Donnerstag, 25. Dezember 2014

Den Glauben verstehen

Liebe Leserinnen und Leser,

zuerst einmal allen ein gesegnetes Weihnachtsfest. Gott wurde Mensch, um uns mit Sich Selbst zu versöhnen. Welch ein Vorrecht, das zu wissen und davon anderen Menschen erzählen zu dürfen.

Doch häufig hört man, dass dies gar nicht so einfach ist. Viele Gläubige haben aufgehört, davon zu erzählen, weil sie schlechte Erfahrungen gemacht haben. Es gibt aggressive Gegner, von denen man schnell abgekanzelt wird. Das kann aber auch daran liegen, dass wir uns selbst noch zu wenig Gedanken gemacht haben, wie wir überzeugend von Jesus Christus erzählen können. Darüber habe ich mir dieses Jahr viele Gedanken gemacht und mich deshalb auch entschlossen, dieses Projekt in Angriff zu nehmen.

So habe ich einen Zweitblog begonnen, den ich diesem Projekt widmen werde: Den Glauben verstehen und verständlich machen lernen. Dort werde ich versuchen, möglichst viele Fragen zum Glauben zu beantworten. Dazu ist aber auch jeder Leser gefordert, mir dabei zu helfen. Wo sind Eure Fragen? Wo stoßt Ihr an Grenzen? Was ist nur sehr schwer verständlich? Ich habe in diesem Zweitblog eine Mailadresse hinterlegt, an die alle diese Fragen gemailt werden können und bitte um rege Teilnahme. Gern darf die dazugehörige Facebookseite auch geliket, sowie das Projekt bekannter gemacht werden.

Liebe Grüße
Jonas


Donnerstag, 18. Dezember 2014

Rückblick und Ausblick

Das Jahr 2014 neigt sich dem Ende zu. Ich möchte allen Lesern herzlich danken fürs Mitlesen, Mitdenken und auch für die zahlreichen Rückmeldungen auf allen Kanälen. Den heutigen Post möchte ich dazu nutzen, auf das (bald) vergangene Jahr zurückzublicken und auch ein wenig zu versuchen, ins kommende Jahr hineinzuschauen.

Die meistgelesenen Posts von 2014
Zuerst mal eine Auswahl der am häufigsten aufgerufenen Posts, die ich 2014 geschrieben habe. Dabei habe ich die Anzahl der Aufrufe und die Dauer seit der Veröffentlichung berücksichtigt. Als besonders beliebt hat sie die Blogserie über Lobpreiskultur und Lobpreisleitung herausgestellt. Und dabei hat insbesondere der letzte Teil, das Interview aus der Praxis, in kurzer Zeit alle Rekorde gebrochen. Hier noch einmal die Serie:


Hierbei ist Teil 6 der beliebteste Blogpost von 2014. Hier in geordneter Reihenfolge noch der Rest der Top Ten:


2. Bibliothek der Weltliteratur
Unter dem Titel „Bibliothek der Weltliteratur“ habe ich im August diesen Jahres eine neue Serie angefangen. In dieser stelle ich wichtige Bücher der erzählerischen Literatur (Kurzgeschichten, Romane, Autobiographien, Tatsachenberichte, und so weiter) vor, welche einen gewissen Einfluss auf unsere Kultur und Vergangenheit hatten. Ich versuche dabei jeweils ein paar allgemeine Infos zum Werk selbst zu geben, und dann in wenigen Stichworten eine Stellungnahme aus biblischer Sicht zu machen. Dies plane ich fortzusetzen, und zwar weiterhin ungefähr jeden Monat ein Werk. Für 2015 plane ich mal grob die Zeit vom 13. - 17. Jahrhundert abzudecken. Vorschläge mit einer guten Begründung, warum dieses Werk unsere Kultur stark beeinflusst hat, nehme ich gern entgegen.
Fest eingeplant ist dabei bisher: Geoffrey Chaucers Canterbury Tales, Thomas Morus' Utopia, Blaise Pascals Pensées, Edmund Spensers A Faerie Queene, Dante Alighieris Göttliche Komödie und John Bunyans Pilgerreise. Weitere habe ich im Kopf aber bin mir noch nicht ganz sicher, lasse mir also gern Vorschläge machen.

3. Gedichte
Die Gedichte auf meinem Blog erfreuen sich weiterhin großer Beliebtheit. Dieses Jahr sind jedoch nicht allzu viele neue hinzugekommen. Vielleicht ändert sich das ja wieder. Bei mir klappt das nicht auf „Knopfdruck“, sondern ergibt sich halt wann und wie es sich ergibt. Da ich schon mehrmals Anfragen dazu erhalten habe, ob es mal einen Gedichtband gibt: Ich habe nicht vor, damit Geld zu verdienen. Überlegt habe ich mir jedoch schon öfter, einen PDF-Band mit einer Auswahl zu machen, zum kostenlosen Download. Allerdings bin ich noch nicht dazu gekommen, passende Illustrationen dazu zu erstellen oder überhaupt die bisherigen zu sichten und zu überarbeiten. Ich hoffe aber, irgendwann dazu zu kommen oder jemanden zu finden, der eine ähnliche Vision dazu hat und mir dabei hilft.

4. Bücher
Ein nicht unwesentlicher Teil meines Lebens besteht aus Büchern. Seit früher Kindheit (lesen und schreiben im Vorschulalter gelernt) sind mir Bücher mehr als ein Hobby. Und je mehr Seiten ein Buch hat, desto interessanter finde ich es. Wobei ich jetzt zugeben muss, dass ich so vielbändige Werke wie etwa die Kirchliche Dogmatik von Karl Barth nicht am Stück lese, sondern immer mal wieder kapitelweise. Wer mir eine Freude machen möchte, kann dies immer mit Büchern tun. Auf Amazon habe ich einen öffentlichen Wunschzettel angelegt, der ständig überarbeitet wird. Wer mir also eine Freude machen möchte, darf mir gerne etwas vom Wunschzettel schenken. Gerne auch gebraucht (wenn ich ein Buch gelesen habe, dann ist es unverkäuflich, weil sein Wert durch meine Unterstreichungen und zahlreichen Randnotizen vervielfacht wurde).
Ich lese sehr gern Bücher von erfahrenen Predigern, die über die Praxis des Vorbereitens und Haltens von Predigten schreiben. Ich versuche, jedes Jahr zwei davon zu lesen: Bisher jedes Jahr einmal das Gleiche: D. Martyn Lloyd-Jones - Die Predigt und der Prediger lese ich seit 2007, dem Jahr meiner ersten Predigtversuche, jedes Jahr aufs Neue mit viel Gewinn. Es gibt kein zweites Buch neben der Bibel, das ich so oft gelesen habe. Und dazu möglichst jedes Jahr noch ein weiteres Neues dazu. So etwa 2013: John MacArthur – Rediscovering Expository Preaching, 2014: John R. W. Stott – Between Two Worlds: The Art of Preaching in the Twentieth Century und plane für 2015: David Helm – Expositional Preaching: How we speak God's Word Today.

5. Bücher Top Ten 2014
Da dies immer viele Leser interessiert, was andere Leser gerne lesen, hier noch eine Auswahl. Ich habe da echt Mühe, mich zu entscheiden, deshalb zu jedem Buch eine kurze Begründung.

1. Robert Letham – The Holy Trinity Dieses Buch habe ich im November vorgestellt. Es war das Buch, welches mich dieses Jahr am stärksten mitgerissen hat. Wirklich ein Genuss zu lesen mit sehr viel Tiefgang und Ausrichtung an der Praxis.
2. Douglas Groothuis – Truth Decay Auch dieses Buch habe ich hier schon vorgestellt. Mit Lesen habe ich bereits 2013 begonnen. Es ist sehr gut geschrieben, aber es braucht seine Zeit, um das Gelesene zu verdauen und darüber nachzudenken.
3. Mortimer Adler – How To Read A Book Noch eins, das ich hier verewigt habe. Adlers Buch hat vor allem bewirkt, dass ich begonnen habe, noch sorgfältiger zu lesen. Manches davon habe ich ja davor schon so praktiziert – aber nicht systematisch.
4. John Piper – Think! Dieses Buch gibt es kostenlos zum Download als PDF oder auch für mobile Endgeräte. Es geht darum, wie man Gott mit ganzem Verstand lieben kann. Sehr gut und absolut empfehlenswert.
5. John Piper – Bloodlines Noch einmal John Piper. Noch einmal kostenloser Download. Es geht um die Themenbereiche Rassismus, Kultur, Vielfalt und was das Evangelium damit zu tun hat. Das Buch hat mir eine zusätzliche neue Perspektive der Gemeinde Jesu Christi eröffnet.
6. Clive Staples Lewis – Narnia Dieses Jahr habe ich im Sommer erstmals den kompletten Narnia-Sammelband auf englisch gelesen. Das ist noch einmal ein ganz anderes Erlebnis als die einzelnen Bände in der deutschen Übersetzung.
7. William Lane Craig – Reasonable Faith Hiervon habe ich die Kindle-Ausgabe gelesen. Kann ich auch sehr empfehlen. Craig ist einer der besten christlichen Apologeten, der häufig auch Debatten mit Atheisten führt – und gewinnt.
8. Colin Duriez – Francis Schaeffer – An Authentic Life Duriez hat eine Biographie über Francis A. Schaeffer geschrieben. Jede Seite des Buches hat in mir Sehnsucht nach einem neuen Schaeffer geweckt: Einem Mann, der Gottes Wort und die Fragen der jungen Menschen ernst nimmt.
9. David Murrow – Why Men Hate Going To Church Auch als Kindle-Buch gelesen. Man kann sich jetzt über manche Aussagen streiten, aber ich glaube in vielem hat er recht. Es geht um die (auch bei uns) stark zunehmende Feminisierung der Gemeinden und was man dagegen machen kann.
10. David Remnick – Barack Obama Endlich habe ich mir die Zeit genommen, dieses seit Langem in meinem Regal stehende Buch zu lesen. Es ist sehr gut geschrieben, es macht Freude, das Buch zu lesen, wenngleich es zeitweise eher einer Hagiographie als einer objektiven Biographie gleicht. Und obwohl ich politisch (nach wie vor) sehr vieles kritisch sehe, habe ich daraus einiges lernen können. Die 950 Seiten sind dank des wirklich guten Schreibstils (Remnick hat 1994 den Pulitzer-Preis gewonnen) erstaunlich schnell gelesen.

6. Ausblick
Im Moment und auch fürs kommende Jahr beschäftigen mich zwei größere Themenfelder: Einerseits Kultur und Evangelium (was hat das Evangelium unserer Kultur zu sagen; wie können wir das Evangelium nutzen, um unsere Kultur zu beurteilen; wie können wir Gottes Wort verständlich machen, ohne es zu verwässern?) und die Lehre vom Heiligen Geist. Ich werde versuchen, zu zeigen, warum der Heilige Geist ganz Gott ist und warum Er eine eigene Person der göttlichen Dreieinigkeit ist, aber auch, warum das so wichtig ist für unser Leben als Gläubige und welche praktischen Konsequenzen sich daraus für unser Leben ergeben. Daneben wird es natürlich wie bisher auch weitere Themen geben: Aus der Gesellschaft, dem täglichen Leben, dem Lesen und der Kunst.


Dienstag, 16. Dezember 2014

Zum 300. Geburtstag von George Whitefield


Heute vor 300 Jahren, am 16. Dezember 1714, ist George Whitefield geboren. George Whitefield? Wer soll denn das sein? Leider ist er schon länger nicht mehr so bekannt wie er sein sollte. Er war einer der größten und gesegnetsten Evangelisten des 18. Jahrhunderts. Millionen von Menschen haben ihn predigen gehört; und das ist etwas Spezielles – gab es doch damals weder Lautsprecher noch Rundfunk, Fernsehen oder gar Internet.

George Whitefield wuchs unter einfachen Verhältnissen auf. Sein Vater starb, als George zwei Jahre alt war. Acht Jahre später heiratete seine Mutter Elizabeth ein zweites Mal, doch diese Ehe war so schwer, dass sie es nicht lange mit diesem zweiten Mann aushielt. Obwohl das „Bell Inn“, der Gasthof, den sie führte, ziemlich erfolgreich und beliebt war, ging es mit dem Geschäft in der zweiten Ehe beständig abwärts, bis es so schlecht lief, dass George, der inzwischen an der Lateinschule war, diese abbrechen musste, um zu Hause im Gasthof mitzuhelfen. George war damals 15 Jahre alt. Kurz darauf verließ Elizabeth ihren zweiten Mann. George folgte ihr und sie lebten deswegen sehr einfach.

Da er sich kein Studium einfach so aus dem Ärmel schütteln konnte, verdiente er es sich als Diener der reicheren Studenten, die ihm für seine Dienste (er weckte sie, putzte die Zimmer, machte ihnen Besorgungen, und so weiter) ihre alten Bücher fürs Studium und etwas Geld gaben. In dieser Zeit in Oxford lernte er die Brüder John und Charles Wesley kennen, die als Gründer der Metodistenkirche bekannt sind. Um diese beiden Brüder herum sammelte sich eine kleine Gruppe von Leuten, die mit dem Glauben besonders ernst machen wollten. Sie wurden deshalb als „Holy Club“ (Heiliger Verein) und als „Methodisten“ verspottet. In diesem Kreis auferlegten sie sich strenge Pflichten wie das regelmäßige Fasten, gemeinsames Lesen von Erbauungsliteratur, sowie das Führen eines Tagebuchs mit regelmäßiger Selbstprüfung. In seinem Eifer schoss der junge George dabei weit über das Ziel hinaus, bis er durch seine asketischen Übungen krank wurde. Dann endlich fand er den echten Frieden mit Gott – nicht durch Selbstkasteiung, sondern durch die Gnade allein.

Noch während seines Magisterstudiums wurde er von einem befreundeten Pfarrer gebeten, ihn für zwei Monate in London zu vertreten. In dieser Zeit kamen immer mehr Leute in diese Kirche, die den jungen Mann über die neue Geburt sprechen hören wollten. Kurze Zeit später dasselbe wieder, als er dann auch nach Dummer gerufen wurde, um auch dort jemanden zu vertreten. In dieser Zeit wuchs sein Entschluss, er wolle als Missionar nach Georgia über den großen Teich reisen. Doch noch während er sich auf die Reise in die Staaten vorbereitete, gab es plötzlich über Nacht eine Erweckung: Überall, wo er durchreiste und sich verabschieden wollte, wurde er gebeten, zu predigen – und überall wurden von seiner Predigt riesige Massen von Menschen angezogen und viele Herzen aufgeschreckt.

Nach mehreren Monaten Verzögerung konnte er endlich einschiffen und fuhr über den großen Teich in die Staaten. Inzwischen war aber noch etwas anderes passiert: John Wesley, der sein Studium schon früher beendet hatte, war auch als Missionar nach Georgia gereist. Und genau in der Zeit, als Whitefield darauf wartete, dass sein Schiff auslaufen konnte, kehrte Wesley zurück. Ihm war in der Zeit in Georgia bewusst geworden, dass er selbst auch noch eine echte Wiedergeburt nötig hatte. Whitefield kam in die Staaten und predigte in Georgia mehrmals täglich auf den Plätzen, besuchte die Leute, gründete zwei Schulen, und sein Herz wurde vor allem für eine Tätigkeit vorbereitet, die ihn den Rest seines Lebens begleiten sollte: Er wollte in Georgia ein Waisenhaus gründen.

An der Stelle möchte ich kurz innehalten und über etwas nachdenken, was wir von vielen Menschen lernen können, die in der Welt etwas bewegt haben. Der Management-Experte Fredmund Malik hat dafür viele Biographien studiert und sagt etwas ganz Wichtiges dazu: „Das Wesentliche ist, sich auf Weniges zu beschränken, auf eine kleine Zahl von sorgfältig ausgesuchten Schwerpunkten, wenn man an Wirkung und Erfolg interessiert ist.“ (Malik, Fredmund, Führen, Leisten, Leben, Campus-Verlag, 2. Aufl. 2006, S. 110) Bei George Whitefield wird das gut sichtbar, es gab für ihn nämlich ganz exakt zwei Schwerpunkte, auf die er sich spezialisiert hatte: Das Evangelium predigen und Geld sammeln für sein Waisenhaus in Georgia. Und diese beiden Dinge konnte er gleichzeitig machen. 13 Mal hat er unter großen Strapazen den Ozean überquert, der Europa von Amerika trennt, und was ihn dazu getrieben hat, war seine Sorge um sein Waisenhaus. Vermutlich wäre die große Erweckung in den amerikanischen Staaten nicht so schnell und so stark ausgebrochen, wenn Whitefield nicht dort gewesen wäre. Und vermutlich wäre er nicht dort gewesen, wenn er sein Waisenhaus in Georgia nicht gehabt hätte. Ich glaube, dass wir hier einiges zu lernen haben: Uns auf bestimmte einzelne Dinge – unsere Stärken – zu beschränken, diese dafür umso mehr zu trainieren, und nicht mehr alles selbst in der Hand haben zu wollen.

Als Whitefield nach England zurückkam nach seiner ersten Reise, war die Lage verändert. Er konnte zunächst noch in verschiedenen Kirchen predigen, aber immer mehr Pfarrer wurden ihm feindlich gesinnt, weil er so offen und kompromisslos von der Notwendigkeit der Wiedergeburt sprach. Immer öfter wurden ihm die Kanzeln verboten. So wagte er eines Tages den Schritt ins Freie. Durch diesen Schritt wurde eine Grenze gesprengt: Waren seine Predigten bisher durch die Größe der Kirchen begrenzt, konnten jetzt viel mehr Leute kommen, um ihm zuzuhören. Nach kurzer Zeit waren es schon mehrere tausend Zuhörer, die kamen, um ihn zu hören. So ähnlich hört sich der Rest seines Lebens an. Er predigte – wohlgemerkt: ohne Mikrophon, ohne Verstärker und Lautsprecher – vor riesigen Mengen. Einmal müssen es um die 80'000 Personen gewesen sein, die gekommen waren, um ihn zu hören. Und seine Stimme war laut und durchdringend: Sie konnten ihn alle hören.

Als Whitefield 26 Jahre alt war, heiratete er Elizabeth James, eine Witwe, die er bei seinen Reisen in Wales kennengelernt hatte. Sie war zehn Jahre älter als er. Auf mehrere Reisen begleitete sie ihn zunächst, so etwa auch auf die dritte Amerikareise. Später hörte sie jedoch damit auf, ihn dabei zu begleiten. Benedikt Peters schreibt dazu: „Mrs. Whitefield begleitete ihren Mann auf seinen zwei nächsten größeren Reisen: Auf seiner dritten Fahrt nach Amerika und einmal nach Schottland. Danach zog sie es aber vor, zu Hause zu bleiben. Das muss für sie weniger schwer gewesen sein. Jede Frau eines reisenden Reichsgottesarbeiters kennt dieses Dilemma. Sie ist gerne mit ihrem Mann zusammen; wenn sie aber mit ihm auf Dienstreise ist, so ist sie zwar bei ihm, und doch nicht bei ihm, weil der Dienst ihn meist so beansprucht, dass er keine Zeit für seine geliebte Frau hat. So findet sie es weniger schmerzlich, in der gewohnten Umgebung des Heimes zu sein und dort wenigstens die Ruhe zu haben, die sie auf den Reisen nicht findet.“ (Peters, Benedikt, George Whitefield, CLV, 2. Aufl. 2003, S. 263)

Nach vielen Jahren treuen und rastlosen Evangelistendienstes (es wird geschätzt, dass er insgesamt ungefähr 30'000 Predigten gehalten habe) zeigte sich, dass der Mensch auch Raubbau mit seinem Körper treiben kann. Täglich viele Kilometer zu reisen und mehrmals pro Tag zu großen Mengen von Menschen zu sprechen, belastet den Körper auf Dauer sehr. Die meisten Prediger und Pastoren kennen auch das Dilemma der selbständig einzuteilenden Zeit: Zeit für die Gemeinde, Zeit für die Familie, Zeit für gesellschaftliche Verpflichtungen, Zeit für sich selbst. Das ist immer wieder neu zu bedenken. Whitefield war mit 55 Jahren verbraucht. Brennend für Gott, die Rettung von Sündern und Gottes Reich – aber auch ausgebrannt. So starb er auf der siebten Reise in Amerika am 30. September 1770 um 6 Uhr früh. Noch am Abend davor hatte er unter großer Anstrengung gepredigt – in der Nacht hatte er mit Asthmaanfällen zu kämpfen und ging heim in die Ewigkeit.

Wer nach diesem kurzen Überblick Lust auf mehr bekommen hat, findet bei CLV das oben zitierte Buch von Benedikt Peters – entweder zum Kauf als Hardcover oder als kostenloser PDF-Download.


Donnerstag, 11. Dezember 2014

Bibliothek der Weltliteratur 5: Parzival von Wolfram von Eschenbach


Mal wieder ein Griff in die Bibliothek der Weltliteratur: Heute möchte ich das Buch Parzival von Wolfram von Eschenbach vorstellen. Parzival ist einer der wichtigsten und bekanntesten Romane des Hochmittelalters. Vermutlich wurde dieser Roman im ersten Jahrzehnt des dreizehnten Jahrhunderts geschrieben und war danach weit verbreitet. Er ist ein mittelalterliches Heldenepos in Versform. Die Übersetzung von Karl Simrock aus dem Mittelhochdeutschen ist leicht verständlich und lässt sich so auch flüssig lesen, obwohl auch sie in Versform gehalten ist.

Was ist das Ziel des Romans? Wolfram möchte seinen Lesern, wie er in seinem ausführlichen Vorwort erklärt, die ritterlichen Tugenden nahebringen. Er stellt fest, dass im Leben vieler Menschen Widersprüchliches vorhanden ist: Verzagtheit und Kühnheit, Treue und Untreue. Diese Widersprüche vergleicht er mit dem Gefieder einer Elster, das zugleich schwarze und weiße Teile trägt. Deshalb möchte er mit seinem Roman die Tugenden Weisheit, Treue, Mut, und so weiter lehren. Diese Lehren sind nicht nur an Ritter (oder Männer allgemein) gerichtet, sondern auch an alle Frauen:
Aber nicht allein den Mann
Gehn alle diese Lehren an;
Ich stecke dieses Ziel den Frauen:
Die meinem Rate will vertrauen,
Die wisse wohl, wohin sie kehre
Ihren Preis und ihre Ehre
Und welchem Mann sie sei bereit
Mit ihrer Lieb und Würdigkeit,
Auf dass sie nicht gereue
Ihrer Keuschheit, ihrer Treue.“
(2,23 – 3,2)

Zuerst erzählt Wolfram die Geschichte von Parzivals Vater Gahmuret. Dieser war der zweitgeborne Sohn des Königs Gandin von Anschau (Anjou), weshalb er beim Tod des Vaters kein Erbe erhielt. So zog er umher und ließ sich von verschiedenen Leuten zu ihren Diensten anwerben. Bei einem dieser Dienste, als er in Baldag (Bagdad) der dunkelhäutigen Königin Belakane half, war sie bereit, ihn zu heiraten. Doch noch bevor ihrer beider Sohn zur Welt gekommen war, hatte sich Gahmuret wieder auf den Weg gemacht. Er hatte bei der Königin in Bagdad zu wenig Abenteuer und Kämpfe zu bestehen, weshalb er ihr untreu wurde und sie bei Nacht und Nebel verlassen. Der Sohn, der aus dieser Verbindung zur Welt kam, war schwarz und weiß gefleckt, wie eine Elster.

Im zweiten Teil ist Gahmuret wieder auf europäischem Boden. Ein großer Teil der Erzählung ist einem Ritterturnier gewidmet, nach welchem Gahmuret Herzeleide, die Königin von Waleis, ehelichte. Doch auch hier war er relativ bald wieder unterwegs. Auch hier hinterieß er einen noch ungeborenen Sohn, den Parzival, und ging wieder in den Nahen Osten, wo er daraufhin bei einem Kampf sein Leben verlor. Herzeleide war durch die Nachricht von seinem Tod sehr betrübt, sodass sie ihren Sohn Parzival davor schützen wollte, die Grausamkeit des Lebens am Hof (oder als Ritter) kennenlernen zu müssen. Sie zog in einen Wald, wo sie ihn erzog und versuchte, zu vermeiden, dass Parzival je einen Ritter sah. Doch es kam wie es kommen musste: Parzival sah eines Tages Ritter durch den Wald reiten – und schon war es um ihn geschehen: So einer wollte er werden.

Der Rest der Geschichte zeigt die Erfahrungen, die ein junger Ritter machen musste, der nicht am Hof und in den ritterlichen Tugenden erzogen worden war. Er lernte durch viele Fehler und häufig sind seine Erlebnisse ebenso komischer wie tragischer Art. Er ist der tragische Held der Geschichte, der die Lehren des Lebens auf die harte Tour lernen musste, dadurch aber über sich selbst hinauswächst und am Ende kann es nur noch sein Halbbruder Feirefiss – der Sohn der Königin Belakane – mit ihm aufnehmen. Sie geben sich einander gegenseitig zu erkennen und schließen Frieden:
Der reiche Feirefiss begann:
"Held, bei deiner Zucht, sag an,
Da dir ein Bruder leben soll,
Wie sieht der aus? Du weißt es wohl.
Beschreibe mir sein Angesicht;
Seine Farbe hehlte man dir nicht."
Da sprach den Herzeleid gebar:
"Wie beschrieben Pergament fürwahr,
Schwarz und weiß dort und hier;
Ekuba beschrieb ihn mir."
"Der bin ich," versetzt der Heide.
Nicht lange säumten sie da beide,
Feirefiß und Parzival,
Von Helm und Härsenier zumal
Entblößten sie sich gleich zur Stund.
Parzival fand lieben Fund,
Den liebsten, den er jemals fand.
Den Heiden hatt er bald erkannt:
Sein Antlitz zeigte Elsternfarben.
Hass und Groll im Kuss erstarben
Dem Getauften und dem Heiden.
Freundschaft ziemt' auch besser beiden
Denn ihnen stünde Hass und Neid.
Treu und Liebe scheid den Streit.
Mit Freuden sprach der Heide da:
"O wohl mir, dass ich dich ersah, [...]“
(747,19 – 748,14)

Eine zweite Geschichte ist mit der des Parzival verflochten: Gawan steht Parzival gegenüber. Während Zweiterer alles selbst lernen musste, hatte Ersterer eine solide Ausbildung in jungen Jahren gemacht.

Was gefällt mir an Parzival?
Parzival ist ein spannender Roman, der tatsächlich viel Weisheit fürs Leben enthält. Hier wird dem Leser die Ehrlichkeit, die Treue (gerade eheliche Treue – denn die Liebe ist am Ende das, was die erfolgreichen Ritter siegen lässt), der Mut, die Freundlichkeit und Höflichkeit, der Durchhaltewillen, das Dranbleiben, die Demut und viele weitere wertvolle Tugenden nahegebracht. Viele Tugenden, die heutzutage immer mehr verloren gehen, können bei Wolfram schätzen gelernt werden. Außerdem zeigt uns Parzival, dass das Lernen dieser Dinge in den jungen Jahren wertvoll ist und viele spätere Schwierigkeiten erspart. Auch an heutige Eltern ist das ein wertvoller Appell.

Es gibt zahlreiche Anspielungen auf die Bibel. So muss Gawan ein Schloss erobern, das unter der Herrschaft böser Mächte steht. Am Ende wird er von einem Löwen angegriffen. Er attackiert den Löwen, besiegt ihn mit dem Schwert und landet am Ende auf dem Schild, welcher sein Schutz ist. Die Hinweise auf 1. Petrus 5,8 und Epheser 6,16 sind hier mehr als deutlich.

Auch die Ästhetik des Textes spricht mich an. Ich habe den mittelhochdeutschen Text nur knapp in einzelnen Fällen konsultiert, dafür ist aber auch die Simrock'sche Übersetzung an Sprachgewalt kaum zu überbieten.

Das Buch lässt sich übrigens im Projekt Gutenberg vom SpOn online lesen: Link.


Freitag, 5. Dezember 2014

Jona – ein kleiner Mann mit einem großen Gott


„Aaah, der Typ mit dem großen Fisch!“ So strahlten mich häufig die Menschen an, wenn ich mich ihnen als „Jonas“ vorstellte. Eine Weile war das für mich der Horror – verband ich doch mit dieser Gestalt des Propheten Jona zwei andere Dinge: Ein Mann, der vor Gott wegläuft – und ein Mann, der Gott Vorwürfe macht, Er sei zu gnädig und barmherzig. Nach langer Zeit des Lesens und Forschens im Buch Jona bin ich auf weitere Schwerpunkte gestoßen: Jona war vor allem ein ganz normaler Mensch – ein einfacher, kleiner Mann mit einem großen Gott. Und noch eines mehr: Ein Prediger, der eine riesige Erweckung auslöste. Wohl die größte Erweckung der Weltgeschichte. Wer könnte von sich behaupten, dass aufgrund einer einzigen Predigt auf einen Schlag über 120'000 Menschen zum Glauben gekommen seien? Im Rahmen meiner Auseinandersetzung mit diesem biblischen Propheten ist folgendes Gedicht entstanden.

1. Flucht
Einst redete zu Jona schon,
das war des Amittaiens Sohn,
der Herr des Himmels und trug ihm auf:
„Geh hin, jetzt mach dich auf und lauf
nach Ninive, der großen Stadt!
Nimm vor den Mund auch ja kein Blatt!
Ihr Tun ist stetig ungerecht;
sie übertreffen sich an dem, was schlecht
und böse ist vor Mir!“ Da geht
der Jona hin und steht
am Hafen Japho, sucht ein Schiff,
noch ehe man's genau begriff,
schon ist er weg, gen Tarsis hin.
Ist's jetzt schon aus vor dem Beginn?
Doch der Herr ist nicht am Ende;
Er fängt erst an und bringt behende
einen großen Sturm aufs Meer –
das Boot, es rüttelt und schüttelt sehr.
Da werden auch die Heiden fromm,
nur Jona nicht, denn er erklomm
ein Bett im unteren Schiffe
als ob er all das nicht begriffe.
Der Wogen Macht lässt süß ihn träumen
und während oben Wellen schäumen,
liegt er und ruht sich friedlich aus,
als wäre er im Bett zu Haus.
Der Kapitän will's nicht begreifen;
er tritt zu ihm, kann nicht verkneifen,
den Schlafenden zu wecken:
„Mein guter Mann, willst dich verstecken?
Nun los, ruf deine Götter an!“
Die Mannschaft machte sich sodann
ans Werk und machte Lose,
zu finden, wer für das Getose
die Verantwortung muss tragen:
Wen es trifft, geht’s an den Kragen.
Das Los – wie könnt es anders sein? –
fiel auf Jona ganz allein.
Die Seeleut wollten es nun wissen:
Hat dieser Typ uns doch beschissen?
Und einer rief: „Was soll'n wir tun,
damit die See wird wieder ruhn?“
„Werft mich“, sprach Jona, „doch hinein;
der Sturm soll nicht eu'r Ende sein!“
Doch mehr und mehr stieg an das Brausen,
ließ das Schiff von Welle zu Welle sausen.
Doch endlich packten sie Jona dort
und warfen ihn – Mann über Bord! –
ins wogenwütende Meer hinein.
Doch horch! – das kann doch gar nicht sein?
Der Sturm lässt nach, das Meer gestillt.
Ein Wunder! Nun sind die Seeleut gewillt,
dem Herrn von Himmel und Erde zu danken,
der Ruhe schenkt unter ihren Planken.

2. Rettung
Um Jona aus dem Meer zu retten,
sandte Gott einen dicken, fetten,
riesigen Fisch, der ihn sollte verspeisen,
um dann mit ihm ans Ufer zu reisen.
Auch Jona war dankbar dem Herrn:
„Ich rief und Du hörtest von fern!
Du rettetest mich vor dem Untergehen,
ich konnte den Tod schon vor mir sehen!
Mitten ins Meer sank ich hinunter
doch siehe, jetzt bin ich fit und munter!
Und wo mich das Seegras schon umgab,
da holtest Du mich aus dem Grab.
Ich schrie zu Dir – und mein Gebet
kam an, dort wo Dein Tempel steht.
Nun werd ich tun, was immer Du willst,
der Du die Stürme sendest und stillst.
Ich will den Menschen erzählen gern:
Die Rettung kommt allein vom Herrn!“
Nach drei Tagen war'n sie am Meeresrand,
der Fisch spie Jona nun an Land.

3. Erweckung
Und wieder kam ihm Gottes Wort:
„Nun los, mach dich auf von diesem Ort,
lauf nach Ninive hinein!“
Da machte sich Jona ganz allein
auf den Weg in die große Stadt,
die Gottes Zorn erreget hat.
Einen Tag lief er in die Stadt hinein
und rief: „Nur 40 Tage noch wird Ninive sein!“
Und die es hörten, glaubten sodann
an Gottes Wort und machten sich dran,
in ihre Häuser zu hasten,
suchten Sacktuch, begannen Fasten.
Auch der König der Stadt tat Buße.
Er ließ ausrufen mit königlichem Gruße:
„Jeder soll Sacktuch tragen, fasten, beten,
keiner den Weg des Unrechts betreten.
Vielleicht ist Gott noch umzustimmen,
wenn wir aufhören mit allem Schlimmen,
um Ihn zu suchen!“ Gott sah ihre Taten
und wusste: Die sind gut beraten!
Die Stadt, sie blieb noch länger bestehen:
Gott hat sie mit Gnade angesehen.

4. Zurechtweisung
Doch Jona konnte sich nicht freuen:
wie konnte Gott nur jenes gereuen?
Er wurde wütend, begann zu beten:
„Drum wollt ich Ninive nicht betreten!
Ich wusste doch um Deine Gnade,
dass Du es findest viel zu schade,
unsere Feinde zu zerstören.
Deshalb wollt ich nicht auf Dich hören.
Nun nimm mein Leben, lieber sterben,
als dies zu beichten meinen Erben.“
Und wieder machte sich Jona auf,
baute östlich der Stadt eine Hütte auf,
um aus der Nähe anzusehen,
was mit Ninive werde geschehen.
Da, sieh! Ein kleines Pflänzchen kommt hervor!
Wächst über Jonas Kopf empor.
Ein Rizinus, ein Schattenspender,
auf dass sich Jonas Zorn veränder'.
Und Jona freut sich: Ein Himmelszeichen!
Doch tags drauf schon muss es weichen.
Ein Wurm, am Morgen angekrochen,
hat den Rizinus gestochen.
Da heiß der Wind von Osten bläst,
fühlt sich Jona ganz verjäst.
Er hat schon wieder neue Wut:
Das mit dem Rizinus war nicht gut!
Da sprach der Herr: „Du zürnst mir nun?
Was hattest du am Strauch zu tun?
Macht dir die arme Pflanze Schmerzen?
Sollt ich da nicht von ganzem Herzen
der großen Stadt nur Gutes wollen?
Du siehst: Kein Grund hat all dein Grollen!
Sind hundertzwanzigtausend Leute
nicht mehr Wert als dein Rizinus heute?“

4.12.2014; Jonas Erne



Mittwoch, 26. November 2014

Lobpreis in der Praxis - ein Interview

Am Ende der Auseinandersetzung mit der Lobpreiskultur und -leitung möchte ich noch wen aus der Praxis zu Wort kommen lassen. Jenny hat mir schon viele wertvolle Impulse – nicht nur zum Thema Lobpreis – gegeben. Da sie seit vielen Jahren Lobpreis in diversen Formen und Formationen leitet, habe ich ihr einige Fragen gestellt. Vielen Dank, Jenny, dass du dir die Zeit genommen hast, darüber nachzudenken und uns echt hilfreiche Antworten zu geben. 
 


Interviewfragen zum Thema „Lobpreis“:

  1. Erzähle uns doch bitte etwas über dich. Wer bist du? Wie bist du zum Lobpreis gekommen und was machst du zur Zeit damit? 

    Hey, mein Name ist Jenny Link. Ich bin momentan 24 Jahre jung, komme ursprünglich aus dem schönen Schwarzwald und lebe nun seit ca. 5 Jahren in Hildesheim – das ist in Niedersachsen, etwas südlich von Hannover – und studiere Soziale Arbeit im 7. Semester.
    Wie ich zu Lobpreis gekommen bin, ist eigentlich ganz einfach. Ich hab schon in jungen Jahren gerne Musik gemacht und alle möglichen Instrumente ausprobiert – ganz besonders gerne mochte ich (E-)Gitarre. Nachdem ich mich mit etwa 17 Jahren für Jesus entschied, war der Weg zum Lobpreis nicht mehr weit: es folgten die ersten JuGo-Band-Erfahrungen, „worshippen“ im Jugendkreis, etc…
    Seit ich in Hildesheim bin habe ich eine „feste“ Band, mit der ich viel unterwegs bin. Wir spielen in Gemeinden, auf Seminaren, Festen & Events, in Schulen, Kindergärten,... Wir machen Musik mit Kindern, mit Erwachsenen, mit allen, die grade da sind. Darüber hinaus leite ich seit fast 4 Jahren ein Bandprojekt mit Teens aus einer Gemeinde. Verschiedene kleinere Bandprojekte gab es zwischendurch auch immer mal wieder.
    Weite Kreise in meinem Leben zieht außerdem die Kindermusik: In den letzten Jahren habe ich ein selbst geschriebenes Kinder-Weihnachtsmusical zusammen mit dem Verlag cap-Music produziert, welches nun im Handel erhältlich ist (wer mehr dazu wissen möchte: www.diedreivomstall.de).
    Musizieren – zu Gottes Ehre – gehört für mich einfach dazu, es ist sozusagen mein Leben.

  2. Was hörst du zur Zeit besonders gerne (Lieder, Musiker, Bands)? 

    Prinzipiell prägen & inspirieren mich fast ausschließlich Bands & Künstler aus dem englischsprachigen Raum wie z.B. Hillsong, Casting Crowns, Chris Tomlin, Jesus Culture, Kim Walker, Klaus Kuehn, Kari Jobe uvm…
    Besonders angetan hat es mir in letzter Zeit die Worship-Musik der Bethel Church in Redding – bekannte Musiker & Leiter hier sind z.B. Brian & Jenn Johnson, Jeremy Riddle, William Matthews, Steffanie Frizelle,… Die Professionalität und Sicherheit der Musiker ist einfach unglaublich hoch – und natürlich ihre Nähe zu Gott, die sichtbar & spürbar ist! Ich mag außerdem den Musikstil unglaublich gerne. Schlagzeug, fette E-Gitarren und einen breiten Synthesizer-Klangteppich

    Im deutschsprachigen Raum ist v.a. die Outbreakband zu nennen.
    Auch Künstler wie Arne Kopfermann, Lothar Kosse, Albert Frey gehören natürlich dazu – ein Großteil unserer modernen Gemeindelieder entstammt ihrer Feder…!

  3. Was macht für dich ein gutes Lobpreislied aus? 

    Mehrere Aspekte wie z.B.:
    -
    Inhalt:
    Für ein Lobpreislied eignet es sich gut, den Fokus auf eine bestimmte Thematik zu legen. Wenn das Lied zu sehr mit verschiedenen Inhalten (die nicht falsch sind) vollgepackt ist, kommt das Herz oft nicht schnell genug hinterher. Es entsteht möglicherweise Stress oder Druck oder es ist einfach nur schwer, Gott zu begegnen. Eben rein nach dem Motto: Weniger ist mehr.
    -
    Musik:
    Klare, eingängige Melodien und vom Tonumfang so, dass jedermann gut mitsingen kann oder zumindest ganz leicht auch zweite Stimmen gesungen werden können. Die Möglichkeit und Freiheit für Spontanes sollte musikalisch auf jeden Fall vorhanden sein (wenn z.B. schnelle Wechsel stattfinden oder es viele verschiedene Akkordfolgen gibt, kann es in einem spontanen Part schneller zu Unstimmigkeiten kommen).
    -
    Sprache:
    Meist ist die Muttersprache auch die Herzenssprache des Menschen. Von daher plädiere ich (in Deutschland) natürlich für deutsche Lieder. An dieser Stelle Achtung: Nicht jedes tolle, englische Lied kann einfach mal kurz übersetzt werden! Das funktioniert leider oft nicht…
    Unsere Muttersprache ist aber auch nicht „Deutsch von vor 400 Jahren“, sondern das heutige deutsch. Sprich, wir brauchen Lieder in zeitgemäßer deutscher Sprache! 

  4. Wenn du die heutige Lobpreis-Szene betrachtest, was fällt dir besonders auf (positiv und negativ)? Was hat sich in den letzten Jahren verändert? 

    Positiv finde ich auf jeden Fall, dass christliche Künstler und Lobpreisleiter „auf Augenhöhe“ mit weltlichen Künstlern getreten sind und es immer mehr tun. Lange Zeit war moderne Kirchenmusik etwas hinterher – sowohl von der Professionalität als auch vom Zeitgeist. Das neue Album der Outbreakband „Das ist unser Gott“ z.B. kletterte wenige Tage nach Release auf Platz 25 der deutschen ITunes-Charts – Seite an Seite mit den „Bravo-Hits 85“!

Das Spektrum an Musikstilen ist im Lobpreis heutzutage sehr breit, sodass sogar HipHop-Freaks oder Heavy-Metaller „ihrs“ darin finden können.
Die Vernetzung und Zusammenarbeit von Künstlern, Produzenten, Gemeinden wird – auch durch die Möglichkeiten des Internets – immer besser (zu nennen ist an der Stelle das Netzwerk CCLI: www.ccli.de).
Negativ fällt mir auf, dass im Zuge dieser Entwicklung der Konzertcharakter die Lobpreiskultur immer mehr durchdringt. Oft geht es um noch größere Veranstaltungen, noch bessere Technik, noch besseres Licht, noch bessere Musiker,… Die Gefahr ist, dass Jesus, unser Mittelpunkt, an die Seite gedrängt wird, manchmal sogar unabsichtlich und unbemerkt. Außerdem verlieren kleine Veranstaltungen auf lokaler Ebene ihren Wert, weil es niemals die Messlatte der Großveranstaltung erreichen kann. Leute hören auf, in kleineren Kreisen zu musizieren und die Singkultur geht verloren, bzw. beschränkt sich auf das halbjährlich stattfindende Lobpreiskonzert…

  1. Du leitest selbst Lobpreisgruppen. Was sind die großen Herausforderungen, die dir dabei begegnen? 

    Alle Leute aus meiner Band / meinen Bands sind Individuen. Jeder hat seine Meinung, seine Vorstellungen und Wünsche. Dazu kommt die Gemeinde, der Pastor, etc… Eine eigene Meinung gibt’s dann ja auch noch…
    Schon öfter habe ich mich dabei ertappt, wie ich meine Zeit daran verschwendet habe etwas zu erzielen/planen/vorzubereiten, mit dem ich es allen Menschen recht machen kann. Das ist gefährlich. Oft denken wir, dass Gottes Wille ist, jedem Menschen etwas Gutes zu tun – das stimmt grundsätzlich auch. Aber es ist nicht gleichzustellen damit, dass ich das machen soll, was alle von mir wollen (abgesehen davon, dass es sowieso unmöglich ist). Meine Aufgabe ist es meinen Blick auf Gott zu richten – in allen Momenten & Entscheidungen. Trotz allem darf ich die Menschen (mit) denen ich diene nicht aus den Augen verlieren und trage Verantwortung für sie im Rahmen dessen, was ich tue.
    Da ich selber einen hohen musikalischen Anspruch habe (und zudem gesegnet bin mit exzellenten Mitmusikern), muss ich auch immer wieder aufpassen, dass ich meine geistliche Verantwortung nicht vernachlässige. Geht es in den Bandproben, Gottesdiensten und Veranstaltungen um die tolle Musik, oder weise ich als Leiterin immer wieder auf Jesus hin – den Grund und das Ziel von dem, was wir tun. Wir müssen eine geistliche Einheit sein und zu jeder Zeit wissen, wem die Ehre gebührt…

  1. Welche Fehler passieren dabei besonders gerne und wie gehst du damit um?

    Es ist oft der Blick auf die Menschen anstatt auf Gott. Das passiert ganz schnell und unbemerkt, wir sind einfach Menschen und sehen in erster Linie das, was vor unseren Augen ist. Ich verliere mich z.B. manchmal darin, diplomatisch zu sein und möglichst den Bedürfnissen aller gerecht zu werden. Gott sei Dank funktioniert das sowieso nicht auf Dauer!
    Wenn mir das dann auffällt (das fällt mir übrigens mit jedem mal schneller auf – man lernt ja doch aus Fehlern, bzw. wächst…) ist der erste Schritt ganz klar wieder hin zu Gott! Er ist einfach gut, und Er verzeiht immer wieder! Und wo sollte ich anders hingehen als auf ihn zu?! Er ist der Grund meines Lobpreises und Er alleine ist es, der Menschenherzen bewegen & verändern kann. Wie sehr bin ich also in meinem Lobpreis von Ihm abhängig?! Fehler machen & hinfallen. Erkennen. Mir vom Vater selbst aufhelfen lassen. Weitergehen, an seiner Hand. Es geht vorwärts und Er geht mit!

  2. Worauf achtest du bei der Auswahl von Liedern speziell?
Grundsätzlich treffen hier die Kriterien (Inhalt, Musik, Sprache) zu, die ich unter Frage 3 aufgeführt habe. Darüber hinaus erachte ich Folgendes als wichtig & bedenkenswert:
- Inhalt/Thema:
Wenn es eine Lobpreiszeit im Rahmen eines Gottesdienstes ist, eignet es sich, zumindest ansatzweise über das (Predigt-)Thema bescheid zu wissen und dies möglicherweise inhaltlich in den Lieder mitzutragen und aufzugreifen.
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Bekanntheit der Lieder:
Wichtig ist, einen großen Prozentsatz an bekannten Liedern auszuwählen. Gemeinden lernen (nach meiner Erfahrung) gerne neue Lieder, allerdings in angemessenen Dosen. Ein neu eingeführtes Lied sollte erst einige Male gefestigt & wiederholt werden, bevor ein Weiteres eingeführt wird.
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Ablauf/Reihenfolge:
Jede Lobpreiszeit ist zu vergleichen mit einem Gang ins Heiligtum (Gegenwart Gottes) und wieder hinaus. Dies ist ausschlaggebend für die Reihenfolge der Lieder, sowohl musikalisch gesehen als auch inhaltlich. Es bietet sich zum Ankommen an, mit aufgeweckten, fröhlichen Liedern zu starten, in denen man sich auf Gott ausrichten kann und bewusst alles andere hinter sich lässt. Anschließend kann eine intensivere (möglicherweise) ruhigere Zeit im Heiligtum folgen, in der besonders Raum für Gottes Reden gegeben wird und über seine Heiligkeit gestaunt & angebetet werden kann (an dieser Stelle darf auch Klage & Trauer berücksichtigt werden). Eine wieder etwas fetzigere Phase, in der Gott gefeiert und ihm für sein Reden, seine Gnade & Liebe gedankt wird, kann die Lobpreiszeit abschließen.
Musikalisch gesehen bietet es sich an, Lieder mit gleichen oder ähnlichen Tonarten aneinander zu reihen, um keine langen Pausen zu produzieren (Achtung: nicht verwechseln mit bewusster Stille!).
- Sicherheit der Band:
Mir selbst fällt es immer schwer, mich auf eine Lobpreiszeit einzulassen, in der ich merke, dass der Leiter bzw. das Musikteam/die Band unsicher ist. Die Atmosphäre wird verkrampft.
Deshalb finde ich es wichtig, dass der Leiter (und die Band) die Lieder, die er auswählt, sicher spielen und leiten kann! Das ist eine gute Grundlage für ihn selbst, offen für Gott zu sein und hilft der Gemeinde auch, sich mit voller Aufmerksamkeit auf Gott auszurichten.
Wenn ich also merke, dass ich und/oder meine Band in bestimmten Liedern zu unsicher bin, überlege ich nochmal, ob es nicht doch Sinn macht, es durch ein anderes zu ersetzen. (In manchen Fällen kann es allerdings sein, dass Gott aber grade dieses Lied mit diesem Inhalt wichtig ist und es unbedingt gespielt werden soll. Wenn es „dran“ ist, sollte es auf jeden Fall in der Liste bleiben. Der Geist Gottes kann und wird dann in unserer menschlichen Schwachheit und in unserer Unsicherheit ganz besonders wirken. Hier gilt es, als Leiter gut hinzuhören, was Gott möchte.).

  1. Was können Gemeinden und Lobpreisleiter besser machen, um eine Singkultur zu fördern? 

    - Regelmäßig (miteinander) singen & lobpreisen:Gemeinde muss in ihrer Struktur auf jeden Fall Lobpreis als festes Element anerkennen und in Gottesdienste und sowieso ins gesamte Gemeindeleben einbauen. Zu oft werden Lieder zu „Lückenfüllern“ degradiert (Eins zum Ankommen bis alle sitzen, eins vor der Predigt, eins nach der Predigt, eins nach dem Segen als Rausschmeißer, etc…). 

    - Eine eigene Kultur entwickeln & fördern:Viele Gemeinden (auch in Deutschland) etablieren mittlerweile eigenes Liedgut. Für die Identität der Gemeinde und für die Gemeinschaft an sich ist es absolut förderlich, selbst geschriebene Lieder zu singen.  

    - Ein Repertoire festlegen:Grade in Gemeinden mit verschiedenen Lobpreisteams sollte darauf geachtet werden, dass es eine große Schnittmenge an Liedern gibt. Wenn jeden Sonntag komplett andere Lieder gesungen werden, entsteht kaum „Gemeinsames Singen“ sondern mehr Konzert. 

    - Der Lobpreisleiter als Reiseführer und nicht als Ziel:Der Lobpreisleiter sollte sich auf Augenhöhe mit der Gemeinde begeben. Ich persönlich würde am Liebsten die Trennung zwischen Bühne & dem Rest des Gemeindesaales aufheben;-)
    Es geht nicht darum, im Mittelpunkt zu stehen. Es geht darum, auf den hinzuweisen und die Menschen zu dem zu führen, der der Grund und das Ziel unserer Lebensreise ist. So sollte das Anliegen des Leiters sein, Gott zu suchen und Ihm zu begegnen. Die Menschen werden diesen Glanz der Herrlichkeit Gottes in seinen Augen sehen und kein anderes Bedürfnis mehr haben als mitzugehen und den zu suchen, den er sieht!
Da der Dienst des Lobpreisleiters /der Lobpreisleiter ein sehr entscheidender für die Lobpreis-Kultur (einer Gemeinde) ist, brauchen grade diese Personen viel Unterstützung im Gebet und außerdem Orte, an denen sie selbst auftanken und empfangen können. Auch der „beste“ Lobpreisleiter kann nicht immer nur geben…
  1. Wenn jemand heute frisch als Lobpreisleiter anfangen möchte, welche Empfehlungen und Ermutigungen gibst du ihm auf den Weg mit?
Grundsätzlich könnte ich darüber ein ganzes Buch schreiben . Aber nun das Wichtigste in Kürze:

- Lerne leiten durch geleitet werden:Jeder von uns hat zuerst gelernt und dann gelehrt. Auch die Jünger sind bei Jesus in die Schule gegangen, bevor sie Gemeinden gegründet und geleitet haben. Es ist auch im Bereich Lobpreis wichtig, gute Leiter & Vorbilder zu haben. Spiele am besten zuerst in einem Lobpreisteam mit und ordne dich einem Leiter/einer Leiterin unter. Sei dabei auf jeden Fall aufmerksam – du kannst so viele wertvolle Dinge lernen!
Bitte Gott, dir zu zeigen, ob er dich zum Leiter/zur Leiterin berufen möchte und wenn ja, wann. Lass dir Zeit! Es ist wichtig, dass du in seinem Zeitplan läufst und nicht versuchst zu überholen ;-)
 

- Werde ehrgeizig & exzellent, bleibe demütig & bodenständig:Kein Meister fällt vom Himmel, soviel steht fest. Aber: Es ist wichtig, dass du gut bist in dem was du tust, und beständig nach dem Besseren strebst! Das hört sich im ersten Moment nicht grade demütig an, ich weiß. Aber es ist wichtig! Gott hat uns Begabungen gegeben damit wir diese weiter fördern und fordern. Außerdem hast du – grade als Leiter/in – nicht nur Verantwortung für dich selbst, sondern auch für andere! Das Problem beim Gut-Sein & Besser-Werden ist oft Stolz! Bleibe demütig. Sei dir bewusst, von wem du alles hast und warum du tust, was du tust. Ohne IHN wärst du nichts! Bleibe auf Augenhöhe mit den Menschen um dich herum, und habe Menschen um dich, die dir Feedback geben und dich auch mal „zurechtweisen“ dürfen. 

- Bleibe mit deinem Herzen bei Gott:Das ist so wichtig. Du kannst so gut sein wie du willst – wenn Sein Glanz in deinen Augen nicht da ist, weil du auf andere Dinge schaust und dein Herz irgendwo in der Welt oder bei dir selbst hängt, hat dein Lobpreis an Wert verloren. Geb‘ Gott und seiner Sache den ersten Platz in deinem Leben – alles andere wird dir zufallen (vgl. Matthäus 6,33).


Mittwoch, 19. November 2014

Die Bibel und der Vegetarismus

Nachdem es in zahlreichen Diskussionen immer wieder um das Thema Vegetarismus und Bibel ging, möchte ich heute mal ein wenig tiefer graben, wie das mit den Argumenten für den Vegetarismus tatsächlich aussieht.

1. Die Schöpfung und der Mensch
Gehen wir zunächst ganz an den Beginn der Bibel: In den ersten zwei Kapiteln finden wir den Bericht über die Tatsachen, wie Gott die Welt geschaffen hat. Dieser Bericht zeigt uns eine ganze Menge wichtiger Dinge – ich beschränke mich hier auf das, was uns zu unserem Thema weiterhilft:

1. Die Schöpfung ist für Gott. Gott hat alles geschaffen, um erkannt zu werden. Gott hat alles zu Seinem Lob, zu Seiner Ehre geschaffen. Gleich zu Beginn der Schöpfung offenbart Sich Gott als der Dreieine: Gott Vater spricht, Gott Sohn (das Wort, Jesus Christus) erschafft die Dinge, Gott Heiliger Geist schwebt oder besser übersetzt „brütet“ über den Wassern und sorgt für die exakte Ausführung.

2. Der Mensch hat eine besondere Stellung. Er ist im Ebenbild Gottes geschaffen. Er soll alles beherrschen, und zwar im vollen Sinne von: Bewahren, pflegen, nutzen, vermehren, verarbeiten, und so weiter. Er ist im Ebenbild Gottes geschaffen. Das heißt, dass die Menschheit als einzige Kreatur die ganze Dreieinigkeit Gottes so widerspiegelt wie das kein anderer Teil der Schöpfung kann. Deshalb ist der Wert des Menschen unendlich viel größer als derjenige der gesamten restlichen Schöpfung.

3. Gott schafft als Krone der Schöpfung den Sabbat. Dieser Tag ist gemacht, damit der Mensch und die ganze Schöpfung an einem Tag pro Woche die Gemeinschaft mit Gott in besonderer Weise feiern und auch genießen kann.

4. Gott hat alles sehr gut geschaffen. Das Paradies war von Anfang an sehr gut – aber es war nicht für die Ewigkeit geschaffen, denn es sollte erlöst werden. Die Notwendigkeit der Erlösung war von der frühesten Zeit bereits in die Schöpfung eingebaut – und diente wie alles andere auch dazu, um Gott zu offenbaren, also Gottes Wesen bekannt zu machen.

5. Gott schafft den Menschen als Mann und Frau. Das ist etwas ganz Besonderes. Mann und Frau sind beide gleichwertig aber unterschiedlich gemacht. Das Geschlecht ist keine gesellschaftliche Zuordnung, sondern von Gott geschaffen, damit der Mensch in seiner Unterschiedlichkeit Gottes Ebenbild sein kann.

6. Der Mensch hat einen Erhaltungsauftrag der Schöpfung gegenüber bekommen. Dieser Auftrag beinhaltet auch die Arterhaltung, wozu die Haltung von Nutztieren einen wichtigen Beitrag leistet.


2. Der Sündenfall und seine Folgen
Doch dann kam der Sündenfall. Der Mensch ist von Gott ganz und gar abgefallen. Die Entfremdung von Gott, von den Mitmenschen (insbesondere auch vom anderen Geschlecht), von sich selbst und von der Natur hat seine Auswüchse bis in die heutige Zeit. Je weiter die Technologie fortschreitet, desto größer wird die Kluft zwischen dem Segen der gut gebrauchten Technologie und dem Fluch der missbrauchten Technologie.

Doch interessant ist, was Gott direkt nach dem Sündenfall macht:

Und Gott der Herr machte Adam und seiner Frau Kleider aus Fell und bekleidete sie. (1. Mo. 3,21)

Gott war also der Erste, der ein Tier genommen hat und – um dem Tier das Fell abzuziehen – es töten musste. Das erste Tieropfer stammt somit vom allmächtigen, ewigen Gott Selbst, der damit Hand an Seine Schöpfung angelegt hat. Das war die Konsequenz des Sündenfalls für die Natur. Der Mensch ist über sie gestellt, er sorgt für sie, aber verfügt auch über sie, deshalb steht sie seit dem Sündenfall unter dem Fluch. Und die Menschen fahren fort, Tiere zu opfern – und wie man feststellen kann, ist das die einzig richtige Art zur damaligen Zeit, mit der menschlichen Sünde umzugehen, denn nur dort kann Schuld vergeben werden, wo Blut fließt.


3. Der Bund mit Noah
Und dann kommt es gleich noch viel heftiger: Die Menschheit wird immer schlimmer, und weil die Menschheit so schlimm wird, dass sie nicht mehr auszuhalten ist, muss halt die Tierwelt auch gleich mit dran glauben. Die große Flut wird von Gott, dem ewigen, allmächtigen, allwissenden, barmherzigen, heiligen, liebenden Gott initiiert und kostet vermutlich Millionen von Tieren das Leben. Wer damit ein Problem hat, darf sich gern an den Schöpfer wenden. Auch hier sehen wir wieder einmal, dass die Tierwelt dem Menschen direkt unterstellt ist, denn die Tiere müssen die Sünde des Menschen mitbezahlen.

Und nach der Sündflut kommt das erste offizielle Bündnis Gottes mit dem Menschen seit dem Sündenfall:

Und Gott segnete Noah und seine Söhne und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch und erfüllt die Erde! Furcht und Schrecken vor euch soll über alle Tiere der Erde kommen und über alle Vögel des Himmels, über alles, was sich regt auf dem Erdboden, und über alle Fische im Meer; in eure Hand sind sie gegeben! Alles, was sich regt und lebt, soll euch zur Nahrung dienen; wie das grüne Kraut habe ich es euch alles gegeben. Nur dürft ihr das Fleisch nicht essen, während sein Leben1, sein Blut, noch in ihm ist! Jedoch euer eigenes Blut will ich fordern, von der Hand aller Tiere will ich es fordern und von der Hand des Menschen, von der Hand seines Bruders will ich das Leben des Menschen fordern. Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll auch durch Menschen vergossen werden; denn im Bild Gottes hat Er den Menschen gemacht. Ihr aber, seid fruchtbar und mehrt euch und breitet euch aus auf der Erde, daß ihr zahlreich werdet darauf! (1. Mo. 9, 1 - 7)

Das ist keine Notverordnung weil es etwa keine Pflanzen mehr gegeben hätte, sondern dieser Bund mit Noah ist ein Teil des wunderbaren Heilsplans Gottes. Im Garten bei Eden gab es noch keinen Tod, keine Schmerzen, keine Geburtswehen, keine schweißtreibende Arbeit. All das kam erst durch den Sündenfall. Und solange Geburten unter Schmerzen vonstatten gehen, solange Menschen altern und sterben, solange ist auch der Fleischgenuss erlaubt und gottgewollt. Und auch hier sehen wir wieder den überragenden Wert des Menschen: Wer einen Menschen tötet, der hat sein Leben verwirkt – bei einem Tier ist das nicht der Fall.


4. Das Passahlamm
Als Gott durch Mose das Volk Israel aus Ägypten führen lassen wollte, wurde das Passahmahl eingesetzt. In der Nacht vor dem Abmarsch musste an jede Türe der Israeliten das Blut von einem Lamm gestrichen werden. Der Engel Gottes ging in der Nacht von Haus zu Haus und holte in jedem Haus, an dem kein Blut zu sehen war, den ältesten Sohn:

Und der Herr redete zu Mose und Aaron im Land Ägypten und sprach: Dieser Monat soll euch der Anfang der Monate sein, er soll für euch der erste Monat des Jahres sein. Redet zu der ganzen Gemeinde Israels und sprecht: Am zehnten Tag dieses Monats nehme sich jeder Hausvater ein Lamm, ein Lamm für jedes Haus; wenn aber das Haus zu klein ist für ein Lamm, so nehme er es gemeinsam mit seinem Nachbarn, der am nächsten bei seinem Haus wohnt, nach der Zahl der Seelen; dabei sollt ihr die Anzahl für das Lamm berechnen, je nachdem jeder zu essen vermag. Dieses Lamm aber soll makellos sein, männlich und einjährig. Von den Schafen oder Ziegen sollt ihr es nehmen, und ihr sollt es aufbewahren bis zum vierzehnten Tag dieses Monats. Und die ganze Versammlung der Gemeinde Israels soll es zur Abendzeit schächten. Und sie sollen von dem Blut nehmen und damit beide Türpfosten und die Oberschwellen der Häuser bestreichen, in denen sie essen. Und sie sollen das Fleisch in derselben Nacht essen: am Feuer gebraten, mit ungesäuertem Brot; mit bitteren Kräutern sollen sie es essen. Ihr sollt nichts davon roh essen, auch nicht im Wasser gekocht, sondern am Feuer gebraten, sein Haupt samt seinen Schenkeln und den inneren Teilen; und ihr sollt nichts davon übriglassen bis zum anderen Morgen. Wenn aber etwas davon übrigbleibt bis zum Morgen, so sollt ihr es mit Feuer verbrennen. So sollt ihr es aber essen: eure Lenden umgürtet, eure Schuhe an euren Füßen und eure Stäbe in euren Händen, und in Eile sollt ihr es essen; es ist das Passah des Herrn. Denn ich will in dieser Nacht durch das Land Ägypten gehen und alle Erstgeburt im Land Ägypten schlagen, vom Menschen bis zum Vieh, und ich will an allen Göttern der Ägypter ein Strafgericht vollziehen, ich, der Herr. Und das Blut soll euch zum Zeichen dienen an euren Häusern, in denen ihr seid. Und wenn ich das Blut sehe, dann werde ich verschonend an euch vorübergehen; und es wird euch keine Plage zu eurem Verderben treffen, wenn ich das Land Ägypten schlagen werde. (2. Mose 12, 1 - 10)

Hier haben wir nicht nur den Befehl Gottes, ein Tier zu schlachten, sondern vielmehr noch den Befehl, es auch zu essen. Es soll nichts davon übrigbleiben – was übrigbleibt, müsste weggeworfen werden. So viel also zur befohlenen „Verschwendung“ von Fleisch. Wohl dem Israeliten, der kein Vegetarier war! Und diese Mahlzeit wurde später eingesetzt zur Erinnerung an das erste Passahmahl – es musste jedes Jahr wiederholt werden. Zur Ehre Gottes, des Allmächtigen, der die Erstgeborenen Israels vor Seinem gerechten Zorn gerettet hat.


5. Du sollst nicht töten?
Israel zog aus Ägypten aus. In der Wüste gibt es nichts zu essen. Das Volk schreit zu Gott – und was gibt es? Wachteln! Vögel schickt Gott Seinem Volk. Aber, Herr, was essen denn nun die Vegetarier?

Und dann kam Israel an den Sinai und bekam die Zehn Worte. Eines davon wird heute häufig missbraucht mit der Übersetzung: „Du sollst nicht töten“. Sollte Gott etwa tatsächlich gegen Sein eigenes Gebot verstoßen haben, als Er dem ersten Menschenpaar Kleider aus Fell machte?

Bei näherem Hinsehen entpuppt sich das Gebot etwas anders. Besser übersetzt müsste da stehen: „Morde nicht!“ Das ist ein riesiger Unterschied, denn das hebräische Wort, was hier für „morden“ steht, wird nur auf Menschen angewendet und zwar nur auf Menschen, welche hinterhältig und unbegründet umgelegt werden. Streng genommen kann dieses Gebot weder gegen die Todesstrafe, noch gegen den Militärdienst noch gegen die Selbstverteidigung im Falle eines Falles verwendet werden. Dies aber nur am Rande.

Somit wird klar: Das Mordverbot kann im Fall der Tierschlachtung nicht angewendet werden. Ebenso wird einmal mehr klar, dass der Wert des Menschenlebens unendlich weit über dem Wert eines Tierlebens steht. Ok, wer mir das „unendlich“ anzweifeln will, darf das tun, verpflichtet sich damit aber, mir zu erklären, wie viele Tierleben den Wert eines Menschenlebens aufwiegen.


6. Die Opfergesetze
Über die Jahrhunderte – zwischen dem Auszug aus Ägypten und dem ersten Kommen Jesu liegen ungefähr 15 Jahrhunderte – wurden auf den Befehl Gottes hin Millionen von Tieren gezüchtet und gepflegt, um dann anschließend als Opfertier ihr Leben lassen zu müssen. All das waren nicht etwa Erfindungen des Menschen um Gott zu gefallen, sondern die Umsetzung von Gottes direktem Befehl. Das Tieropfer diente dazu, dass der Mensch sich immer wieder seiner Verantwortung und seiner Herrschaft über die Schöpfung bewusst wurde, indem er einsehen musste, dass die Vergebung menschlicher Schuld nur mit Blut gesühnt werden kann – entweder mit dem Blut und Leben des Schuldigen, oder mit dem stellvertretenden Blut und Leben eines perfekten Opfertiers, welches eine Vorschattung auf das war, was Jesus auf Golgatha für uns getan hat. Das Opfer Jesu ist also so groß, dass Gott das ganze Tierleid nicht zu schade war, welches in diesen Opfern zustande kam.


7. Gott auf Erden isst Fleisch
Und dann – als die Zeit erfüllt war – kam Gott als Mensch auf die Erde. Und macht was? Isst Fleisch. Hilft den Fischern, einen größeren Fang zu machen als jemals bisher. Also ein größeres Schlachten von Fischen (Lukas 5,9). Und isst mit Seinen Jüngern Fisch zum Frühstück:

Jesus spricht zu ihnen: Kommt zum Frühstück! Aber keiner der Jünger wagte ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wußten, daß es der Herr war. Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt es ihnen, und ebenso den Fisch. (Joh. 21, 12-13)

Und isst mit ihnen das Passahlamm:

Sie gingen hin und fanden es, wie er ihnen gesagt hatte; und sie bereiteten das Passah. Und als die Stunde kam, setzte er sich zu Tisch und die zwölf Apostel mit ihm. Und er sprach zu ihnen: Mich hat herzlich verlangt, dieses Passah mit euch zu essen, ehe ich leide. Denn ich sage euch: Ich werde künftig nicht mehr davon essen, bis es erfüllt sein wird im Reich Gottes. (Luk. 22,13-16)


8. Paulus und das Götzenopferfleisch
Häufig wird auch darauf hingewiesen, dass schon Paulus den Vegetarismus angesprochen habe. Dies stimmt, doch ist es ein weiterer Missbrauch der Bibel, diese Passagen bei Paulus so zu missdeuten, als ob es Paulus um das Essen von Fleisch an sich ginge. Das ist falsch, denn Paulus spricht damit lediglich den Fall an, in welchem das Fleisch, welches auf dem Markt verkauft wurde, zuvor einem falschen Götzen geopfert wurde. In dem Fall sagt Paulus:

Was nun das Essen der Götzenopfer betrifft, so wissen wir, daß ein Götze in der Welt nichts ist, und daß es keinen anderen Gott gibt außer dem Einen. Denn wenn es auch solche gibt, die Götter genannt werden, sei es im Himmel oder auf Erden — wie es ja wirklich viele »Götter« und viele »Herren« gibt —, so gibt es für uns doch nur einen Gott, den Vater, von dem alle Dinge sind und wir für ihn; und einen Herrn, Jesus Christus, durch den alle Dinge sind, und wir durch ihn. Aber nicht alle haben die Erkenntnis, sondern etliche machen sich ein Gewissen wegen des Götzen und essen [das Fleisch] noch immer als Götzenopferfleisch, und so wird ihr Gewissen befleckt, weil es schwach ist. Nun bringt uns aber eine Speise nicht näher zu Gott; denn wir sind nicht besser, wenn wir essen, und sind nicht geringer, wenn wir nicht essen. Habt aber acht, daß diese eure Freiheit den Schwachen nicht zum Anstoß wird! (1. Kor. 8, 4-9)

Mit diesem Hintergrund wird auch die Stelle im Römerbrief klarer:

Nehmt den Schwachen im Glauben an, ohne über Gewissensfragen zu streiten. Einer glaubt, alles essen zu dürfen; wer aber schwach ist, der ißt Gemüse. Wer ißt, verachte den nicht, der nicht ißt; und wer nicht ißt, richte den nicht, der ißt; denn Gott hat ihn angenommen. (Röm. 14,1-3)

Später fährt er fort:

Darum laßt uns nicht mehr einander richten, sondern das richtet vielmehr, daß dem Bruder weder ein Anstoß noch ein Ärgernis in den Weg gestellt wird! Ich weiß und bin überzeugt in dem Herrn Jesus, daß nichts an und für sich unrein ist; sondern es ist nur für den unrein, der etwas für unrein hält. Wenn aber dein Bruder um einer Speise willen betrübt wird, so wandelst du nicht mehr gemäß der Liebe. Verdirb mit deiner Speise nicht denjenigen, für den Christus gestorben ist! So soll nun euer Bestes nicht verlästert werden. Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist; wer darin Christus dient, der ist Gott wohlgefällig und auch von den Menschen geschätzt. So laßt uns nun nach dem streben, was zum Frieden und zur gegenseitigen Erbauung dient. Zerstöre nicht wegen einer Speise das Werk Gottes! Es ist zwar alles rein, aber es ist demjenigen schädlich, der es mit Anstoß ißt. Es ist gut, wenn du kein Fleisch ißt und keinen Wein trinkst, noch sonst etwas tust, woran dein Bruder Anstoß oder Ärgernis nehmen oder schwach werden könnte. Du hast Glauben? Habe ihn für dich selbst vor Gott! Glückselig, wer sich selbst nicht verurteilt in dem, was er gutheißt! Wer aber zweifelt, der ist verurteilt, wenn er doch ißt, weil es nicht aus Glauben geschieht. Alles aber, was nicht aus Glauben geschieht, ist Sünde. (Röm. 14,13 - 23)

So wird klar, dass für Paulus die Freiheit wichtig ist, er die Angst vor dem Götzenopferfleisch jedoch als eine Schwäche im Glauben verstanden hat. Zugleich warnt er ganz klar vor allen, die versuchen, andere zum Vegetarismus zu bekehren:

Der Geist aber sagt ausdrücklich, daß in späteren Zeiten etliche vom Glauben abfallen und sich irreführenden Geistern und Lehren der Dämonen zuwenden werden durch die Heuchelei von Lügenrednern, die in ihrem eigenen Gewissen gebrandmarkt sind. Sie verbieten zu heiraten und Speisen zu genießen, die doch Gott geschaffen hat, damit sie mit Danksagung gebraucht werden von denen, die gläubig sind und die Wahrheit erkennen. Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, wenn es mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch Gottes Wort und Gebet. (1. Tim. 4,1 - 4)


9. Vegetarismus in der Kirchengeschichte
Nachdem gegen Ende des ersten Jahrhunderts nach unserer Zeitrechnung die Schriften des Neuen Testaments vollständig fertiggestellt warn, dauerte es nicht lange, bis such zu erfüllen begann, wovor der Apostel Paulus seinen Mitarbeiter Timotheus gewarnt hatte:

1. Ebioniten
Eine der ersten Bewegungen, die in der Kirchengeschichte als Vertreter des Vegetarismus bekannt ist, waren die Ebioniten (wörtlich übersetzt: Die Armen). Sie sahen sich als Juden, die an Jesus glaubten, lehnten aber die Schriften von Paulus ab, ebenso den stellvertretenden Tod Jesu am Kreuz. Sie lehnten das Tieropfer ab und verboten den Fleischgenuss.

2. Enkratiten
In der Mitte des zweiten Jahrhunderts entstand die Sekte der Enkratiten (wörtlich übersetzt: Die Enthaltsamen). Das war eine stark asketische Bewegung, in welcher das Heiraten, bzw. jede sexuelle Tätigkeit und der Genuss von Fleisch untersagt wurde. Das Ziel des Ganzen war, dass der Mensch ein Leben wie ein Engel führen solle, um so durch ein Christus-ähnliches Leben erlöst zu werden. Aller Genuss sei fleischlich und damit abzulehnen.

3. Eustathianer
Eine weitere Gruppierung der frühen Geschichte waren die Eustathianer, die nach dem angenommenen Gründer Eustathios von Antiochia benannt wurden. Sie verlangten ein komplett besitzloses Leben, verboten zu heiraten und Fleisch zu essen. Außerdem lehnten sie das Feiern von Gottesdiensten ab. Ihre Irrlehren wurden 340 auf der Synode von Gangra verurteilt.

4. Bogomilen
Auch im Mittelalter traten vereinzelt wieder Gruppierungen auf, welche den Vegetarismus vertraten. Im 10. Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung entstanden in Osteuropa die Bogomilen (der Name kommt vom bulgarischen Namen des Gründers Bogomil – zu deutsch etwa „Gottlieb“). Auch hier gab es wieder einen neuplatonischen Dualismus mit der Ablehnung von allem Materiellen. Dies führte zur Ablehnung einiger Teile des Alten Testaments und so unter anderem auch zum Verbot des Fleischgenusses.

5. Katharer
Ab dem 12. Jahrhunder traten in Westeuropa, insbesondere in Frankreich, auch die Katharer (wörtlich übersetzt: Die Reinen) auf. Sie waren ein westlicher Abklatsch der östlichen Bogomilen und beriefen sich auch auf dieselben häretischen Schriften wie jene. Für die Katharer ist die Welt das böse Gefängnis der an sich guten Seele, weshalb diese aus dem Gefängnis befreit werden solle. Dies könne nur durch das so genannte Consolamentum – eine Art Initiationsritus zum Katharer – geschehen. Nach einem Noviziat (eine Vorbereitungszeit) gehörte man zu den Perfekten, welche sich aller materiellen Genüsse – so etwa des Fleisches – zu enthalten hatten.


10. Von der Freiheit eines Christenmenschen
Nach dieser Betrachtung wird deutlich, dass es sehr sehr schwer wird, sich die Bibel oder die Geschichte der Kirche zunutze zu machen, um für den Vegetarismus zu plädieren. Eines bleibt vorerst noch zu sagen: Die Bibel schätzt die Freiheit des Christen sehr hoch ein. Insofern ist es natürlich erlaubt, auf das Essen von Fleisch zu verzichten. Wo es jedoch zu Problemen kommt, ist dort, wo Menschen versuchen, ihren Lebensstil als Vegetarier anderen aufzuschwatzen, was häufig passiert.

Nichtsdestotrotz muss natürlich auch gesehen werden, dass es menschliche Gründe gibt, auf Fleisch verzichten zu wollen. Manche Menschen mögen einfach kein Fleisch, und das ist natürlich ok. Dagegen gibt es nichts einzuwenden.

Auch ist das Argument von der schlechten Tierhaltung nicht ganz von der Hand zu weisen. Dass es schlechte Tierhaltung gibt, wird jeder feststellen können, der sich eine Weile damit befasst. Die Frage muss also anders gestellt werden: Kann der Verzicht auf Fleisch etwas an dieser Lage ändern? Bisher lautet die Antwort: Nein. Es werden nach wie vor viele Tiere zum Schlachten gezüchtet und gemästet. Sie werden geschlachtet und zum Verzehr bereitet. Es ist wie oben beim Passahlamm bereits gesehen: Was nicht gegessen wird, wird verbrannt, bzw. kommt in den Müll.

Es gibt natürlich das Argument: Ich esse kein Fleisch, ich bin dagegen, und mache mich somit an dieser Gesellschaft nicht schuldig. Dieses Argument erinnert mich immer an einen Song von den Ärzten. Doch so einfach ist das leider nicht. Einzig dagegen zu sein rettet keinem einzigen Tier das Leben. Außerdem muss man sich fragen, was mit all den Schlachttieren geschehen soll, falls sie nicht geschlachtet werden sollen. Tierheime sind jetzt schon überfüllt und auch nicht unbedingt in der tierfreundlichsten Art ausgestattet.


11. Zu guter Letzt: Verzicht auf Medizin und Kosmetik?
Und dann muss in der ganzen Debatte um das Tierleid auch die Frage nach konsequenter Umsetzung gestellt werden. Hier kommen wir zurück auf eine Aussage, die ich im zweiten Abschnitt vom Sündenfall und der Technologie gemacht habe: „Je weiter die Technologie fortschreitet, desto größer wird die Kluft zwischen dem Segen der gut gebrauchten Technologie und dem Fluch der missbrauchten Technologie.“ Das wird nirgendwo deutlicher als in der heutigen Forschung und Medizin. Ich bin dankbar für alle Erkenntnisse und Medikamente, die ich nutzen darf. Zugleich muss ich mir aber auch bewusst sein, dass diese ebenfalls mit Tierleid verbunden sind.

Wer also konsequent gegen Tierleid ist und darauf verzichten will, sollte zunächst damit beginnen, auf jede Art von Kosmetika und Medikamenten zu verzichten. Das wäre eine konsequente Haltung, die allerdings auch andere Konsequenzen mit sich ziehen kann. Etwa die Verkürzung des Lebens und ein Mehr an Menschenleid.


12. Schlusswort
Nach dieser Betrachtung sollte klar geworden sein, dass das Thema keinesfalls so leichtfertig beantwortet werden kann. Die Bibel und Kirchengeschichte geben keinen Hinweis darauf, dass der Mensch langfristig für Vegetarismus geschaffen wurde. Doch ist andererseits das Problem der schlechten Tierhaltung auch nicht zu übersehen. Was es hier bräuchte, wären alternative Ansätze, etwa die Förderung lokaler Anbieter von artgerecht gehaltenen Tieren. Oder der Umstieg auf Selbstversorgung. Da dies jedoch nicht allen von uns möglich sein wird, schon allein deshalb, weil es in unseren westeuropäischen Staaten nicht ganz einfach ist, an die Lizenzen und Werkzeuge zum Jagen und Schlachten zu kommen, werden wir auch weiter mit der ethischen Spannung leben müssen. Wer in unsere Gesellschaft hineingeboren wurde und bleibt, um hier zu leben, ist darin nun mal mitgegangen und mitgefangen. Ob er nun Fleisch isst oder nicht.