit Gottes
Ebenbild sein kann.
6. Der Mensch hat
einen Erhaltungsauftrag der Schöpfung gegenüber bekommen.
Dieser Auftrag beinhaltet auch die Arterhaltung, wozu die Haltung von
Nutztieren einen wichtigen Beitrag leistet.
2. Der
Sündenfall und seine Folgen
Doch dann kam der
Sündenfall. Der Mensch ist von Gott ganz und gar abgefallen. Die
Entfremdung von Gott, von den Mitmenschen (insbesondere auch vom
anderen Geschlecht), von sich selbst und von der Natur hat seine
Auswüchse bis in die heutige Zeit. Je weiter die Technologie
fortschreitet, desto größer wird die Kluft zwischen dem Segen der
gut gebrauchten Technologie und dem Fluch der missbrauchten
Technologie.
Doch interessant ist, was
Gott direkt nach dem Sündenfall macht:
Und
Gott der Herr machte Adam und seiner Frau Kleider aus Fell und
bekleidete sie. (1. Mo. 3,21)
Gott war also der Erste,
der ein Tier genommen hat und – um dem Tier das Fell abzuziehen –
es töten musste. Das erste Tieropfer stammt somit vom allmächtigen,
ewigen Gott Selbst, der damit Hand an Seine Schöpfung angelegt hat.
Das war die Konsequenz des Sündenfalls für die Natur. Der Mensch
ist über sie gestellt, er sorgt für sie, aber verfügt auch über
sie, deshalb steht sie seit dem Sündenfall unter dem Fluch. Und die
Menschen fahren fort, Tiere zu opfern – und wie man feststellen
kann, ist das die einzig richtige Art zur damaligen Zeit, mit der
menschlichen Sünde umzugehen, denn nur dort kann Schuld vergeben
werden, wo Blut fließt.
3. Der
Bund mit Noah
Und dann kommt es gleich
noch viel heftiger: Die Menschheit wird immer schlimmer, und weil die
Menschheit so schlimm wird, dass sie nicht mehr auszuhalten ist, muss
halt die Tierwelt auch gleich mit dran glauben. Die große Flut wird
von Gott, dem ewigen, allmächtigen, allwissenden, barmherzigen,
heiligen, liebenden Gott initiiert und kostet vermutlich Millionen
von Tieren das Leben. Wer damit ein Problem hat, darf sich gern an
den Schöpfer wenden. Auch hier sehen wir wieder einmal, dass die
Tierwelt dem Menschen direkt unterstellt ist, denn die Tiere müssen
die Sünde des Menschen mitbezahlen.
Und nach der Sündflut
kommt das erste offizielle Bündnis Gottes mit dem Menschen seit dem
Sündenfall:
Und Gott segnete Noah und seine Söhne und sprach zu ihnen: Seid
fruchtbar und mehrt euch und erfüllt die Erde! Furcht und Schrecken
vor euch soll über alle Tiere der Erde kommen und über alle Vögel
des Himmels, über alles, was sich regt auf dem Erdboden, und über
alle Fische im Meer; in eure Hand sind sie gegeben! Alles, was sich
regt und lebt, soll euch zur Nahrung dienen; wie das grüne Kraut
habe ich es euch alles gegeben. Nur dürft ihr das Fleisch nicht
essen, während sein Leben1, sein Blut, noch in ihm ist! Jedoch euer
eigenes Blut will ich fordern, von der Hand aller Tiere will ich es
fordern und von der Hand des Menschen, von der Hand seines Bruders
will ich das Leben des Menschen fordern. Wer Menschenblut vergießt,
dessen Blut soll auch durch Menschen vergossen werden; denn im Bild
Gottes hat Er den Menschen gemacht. Ihr aber, seid fruchtbar und
mehrt euch und breitet euch aus auf der Erde, daß ihr zahlreich
werdet darauf! (1. Mo. 9, 1 - 7)
Das ist keine
Notverordnung weil es etwa keine Pflanzen mehr gegeben hätte,
sondern dieser Bund mit Noah ist ein Teil des wunderbaren Heilsplans
Gottes. Im Garten bei Eden gab es noch keinen Tod, keine Schmerzen,
keine Geburtswehen, keine schweißtreibende Arbeit. All das kam erst
durch den Sündenfall. Und solange Geburten unter Schmerzen
vonstatten gehen, solange Menschen altern und sterben, solange ist
auch der Fleischgenuss erlaubt und gottgewollt. Und auch hier sehen
wir wieder den überragenden Wert des Menschen: Wer einen Menschen
tötet, der hat sein Leben verwirkt – bei einem Tier ist das nicht
der Fall.
4. Das
Passahlamm
Als Gott durch Mose das
Volk Israel aus Ägypten führen lassen wollte, wurde das Passahmahl
eingesetzt. In der Nacht vor dem Abmarsch musste an jede Türe der
Israeliten das Blut von einem Lamm gestrichen werden. Der Engel
Gottes ging in der Nacht von Haus zu Haus und holte in jedem Haus, an
dem kein Blut zu sehen war, den ältesten Sohn:
Und der Herr redete zu Mose und Aaron im Land Ägypten und sprach:
Dieser Monat soll euch der Anfang der Monate sein, er soll für euch
der erste Monat des Jahres sein. Redet zu der ganzen Gemeinde Israels
und sprecht: Am zehnten Tag dieses Monats nehme sich jeder Hausvater
ein Lamm, ein Lamm für jedes Haus; wenn aber das Haus zu klein ist
für ein Lamm, so nehme er es gemeinsam mit seinem Nachbarn, der am
nächsten bei seinem Haus wohnt, nach der Zahl der Seelen; dabei
sollt ihr die Anzahl für das Lamm berechnen, je nachdem jeder zu
essen vermag. Dieses Lamm aber soll makellos sein, männlich und
einjährig. Von den Schafen oder Ziegen sollt ihr es nehmen, und ihr
sollt es aufbewahren bis zum vierzehnten Tag dieses Monats. Und die
ganze Versammlung der Gemeinde Israels soll es zur Abendzeit
schächten. Und sie sollen von dem Blut nehmen und damit beide
Türpfosten und die Oberschwellen der Häuser bestreichen, in denen
sie essen. Und sie sollen das Fleisch in derselben Nacht essen: am
Feuer gebraten, mit ungesäuertem Brot; mit bitteren Kräutern sollen
sie es essen. Ihr sollt nichts davon roh essen, auch nicht im Wasser
gekocht, sondern am Feuer gebraten, sein Haupt samt seinen Schenkeln
und den inneren Teilen; und ihr sollt nichts davon übriglassen bis
zum anderen Morgen. Wenn aber etwas davon übrigbleibt bis zum
Morgen, so sollt ihr es mit Feuer verbrennen. So sollt ihr es aber
essen: eure Lenden umgürtet, eure Schuhe an euren Füßen und eure
Stäbe in euren Händen, und in Eile sollt ihr es essen; es ist das
Passah des Herrn. Denn ich will in dieser Nacht durch das Land
Ägypten gehen und alle Erstgeburt im Land Ägypten schlagen, vom
Menschen bis zum Vieh, und ich will an allen Göttern der Ägypter
ein Strafgericht vollziehen, ich, der Herr. Und das Blut soll euch
zum Zeichen dienen an euren Häusern, in denen ihr seid. Und wenn ich
das Blut sehe, dann werde ich verschonend an euch vorübergehen; und
es wird euch keine Plage zu eurem Verderben treffen, wenn ich das
Land Ägypten schlagen werde. (2. Mose 12, 1 - 10)
Hier haben wir nicht nur
den Befehl Gottes, ein Tier zu schlachten, sondern vielmehr noch den
Befehl, es auch zu essen. Es soll nichts davon übrigbleiben – was
übrigbleibt, müsste weggeworfen werden. So viel also zur befohlenen
„Verschwendung“ von Fleisch. Wohl dem Israeliten, der kein
Vegetarier war! Und diese Mahlzeit wurde später eingesetzt zur
Erinnerung an das erste Passahmahl – es musste jedes Jahr
wiederholt werden. Zur Ehre Gottes, des Allmächtigen, der die
Erstgeborenen Israels vor Seinem gerechten Zorn gerettet hat.
5. Du
sollst nicht töten?
Israel zog aus Ägypten
aus. In der Wüste gibt es nichts zu essen. Das Volk schreit zu Gott
– und was gibt es? Wachteln! Vögel schickt Gott Seinem Volk. Aber,
Herr, was essen denn nun die Vegetarier?
Und dann kam Israel an
den Sinai und bekam die Zehn Worte. Eines davon wird heute häufig
missbraucht mit der Übersetzung: „Du sollst nicht töten“.
Sollte Gott etwa tatsächlich gegen Sein eigenes Gebot verstoßen
haben, als Er dem ersten Menschenpaar Kleider aus Fell machte?
Bei näherem Hinsehen
entpuppt sich das Gebot etwas anders. Besser übersetzt müsste da
stehen: „Morde nicht!“ Das ist ein riesiger Unterschied, denn das
hebräische Wort, was hier für „morden“ steht, wird nur auf
Menschen angewendet und zwar nur auf Menschen, welche hinterhältig
und unbegründet umgelegt werden. Streng genommen kann dieses Gebot
weder gegen die Todesstrafe, noch gegen den Militärdienst noch gegen
die Selbstverteidigung im Falle eines Falles verwendet werden. Dies
aber nur am Rande.
Somit wird klar: Das
Mordverbot kann im Fall der Tierschlachtung nicht angewendet werden.
Ebenso wird einmal mehr klar, dass der Wert des Menschenlebens
unendlich weit über dem Wert eines Tierlebens steht. Ok, wer mir das
„unendlich“ anzweifeln will, darf das tun, verpflichtet sich
damit aber, mir zu erklären, wie viele Tierleben den Wert eines
Menschenlebens aufwiegen.
6. Die
Opfergesetze
Über die Jahrhunderte –
zwischen dem Auszug aus Ägypten und dem ersten Kommen Jesu liegen
ungefähr 15 Jahrhunderte – wurden auf den Befehl Gottes hin
Millionen von Tieren gezüchtet und gepflegt, um dann anschließend
als Opfertier ihr Leben lassen zu müssen. All das waren nicht etwa
Erfindungen des Menschen um Gott zu gefallen, sondern die Umsetzung
von Gottes direktem Befehl. Das Tieropfer diente dazu, dass der
Mensch sich immer wieder seiner Verantwortung und seiner Herrschaft
über die Schöpfung bewusst wurde, indem er einsehen musste, dass
die Vergebung menschlicher Schuld nur mit Blut gesühnt werden kann –
entweder mit dem Blut und Leben des Schuldigen, oder mit dem
stellvertretenden Blut und Leben eines perfekten Opfertiers, welches
eine Vorschattung auf das war, was Jesus auf Golgatha für uns getan
hat. Das Opfer Jesu ist also so groß, dass Gott das ganze Tierleid
nicht zu schade war, welches in diesen Opfern zustande kam.
7. Gott
auf Erden isst Fleisch
Und dann – als die Zeit
erfüllt war – kam Gott als Mensch auf die Erde. Und macht was?
Isst Fleisch. Hilft den Fischern, einen größeren Fang zu machen als
jemals bisher. Also ein größeres Schlachten von Fischen (Lukas
5,9). Und isst mit Seinen Jüngern Fisch zum Frühstück:
Jesus spricht zu ihnen: Kommt zum Frühstück! Aber keiner der
Jünger wagte ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wußten, daß es
der Herr war. Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt es ihnen,
und ebenso den Fisch. (Joh. 21, 12-13)
Und isst mit ihnen das
Passahlamm:
Sie gingen hin und fanden es, wie er ihnen gesagt hatte; und sie
bereiteten das Passah. Und als die Stunde kam, setzte er sich zu
Tisch und die zwölf Apostel mit ihm. Und er sprach zu ihnen: Mich
hat herzlich verlangt, dieses Passah mit euch zu essen, ehe ich
leide. Denn ich sage euch: Ich werde künftig nicht mehr davon essen,
bis es erfüllt sein wird im Reich Gottes. (Luk. 22,13-16)
8. Paulus
und das Götzenopferfleisch
Häufig wird auch darauf
hingewiesen, dass schon Paulus den Vegetarismus angesprochen habe.
Dies stimmt, doch ist es ein weiterer Missbrauch der Bibel, diese
Passagen bei Paulus so zu missdeuten, als ob es Paulus um das Essen
von Fleisch an sich ginge. Das ist falsch, denn Paulus spricht damit
lediglich den Fall an, in welchem das Fleisch, welches auf dem Markt
verkauft wurde, zuvor einem falschen Götzen geopfert wurde. In dem
Fall sagt Paulus:
Was
nun das Essen der Götzenopfer betrifft, so wissen wir, daß ein
Götze in der Welt nichts ist, und daß es keinen anderen Gott gibt
außer dem Einen. Denn wenn es auch solche gibt, die Götter genannt
werden, sei es im Himmel oder auf Erden — wie es ja wirklich viele
»Götter« und viele »Herren« gibt —, so gibt es für uns doch
nur einen Gott, den Vater, von dem alle Dinge sind und wir für ihn;
und einen Herrn, Jesus Christus, durch den alle Dinge sind, und wir
durch ihn. Aber nicht alle haben die Erkenntnis, sondern etliche
machen sich ein Gewissen wegen des Götzen und essen [das Fleisch]
noch immer als Götzenopferfleisch, und so wird ihr Gewissen
befleckt, weil es schwach ist. Nun bringt uns aber eine Speise nicht
näher zu Gott; denn wir sind nicht besser, wenn wir essen, und sind
nicht geringer, wenn wir nicht essen. Habt aber acht, daß diese eure
Freiheit den Schwachen nicht zum Anstoß wird! (1. Kor. 8, 4-9)
Mit diesem Hintergrund
wird auch die Stelle im Römerbrief klarer:
Nehmt
den Schwachen im Glauben an, ohne über Gewissensfragen zu streiten.
Einer glaubt, alles essen zu dürfen; wer aber schwach ist, der ißt
Gemüse. Wer ißt, verachte den nicht, der nicht ißt; und wer nicht
ißt, richte den nicht, der ißt; denn Gott hat ihn angenommen.
(Röm. 14,1-3)
Später fährt er fort:
Darum laßt uns nicht mehr einander richten, sondern das richtet
vielmehr, daß dem Bruder weder ein Anstoß noch ein Ärgernis in den
Weg gestellt wird! Ich weiß und bin überzeugt in dem Herrn Jesus,
daß nichts an und für sich unrein ist; sondern es ist nur für den
unrein, der etwas für unrein hält. Wenn aber dein Bruder um einer
Speise willen betrübt wird, so wandelst du nicht mehr gemäß der
Liebe. Verdirb mit deiner Speise nicht denjenigen, für den Christus
gestorben ist! So soll nun euer Bestes nicht verlästert werden. Denn
das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit,
Friede und Freude im Heiligen Geist; wer darin Christus dient, der
ist Gott wohlgefällig und auch von den Menschen geschätzt. So laßt
uns nun nach dem streben, was zum Frieden und zur gegenseitigen
Erbauung dient. Zerstöre nicht wegen einer Speise das Werk Gottes!
Es ist zwar alles rein, aber es ist demjenigen schädlich, der es mit
Anstoß ißt. Es ist gut, wenn du kein Fleisch ißt und keinen Wein
trinkst, noch sonst etwas tust, woran dein Bruder Anstoß oder
Ärgernis nehmen oder schwach werden könnte. Du hast Glauben? Habe
ihn für dich selbst vor Gott! Glückselig, wer sich selbst nicht
verurteilt in dem, was er gutheißt! Wer aber zweifelt, der ist
verurteilt, wenn er doch ißt, weil es nicht aus Glauben geschieht.
Alles aber, was nicht aus Glauben geschieht, ist Sünde. (Röm.
14,13 - 23)
So wird klar, dass für
Paulus die Freiheit wichtig ist, er die Angst vor dem
Götzenopferfleisch jedoch als eine Schwäche im Glauben verstanden
hat. Zugleich warnt er ganz klar vor allen, die versuchen, andere zum
Vegetarismus zu bekehren:
Der
Geist aber sagt ausdrücklich, daß in späteren Zeiten etliche vom
Glauben abfallen und sich irreführenden Geistern und Lehren der
Dämonen zuwenden werden durch die Heuchelei von Lügenrednern, die
in ihrem eigenen Gewissen gebrandmarkt sind. Sie verbieten zu
heiraten und Speisen zu genießen, die doch Gott geschaffen hat,
damit sie mit Danksagung gebraucht werden von denen, die gläubig
sind und die Wahrheit erkennen. Denn alles, was Gott geschaffen hat,
ist gut, und nichts ist verwerflich, wenn es mit Danksagung empfangen
wird; denn es wird geheiligt durch Gottes Wort und Gebet. (1.
Tim. 4,1 - 4)
9.
Vegetarismus in der Kirchengeschichte
Nachdem gegen Ende des
ersten Jahrhunderts nach unserer Zeitrechnung die Schriften des Neuen
Testaments vollständig fertiggestellt warn, dauerte es nicht lange,
bis such zu erfüllen begann, wovor der Apostel Paulus seinen
Mitarbeiter Timotheus gewarnt hatte:
1. Ebioniten
Eine der ersten
Bewegungen, die in der Kirchengeschichte als Vertreter des
Vegetarismus bekannt ist, waren die Ebioniten (wörtlich übersetzt:
Die Armen). Sie sahen sich als Juden, die an Jesus glaubten, lehnten
aber die Schriften von Paulus ab, ebenso den stellvertretenden Tod
Jesu am Kreuz. Sie lehnten das Tieropfer ab und verboten den
Fleischgenuss.
2. Enkratiten
In der Mitte des zweiten
Jahrhunderts entstand die Sekte der Enkratiten (wörtlich übersetzt:
Die Enthaltsamen). Das war eine stark asketische Bewegung, in welcher
das Heiraten, bzw. jede sexuelle Tätigkeit und der Genuss von
Fleisch untersagt wurde. Das Ziel des Ganzen war, dass der Mensch ein
Leben wie ein Engel führen solle, um so durch ein Christus-ähnliches
Leben erlöst zu werden. Aller Genuss sei fleischlich und damit
abzulehnen.
3. Eustathianer
Eine weitere Gruppierung
der frühen Geschichte waren die Eustathianer, die nach dem
angenommenen Gründer Eustathios von Antiochia benannt wurden. Sie
verlangten ein komplett besitzloses Leben, verboten zu heiraten und
Fleisch zu essen. Außerdem lehnten sie das Feiern von Gottesdiensten
ab. Ihre Irrlehren wurden 340 auf der Synode von Gangra verurteilt.
4. Bogomilen
Auch im Mittelalter
traten vereinzelt wieder Gruppierungen auf, welche den Vegetarismus
vertraten. Im 10. Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung entstanden in
Osteuropa die Bogomilen (der Name kommt vom bulgarischen Namen des
Gründers Bogomil – zu deutsch etwa „Gottlieb“). Auch hier gab
es wieder einen neuplatonischen Dualismus mit der Ablehnung von allem
Materiellen. Dies führte zur Ablehnung einiger Teile des Alten
Testaments und so unter anderem auch zum Verbot des Fleischgenusses.
5. Katharer
Ab dem 12. Jahrhunder
traten in Westeuropa, insbesondere in Frankreich, auch die Katharer
(wörtlich übersetzt: Die Reinen) auf. Sie waren ein westlicher
Abklatsch der östlichen Bogomilen und beriefen sich auch auf
dieselben häretischen Schriften wie jene. Für die Katharer ist die
Welt das böse Gefängnis der an sich guten Seele, weshalb diese aus
dem Gefängnis befreit werden solle. Dies könne nur durch das so
genannte Consolamentum – eine Art Initiationsritus zum Katharer –
geschehen. Nach einem Noviziat (eine Vorbereitungszeit) gehörte man
zu den Perfekten, welche sich aller materiellen Genüsse – so etwa
des Fleisches – zu enthalten hatten.
10. Von
der Freiheit eines Christenmenschen
Nach dieser Betrachtung
wird deutlich, dass es sehr sehr schwer wird, sich die Bibel oder die
Geschichte der Kirche zunutze zu machen, um für den Vegetarismus zu
plädieren. Eines bleibt vorerst noch zu sagen: Die Bibel schätzt
die Freiheit des Christen sehr hoch ein. Insofern ist es natürlich
erlaubt, auf das Essen von Fleisch zu verzichten. Wo es jedoch zu
Problemen kommt, ist dort, wo Menschen versuchen, ihren Lebensstil
als Vegetarier anderen aufzuschwatzen, was häufig passiert.
Nichtsdestotrotz muss
natürlich auch gesehen werden, dass es menschliche Gründe gibt, auf
Fleisch verzichten zu wollen. Manche Menschen mögen einfach kein
Fleisch, und das ist natürlich ok. Dagegen gibt es nichts
einzuwenden.
Auch ist das Argument von
der schlechten Tierhaltung nicht ganz von der Hand zu weisen. Dass es
schlechte Tierhaltung gibt, wird jeder feststellen können, der sich
eine Weile damit befasst. Die Frage muss also anders gestellt werden:
Kann der Verzicht auf Fleisch etwas an dieser Lage ändern? Bisher
lautet die Antwort: Nein. Es werden nach wie vor viele Tiere zum
Schlachten gezüchtet und gemästet. Sie werden geschlachtet und zum
Verzehr bereitet. Es ist wie oben beim Passahlamm bereits gesehen:
Was nicht gegessen wird, wird verbrannt, bzw. kommt in den Müll.
Es gibt natürlich das
Argument: Ich esse kein Fleisch, ich bin dagegen, und mache mich
somit an dieser Gesellschaft nicht schuldig. Dieses Argument erinnert
mich immer an einen Song von den
Ärzten.
Doch so einfach ist das leider nicht. Einzig dagegen zu sein rettet
keinem einzigen Tier das Leben. Außerdem muss man sich fragen, was
mit all den Schlachttieren geschehen soll, falls sie nicht
geschlachtet werden sollen. Tierheime sind jetzt schon überfüllt
und auch nicht unbedingt in der tierfreundlichsten Art ausgestattet.
11. Zu
guter Letzt: Verzicht auf Medizin und Kosmetik?
Und dann muss in der
ganzen Debatte um das Tierleid auch die Frage nach konsequenter
Umsetzung gestellt werden. Hier kommen wir zurück auf eine Aussage,
die ich im zweiten Abschnitt vom Sündenfall und der Technologie
gemacht habe: „Je weiter die Technologie fortschreitet, desto
größer wird die Kluft zwischen dem Segen der gut gebrauchten
Technologie und dem Fluch der missbrauchten Technologie.“
Das wird nirgendwo deutlicher als in der heutigen Forschung und
Medizin. Ich bin dankbar für alle Erkenntnisse und Medikamente, die
ich nutzen darf. Zugleich muss ich mir aber auch bewusst sein, dass
diese ebenfalls mit Tierleid verbunden sind.
Wer also konsequent gegen
Tierleid ist und darauf verzichten will, sollte zunächst damit
beginnen, auf jede Art von Kosmetika und Medikamenten zu verzichten.
Das wäre eine konsequente Haltung, die allerdings auch andere
Konsequenzen mit sich ziehen kann. Etwa die Verkürzung des Lebens
und ein Mehr an Menschenleid.
12.
Schlusswort
Nach dieser Betrachtung
sollte klar geworden sein, dass das Thema keinesfalls so leichtfertig
beantwortet werden kann. Die Bibel und Kirchengeschichte geben keinen
Hinweis darauf, dass der Mensch langfristig für Vegetarismus
geschaffen wurde. Doch ist andererseits das Problem der schlechten
Tierhaltung auch nicht zu übersehen. Was es hier bräuchte, wären
alternative Ansätze, etwa die Förderung lokaler Anbieter von
artgerecht gehaltenen Tieren. Oder der Umstieg auf Selbstversorgung.
Da dies jedoch nicht allen von uns möglich sein wird, schon allein
deshalb, weil es in unseren westeuropäischen Staaten nicht ganz
einfach ist, an die Lizenzen und Werkzeuge zum Jagen und Schlachten
zu kommen, werden wir auch weiter mit der ethischen Spannung leben
müssen. Wer in unsere Gesellschaft hineingeboren wurde und
bleibt, um hier zu leben, ist darin nun mal mitgegangen und mitgefangen.
Ob er nun Fleisch isst oder nicht.