Der dritte und letzte
Hauptteil des Buches beinhaltet vier persönliche Geschichten, die
sich um Glaubenskrisen drehen.
Brad Cecil - „Ich
sagte dir, wir waren nicht verrückt!“
Den Anfangspunkt seiner
Glaubenskrise sieht Brad Cecil in den Worten seines Professors im
theologischen Seminar: „Man könnte es so interpretieren, aber
es wäre falsch.“ (S. 166) Ihm wurde klar, dass man, um diesem
Professor zustimmen zu können, von den gleichen Voraussetzungen
ausgehen muss. Dies begann Cecil, der sich bis damals als
„evangelical of the fundamentalist persuasion“ mit „[...]
evidentiary apologetics, fundamentalism, literalism,
dispensationalism, conservative theology, and evangelical
eschatology“ (S. 167) bezeichnete, herauszufordern. Auf der
Reise, die damit begann, wurde er zu einem Vertreter des
Postmodernismus.
Auf seiner Suche kam er
von Ludwig Wittgenstein über Jacques Derrida zu Richard Rorty. Da es
in seiner Gemeinde damals (1995) zu wenig junge Erwachsene gab,
begann er mit einer neuen Art von Gottesdiensten, die hauptsächlich
auf „sharing life with people“ (S. 172) baute. Dies baute
auf einem neuen Konzept von Wahrheit auf: „The new understanding
of truth means that you cannot obtain truth if you aren't
participating in community. A new concept of truth has emerged:
community equals truth.“ (S. 175)
Hierzu gäbe es eine
Menge zu sagen. Ich spare mir das Meiste für einen späteren Post,
nur ein kurzer Gedanke dazu: Die Emerging Church hat die Wichtigkeit
der Gemeinschaft nicht für sich gepachtet. Schon lange davor, mitten
im Zeitalter der Moderne, gab es diese Gemeinschaft. Man erinnere
sich zum Beispiel nur an L'Abri und Francis und Edith Schaeffer.
Jay Bakker –
Schockierende, unerwartete Gnade
Bakker war der Sohn der
ehemaligen Televangelisten Jim und Tammy Bakker, die auf dem Sender
CBN ihre Show „PTL“ (Praise The Lord) hatten. Als Jay 11 Jahre
alt waren, kam so einiges über seine Eltern ans Tageslicht – der
Vater kam ins Gefängnis und die Mutter ließ sich einige Jahre
später scheiden.
Jay Bakker erlebte Gott
in seiner Kindheit vor allem als Auge. Gott sieht alles, und wir
müssen immer bereit sein, wenn Jesus wiederkommt. Durch den Skandal
mit seinen Eltern verlor Bakker seine gesamte Identität –
plötzlich wollte niemand mehr etwas mit ihm zu tun haben. Er
übernahm eine Stelle in der Jugendarbeit, und doch hatte er die
ganze Zeit Angst davor, einen Fehler zu machen.
Die Worte, die sein Leben
veränderten, waren: „Even if you're out here smoking
cigarettes, God still loves you!“ (S. 186) Er begann, die Bibel
für sich selbst zu lesen und sie sich selbst zuzusagen. Und hier
liegt ein großes „Geheimnis“. Wir alle brauchen unser ganzes
Leben lang, uns selbst immer wieder die Bibel zuzusprechen. Wir haben
die Aufgabe, uns selbst das Evangelium zu predigen. Der Glaube kommt
aus der Predigt, die Predigt aus Gottes Wort.
Deshalb nennt Bakker sein
Kapitel auch „Schockierende, unerwartete Gnade“ und ich denke,
dass es insgesamt ein gutes, wertvolles Kapitel ist. Ich bin der
Meinung, dass er mit manchen Sätzen auf der anderen Seite vom Pferd
fällt, aber es ist einiges echt gut, sodass wir davon ruhig lernen
dürfen. Alles prüfen und das Gute behalten ist in unserer Zeit ganz
besonders wichtig. Zu oft wird alles ungeprüft angenommen oder alles
ungeprüft verworfen.
George R. Baum – Aus
dem Wasser auftauchend
Baum wuchs in einer
lutheranischen Gemeinde auf – und war immer wieder erstaunt, wie
oft man ihm dort sagte: „Erinnere dich an deine Taufe!“, denn
diese fand in einem Alter statt, an das man sich ja keinesfalls
erinnern konnte. Christsein hatte für ihn vor allem mit Regeln zu
tun: „It seemed to me that what folks really wanted to see in my
relationship with God was good behaviour. Doing the right thing
didn't seem to be related to any earthly rewards (other than the
obvious ability to sit down comfortably), but I was struck deep with
the notion that God wanted me to behave.“ (S. 194)
Baum kommt immer wieder
auf den „Sack O' Faith“ zu sprechen. Mit diesem „Sack des
Glaubens“ meint er die Gesamtheit dessen, was er zu glauben gelehrt
hat. Der Rucksack, in dem sein Glaube aufbewahrt wird, könnte man
sagen. Er wollte allerdings nicht wissen, was in diesem Rucksack drin
ist – denn es machte ihm Angst.
Doch es kam, wie es
kommen musste: Als sein Bruder an AIDS erkrankte, geriet er in eine
Krise, in der er sich bewusst wurde, was in seinem „Sack O'Faith“
war: „As I looked in my bag of religious phrases and
philosophies I came up empty.“ (S. 196) Baum wurde sich
bewusst, dass er sich in einem Zustand befand, den die Bibel mit
„geistlich tot“ beschreibt. Durch das Lesen von Lazarus, der von
den Toten auferweckt wurde, fasste er Hoffnung und kam zum Glauben:
„It was the story of Lazarus to which I clung, for many reasons.
First and foremost, Lazarus didn't bring himself out of the grave.
Nobody blamed him for being dead, though they did sort of blame
Jesus, I suppose. But all Lazarus did was die and then come out when
Jesus called.“ (S. 200)
So bekam das Totsein und
Auftauchen aus dem Wasser in der Taufe für ihn eine ganz neue und
echt lebendige Bedeutung, wie Paulus dies in Römer 6, 3 – 6
beschreibt. Erinnere dich an deine Taufe!
Parush R. Parushev –
Glaube, der zählt, in der Kultur von Gespenstern
In Bulgarien kurz nach
dem 2. Weltkrieg geboren, wuchs Parushev in einer Familie von
fanatischen Kommunisten auf. Er selbst gab sich diesem Glauben an den
Kommunismus auch hin – bis zu dem einen Moment, in welchem er
katholischen Gläubigen aus Polen begegnete. Was ihn beeindruckte,
war, dass sie ein ganz anderes Leben lebten: „This is how, upon
meeting those Polish believers, it occurred to me that something was
wrong with the beliefs of my family. Although two generations before
me were ready to die for their beliefs, Communism wasn't enough to
regenerate the lives of others. In fact, the moral life of the
socialist community I was living in was degenerating every year.“
(S. 208)
Er und seine Frau fanden
den Weg zu den Gemeinschaften der Baptisten und Pfingstler. Dieses
Erlebnis beschreibt er folgendermaßen: „Something new entered
our life. It began with a real conversion experience out of which
came a sense that a new reality, not human-made, was emerging. We
encountered the presence of a Ghost who was real, the Holy Spirit of
God himself. In the world around us – about to fall apart – that
presence was bringing new meaning into our lives, with wholeness,
joy, and fulfilling hope.“ (S. 212)
Sie gingen dann zusammen
in die USA, um dort Theologie zu studieren. Nach dem Studium kamen
sie nach Europa zurück und versuchen, der Kirche hier zu helfen, mit
den Schwierigkeiten einer nachchristlichen Gesellschaft klarzukommen:
„Now in many parts of Europe the church has to learn to be a
minority, witnessing to a culture that is increasingly secularist and
aggressively antireligious.“ (S. 217)
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