Sonntag, 30. Oktober 2016

Predigt: Eine biblische Weltanschauung für die nächste Generation


Ein paar Auszüge aus meiner heutigen Predigt über Richter 2, 6 - 19:

Zuerst geht es um Josua: Er lebte 110 Jahre und starb dann. Zuerst begegnet uns Josua in den Mosebüchern, und zwar war er schon dabei, als Mose auf den Berg Sinai stieg, um das Gesetz von Gott zu empfangen. Dann ist ein besonderer Charakterzug, den wir in 2. Mose 33,11 finden: Josua wich nicht aus der Stiftshütte. Die Stiftshütte war der Ort, an dem Gott dem Volk Israel begegnete und bei ihm wohnte. Josua war immer in der Gegenwart Gottes. Er wollte diese Gegenwart Gottes nicht verlassen. Das war es, was ihn vorbereitete, um später die Aufgabe von Mose zu übernehmen. Er teilte das verheißene Land unter den 12 Stämmen Israels aus und schloss am Ende nochmal einen Bund zwischen Gott und dem Volk. Auch heute ist es wichtig, dass wir in der Gegenwart Gottes sind und da bleiben. Auch für die nächste Generation wird es wichtig sein und die nächste Generation muss das der übernächsten Generation beibringen und so weiter.“

Es heißt hier: Sie kannten den Herrn, ihren Gott, nicht. Sie haben nichts mehr von Gott gewusst. Unwissenheit führt zum Götzendienst. Unwissenheit ist nicht ein entschuldbarer Mangel. Unwissenheit ist tödlich; und ein Affront gegen Gott. Wenn du mit dem Auto in ein anderes Land fährst, musst du dich mit den dortigen Geschwindigkeitsbegrenzungen und weiteren Verkehrsregeln auseinandersetzen. Wer das nicht tut, hat nicht einfach nur einen entschuldbaren Mangel an Wissen, sondern diese Unwissenheit kann tödlich sein und auf jeden Fall eine saftige Strafe mit sich bringen. Auch da gibt es nicht die neutralen Verkehrsregeln, bei denen das Übertreten einfach nur ein entschuldbarer Mangel wäre. In ein Land zu fahren, ohne dessen Regeln zu kennen, ist tödlich und auch ein Affront gegen das jeweilige Land.“

Man hört ja heute häufig die Klage, dass Eltern ihre Kinder nicht nach ihrem Glauben erziehen ("indoktrinieren") sollen. Das Problem dabei ist, dass es überhaupt keine neutrale Weltanschauung gibt. Jeder hat seinen Glauben, und über Gott zu schweigen sagt sehr viel über Gott aus. Genau da liegt der Hund begraben – je mehr wir von Gott schweigen, desto mehr bringen wir der nächsten Generation bei, wie klein und unwichtig Gott ist.“

In unserer Zeit ist es üblich geworden, von Gott zu schweigen. Man teilt das Leben in zwei getrennte Bereiche ein. Das Reden von Gott zählt man dann zum privaten Bereich. Wer was glaubt oder nicht glaubt, geht in der Öffentlichkeit niemanden was an – so denkt man. Das ist Privatsache. Da redet man niemandem rein – solange dieser sich in der Öffentlichkeit brav still verhält und von seinem Gott schweigt. Verlangt wird damit ein öffentlicher Atheismus. In der Öffentlichkeit zählen die harten Fakten, die Wissenschaft, die Vernunft, und so weiter. Ein tiefer Graben verläuft zwischen diesen zwei Bereichen und schafft so gespaltene Persönlichkeiten. Im öffentlichen Bereich herrscht die Vernunft, im privaten Bereich das Gefühl. Die Bibel gibt uns Werkzeuge, mit denen wir prüfen können, ob jemand eine biblische Weltanschauung hat. Eine Weltanschauung ist die Brille, mit der die Person die Welt anschaut. Das bedeutet erstens: Jeder hat irgendeine Weltanschauung und zweitens: Die Weltanschauung beeinflusst alles, was diese Person sagt oder tut – zumindest wäre es zu erwarten. Dass manche Leute darin inkonsistent sind, sollte uns zu denken geben.

Was braucht unsere nächste Generation? Sie braucht Vorbilder wie Josua es für Israel war. Menschen, die in der Gegenwart Gottes leben und von Gott reden. Sie braucht ein biblisches Weltbild von Gott als Schöpfer von jedem einzelnen Teil dieser Welt, vom Sündenfall als Problem in dieser Welt, und von der Erlösung, die durch Jesus Christus am Kreuz von Golgatha geschehen ist. Sie braucht Konstanz und Verlässlichkeit. Sie braucht unser Gebet um Erweckung, weil jede Generation wieder neu Erweckung braucht. Und sie braucht das Wissen darum, dass die Erlösung in der Ewigkeit vollkommen perfekt sein wird.

Wer sie sich anhören möchte, findet sie wie alle meine Predigten im Predigtarchiv.



Das Zitat von Nancy Pearcey findet ich im Buch "Total Truth" ab S. 125 (Übersetzung von mir): 
Wir müssen sichergehen, dass, wenn unsere Kinder das Haus verlassen, dieselbe Überzeugung tief in ihr Gedächtnis eingebrannt ist – dass das Christentum fähig ist, wenn es auf dem Marktplatz der Ideen herausgefordert ist, in sich zu verhalten. Es reicht nicht, junge Gläubige einfach zu lehren, wie man eine persönliche „Stille Zeit“ hält, wie man ein Bibellernprogramm befolgt und wie man mit einer christlichen Gruppe auf dem Campus Verbindung aufnimmt. Wir müssen sie auch darin anleiten, wie man auf intellektuelle Herausforderungen antwortet, die ihnen im Schulzimmer begegnen werden. Bevor die das Haus verlassen, sollten sie mit all den „-ismen“ wohlbekannt sein, vom Marxismus zum Darwinismus bis zum Postmodernismus. Es ist am besten für junge Gläubige, wenn sie von diesen Ideen zuerst von den vertrauten Eltern, Pastoren oder Jugendleitern hören, welche sie in den Strategien trainieren können, um die konkurrierenden Ideologien analysieren zu können.“

Sonntag, 23. Oktober 2016

Die Wahrheit hinter der Porno-Lüge

Shelley Lubben, Pornographie. Die größte Illusion der Welt, Ruhland Verlag Bad Soden, 2016, 330 Seiten. Link zum Buch / Amazon

Vielen Dank an den Ruhland Verlag und an die Agentur Literaturtest für die Zusendung des Rezensionexemplars.

Die Autorin Shelley Lubben erzählt ihre Lebensgeschichte. Wie sie als junge Frau in der Prostitution und später in der Pornographie gelandet ist, aber auch wie sie einen Weg aus dieser schrecklichen Zeit gefunden hat.

Als Kind hatten ihre Eltern nur wenig Zeit und Aufmerksamkeit für sie – der Vater hatte immer irgendwelche Erfindungen, die er gerade austüftelte, die Mutter hatte nur böse Worte für sie übrig. Sie schreibt von ihrer Kindheit: „Meine Mutter sagte immer, der Fernseher sei der beste Babysitter. Klar, von einem solchen Babysitter lernte ich eine Menge! Als Kind lernte ich aus Sendungen wie 'Herzbube mit zwei Damen' (Three's Company) und 'Wo die Liebe hinfällt' (Love American Style) mehr über Sex als irgendwo sonst. Wozu Pubertät, wenn man gleich mehrere Komödienserien voll übersteigerten Sextriebs konsumieren kann?“ (S. 46)

Mit 9 Jahren wurde sie vom älteren Bruder einer Freundin sexuell missbraucht. Leider ist solcher Missbrauch für sehr viele Frauen, die in der Prostitution oder Pornographie landen, der Einstieg. Sexueller Missbrauch senkt nicht nur die Hemmschwelle zu außerehelichem Sex, sondern raubt den Missbrauchten auch den letzten Rest Selbstvertrauen. Shelley wurde zu einer aufmerksamkeitshungrigen jungen Frau, die sich ihrer äußeren Reize bald klar wurde und diese nutzte, um den männlichen Mitmenschen ihre Macht zu demonstrieren. Sie verkaufte sich selbst, um die Aufmerksamkeit zu bekommen, die ihr eigentlich ihre Eltern schuldig waren. Da war der Schritt in die Prostitution vergleichsweise klein; und als sie mit 17 Jahren aus dem Elternhaus gewiesen wurde (O-Ton ihres Vaters: „Für mich bist du tot.“), wurde dieser Schritt auch tatsächlich gegangen; nach zwei Tagen ohne etwas zu Essen.

Die nächsten Kapitel des Buches sind schwer zu lesen. Shelley gibt einen kleinen Einblick ins „Business“. Mit 19 war sie schwanger und behielt ihr Baby, eine Tochter, die später oft bei Freunden wohnen musste, da die Alleinerziehende sie nicht überall mitnehmen konnte. Nach einer Weile kam sie von der Prostitution zum Film. Schon als kleines Mädchen war sie eine geborene Schauspielerin, und unter dem Künstlernamen „Roxy“ nahm sie an über 30 Pornofilmen teil. Diese schreckliche Zeit kann sie nur überstehen, da sie Alkohol, andere Drogen, aber auch dämonische Einflüsse in ihrem Leben hatte. Mehrmals wollte sie sich das Leben nehmen, aber immer war da Gott, der das zu verhindern wusste.

Mit 26 kam ein Mann in ihr Leben, wie sie es sich wohl nie zu träumen gewagt hatte. Sie hasste Männer seit Langem, aber brauchte sie halt, um an ihnen ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Dieser Mann war erst 22, aber er war der erste Mann in ihrem Leben, der ihr zeigte, dass sie ihm tatsächlich wertvoll war. Er war Garrett (Gary) Lubben, der sie heiratete. Und damit kam eine Wende in ihr Leben. Sie musste ihren Körper nicht mehr verkaufen. Sie gingen zusammen in eine Gemeinde (ins „Champion Centre“ in Tacoma). Sie lernte Gott kennen. Und nun dürfen wir sie auf diesem langen und beschwerlichen Weg der Heilung begleiten.

Sie hatte lange Zeit ständig mit den dämonischen Einflüssen zu kämpfen. Widerstehen muss da gelernt sein. Sie musste lernen, den Menschen zu vergeben, die ihr so viele Jahre lang unendliche Schmerzen und Leid zugefügt hatten. Sie musste überhaupt erst mal lernen, dass sie auch nebst dem horizontalen Gewerbe Fähigkeiten besaß, die sie für Gott einsetzen kann. So lernte sie erst Webdesign und später Journalistik.

Doch dann kommt ein weiterer Ruf: Sie durfte in einem Gefängnis ihre eigene Geschichte von Ablehnung, Missbrauch, Prostitution, Pornographie und der Erlösung durch Jesus Christus erzählen und merkte, wie begierig viele Menschen nach der Botschaft von der Befreiung durch Jesus Christus sind. Ein weiterer Schritt bestand darin, einen Verein (Pink Cross) zu gründen, der anderen in ihrem ehemaligen „Gewerbe“ beim Ausstieg hilft. Nicht zuletzt bestand dieser Schritt auch darin, ihre Geschichte in Buchform zu bringen und so zu veröffentlichen. In all diesen Schritten hatte sie mit riesigen Widerständen zu kämpfen. Es gab (und gibt) sehr viele Menschen, die an Prostitution und Pornographie verdienen; gerade deshalb werden auch hier viele Menschen dem Gott Mammon geopfert. Statistiken zur Selbstmordrate sprechen eine deutliche Sprache.

Besonders berührt hat mich aber auch das Kapitel 28, in welchem Shelleys Tochter Tiffany aus ihrem eigenen Leben erzählt, wie sie das Leben mit ihrer Mutter wahrgenommen hatte. Sie war die erste Tochter, die Shelley als Prostituierte mit 19 bekommen hatte, als sie einen Asiaten bediente. Obwohl ihre Mutter jahrelang davon nichts wusste, war auch Tiffany sexuell missbraucht worden. Sie begann mit SVV (Selbstverletzendes Verhalten), indem sie sich immer wieder absichtlich schnitt, da der körperliche Schmerz angenehmer war als der seelische Schmerz. Am Ende wollte auch sie sich umbringen und landete mit offenem Handgelenk im Krankenhaus – Gott hatte ihrer Mutter gesagt, dass sie schnell zu ihrer Tochter nach Hause fahren solle. Bisher war Tiffany nicht groß aufgefallen – nicht zuletzt auch deshalb, weil ihre Eltern in dem ganzen Kampf gegen die Pornographie mit sich selbst zu beschäftigt waren. Moment mal – hatten wir das nicht schon mal?

So weit zum Buch selbst. Ich möchte es mit einer Einschränkung weiterempfehlen: Es ist nichts für schwache Nerven. Es ist aufrüttelnd, schamlos ehrlich und wird so manchen Widerspruch im Leser wecken. Hat es auch bei mir, aber das ist ok. Theologisch gehe ich nicht in allem mit ihr einig, aber mit wem kann ich das schon? ;-) Viele Fragen, die aufgeworfen werden, sind es wirklich wert, lange und tief darüber nachzudenken. Es ist ein mitreißendes Buch, das ich nur schwer aus der Hand legen konnte. 

Was nehme ich vom Buch mit?
1. Einen heiligen Zorn gegen die Unterhaltungsindustrie. Das betrifft Filme, Hollywood, aber auch viele andere. Man muss heute schon sehr weit suchen, um Filme zu finden, die keine pornographischen Ausschnitte beinhalten. Selbes gilt auch für Literatur, PC-Spiele und viele weitere Bereiche der Unterhaltungsindustrie.
2. Den dringenden Ruf: Eltern, lasst uns unsere Kinder ernst nehmen. Schieben wir sie nicht ab – weder vor den Fernseher noch in die Betreuungsinstitute. Begegnen wir ihnen gegenüber mit echtem Interesse und echter Anerkennung. In vielen Familien ist die mangelnde Zeit und Anerkennung für die Kinder ein Fluch, der sich von Generation zu Generation weitervererbt.
3. Das eigentliche Anliegen des Buches, welches ich schon seit vielen Jahren teile, nämlich die Schrecklichkeit der Prostitution und Pornographie und deren hohe Suchtgefahr bloßzustellen. Wir brauchen aber viel mehr als nur Predigten dagegen. Wir brauchen Unterstützung für die Menschen, die da raus wollen. Wir brauchen Angebote, die diesen Menschen zugute kommen, die aussteigen. Die Hürde ist extrem hoch: Finanziell, drogenabhängigkeitsbedingt, und nicht zuletzt auch geistlich. Hinzu kommt ein enormer psychischer Druck durch die Drohungen jener, welche daran verdienen wollen.

Donnerstag, 20. Oktober 2016

Lieber Andy - der vierte Brief an einen jungen Mann


Dienstag, 14. August 2007

Lieber Andy,
ich freue mich sehr, dass Du meinen letzten Brief so gut angenommen hast. Du wirst nun immer reifer und wächst zu einem Erwachsenen heran. Ich habe gesehen, dass Du gern noch mehr gelesen hättest. Heute möchte ich Dir diesen Gefallen tun und den Inhalt des letzten Briefes ein wenig weiter ausführen.
Ich habe Dir im letzten Brief von der Weisheit geschrieben. Sie ist wie Silber oder vergrabene Schätze. Man bekommt sie nicht hinterher geworfen. Silber wird in den Silberminen gefunden und gereinigt. Die Weisheit möchte gesucht und gefunden werden. Wenn ich Dir so schreibe, so wirst Du wohl nicht immer alles sofort verstehen. Am Besten Du liest es halt immer mal wieder durch und versuchst, es noch besser zu verstehen. So ist das mit der Weisheit. Der größte und auch der wichtigste Teil der Weisheit besteht darin, alle Dinge im richtigen Licht und der richtigen Perspektive zu sehen. Die Ehrfurcht vor Gott ist der Schlüssel dazu. Ehrfurcht ist gerade nicht Angst. Bei der Angst versucht man, davonzulaufen. Bei der Ehrfurcht vor Gott läuft man im Gegenteil auf Gott zu und vertraut ihm ganz und gar.
Das hilft uns auch zur richtigen Perspektive: Unser Leben ist einerseits „nur“ ein einzelnes, kleines Leben unter Milliarden von Menschen auf dieser Erde und die Erde nur ein kleiner Planet unter Milliarden von Himmelskörpern in unserer Galaxie unter Milliarden von anderen Galaxien. Und doch ist der Gott, der alles gemacht hat, genau an unserem kleinen, einfachen Leben unendlich interessiert und möchte, dass wir über alles mit ihm reden. Wer ihm vertraut und tut, was Gott möchte, wird in seinem Leben Gelingen und den Schutz Gottes haben. Nicht immer so, wie wir uns das vorstellen oder wünschen, aber immer so, dass es auf lange Sicht gesehen das Richtige sein wird.
Es werden immer wieder Menschen kommen, die Dich von diesem Weg abbringen möchten. Sie werden Dir allerlei Lügen auftischen. Sie werden versuchen, Dich für ihre falschen Unternehmungen zu gewinnen und wollen Dich überreden, ihnen bei ihren schlimmen Taten zu helfen und würden sich allzu sehr freuen, wenn sie Dich dazu überreden könnten. Es ist niemand davor geschützt, dass sie kommen. Doch wer die Weisheit in seinem Leben hat, wird erkennen können, wie man mit dieser Situation umgehen soll. Das ist der große Vorteil der Weisheit. Deshalb ist sie so praktisch. Sie hilft uns jeden Tag bei allem, was wir tun.
Lieber Andy, Du merkst langsam auch, dass sich Dein Blick für Menschen des anderen Geschlechts, nämlich für Mädchen und Frauen, verändert. Du brauchst das gar nicht blöd zu finden, weißt Du, Andy, jedem geht es so. Und das ist auch ein Grund, warum ich Dir heute schreibe. Es wird Frauen geben, die versuchen werden, Dir den Kopf zu verdrehen und Macht über Dich auszuüben. Sie werden merken, dass Du plötzlich dafür empfänglich geworden bist. Habe keine Angst vor ihnen, aber lass Dich von ihnen auch nicht um den Finger wickeln. Viele von ihnen haben als Kinder eine schwierige Zeit gehabt, wo sie viel zu wenig Aufmerksamkeit und Zeit von ihren Eltern bekommen haben – nun versuchen sie, diese von Euch Jungs zu kriegen.
Wir Menschen sind für Treue geschaffen, dass wir als Männer eine Frau suchen und ihr treu bleiben – durch dick und dünn, was immer kommen mag. Je mehr wir uns aber in jungen Jahren von vielen Frauen um den Finger wickeln lassen, desto schwieriger wird das später. Je mehr sich in unserem Kopf Bilder aus der frühen Zeit ansammeln, die uns beeindrucken, desto unrealistischer werden unsere Erwartungen und Wünsche und desto schneller werden wir enttäuscht. Deshalb sei auch vorsichtig, welche Bilder Du in den Medien und auf der Straße in Deinen Kopf reinlässt. So kannst Du Dir alles Schöne für später aufheben und dafür umso mehr genießen.

Liebe Grüße
Dein K. S.

Montag, 17. Oktober 2016

Vergötzung der Macht im metaphysischen Vakuum


Bereits Friedrich Nietzsche hat vom Tod Gottes geschrieben. Was hat er damit gemeint? Er hat in seiner Zeit und seinem Umfeld eine Stimmung wahrgenommen, die mit dem tiefen Nachdenken über Gott und die Welt abgeschlossen hatte. Er lebte in einer Zeit des Umbruchs, man könnte sagen einer Stimmung, die von vielen internen Widersprüchen und Inkohärenzen geprägt war. Diese Stimmung beinhaltete einerseits einen Glauben an den Fortschritt, der durch immer neue Erfindungen und Entdeckungen gespeist wurde. Gerade der Darwinismus hatte ein neues Gebiet eröffnet, in welchem der Mensch sich gottgleich fühlen konnte. Endlich war eine Möglichkeit gefunden, wie man die Welt ohne göttliches Eingreifen erklären zu können glaubte. In diese Allmachtsphantasie hinein schrie Nietzsche: Gott ist tot! Wir haben ihn getötet, ihr und ich! Wir haben die Erde von der Sonne losgekettet!

Tatsächlich – was bleibt uns noch übrig, nachdem wir Gott aus dem Leben und der Welt ausgeklammert haben? Der Mensch – so Nietzsche – ist ein „Heerdenthier“, ein Tier, das in der Herde lebt und von den Stärksten geführt werden muss. Das Christentum ist für ihn eine Religion mit einer „Sklavenmoral“, weil dort Nächstenliebe, Barmherzigkeit, Vergebung statt eigenmächtiger Vergeltung und menschliche Rache gepredigt wird. Er sieht den Ursprung des Christentums im babylonischen Exil und im späteren römischen Reich, wo das jüdische Volk keine eigene Rechtsprechung hatte, sondern entweder als Sklaven der Babylonier deren Willkür ausgesetzt oder später als Bewohner des römischen Reichs der dortigen Rechtsprechung unterworfen war. In diesem Klima habe sich der Gedanke ausgeprägt, dass das Schwache durch die Schwachheit das Starke überwinden könne. Und dann sieht Nietzsche, wie dieses Denken im Laufe der Jahrhunderte ausgehöhlt worden war. Die Menschen sind selbständiger geworden, haben begonnen, autonom zu denken, haben sich gegen die herrschenden Klassen aufgelehnt, und plötzlich sind die Schwachen zu Starken geworden. Diese Umkehr hat das Fundament des Christentums aufgeweicht.

Verlassen wir einen Moment Nietzsche und werfen einen Blick in die Geschichte. René Descartes hat versucht, zur Wahrheit zu kommen, indem er alles angezweifelt hat. Am Ende gelangt er zum Schluss, dass alles bezweifelt werden kann, außer die Tatsache, dass er denkt. Zweifeln beinhaltet denken, somit ist seine Gewissheit: Ich denke, also bin ich. Auf diesem Wissen baut er dann seine ganze Argumentation auf, bis er am Schluss auf diesem Fundament sein Argument für Gott aufbaut. Mit diesem Schritt hat die Umkehr begonnen: Plötzlich ist nicht mehr der Mensch von Gott abhängig, sondern der Mensch steht im Zentrum und Gott wird nun ausgehend vom Menschen „verteidigt“. Dieser Schritt wurde in den darauffolgenden Jahrhunderten zementiert, bis hin zu Immanuel Kant, der ihn zugleich vervollständigt aber auch auf den Kopf gestellt hat. Kant hat sich gefragt: Was kann der menschliche Verstand leisten? Er ging davon aus, dass der Mensch alles, was er durch seine Sinne aufnimmt, nicht nur passiv wahrnimmt, sondern bereits aktiv verarbeitet. So sind Raum und Zeit nicht unbedingt etwas, was real außerhalb von uns stattfindet, sondern diese sind das Gerüst, in dem das Wahrgenommene verarbeitet werden. Mit anderen Worten: Für Kant ist es der Mensch selbst, der die Realität im Verstand schafft, und zwar ohne dass er das beeinflussen kann. Wahrnehmung ist somit relativ geworden.

Vermutlich ist es jetzt leichter, zu verstehen, was Nietzsche seiner Zeit sagen wollte: Die echte Philosophie hat uns jetzt nichts mehr zu sagen. Sie kann uns kein festes Fundament mehr geben, in welchem wir eine transzendente und allgemein gültige Ethik schaffen können. Unserer Vernunft sind Grenzen gesetzt. Seit Darwins Beobachtungen sind wir nun auch noch zu Tieren mutiert, zwar gut entwickelten Tieren, aber mehr auch nicht. Gott ist tot, unsere Denker und Wissenschaftler haben ihn getötet und wir sind ganz allein im endlosen Weltall zurückgeblieben, in einem kleinen Winkel im riesengroßen Nichts. Wir haben keine Menschenwürde, denn diese muss eine Erfindung des Christentums sein. Was uns jetzt noch bleibt, ist die Hoffnung auf die Evolution. Die Hoffnung, dass es eines Tages eine bessere Menschheit gibt. Für Nietzsche ist die jetzige Menschheit nur der Übergang zum Übermenschen und das Beste am jetzigen Menschen wird dann sein, wenn er nicht mehr ist, sondern ausgestorben und vom Übermenschen abgelöst sein wird. Die einzige Frage ist, wie man dorthin kommt. Und da fand er seine Lebensaufgabe. Es gab nämlich nur sehr wenige Menschen, die ihn darin verstehen konnten, deshalb schrieb er seine Bücher immer „für die Wenigen“. Er sah sich selbst als einen der wenigen, die ein solches Wissen hatten, das die Menschheit dorthin bringen konnte, über sich selbst hinauszuwachsen. Dazu mussten alle Werte im Leben überdacht und neu bewertet werden.

Nietzsche war auch ein erklärter Feind des demokratischen Gedankens. Das Denken, dass alle Menschen gleich seien, stammte für ihn auch aus der christlichen Sklavenmoral. Das führte nur dazu, dass die Schwachen und Dummen dieser Welt bestimmen könnten, wohin man geht. Man könnte ihn den ersten Postdemokraten nennen. Die Herdentiere der Menschheit brauchten ihm zufolge starke Führer, die ihre Völker autoritativ und ohne Widerspruch zu dulden ans Ziel führten. In unserer Zeit findet sich dieses Denken leider auch wieder. Politiker wie Putin, Erdogan oder auch Trump finden dort ihre Anhänger, weil sie sich in der Politik Leute wünschen, die auf den Tisch hauen können und sich durch verbale Lautstärke auszeichnen.

Auch der deutsche Philosoph Martin Heidegger war so ein Postdemokrat. Bei ihm gehörte die Unterstützung der Revolution gegen die demokratische Weimarer Republik zum Leben dazu. Er war einer der ganz frühen Unterstützer des Nationalsozialismus, und zwar weil für ihn dieses Revolutionäre im Leben das Leben erst lebenswert macht. Seiner Meinung nach war das echte philosophische Denken am Ende angelangt, weil die Wissenschaft nun diesen Teil übernommen hätten. Was blieb, war eine Lücke, die von einer starken Regierung gefüllt werden musste. Mit Heidegger und dem Ende der Philosophie habe ich mich hier (Link) etwas eingehender befasst. In einer Vorlesung sprach er 1930 davon, dass die Langeweile zur Grundstimmung der Republik geworden sei und man deshalb nach dem rufen müsse, der dem Dasein einen Schrecken einjagen könne.

Es ist klar, dass nun ein Vakuum herrscht. Über dieses Vakuum habe ich bereits vor ein paar Tagen hier geschrieben. Lautstärke, totalitäres Gehabe und Wutanfälle sind kein Substitut für ethisches Handeln oder Regieren. Was wir brauchen, ist tiefes Nachdenken über Gottes Wort und eine biblische Weltsicht mit einer bibeltreuen, klaren Ethik. Kein Jota der ganzen Bibel wird jemals hinfällig werden. Nietzsche sagte zwar, dass Gott tot sei, doch nun ist Nietzsche längst tot und viele Menschen bezeugen Gottes Eingreifen in ihrem täglichen Leben auf vielerlei Weise. Das ist einer von vielen Hinweisen, dass Gott dieses Vakuum ausfüllen kann und will. Was wir brauchen, ist eine weitere Reformation oder eine Erweckung. Eine Rückkehr zum einen, dreieinen Gott der Bibel. Eine Rückkehr zu Gottes Wort, der Bibel. Eine Rückkehr zum wörtlichen Verständnis der Bibel, bei welchem deren Ereignisse und Worte als historisch echt und von Gott vollkommen inspiriert betrachtet werden. Gott liebt uns und möchte, dass wir Ihn lieben. Von ganzem Herzen, mit all unserer Kraft und nicht zuletzt auch mit unserem ganzen Verstand.


Samstag, 15. Oktober 2016

Lieber Andy - der dritte Brief an einen jungen Mann




Dienstag, 10. Juli 2007

Lieber Andy,
ich weiß nicht, ob Du das magst, was ich Dir heute schreiben werde. Es ist eigentlich nichts so Besonderes in der Zwischenzeit passiert, deshalb möchte ich Dir einfach mal ein paar Gedanken von einem alten Mann mitgeben, der schon viel in der Welt gesehen und erlebt hat. Bestimmt denkst Du jetzt: Also diese alten Leute, die sind doch schon voll out und haben kein Plan, was wirklich abgeht. Aber weißt Du, egal welche Zeit man sich anschaut – und davon habe ich eine ganze Menge gesehen – da finden sich immer wieder dieselben Probleme und auch dieselben Lösungen.
Es gibt da so ein altmodisches Wort, das heißt Weisheit, und das bedeutet eigentlich so viel wie praktische Lebenserfahrung. Das ist nichts Theoretisches, nichts aus dem Elfenbeinturm, es ist einfach die gesammelte Erfahrung eines langen Lebens. Und diese Weisheit möchte ich als ein alter Mann mit Dir teilen. Dein Leben ist zu kurz, um alle Fehler selbst zu machen. Deshalb ist es eigentlich die Aufgabe von uns erfahrenen Menschen, diese Weisheit weiterzugeben, damit Eure Generation davon lernen darf.
Eins ist klar: Jeder darf und muss auch bestimmte Fehler selbst machen. Jeder wird sogar eine ganze Reihe von Fehlern machen. Aber die Aufgabe der gesammelten Weisheit ist es, Euch zu helfen, dass Ihr nur die nötigen Fehler selbst machen müsst. Eigentlich wäre es unsere Aufgabe, überall in den Städten auf den großen Plätzen auf die Bänke zu stehen und laut hinauszurufen, was Ihr alle von uns lernen könnt. Aber ich bezweifle, dass das wirklich so gut ist und die Menschen das so annehmen würden.
Viel an dieser Weisheit ist öffentlich zugänglich, jeder kann sie bekommen, der es nur möchte. Nur ist es leider so, dass sehr viele Menschen die Weisheit ablehnen und sich nur darüber lustig machen. Das war schon immer so. Deshalb wird die Weisheit immer wieder bekämpft und zum Schweigen gebracht. Man lässt sie verstauben, überlässt sie den Professoren, die leider auch nicht besonders viel damit anfangen können. Am meisten bringt die Weisheit denen, die im täglichen Leben drin stehen, die zur Schule gehen oder arbeiten, die Familie haben oder auch nicht. Das spielt keine so große Rolle. Aber vielen Professoren geht es nur darum, dass sie die Weisheit auseinandernehmen können und kluge Bücher darüber schreiben und damit versuchen, sich einen bekannten Namen zu machen.
Weißt Du, Andy, manchmal könnte man schon richtig spöttisch werden. Da sieht man, was sich in der Welt für Probleme ergeben, wie viel Streit, Süchte, Diebstahl, Angst, Machtgehabe, und so weiter es da gibt. Und man sieht all die Weisheit, die jeder haben könnte, der sie nur haben wollte, die aber verspottet wird. Da könnte man manchmal echt drüber lachen, was sich manche Leute für unnötige Probleme machen, die schon lange gelöst wurden, aber immer und immer wieder noch einmal wiederholt werden müssen. Ich glaube, dass irgendwann die Weisheit auch am Ende sein wird, weil niemand darauf hört, und dann wird es echt schlimm werden. Da möchte ich dann nicht auf der Erde leben müssen.
Ich glaube dann werden die Menschen zu Gott schreien und es wird irgendwann zu spät sein. Noch ist die Zeit der Gnade, noch ist Gott jederzeit ansprechbar. Noch ist es so, dass jeder, der zu Gott ruft und seine Sünde zugibt und einen echten Neuanfang mit Gott will, das haben kann. Aber Gottes Geduld wird auch eines Tages zu Ende sein. Die vielen Menschen, die für ihren Glauben an Gott verfolgt und getötet wurden, sind noch nicht gerächt. Aber eines Tages werden sie das. Und dann wird es für viele zu spät sein. Sie wollten nicht auf die Weisheit hören, als dazu noch Zeit war – und dann wird es zu spät sein.
Lieber Andy, mach ganze Sache mit Gott und bete für die Menschen, die das auch noch nicht gemacht haben.

Liebe Grüße
Dein K. S. 

Dienstag, 11. Oktober 2016

Weltgeschichte - biblisch betrachtet

Nach dem biblischen Verständnis ist die Weltgeschichte die Geschichte von Gottes Handeln in der Welt. Für den Christen ist Jesus Christus – Sein Leiden und Sterben am Kreuz von Golgatha und Seine Auferstehung – das Zentrum der Geschichte. Deshalb ist die Geschichte nicht ein ständiger Fortschritt, je mehr die Vernunft vom Glauben getrennt wird. Vielmehr ist diese Trennung ein Rückschritt, denn sie führt vom Mittelpunkt der Geschichte weg. Wenn Jesus Christus die Mitte der Geschichte ist, dann kann nur dann von einem Fortschritt gesprochen werden, wenn immer mehr Menschen vom Herrn Jesus hören und beginnen, ihr Leben der Herrschaft Jesu unterzuordnen. Weltgeschichte ist deshalb die Geschichte, die auf ihr Zentrum hinläuft und von ihm herkommend darauf zeigt.
Ich möchte deshalb einige Linien der frühen Weltgeschichte verfolgen und zeigen, wie sie alle zusammen auf den einen Mittelpunkt, Jesus Christus, hingelaufen sind. Jede dieser Linien hat die Bühne unserer Welt dafür vorbereitet, dass das größte Spektakel der Weltgeschichte stattfinden konnte.
 

Dienstag, 4. Oktober 2016

Christenheit am Scheideweg

Ich bin mir bewusst, dass der Titel etwas großspurig klingt. Möglicherweise ist er auch zu großspurig. Ich halte mir damit die Option offen, eines Tages sagen zu können: OK, da hab ich übertrieben, aber zumindest habe ich versucht, ein notwendiges Korrektiv in die Diskussion einzubringen. Manchmal ist Übertreibung ein Hilfsmittel, das uns zusammen mit der Vereinfachung komplexe Zusammenhänge besser sehen lässt.

Bevor ich fragen möchte, wo wir als westliche Gesellschaft insgesamt stehen, möchte ich innehalten und fragen, wo ich stehe. Ich bin ein Nachpostmoderner. In der Postmoderne bin ich aufgewachsen und dann ist sie gestorben. Für mich und eine große Mehrheit der Gesellschaft. Wir stehen jetzt in der Nachpostmoderne. Eine Seifenblase ist geplatzt und hat ein ganzes Weltbild mit in den Abgrund gerissen.

Moment mal, werden jetzt manche einwerfen, die Postmoderne hat sich gerade durch die Kritik des Weltbildismus ausgezeichnet! Das stimmt, aber nur bedingt. Nicht nur in der Kritik bestehender Weltbilder, sondern auch in weiteren Aspekten hat sie wiederum neue Weltbilder geschaffen. Sie hat nicht nur Ideologien kritisiert, sondern mit dieser Kritik im Grunde neue Ideologien hergestellt. Auch das war ein Grund, weshalb sie total gescheitert ist. Sie hat sich selbst widerlegt. Sie ist von ihren Kindern gefressen worden. Sie hat – philosophisch gesprochen – Suizid begangen, indem sie sich Stück für Stück aufgefressen und von innen nach außen gestülpt hat.

Für manche Denker muss ich spätestens jetzt noch eine Frage beantworten: Gab oder gibt es tatsächlich so etwas wie die Postmoderne? Oder ist die Postmoderne einfach eine extreme Ausprägung der Spätmoderne? In der Tat gibt es für beide Sichtweisen gute Argumente. Grundsätzlich stellt sich da die Frage, ab welchem Moment der Veränderung es berechtigt ist, einen neuen Begriff einzuführen. Man könnte auch problemlos dafür plädieren, dass es nie eine Aufklärung gegeben habe, sondern diese lediglich ein Ausdruck des Spätmittelalters gewesen sei. Insofern ist jeder neue Begriff, der eine Zeit bezeichnet, eine künstliche (aber oft hilfreiche) Unterscheidung. Wir könnten uns heute spätspätspätmittelalterlich nennen. Die Frage ist nur: Was bringt das? Postmodernismus ist in dem Sinne aber auch keine eigene Epoche; den Begriff der Epoche sollten wir etwas weniger inflationär gebrauchen. Die Postmoderne war ein kurzes Interludium; eine Sackgasse, aus der wir nun wieder herausfinden müssen.

Verzweiflung hat zur Postmoderne geführt und Verzweiflung ist, was bleibt, da sie nun von uns geschieden ist. Sie hat versucht, ein Korrektiv zum weit ausgeschwungenen Pendel der Moderne zu sein, indem sie nicht nur gebremst hat, sondern das Pendel zerstören wollte. Der Optimismus der Moderne, die Allmacht des Menschen hat in zwei unvorstellbar schrecklichen Weltkriegen tödliche Kernexplosionen abbekommen. Die Moderne hat den Menschen mit seiner Vernunft und deren sichtbarem Ausdruck in Sprache, Schrift und der ganzen Kultur vergötzt. Wohin diese Vergötzung geführt hat, ist in einer großen Menge des Leids in dieser Welt sichtbar geworden. Anstatt die Kultur in gute Bahnen zu führen, war die Verzweiflung zu groß und hat in der Postmoderne versucht, die Kultur zu überwinden. Alle Errungenschaften der Kultur wurden unter Generalverdacht gestellt und konstruktivistisch zerstört.

Damit wären wir beim Herzstück des postmodernen Weltbilds angelangt. Alles, was in der Moderne wichtig oder wertvoll war, durfte nur dem einen Zweck gedient haben, um die Mächtigen an der Macht zu halten. Die Sprache muss von Grund auf verdächtigt werden, denn sie sei ja schließlich von einer patriarchalischen Gesellschaft entwickelt und raffiniert angepasst worden. Das geschichtliche Denken muss unter Verdacht gestellt werden, weil Geschichte immer aus der Sicht der Siegermächte interpretiert werde. Die Logik und Vernunft haben zu Massenvernichtungswaffen geführt, weshalb sie suspekt sind. Was bleibt, ist eine romantische Innerlichkeit, eine relativistische Haltung gegenüber allen Absoluten außer dem Relativismus selbst. Vergessen ist plötzlich, wie nicht nur die Vernunft zum „Dritten Reich“ geführt hat, sondern in erster Linie eine solche romantische Innerlichkeit, die sich mit den Begriffen des Volks und der Rasse aufgeladen haben. Hitler war ein Mensch, der von Gedanken der Romantik geformt war und zudem das Unglück hatte, in einer Zeit und Gesellschaft zu leben, in welcher die Vernichtungswaffen so weit entwickelt waren. Dabei darf jedoch die Romantik keinesfalls abgewertet werden. Sie hat in vielen Aspekten zu einer geistigen und auch geistlichen Befruchtung der Gesellschaft geführt. In der affirmativ-kritischen Auseinandersetzung mit der Romantik lässt sich eine Menge für unsere Zeit lernen. Doch Geschichtsvergessenheit im Zusammenspiel mit neuen Absoluta wie des ethischen Relativismus und einer falsch verstandenen Toleranz ergeben eine explosive Mischung.

Und genau hier setzt die wichtigste Frage unserer Zeit an: Wohin schreitet der Westen nach dem Tod des Postmodernismus? Wir leben in dieser spannenden Zeit, in welcher neue Weichen gestellt werden. Es ist eine Zeit der Verzweiflung und Verwirrung, in welcher der Durcheinanderbringer viel Macht hat, es sei denn, das Christentum wird sich wieder bewusst, dass es eine Gegenkultur zu dieser Verzweiflung und Verwirrung sein soll. Ebenso klar ist aber auch, dass die Welt keine Antworten auf diese verwirrende und Verzweiflung fördernde Zeit finden wird, bis sie diese vom Christentum bekommt und dadurch verändert wird. Das ist möglich, denn es gab diese Zeiten auch schon mehrfach. Diese nennt man auch Erweckungen.

Das Gefährliche an unserer Zeit ist, dass viele Christen hoffen, dass die Welt ihnen die Antworten geben kann. Man schaut mit Hoffnung auf die Wahlen und Parteien und sucht so, Einfluss zu nehmen. Zugegeben: Es gab schon vereinzelt Zeiten, in welchen das eine gute Möglichkeit war. In unserer Zeit sind sich jedoch nicht einmal die Personen innerhalb einer Partei einig, worin das Problem besteht und wie es gelöst werden kann. Noch nicht einmal in groben Zügen. Geschweige denn, dass sie das Problem richtig erkennen.

Wir haben gesehen, dass wir in einer explosiven Zeit leben. Inzwischen hat die Industrie die Massenvernichtungswaffen weiter verfeinert, ausgebaut und aufgerüstet. Es herrscht Verzweiflung und Verwirrung. Geschichtsvergessenheit vermischt sich mit einem romantischen Verständnis einer verabsolutierten Toleranz und ethischem Relativismus. In gewisser Weise ähnelt unsere Zeit den Jahren nach der französischen Revolution. Damals war die Monarchie abgeschafft und eine Art Anarchie herrschte, also der Stärkere gewinnt. In unserer Zeit ist es auf geistiger Ebene ähnlich. Die Monarchie der Sprache und des Verstandes ist abgelöst, es herrscht die Anarchie des Relativismus. Der Stärkere gewinnt – wobei das gewissermaßen umgekehrt ist. Jetzt gewinnt der Schwächere, wenn er mehr Diskriminierungen vorweisen kann, wodurch er dann wiederum paradoxerweise zum Stärkeren wird.

In dieser Zeit kann uns nur noch Gott allein vor der entfesselten Gewalt bewahren. Wie im Zuge der Nachwehen der französischen Revolution werden Stimmen nach einer starken Führung laut. Auch in der Weimarer Republik war es lange Zeit geradezu spürbar, dass da ein Brausen und Umsturz der Lage kommen musste. Was heute mehr denn je nötig ist, sind Christen, die zusammenstehen, beten und eine Gegenkultur der Hoffnung und Ermutigung in dieser Zeit der Verzweiflung und Verwirrung bilden. Die Rettung wird nicht von der Politik kommen (und da bin ich wohl der Letzte, der die Politik als unwichtig abtun würde). Es ist wichtig, dass Christen sich an der Politik beteiligen, aber dadurch wird keine Rettung kommen. Die Rettung wird auch nicht durch Murren über die momentane Situation kommen, auch nicht durch Anpassung an die Welt, sondern einzig und allein durch Gottes gnädiges Eingreifen – oder gar nicht.

Ich glaube an Gottes Eingreifen und möchte zum Schluss noch ganz kurz ein paar Schritte auf einem gangbaren Weg dorthin beschreiben. Ich möchte die Herangehensweise dazu „gesunden kritischen Realismus“ nennen. Realismus bedeutet, dass es „da draußen“, also außerhalb von uns, eine tatsächliche Realität gibt, die man adäquat wahrnehmen kann. Kritisch deshalb, weil wir nicht davor gefeit sind, Irrtümern auf den Leim zu gehen und auch weil wir nicht alles, was in der Realität vorhanden ist, mit unseren fünf Sinnen wahrnehmen können. Das erklärt auch den Begriff „gesund“, weil dieser kritische Realismus die Möglichkeit der unsichtbaren Welt und von tatsächlichen, echten Wundern mit einschließt.

Ein solcher gesunder kritischer Realismus ist deshalb der „dritte Weg“, den es nebst dem reinen Materialismus und einem subjektiven Idealismus gibt. Dieser dritte Weg geht von davon aus, dass die Bibel tatsächlich Gottes Wort ist und deshalb über dem Menschen und seiner Erfahrung steht. Sie ist somit der Referenzpunkt, an dem sich alles Wissen, Erkennen und Handeln objektiv ausrichten kann. Das bedeutet aber auch, dass Christen der Bibel und dem Gott der Bibel vertrauen dürfen und mit dem Selbstverständnis dieses Vertrauens in die Welt hinausblicken. Wichtig ist dabei, dass wir wieder viel Wert auf die gesunde Lehre, auf Apologetik und ein erneuertes bibeltreues Denken und Philosophieren legen. Der evangelikale Anti-Intellektualismus hat viele Probleme verursacht. Ebenso der Versuch, unterschiedliche inhaltliche Positionen durch den Wortlaut offizieller Dokumente zu „versöhnen“, indem Unterschiede so lange sprachlich mit der Dampfwalze geplättet werden, bis sich alle Parteien verstanden fühlen können.

So dürfen wir mit Mut und einem festen Standpunkt als Christen in die Welt schauen, gehen und sprechen. Wir haben eine prophetische Aufgabe – was immer kommen mag. Wir dürfen Gott um ein Eingreifen bitten. Wir dürfen die absolute Wahrheit, Fehlerlosigkeit und Autorität von Gottes Wort festhalten und als Referenzpunkt für die Beurteilung der Welt gebrauchen. Wir dürfen die Hoffnung weitergeben, dass dieses Leben auf der Erde nicht alles ist, sondern dass der Herr Jesus als gerechter Richter wiederkommen wird und es nach diesem für alle, die Ihm nachfolgen, ewige Gemeinschaft in der Herrlichkeit Gottes gibt. Gerade deshalb ist es für jeden einzelnen Menschen wichtig, diese Botschaft von Jesus Christus in diesem Leben auf der Erde zu hören und darauf zu reagieren, denn danach wird es für alle Ewigkeit zu spät sein.

Und dann brauchen wir ganz dringend christliche Bildung. Kindergärten, Schulen, Gymnasien, Universitäten. Wir dürfen dieses Feld niemals den Vertretern der atheistischen Ideologie überlassen. Unsere Kinder sind unsere Zukunft. In Jesus sind alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen, und ohne Ihn kann diese niemand bergen. Wahre Erkenntnis kann nur von Ihm ausgehen. Dafür wollen wir kämpfen. Bis zum letzten Atemzug. Nancy Pearcey hat dazu geschrieben:

Wir müssen sichergehen, dass, wenn unsere Kinder das Haus verlassen, dieselbe Überzeugung tief in ihr Gedächtnis eingebrannt ist – dass das Christentum fähig ist, wenn es auf dem Marktplatz der Ideen herausgefordert ist, in sich zu verhalten. Es reicht nicht, junge Gläubige einfach zu lehren, wie man eine persönliche „Stille Zeit“ hält, wie man ein Bibellernprogramm befolgt und wie man mit einer christlichen Gruppe auf dem Campus Verbindung aufnimmt. Wir müssen sie auch darin anleiten, wie man auf intellektuelle Herausforderungen antwortet, die ihnen im Schulzimmer begegnen werden. Bevor die das Haus verlassen, sollten sie mit all den „-ismen“ wohlbekannt sein, vom Marxismus zum Darwinismus bis zum Postmodernismus. Es ist am besten für junge Gläubige, wenn sie von diesen Ideen zuerst von den vertrauten Eltern, Pastoren oder Jugendleitern hören, welche sie in den Strategien trainieren können, um die konkurrierenden Ideologien analysieren zu können.“ (Pearcey, Nancy, Total Truth, S. 125, Übersetzung von mir)