Ein
kompliziertes Leben, ganz authentisch, ganz menschlich wie du und
ich, ein Leben mit Schmerzen, Krankheit und allem, was dazugehört.
Ihr Wunsch und Ziel: Nur noch kurz die Welt retten.
Wenn
der Zweck das Mittel heiligt
2013 wurde die australische Bloggerin über Nacht berühmt, weil sie
behauptete, sie habe sich selbst von einem Hirntumor und einer ganzen
Liste anderen unheilbaren Krebsarten geheilt – und zwar mit einer
Diät und alternativen Heilmethoden. Sie wollte andere dazu bringen,
etwa darauf zu achten, glutenfreie Nahrungsmittel zu kaufen und auf
andere Dinge wie Koffein zu verzichten.
Mit
einer Smartphone-App und einem dazugehörigen Kochbuch konnte sie ein
ganzes Wellness-Imperium aufbauen. Sie behauptete mehrmals, dass sie
300'000$ für einen gemeinnützigen Zweck gespendet habe (das Geld
kam jedoch bei den genannten Organisationen nie an).
Einige
Leute haben sich an ihre Tipps gehalten, um ihre eigenen
Krebserkrankungen zu bekämpfen. Sie ließen sich nicht bestrahlen,
sondern machten die Diät nach Gibson und dazu ihre alternativen
Heilmethoden. Im Februar diesen Jahres erlag eine Patientin ihrer
Krankheit, weil sie sich der üblichen Krebsbekämpfung verweigerte
und sich stattdessen an Gibsons Empfehlungen hielt.
Nach
einigem Hin und Her, zahlreichen gelöschten Blogposts und manchem
Hickhack mehr stellte sich nun heraus: Belle Gibson war niemals an Krebs
erkrankt, noch hatte sie eine Ahnung, was Krebs bewirkt. Aber sie
hatte es ja nur gut gemeint, sie war so voller Leidenschaft für die
gesunde Ernährung. Sie war so sehr von ihrem guten Ziel überzeugt,
dass sie das Erfinden einer falschen Geschichte für gerechtfertigt
sah.
Ein
Shitstorm, für den ich dankbar bin
Was
sich darauf ereignete, ist schnell gesagt: Es gab in den sozialen
Medien einen recht großen Shitstorm. So bezeichnet man ein Sturm der
Entrüstung, der online und sehr unberechenbar über jemanden oder
etwas heraufzieht. Solche Shitstorms sind etwas Zwiespältiges, denn
die User, die mitmachen, schaukeln sich gegenseitig hoch und sehr
häufig ist da viel Hass zu spüren. Auch ist der Shitstorm eine neue
Art der Selbstjustiz, die eine Person vor ihrer tatsächlichen
Verurteilung schon wirtschaftlich und sozial ruinieren kann.
Aber
was sagt uns dieser Shitstorm im Fall von Belle Gibson? Wir haben es
mit einer Generation zu tun, der die Wahrheit wichtig ist. Die junge
Generation ist nicht einfach gleichgültig der Wahrheit gegenüber.
Sie will sich nicht verarschen lassen nach dem Motto „Wahrheit ist
immer subjektiv“. Und weil ich diese neue Suche nach der Wahrheit
schon länger feststellen kann, bin ich auch diesmal wieder dankbar
für die Erinnerung daran.
Was
lerne ich als Evangelikaler daraus?
Zum
Schluss möchte ich noch etwas mitnehmen für mich als einfacher,
evangelikaler Christ. Als erste Überschrift habe ich das Schlagwort
gewählt „Wenn der Zweck das Mittel heiligt“. Belle Gibson hatte
ein Anliegen, und zwar eines, das ich in Grundzügen gut finde. Sie
setzt sich dafür ein, dass Menschen lernen, sich gesünder zu
ernähren. Dabei lehne ich einige Inhalte ihrer Lehre ab, etwa ihre
Glutenophobie und Laktosephobie oder auch die ayurvedischen
Praktiken, die aus der traditionellen hinduistischen „Medizin“
stammen. Aber grundsätzlich finde ich es gut, dass sie sich für ihr
Anliegen, nämlich die gesunde Ernährung, einsetzt.
Ihr
Problem ist jetzt, dass für sie bei so einem guten Zweck die
historische Wahrheit plötzlich zur Nebensache wird. Ihr
Sendungsbewusstsein erlaubt ihr plötzlich, Geschichten zu erfinden,
die die Menschen bewegen. Und hier sehe ich eine Parallele zu einem
Phänomen, das ich im Evangelikalismus schon häufig beobachtet habe.
Es gibt eine ganze Reihe von Geschichten, die gerne erzählt und per
Mail verschickt oder auf Facebook gepostet werden, die historisch
gesehen nicht nachweisbar sind. Es sind viele frei erfundene
Geschichten, meist tragen sie am Ende „Autor unbekannt“. Wo
„Autor unbekannt“ steht, bin ich immer sofort skeptisch. Warum
soll ich eine Geschichte lesen, die historisch nicht verifizierbar
ist? Besonders beliebt sind etwa „Geschichten“ von John Wesley.
Ich kann mir kaum etwas vorstellen, was ihm nicht hätte passiert sein
sollen.
Ich
lese gerne gute Romane. Etwa von George Orwell „1984“ und andere.
Dort steht vorne drauf nicht nur der Autor, sondern noch ein weiteres
Wort, nämlich „Roman“. Dann weiß ich: Das Buch ist frei
erfunden. Es erhebt nicht den Anspruch, wahr zu sein. Wo das aber
nicht drauf steht, sondern von realen Menschen erzählt, sollte man
davon ausgehen können, dass die Sache stimmt und sich deshalb auch
nachprüfen lässt. Doch häufig sind es solche Romane, die nicht als
Romane gekennzeichnet werden, die uns da wieder und wieder vorgesetzt
werden.
Mir
tut da die junge Generation leid. Sie sucht die Wahrheit, will wissen
und verstehen können, was tatsächlich passiert ist. Die Bibel ist
historisch wahr, nicht nur auf irgendeine „geistlich-mystische“
Art. Sie lässt sich nachprüfen und verstehen. Leider werden unserer
neuen Generation heutzutage häufig mehr Romane und
Belle-Gibson-Märchen aufgetischt als die eine, reine, historisch
verifizierbare Wahrheit der Bibel.