Was
passiert, wenn eine Weltanschauung zurückschlägt, kann momentan in
der Politik international sehr schön beobachtet werden. Man könnte
es „Karma“ nennen: Jedes Land bekommt, was es verdient. Ich
möchte es nicht so nennen, denn das wäre zynisch. Erstens bin ich
kein Hinduist, auch kein verkappter (das wäre ein Buddhist),
zweitens glaube ich an die Gnade des persönlichen biblischen Gottes,
und drittens möchte ich mir nicht vorstellen, wie Karma in echt
aussehen würde. Das wäre nämlich um ein Vielfaches schlimmer als
alles, was unsere Erde bisher schon (zusammen genommen) mitansehen
durfte. Man könnte es auch „natürliche Auslese“ nennen: Der
Stärkere überlebt. Und manchmal ist das nicht so schön. Besonders
dann, wenn menschliche Gedanken in die Tat umgesetzt werden. Wie zum
Beispiel jetzt.
Seit
einigen Jahren ist dieser Trend in der westlichen Welt zu beobachten.
Der moralische Relativismus greift um sich; er verlangt nach
praktischer Umsetzung. Wenn irgend eine Handlung in dieser Welt
moralisch relativ wäre, wenn sie also „neutral“ wäre und nur
von der jeweiligen umgebenden Kultur abhängig, dann würde sie
nichts bewirken. Solange eine Tat (oder ein Wort) etwas bewirkt oder
bewirken soll, ist sie (oder es) nicht relativ; und somit nicht
neutral. Leider hat sich aber ein Denken, besser gesagt eine
Weltanschauung, in unsere westliche Welt eingeschlichen, das uns
genau dieses weismachen will: Dass Gedanken, Worte und Handlungen nur
in Bezug auf ihre Umgebung, ihre Kultur oder Subkultur moralisch
beurteilt werden können. Das hat natürlich eine ganze Geschichte
hinter sich und ist in gewisser Weise verständlich.
Lange
Zeit hat der Mensch gedacht, dass es möglich sei, durch die
Wissenschaften und Entdeckungen, Erfindungen, Forschungen, und so
weiter, eine erlöste Welt zu erschaffen. Man glaubte an die autonome
Vernunft, der dies alles möglich sein soll. Diese autonome Vernunft,
die so autonom in Wahrheit gar nicht war, führte letzten Endes zur
Erfindung von Massenvernichtungswaffen und zwei Weltkriegen; sie hat
bereits in der französischen Revolution ein unvorstellbares Blutbad
angerichtet; sie hat zu verschiedenen roten und braunen Sozialismen
geführt, die im Grunde genommen dieses Weltbild der autonomen
Vernunft ad absurdum geführt haben. Und dann stand man da und
staunte: Was könnte es denn sonst noch sein, was uns das Heil
bringen könnte? Die Jahrhunderte alten Glaubenssysteme hielt man für
völlig veraltet; sonst hätte man ja den Mythos von der
kontinuierlichen Weiterentwicklung aufgeben müssen.
Der
nächste Schritt bestand darin, alles zu bezweifeln und abzuschaffen,
was irgend etwas mit diesem „modernen“ (also
vernunftverherrlichenden) Denken zu tun hat. Leider wurde dabei das
Kind mit dem Bade ausgeschüttet und alles in Zweifel gezogen. Nun
war es das Gefühl, das Innerliche, das Selbst, was zählte. Der
„starke Mann“, der „einsame Cowboy“ und der eigenständig
denkende Wissenschaftler gehörten nun zu den geliebten Feindbildern.
Neue Wissenschaftszweige blühten auf, die die Ergebnisse der
bisherigen Wissenschaften hinterfragten. Alles sei relativ. Alles
dürfe nur in Bezug auf die jeweils sprechende oder schreibende
Kultur hin verstanden und gedeutet werden. Sprache würde nur aus
Sprachspielen bestehen. Was bisher selbstverständlich war, wurde nun
als Versuch gedeutet, die Mächtigen an der Macht zu halten. Nicht
immer hatte man damit unrecht. Aber man kann auch hier über das Ziel
hinausschießen.
Immer
mehr bildete sich eine (nicht nur, aber zu großen Teilen)
universitäre Elite, die im Namen der Toleranz versuchte,
Sprechverbote und zusätzliche Gesetze im Namen einer politischen
Korrektheit zu erwirken. Auf das einfache Volk, den Fabrikarbeiter,
den Farmer, den Konditor und den Blumenhändler kamen plötzlich
Gesetze zu, die ihre Existenz zu vernichten bedrohten, wenn sie dabei
erwischt wurden, diese neuen Gesetze nicht ernst zu nehmen.
Unsicherheit breitete sich aus – denn wer konnte sicher sein, dass
nicht im Laufe eines Tages etwas Neues als politisch inkorrekt
erkannt wurde? So begann sich eine unglaubliche Wut anzustauen.
Angst, Wut, Unsicherheit. Diese Zutaten führen häufig zu einer
Krise der Gesellschaft. Wenn sich die Menschen nicht mehr ernst
genommen fühlen, sondern im Gegenteil das Gefühl bekommen, dass sie
der politischen Elite nicht mehr hinterherkomme, so staut sich über
die Jahre eine explosive Mischung auf, die nur noch einen Funken
benötigt, um in die Luft zu gehen.
Es
gab eine Zeit, in welcher noch Charakter gefragt war. Die
Weltanschauung der Postmoderne hat das Image in den Vordergrund
gerückt. Hier werden mir wohl einige Leser widersprechen wollen, die
meinen, dass Authentizität wichtiger sei als das Image. Das ist nur
bedingt wahr – denn Authentizität und Charakter ist nicht
dasselbe. Waren lange Zeit die großen Helden und Vorbilder wichtig
(der „starke Mann“, der einsame Cowboy und der eigenständige
Wissenschaftler), so wurden diese zu Antihelden erklärt. Dennoch
kann der postmoderne Mensch nicht ohne Vorbild leben. Er sucht die
Identität zwar in sich selbst, um sich selbst zu dem zu machen, was
er sein will – gleicht sich aber trotzdem ständig mit seiner
Umgebung ab. Daraus folgt eine starke Bindung an das soziale Umfeld –
die Subkultur und darin die Peergroup, wobei ein starker Druck zur
Konformität innerhalb der Peergroup entsteht. Um dazu zu gehören,
ist das Image wichtig – also wie man nach außen erscheint.
Authentizität wird nur innerhalb der jeweiligen Vorgaben der
Peergroup gesucht. Charakter hingegen ist das, was auch dann
vorhanden ist, wenn keiner zuschaut.
In
dieser Zeit wird der Charakter immer unwichtiger – nicht
grundsätzlich, sondern für den Menschen, der die postmoderne
Ideologie absorbiert hat. Dazu muss man nichts von Michel Foucault,
Jacques Derrida oder Richard Rorty gehört oder gelesen haben. Diese
Ideologie wird in tausenden von Spielfilmen und abertausenden von
Romanen in unser Denken transportiert. Da wird es plötzlich nicht
mehr so wichtig, wie sich jemand verhält, weil Charakter zweitrangig
ist. Im Business gilt: Alle PR ist gute PR, deswegen sind schrille,
auffällige Leute beliebter. Wer auffällt, verkauft sich gut.
Inhalte sind erstmal nicht so wichtig. Warum auch? Alles ist
schließlich relativ. Und hier – wenn Fakten plötzlich relativ
sind und „alternativ“ sein können, schließt sich der Kreis. Der
Postmodernismus hat ein Monstrum geschaffen, mit dem er sich selbst
abschafft. Das Kind frisst seine Eltern auf. Hier sind wir wieder
beim Schicksal von Ideologien. Unbiblische Ideologien werden sich
immer selbst auffressen. Sie sind dazu verdammt, weil sie nicht der
Realität entsprechen – und irgendwann schlägt die Realität
zurück und hinterlässt nicht selten scharlachrote Spuren des
Lebenssafts. Man ist an Friedrich Dürrenmatts „Die Physiker“
sowie Max Frischs „Biedermann und die Brandstifter erinnert. Oder
an Goethes Zauberlehrling. „Die Geister, die ich rief, werd' ich
nun nicht mehr los!“
Diese
Gedanken treiben mich ins Gebet. Gott möchte, dass wir für alle
beten, die in der Verantwortung stehen. Für den amerikanischen
Präsidenten. Für die deutsche Bundesregierung. Für die kommenden
Bundestagswahlen. Gegen Fake-News und „alternative Fakten“. Und
für eine Erweckung. Für die vielen Menschen, die unter den
Entscheidungen zu leiden haben werden. Für die vielen, die
enttäuscht werden, wenn sie aufwachen und merken: Mensch, da hab ich
was gewählt, was ich nicht wirklich will! Dafür, dass diese
Menschen erkennen, dass alle Ideologien in die Irre führen, aber die
Bibel und ihre ganze Botschaft die Wahrheit ist und sie den
stellvertretenden Sühnetod und die Auferstehung Jesu nötig haben.