Mittwoch, 26. November 2014

Lobpreis in der Praxis - ein Interview

Am Ende der Auseinandersetzung mit der Lobpreiskultur und -leitung möchte ich noch wen aus der Praxis zu Wort kommen lassen. Jenny hat mir schon viele wertvolle Impulse – nicht nur zum Thema Lobpreis – gegeben. Da sie seit vielen Jahren Lobpreis in diversen Formen und Formationen leitet, habe ich ihr einige Fragen gestellt. Vielen Dank, Jenny, dass du dir die Zeit genommen hast, darüber nachzudenken und uns echt hilfreiche Antworten zu geben. 
 


Interviewfragen zum Thema „Lobpreis“:

  1. Erzähle uns doch bitte etwas über dich. Wer bist du? Wie bist du zum Lobpreis gekommen und was machst du zur Zeit damit? 

    Hey, mein Name ist Jenny Link. Ich bin momentan 24 Jahre jung, komme ursprünglich aus dem schönen Schwarzwald und lebe nun seit ca. 5 Jahren in Hildesheim – das ist in Niedersachsen, etwas südlich von Hannover – und studiere Soziale Arbeit im 7. Semester.
    Wie ich zu Lobpreis gekommen bin, ist eigentlich ganz einfach. Ich hab schon in jungen Jahren gerne Musik gemacht und alle möglichen Instrumente ausprobiert – ganz besonders gerne mochte ich (E-)Gitarre. Nachdem ich mich mit etwa 17 Jahren für Jesus entschied, war der Weg zum Lobpreis nicht mehr weit: es folgten die ersten JuGo-Band-Erfahrungen, „worshippen“ im Jugendkreis, etc…
    Seit ich in Hildesheim bin habe ich eine „feste“ Band, mit der ich viel unterwegs bin. Wir spielen in Gemeinden, auf Seminaren, Festen & Events, in Schulen, Kindergärten,... Wir machen Musik mit Kindern, mit Erwachsenen, mit allen, die grade da sind. Darüber hinaus leite ich seit fast 4 Jahren ein Bandprojekt mit Teens aus einer Gemeinde. Verschiedene kleinere Bandprojekte gab es zwischendurch auch immer mal wieder.
    Weite Kreise in meinem Leben zieht außerdem die Kindermusik: In den letzten Jahren habe ich ein selbst geschriebenes Kinder-Weihnachtsmusical zusammen mit dem Verlag cap-Music produziert, welches nun im Handel erhältlich ist (wer mehr dazu wissen möchte: www.diedreivomstall.de).
    Musizieren – zu Gottes Ehre – gehört für mich einfach dazu, es ist sozusagen mein Leben.

  2. Was hörst du zur Zeit besonders gerne (Lieder, Musiker, Bands)? 

    Prinzipiell prägen & inspirieren mich fast ausschließlich Bands & Künstler aus dem englischsprachigen Raum wie z.B. Hillsong, Casting Crowns, Chris Tomlin, Jesus Culture, Kim Walker, Klaus Kuehn, Kari Jobe uvm…
    Besonders angetan hat es mir in letzter Zeit die Worship-Musik der Bethel Church in Redding – bekannte Musiker & Leiter hier sind z.B. Brian & Jenn Johnson, Jeremy Riddle, William Matthews, Steffanie Frizelle,… Die Professionalität und Sicherheit der Musiker ist einfach unglaublich hoch – und natürlich ihre Nähe zu Gott, die sichtbar & spürbar ist! Ich mag außerdem den Musikstil unglaublich gerne. Schlagzeug, fette E-Gitarren und einen breiten Synthesizer-Klangteppich

    Im deutschsprachigen Raum ist v.a. die Outbreakband zu nennen.
    Auch Künstler wie Arne Kopfermann, Lothar Kosse, Albert Frey gehören natürlich dazu – ein Großteil unserer modernen Gemeindelieder entstammt ihrer Feder…!

  3. Was macht für dich ein gutes Lobpreislied aus? 

    Mehrere Aspekte wie z.B.:
    -
    Inhalt:
    Für ein Lobpreislied eignet es sich gut, den Fokus auf eine bestimmte Thematik zu legen. Wenn das Lied zu sehr mit verschiedenen Inhalten (die nicht falsch sind) vollgepackt ist, kommt das Herz oft nicht schnell genug hinterher. Es entsteht möglicherweise Stress oder Druck oder es ist einfach nur schwer, Gott zu begegnen. Eben rein nach dem Motto: Weniger ist mehr.
    -
    Musik:
    Klare, eingängige Melodien und vom Tonumfang so, dass jedermann gut mitsingen kann oder zumindest ganz leicht auch zweite Stimmen gesungen werden können. Die Möglichkeit und Freiheit für Spontanes sollte musikalisch auf jeden Fall vorhanden sein (wenn z.B. schnelle Wechsel stattfinden oder es viele verschiedene Akkordfolgen gibt, kann es in einem spontanen Part schneller zu Unstimmigkeiten kommen).
    -
    Sprache:
    Meist ist die Muttersprache auch die Herzenssprache des Menschen. Von daher plädiere ich (in Deutschland) natürlich für deutsche Lieder. An dieser Stelle Achtung: Nicht jedes tolle, englische Lied kann einfach mal kurz übersetzt werden! Das funktioniert leider oft nicht…
    Unsere Muttersprache ist aber auch nicht „Deutsch von vor 400 Jahren“, sondern das heutige deutsch. Sprich, wir brauchen Lieder in zeitgemäßer deutscher Sprache! 

  4. Wenn du die heutige Lobpreis-Szene betrachtest, was fällt dir besonders auf (positiv und negativ)? Was hat sich in den letzten Jahren verändert? 

    Positiv finde ich auf jeden Fall, dass christliche Künstler und Lobpreisleiter „auf Augenhöhe“ mit weltlichen Künstlern getreten sind und es immer mehr tun. Lange Zeit war moderne Kirchenmusik etwas hinterher – sowohl von der Professionalität als auch vom Zeitgeist. Das neue Album der Outbreakband „Das ist unser Gott“ z.B. kletterte wenige Tage nach Release auf Platz 25 der deutschen ITunes-Charts – Seite an Seite mit den „Bravo-Hits 85“!

Das Spektrum an Musikstilen ist im Lobpreis heutzutage sehr breit, sodass sogar HipHop-Freaks oder Heavy-Metaller „ihrs“ darin finden können.
Die Vernetzung und Zusammenarbeit von Künstlern, Produzenten, Gemeinden wird – auch durch die Möglichkeiten des Internets – immer besser (zu nennen ist an der Stelle das Netzwerk CCLI: www.ccli.de).
Negativ fällt mir auf, dass im Zuge dieser Entwicklung der Konzertcharakter die Lobpreiskultur immer mehr durchdringt. Oft geht es um noch größere Veranstaltungen, noch bessere Technik, noch besseres Licht, noch bessere Musiker,… Die Gefahr ist, dass Jesus, unser Mittelpunkt, an die Seite gedrängt wird, manchmal sogar unabsichtlich und unbemerkt. Außerdem verlieren kleine Veranstaltungen auf lokaler Ebene ihren Wert, weil es niemals die Messlatte der Großveranstaltung erreichen kann. Leute hören auf, in kleineren Kreisen zu musizieren und die Singkultur geht verloren, bzw. beschränkt sich auf das halbjährlich stattfindende Lobpreiskonzert…

  1. Du leitest selbst Lobpreisgruppen. Was sind die großen Herausforderungen, die dir dabei begegnen? 

    Alle Leute aus meiner Band / meinen Bands sind Individuen. Jeder hat seine Meinung, seine Vorstellungen und Wünsche. Dazu kommt die Gemeinde, der Pastor, etc… Eine eigene Meinung gibt’s dann ja auch noch…
    Schon öfter habe ich mich dabei ertappt, wie ich meine Zeit daran verschwendet habe etwas zu erzielen/planen/vorzubereiten, mit dem ich es allen Menschen recht machen kann. Das ist gefährlich. Oft denken wir, dass Gottes Wille ist, jedem Menschen etwas Gutes zu tun – das stimmt grundsätzlich auch. Aber es ist nicht gleichzustellen damit, dass ich das machen soll, was alle von mir wollen (abgesehen davon, dass es sowieso unmöglich ist). Meine Aufgabe ist es meinen Blick auf Gott zu richten – in allen Momenten & Entscheidungen. Trotz allem darf ich die Menschen (mit) denen ich diene nicht aus den Augen verlieren und trage Verantwortung für sie im Rahmen dessen, was ich tue.
    Da ich selber einen hohen musikalischen Anspruch habe (und zudem gesegnet bin mit exzellenten Mitmusikern), muss ich auch immer wieder aufpassen, dass ich meine geistliche Verantwortung nicht vernachlässige. Geht es in den Bandproben, Gottesdiensten und Veranstaltungen um die tolle Musik, oder weise ich als Leiterin immer wieder auf Jesus hin – den Grund und das Ziel von dem, was wir tun. Wir müssen eine geistliche Einheit sein und zu jeder Zeit wissen, wem die Ehre gebührt…

  1. Welche Fehler passieren dabei besonders gerne und wie gehst du damit um?

    Es ist oft der Blick auf die Menschen anstatt auf Gott. Das passiert ganz schnell und unbemerkt, wir sind einfach Menschen und sehen in erster Linie das, was vor unseren Augen ist. Ich verliere mich z.B. manchmal darin, diplomatisch zu sein und möglichst den Bedürfnissen aller gerecht zu werden. Gott sei Dank funktioniert das sowieso nicht auf Dauer!
    Wenn mir das dann auffällt (das fällt mir übrigens mit jedem mal schneller auf – man lernt ja doch aus Fehlern, bzw. wächst…) ist der erste Schritt ganz klar wieder hin zu Gott! Er ist einfach gut, und Er verzeiht immer wieder! Und wo sollte ich anders hingehen als auf ihn zu?! Er ist der Grund meines Lobpreises und Er alleine ist es, der Menschenherzen bewegen & verändern kann. Wie sehr bin ich also in meinem Lobpreis von Ihm abhängig?! Fehler machen & hinfallen. Erkennen. Mir vom Vater selbst aufhelfen lassen. Weitergehen, an seiner Hand. Es geht vorwärts und Er geht mit!

  2. Worauf achtest du bei der Auswahl von Liedern speziell?
Grundsätzlich treffen hier die Kriterien (Inhalt, Musik, Sprache) zu, die ich unter Frage 3 aufgeführt habe. Darüber hinaus erachte ich Folgendes als wichtig & bedenkenswert:
- Inhalt/Thema:
Wenn es eine Lobpreiszeit im Rahmen eines Gottesdienstes ist, eignet es sich, zumindest ansatzweise über das (Predigt-)Thema bescheid zu wissen und dies möglicherweise inhaltlich in den Lieder mitzutragen und aufzugreifen.
-
Bekanntheit der Lieder:
Wichtig ist, einen großen Prozentsatz an bekannten Liedern auszuwählen. Gemeinden lernen (nach meiner Erfahrung) gerne neue Lieder, allerdings in angemessenen Dosen. Ein neu eingeführtes Lied sollte erst einige Male gefestigt & wiederholt werden, bevor ein Weiteres eingeführt wird.
-
Ablauf/Reihenfolge:
Jede Lobpreiszeit ist zu vergleichen mit einem Gang ins Heiligtum (Gegenwart Gottes) und wieder hinaus. Dies ist ausschlaggebend für die Reihenfolge der Lieder, sowohl musikalisch gesehen als auch inhaltlich. Es bietet sich zum Ankommen an, mit aufgeweckten, fröhlichen Liedern zu starten, in denen man sich auf Gott ausrichten kann und bewusst alles andere hinter sich lässt. Anschließend kann eine intensivere (möglicherweise) ruhigere Zeit im Heiligtum folgen, in der besonders Raum für Gottes Reden gegeben wird und über seine Heiligkeit gestaunt & angebetet werden kann (an dieser Stelle darf auch Klage & Trauer berücksichtigt werden). Eine wieder etwas fetzigere Phase, in der Gott gefeiert und ihm für sein Reden, seine Gnade & Liebe gedankt wird, kann die Lobpreiszeit abschließen.
Musikalisch gesehen bietet es sich an, Lieder mit gleichen oder ähnlichen Tonarten aneinander zu reihen, um keine langen Pausen zu produzieren (Achtung: nicht verwechseln mit bewusster Stille!).
- Sicherheit der Band:
Mir selbst fällt es immer schwer, mich auf eine Lobpreiszeit einzulassen, in der ich merke, dass der Leiter bzw. das Musikteam/die Band unsicher ist. Die Atmosphäre wird verkrampft.
Deshalb finde ich es wichtig, dass der Leiter (und die Band) die Lieder, die er auswählt, sicher spielen und leiten kann! Das ist eine gute Grundlage für ihn selbst, offen für Gott zu sein und hilft der Gemeinde auch, sich mit voller Aufmerksamkeit auf Gott auszurichten.
Wenn ich also merke, dass ich und/oder meine Band in bestimmten Liedern zu unsicher bin, überlege ich nochmal, ob es nicht doch Sinn macht, es durch ein anderes zu ersetzen. (In manchen Fällen kann es allerdings sein, dass Gott aber grade dieses Lied mit diesem Inhalt wichtig ist und es unbedingt gespielt werden soll. Wenn es „dran“ ist, sollte es auf jeden Fall in der Liste bleiben. Der Geist Gottes kann und wird dann in unserer menschlichen Schwachheit und in unserer Unsicherheit ganz besonders wirken. Hier gilt es, als Leiter gut hinzuhören, was Gott möchte.).

  1. Was können Gemeinden und Lobpreisleiter besser machen, um eine Singkultur zu fördern? 

    - Regelmäßig (miteinander) singen & lobpreisen:Gemeinde muss in ihrer Struktur auf jeden Fall Lobpreis als festes Element anerkennen und in Gottesdienste und sowieso ins gesamte Gemeindeleben einbauen. Zu oft werden Lieder zu „Lückenfüllern“ degradiert (Eins zum Ankommen bis alle sitzen, eins vor der Predigt, eins nach der Predigt, eins nach dem Segen als Rausschmeißer, etc…). 

    - Eine eigene Kultur entwickeln & fördern:Viele Gemeinden (auch in Deutschland) etablieren mittlerweile eigenes Liedgut. Für die Identität der Gemeinde und für die Gemeinschaft an sich ist es absolut förderlich, selbst geschriebene Lieder zu singen.  

    - Ein Repertoire festlegen:Grade in Gemeinden mit verschiedenen Lobpreisteams sollte darauf geachtet werden, dass es eine große Schnittmenge an Liedern gibt. Wenn jeden Sonntag komplett andere Lieder gesungen werden, entsteht kaum „Gemeinsames Singen“ sondern mehr Konzert. 

    - Der Lobpreisleiter als Reiseführer und nicht als Ziel:Der Lobpreisleiter sollte sich auf Augenhöhe mit der Gemeinde begeben. Ich persönlich würde am Liebsten die Trennung zwischen Bühne & dem Rest des Gemeindesaales aufheben;-)
    Es geht nicht darum, im Mittelpunkt zu stehen. Es geht darum, auf den hinzuweisen und die Menschen zu dem zu führen, der der Grund und das Ziel unserer Lebensreise ist. So sollte das Anliegen des Leiters sein, Gott zu suchen und Ihm zu begegnen. Die Menschen werden diesen Glanz der Herrlichkeit Gottes in seinen Augen sehen und kein anderes Bedürfnis mehr haben als mitzugehen und den zu suchen, den er sieht!
Da der Dienst des Lobpreisleiters /der Lobpreisleiter ein sehr entscheidender für die Lobpreis-Kultur (einer Gemeinde) ist, brauchen grade diese Personen viel Unterstützung im Gebet und außerdem Orte, an denen sie selbst auftanken und empfangen können. Auch der „beste“ Lobpreisleiter kann nicht immer nur geben…
  1. Wenn jemand heute frisch als Lobpreisleiter anfangen möchte, welche Empfehlungen und Ermutigungen gibst du ihm auf den Weg mit?
Grundsätzlich könnte ich darüber ein ganzes Buch schreiben . Aber nun das Wichtigste in Kürze:

- Lerne leiten durch geleitet werden:Jeder von uns hat zuerst gelernt und dann gelehrt. Auch die Jünger sind bei Jesus in die Schule gegangen, bevor sie Gemeinden gegründet und geleitet haben. Es ist auch im Bereich Lobpreis wichtig, gute Leiter & Vorbilder zu haben. Spiele am besten zuerst in einem Lobpreisteam mit und ordne dich einem Leiter/einer Leiterin unter. Sei dabei auf jeden Fall aufmerksam – du kannst so viele wertvolle Dinge lernen!
Bitte Gott, dir zu zeigen, ob er dich zum Leiter/zur Leiterin berufen möchte und wenn ja, wann. Lass dir Zeit! Es ist wichtig, dass du in seinem Zeitplan läufst und nicht versuchst zu überholen ;-)
 

- Werde ehrgeizig & exzellent, bleibe demütig & bodenständig:Kein Meister fällt vom Himmel, soviel steht fest. Aber: Es ist wichtig, dass du gut bist in dem was du tust, und beständig nach dem Besseren strebst! Das hört sich im ersten Moment nicht grade demütig an, ich weiß. Aber es ist wichtig! Gott hat uns Begabungen gegeben damit wir diese weiter fördern und fordern. Außerdem hast du – grade als Leiter/in – nicht nur Verantwortung für dich selbst, sondern auch für andere! Das Problem beim Gut-Sein & Besser-Werden ist oft Stolz! Bleibe demütig. Sei dir bewusst, von wem du alles hast und warum du tust, was du tust. Ohne IHN wärst du nichts! Bleibe auf Augenhöhe mit den Menschen um dich herum, und habe Menschen um dich, die dir Feedback geben und dich auch mal „zurechtweisen“ dürfen. 

- Bleibe mit deinem Herzen bei Gott:Das ist so wichtig. Du kannst so gut sein wie du willst – wenn Sein Glanz in deinen Augen nicht da ist, weil du auf andere Dinge schaust und dein Herz irgendwo in der Welt oder bei dir selbst hängt, hat dein Lobpreis an Wert verloren. Geb‘ Gott und seiner Sache den ersten Platz in deinem Leben – alles andere wird dir zufallen (vgl. Matthäus 6,33).


Mittwoch, 19. November 2014

Die Bibel und der Vegetarismus

Nachdem es in zahlreichen Diskussionen immer wieder um das Thema Vegetarismus und Bibel ging, möchte ich heute mal ein wenig tiefer graben, wie das mit den Argumenten für den Vegetarismus tatsächlich aussieht.

1. Die Schöpfung und der Mensch
Gehen wir zunächst ganz an den Beginn der Bibel: In den ersten zwei Kapiteln finden wir den Bericht über die Tatsachen, wie Gott die Welt geschaffen hat. Dieser Bericht zeigt uns eine ganze Menge wichtiger Dinge – ich beschränke mich hier auf das, was uns zu unserem Thema weiterhilft:

1. Die Schöpfung ist für Gott. Gott hat alles geschaffen, um erkannt zu werden. Gott hat alles zu Seinem Lob, zu Seiner Ehre geschaffen. Gleich zu Beginn der Schöpfung offenbart Sich Gott als der Dreieine: Gott Vater spricht, Gott Sohn (das Wort, Jesus Christus) erschafft die Dinge, Gott Heiliger Geist schwebt oder besser übersetzt „brütet“ über den Wassern und sorgt für die exakte Ausführung.

2. Der Mensch hat eine besondere Stellung. Er ist im Ebenbild Gottes geschaffen. Er soll alles beherrschen, und zwar im vollen Sinne von: Bewahren, pflegen, nutzen, vermehren, verarbeiten, und so weiter. Er ist im Ebenbild Gottes geschaffen. Das heißt, dass die Menschheit als einzige Kreatur die ganze Dreieinigkeit Gottes so widerspiegelt wie das kein anderer Teil der Schöpfung kann. Deshalb ist der Wert des Menschen unendlich viel größer als derjenige der gesamten restlichen Schöpfung.

3. Gott schafft als Krone der Schöpfung den Sabbat. Dieser Tag ist gemacht, damit der Mensch und die ganze Schöpfung an einem Tag pro Woche die Gemeinschaft mit Gott in besonderer Weise feiern und auch genießen kann.

4. Gott hat alles sehr gut geschaffen. Das Paradies war von Anfang an sehr gut – aber es war nicht für die Ewigkeit geschaffen, denn es sollte erlöst werden. Die Notwendigkeit der Erlösung war von der frühesten Zeit bereits in die Schöpfung eingebaut – und diente wie alles andere auch dazu, um Gott zu offenbaren, also Gottes Wesen bekannt zu machen.

5. Gott schafft den Menschen als Mann und Frau. Das ist etwas ganz Besonderes. Mann und Frau sind beide gleichwertig aber unterschiedlich gemacht. Das Geschlecht ist keine gesellschaftliche Zuordnung, sondern von Gott geschaffen, damit der Mensch in seiner Unterschiedlichkeit Gottes Ebenbild sein kann.

6. Der Mensch hat einen Erhaltungsauftrag der Schöpfung gegenüber bekommen. Dieser Auftrag beinhaltet auch die Arterhaltung, wozu die Haltung von Nutztieren einen wichtigen Beitrag leistet.


2. Der Sündenfall und seine Folgen
Doch dann kam der Sündenfall. Der Mensch ist von Gott ganz und gar abgefallen. Die Entfremdung von Gott, von den Mitmenschen (insbesondere auch vom anderen Geschlecht), von sich selbst und von der Natur hat seine Auswüchse bis in die heutige Zeit. Je weiter die Technologie fortschreitet, desto größer wird die Kluft zwischen dem Segen der gut gebrauchten Technologie und dem Fluch der missbrauchten Technologie.

Doch interessant ist, was Gott direkt nach dem Sündenfall macht:

Und Gott der Herr machte Adam und seiner Frau Kleider aus Fell und bekleidete sie. (1. Mo. 3,21)

Gott war also der Erste, der ein Tier genommen hat und – um dem Tier das Fell abzuziehen – es töten musste. Das erste Tieropfer stammt somit vom allmächtigen, ewigen Gott Selbst, der damit Hand an Seine Schöpfung angelegt hat. Das war die Konsequenz des Sündenfalls für die Natur. Der Mensch ist über sie gestellt, er sorgt für sie, aber verfügt auch über sie, deshalb steht sie seit dem Sündenfall unter dem Fluch. Und die Menschen fahren fort, Tiere zu opfern – und wie man feststellen kann, ist das die einzig richtige Art zur damaligen Zeit, mit der menschlichen Sünde umzugehen, denn nur dort kann Schuld vergeben werden, wo Blut fließt.


3. Der Bund mit Noah
Und dann kommt es gleich noch viel heftiger: Die Menschheit wird immer schlimmer, und weil die Menschheit so schlimm wird, dass sie nicht mehr auszuhalten ist, muss halt die Tierwelt auch gleich mit dran glauben. Die große Flut wird von Gott, dem ewigen, allmächtigen, allwissenden, barmherzigen, heiligen, liebenden Gott initiiert und kostet vermutlich Millionen von Tieren das Leben. Wer damit ein Problem hat, darf sich gern an den Schöpfer wenden. Auch hier sehen wir wieder einmal, dass die Tierwelt dem Menschen direkt unterstellt ist, denn die Tiere müssen die Sünde des Menschen mitbezahlen.

Und nach der Sündflut kommt das erste offizielle Bündnis Gottes mit dem Menschen seit dem Sündenfall:

Und Gott segnete Noah und seine Söhne und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch und erfüllt die Erde! Furcht und Schrecken vor euch soll über alle Tiere der Erde kommen und über alle Vögel des Himmels, über alles, was sich regt auf dem Erdboden, und über alle Fische im Meer; in eure Hand sind sie gegeben! Alles, was sich regt und lebt, soll euch zur Nahrung dienen; wie das grüne Kraut habe ich es euch alles gegeben. Nur dürft ihr das Fleisch nicht essen, während sein Leben1, sein Blut, noch in ihm ist! Jedoch euer eigenes Blut will ich fordern, von der Hand aller Tiere will ich es fordern und von der Hand des Menschen, von der Hand seines Bruders will ich das Leben des Menschen fordern. Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll auch durch Menschen vergossen werden; denn im Bild Gottes hat Er den Menschen gemacht. Ihr aber, seid fruchtbar und mehrt euch und breitet euch aus auf der Erde, daß ihr zahlreich werdet darauf! (1. Mo. 9, 1 - 7)

Das ist keine Notverordnung weil es etwa keine Pflanzen mehr gegeben hätte, sondern dieser Bund mit Noah ist ein Teil des wunderbaren Heilsplans Gottes. Im Garten bei Eden gab es noch keinen Tod, keine Schmerzen, keine Geburtswehen, keine schweißtreibende Arbeit. All das kam erst durch den Sündenfall. Und solange Geburten unter Schmerzen vonstatten gehen, solange Menschen altern und sterben, solange ist auch der Fleischgenuss erlaubt und gottgewollt. Und auch hier sehen wir wieder den überragenden Wert des Menschen: Wer einen Menschen tötet, der hat sein Leben verwirkt – bei einem Tier ist das nicht der Fall.


4. Das Passahlamm
Als Gott durch Mose das Volk Israel aus Ägypten führen lassen wollte, wurde das Passahmahl eingesetzt. In der Nacht vor dem Abmarsch musste an jede Türe der Israeliten das Blut von einem Lamm gestrichen werden. Der Engel Gottes ging in der Nacht von Haus zu Haus und holte in jedem Haus, an dem kein Blut zu sehen war, den ältesten Sohn:

Und der Herr redete zu Mose und Aaron im Land Ägypten und sprach: Dieser Monat soll euch der Anfang der Monate sein, er soll für euch der erste Monat des Jahres sein. Redet zu der ganzen Gemeinde Israels und sprecht: Am zehnten Tag dieses Monats nehme sich jeder Hausvater ein Lamm, ein Lamm für jedes Haus; wenn aber das Haus zu klein ist für ein Lamm, so nehme er es gemeinsam mit seinem Nachbarn, der am nächsten bei seinem Haus wohnt, nach der Zahl der Seelen; dabei sollt ihr die Anzahl für das Lamm berechnen, je nachdem jeder zu essen vermag. Dieses Lamm aber soll makellos sein, männlich und einjährig. Von den Schafen oder Ziegen sollt ihr es nehmen, und ihr sollt es aufbewahren bis zum vierzehnten Tag dieses Monats. Und die ganze Versammlung der Gemeinde Israels soll es zur Abendzeit schächten. Und sie sollen von dem Blut nehmen und damit beide Türpfosten und die Oberschwellen der Häuser bestreichen, in denen sie essen. Und sie sollen das Fleisch in derselben Nacht essen: am Feuer gebraten, mit ungesäuertem Brot; mit bitteren Kräutern sollen sie es essen. Ihr sollt nichts davon roh essen, auch nicht im Wasser gekocht, sondern am Feuer gebraten, sein Haupt samt seinen Schenkeln und den inneren Teilen; und ihr sollt nichts davon übriglassen bis zum anderen Morgen. Wenn aber etwas davon übrigbleibt bis zum Morgen, so sollt ihr es mit Feuer verbrennen. So sollt ihr es aber essen: eure Lenden umgürtet, eure Schuhe an euren Füßen und eure Stäbe in euren Händen, und in Eile sollt ihr es essen; es ist das Passah des Herrn. Denn ich will in dieser Nacht durch das Land Ägypten gehen und alle Erstgeburt im Land Ägypten schlagen, vom Menschen bis zum Vieh, und ich will an allen Göttern der Ägypter ein Strafgericht vollziehen, ich, der Herr. Und das Blut soll euch zum Zeichen dienen an euren Häusern, in denen ihr seid. Und wenn ich das Blut sehe, dann werde ich verschonend an euch vorübergehen; und es wird euch keine Plage zu eurem Verderben treffen, wenn ich das Land Ägypten schlagen werde. (2. Mose 12, 1 - 10)

Hier haben wir nicht nur den Befehl Gottes, ein Tier zu schlachten, sondern vielmehr noch den Befehl, es auch zu essen. Es soll nichts davon übrigbleiben – was übrigbleibt, müsste weggeworfen werden. So viel also zur befohlenen „Verschwendung“ von Fleisch. Wohl dem Israeliten, der kein Vegetarier war! Und diese Mahlzeit wurde später eingesetzt zur Erinnerung an das erste Passahmahl – es musste jedes Jahr wiederholt werden. Zur Ehre Gottes, des Allmächtigen, der die Erstgeborenen Israels vor Seinem gerechten Zorn gerettet hat.


5. Du sollst nicht töten?
Israel zog aus Ägypten aus. In der Wüste gibt es nichts zu essen. Das Volk schreit zu Gott – und was gibt es? Wachteln! Vögel schickt Gott Seinem Volk. Aber, Herr, was essen denn nun die Vegetarier?

Und dann kam Israel an den Sinai und bekam die Zehn Worte. Eines davon wird heute häufig missbraucht mit der Übersetzung: „Du sollst nicht töten“. Sollte Gott etwa tatsächlich gegen Sein eigenes Gebot verstoßen haben, als Er dem ersten Menschenpaar Kleider aus Fell machte?

Bei näherem Hinsehen entpuppt sich das Gebot etwas anders. Besser übersetzt müsste da stehen: „Morde nicht!“ Das ist ein riesiger Unterschied, denn das hebräische Wort, was hier für „morden“ steht, wird nur auf Menschen angewendet und zwar nur auf Menschen, welche hinterhältig und unbegründet umgelegt werden. Streng genommen kann dieses Gebot weder gegen die Todesstrafe, noch gegen den Militärdienst noch gegen die Selbstverteidigung im Falle eines Falles verwendet werden. Dies aber nur am Rande.

Somit wird klar: Das Mordverbot kann im Fall der Tierschlachtung nicht angewendet werden. Ebenso wird einmal mehr klar, dass der Wert des Menschenlebens unendlich weit über dem Wert eines Tierlebens steht. Ok, wer mir das „unendlich“ anzweifeln will, darf das tun, verpflichtet sich damit aber, mir zu erklären, wie viele Tierleben den Wert eines Menschenlebens aufwiegen.


6. Die Opfergesetze
Über die Jahrhunderte – zwischen dem Auszug aus Ägypten und dem ersten Kommen Jesu liegen ungefähr 15 Jahrhunderte – wurden auf den Befehl Gottes hin Millionen von Tieren gezüchtet und gepflegt, um dann anschließend als Opfertier ihr Leben lassen zu müssen. All das waren nicht etwa Erfindungen des Menschen um Gott zu gefallen, sondern die Umsetzung von Gottes direktem Befehl. Das Tieropfer diente dazu, dass der Mensch sich immer wieder seiner Verantwortung und seiner Herrschaft über die Schöpfung bewusst wurde, indem er einsehen musste, dass die Vergebung menschlicher Schuld nur mit Blut gesühnt werden kann – entweder mit dem Blut und Leben des Schuldigen, oder mit dem stellvertretenden Blut und Leben eines perfekten Opfertiers, welches eine Vorschattung auf das war, was Jesus auf Golgatha für uns getan hat. Das Opfer Jesu ist also so groß, dass Gott das ganze Tierleid nicht zu schade war, welches in diesen Opfern zustande kam.


7. Gott auf Erden isst Fleisch
Und dann – als die Zeit erfüllt war – kam Gott als Mensch auf die Erde. Und macht was? Isst Fleisch. Hilft den Fischern, einen größeren Fang zu machen als jemals bisher. Also ein größeres Schlachten von Fischen (Lukas 5,9). Und isst mit Seinen Jüngern Fisch zum Frühstück:

Jesus spricht zu ihnen: Kommt zum Frühstück! Aber keiner der Jünger wagte ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wußten, daß es der Herr war. Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt es ihnen, und ebenso den Fisch. (Joh. 21, 12-13)

Und isst mit ihnen das Passahlamm:

Sie gingen hin und fanden es, wie er ihnen gesagt hatte; und sie bereiteten das Passah. Und als die Stunde kam, setzte er sich zu Tisch und die zwölf Apostel mit ihm. Und er sprach zu ihnen: Mich hat herzlich verlangt, dieses Passah mit euch zu essen, ehe ich leide. Denn ich sage euch: Ich werde künftig nicht mehr davon essen, bis es erfüllt sein wird im Reich Gottes. (Luk. 22,13-16)


8. Paulus und das Götzenopferfleisch
Häufig wird auch darauf hingewiesen, dass schon Paulus den Vegetarismus angesprochen habe. Dies stimmt, doch ist es ein weiterer Missbrauch der Bibel, diese Passagen bei Paulus so zu missdeuten, als ob es Paulus um das Essen von Fleisch an sich ginge. Das ist falsch, denn Paulus spricht damit lediglich den Fall an, in welchem das Fleisch, welches auf dem Markt verkauft wurde, zuvor einem falschen Götzen geopfert wurde. In dem Fall sagt Paulus:

Was nun das Essen der Götzenopfer betrifft, so wissen wir, daß ein Götze in der Welt nichts ist, und daß es keinen anderen Gott gibt außer dem Einen. Denn wenn es auch solche gibt, die Götter genannt werden, sei es im Himmel oder auf Erden — wie es ja wirklich viele »Götter« und viele »Herren« gibt —, so gibt es für uns doch nur einen Gott, den Vater, von dem alle Dinge sind und wir für ihn; und einen Herrn, Jesus Christus, durch den alle Dinge sind, und wir durch ihn. Aber nicht alle haben die Erkenntnis, sondern etliche machen sich ein Gewissen wegen des Götzen und essen [das Fleisch] noch immer als Götzenopferfleisch, und so wird ihr Gewissen befleckt, weil es schwach ist. Nun bringt uns aber eine Speise nicht näher zu Gott; denn wir sind nicht besser, wenn wir essen, und sind nicht geringer, wenn wir nicht essen. Habt aber acht, daß diese eure Freiheit den Schwachen nicht zum Anstoß wird! (1. Kor. 8, 4-9)

Mit diesem Hintergrund wird auch die Stelle im Römerbrief klarer:

Nehmt den Schwachen im Glauben an, ohne über Gewissensfragen zu streiten. Einer glaubt, alles essen zu dürfen; wer aber schwach ist, der ißt Gemüse. Wer ißt, verachte den nicht, der nicht ißt; und wer nicht ißt, richte den nicht, der ißt; denn Gott hat ihn angenommen. (Röm. 14,1-3)

Später fährt er fort:

Darum laßt uns nicht mehr einander richten, sondern das richtet vielmehr, daß dem Bruder weder ein Anstoß noch ein Ärgernis in den Weg gestellt wird! Ich weiß und bin überzeugt in dem Herrn Jesus, daß nichts an und für sich unrein ist; sondern es ist nur für den unrein, der etwas für unrein hält. Wenn aber dein Bruder um einer Speise willen betrübt wird, so wandelst du nicht mehr gemäß der Liebe. Verdirb mit deiner Speise nicht denjenigen, für den Christus gestorben ist! So soll nun euer Bestes nicht verlästert werden. Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist; wer darin Christus dient, der ist Gott wohlgefällig und auch von den Menschen geschätzt. So laßt uns nun nach dem streben, was zum Frieden und zur gegenseitigen Erbauung dient. Zerstöre nicht wegen einer Speise das Werk Gottes! Es ist zwar alles rein, aber es ist demjenigen schädlich, der es mit Anstoß ißt. Es ist gut, wenn du kein Fleisch ißt und keinen Wein trinkst, noch sonst etwas tust, woran dein Bruder Anstoß oder Ärgernis nehmen oder schwach werden könnte. Du hast Glauben? Habe ihn für dich selbst vor Gott! Glückselig, wer sich selbst nicht verurteilt in dem, was er gutheißt! Wer aber zweifelt, der ist verurteilt, wenn er doch ißt, weil es nicht aus Glauben geschieht. Alles aber, was nicht aus Glauben geschieht, ist Sünde. (Röm. 14,13 - 23)

So wird klar, dass für Paulus die Freiheit wichtig ist, er die Angst vor dem Götzenopferfleisch jedoch als eine Schwäche im Glauben verstanden hat. Zugleich warnt er ganz klar vor allen, die versuchen, andere zum Vegetarismus zu bekehren:

Der Geist aber sagt ausdrücklich, daß in späteren Zeiten etliche vom Glauben abfallen und sich irreführenden Geistern und Lehren der Dämonen zuwenden werden durch die Heuchelei von Lügenrednern, die in ihrem eigenen Gewissen gebrandmarkt sind. Sie verbieten zu heiraten und Speisen zu genießen, die doch Gott geschaffen hat, damit sie mit Danksagung gebraucht werden von denen, die gläubig sind und die Wahrheit erkennen. Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, wenn es mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch Gottes Wort und Gebet. (1. Tim. 4,1 - 4)


9. Vegetarismus in der Kirchengeschichte
Nachdem gegen Ende des ersten Jahrhunderts nach unserer Zeitrechnung die Schriften des Neuen Testaments vollständig fertiggestellt warn, dauerte es nicht lange, bis such zu erfüllen begann, wovor der Apostel Paulus seinen Mitarbeiter Timotheus gewarnt hatte:

1. Ebioniten
Eine der ersten Bewegungen, die in der Kirchengeschichte als Vertreter des Vegetarismus bekannt ist, waren die Ebioniten (wörtlich übersetzt: Die Armen). Sie sahen sich als Juden, die an Jesus glaubten, lehnten aber die Schriften von Paulus ab, ebenso den stellvertretenden Tod Jesu am Kreuz. Sie lehnten das Tieropfer ab und verboten den Fleischgenuss.

2. Enkratiten
In der Mitte des zweiten Jahrhunderts entstand die Sekte der Enkratiten (wörtlich übersetzt: Die Enthaltsamen). Das war eine stark asketische Bewegung, in welcher das Heiraten, bzw. jede sexuelle Tätigkeit und der Genuss von Fleisch untersagt wurde. Das Ziel des Ganzen war, dass der Mensch ein Leben wie ein Engel führen solle, um so durch ein Christus-ähnliches Leben erlöst zu werden. Aller Genuss sei fleischlich und damit abzulehnen.

3. Eustathianer
Eine weitere Gruppierung der frühen Geschichte waren die Eustathianer, die nach dem angenommenen Gründer Eustathios von Antiochia benannt wurden. Sie verlangten ein komplett besitzloses Leben, verboten zu heiraten und Fleisch zu essen. Außerdem lehnten sie das Feiern von Gottesdiensten ab. Ihre Irrlehren wurden 340 auf der Synode von Gangra verurteilt.

4. Bogomilen
Auch im Mittelalter traten vereinzelt wieder Gruppierungen auf, welche den Vegetarismus vertraten. Im 10. Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung entstanden in Osteuropa die Bogomilen (der Name kommt vom bulgarischen Namen des Gründers Bogomil – zu deutsch etwa „Gottlieb“). Auch hier gab es wieder einen neuplatonischen Dualismus mit der Ablehnung von allem Materiellen. Dies führte zur Ablehnung einiger Teile des Alten Testaments und so unter anderem auch zum Verbot des Fleischgenusses.

5. Katharer
Ab dem 12. Jahrhunder traten in Westeuropa, insbesondere in Frankreich, auch die Katharer (wörtlich übersetzt: Die Reinen) auf. Sie waren ein westlicher Abklatsch der östlichen Bogomilen und beriefen sich auch auf dieselben häretischen Schriften wie jene. Für die Katharer ist die Welt das böse Gefängnis der an sich guten Seele, weshalb diese aus dem Gefängnis befreit werden solle. Dies könne nur durch das so genannte Consolamentum – eine Art Initiationsritus zum Katharer – geschehen. Nach einem Noviziat (eine Vorbereitungszeit) gehörte man zu den Perfekten, welche sich aller materiellen Genüsse – so etwa des Fleisches – zu enthalten hatten.


10. Von der Freiheit eines Christenmenschen
Nach dieser Betrachtung wird deutlich, dass es sehr sehr schwer wird, sich die Bibel oder die Geschichte der Kirche zunutze zu machen, um für den Vegetarismus zu plädieren. Eines bleibt vorerst noch zu sagen: Die Bibel schätzt die Freiheit des Christen sehr hoch ein. Insofern ist es natürlich erlaubt, auf das Essen von Fleisch zu verzichten. Wo es jedoch zu Problemen kommt, ist dort, wo Menschen versuchen, ihren Lebensstil als Vegetarier anderen aufzuschwatzen, was häufig passiert.

Nichtsdestotrotz muss natürlich auch gesehen werden, dass es menschliche Gründe gibt, auf Fleisch verzichten zu wollen. Manche Menschen mögen einfach kein Fleisch, und das ist natürlich ok. Dagegen gibt es nichts einzuwenden.

Auch ist das Argument von der schlechten Tierhaltung nicht ganz von der Hand zu weisen. Dass es schlechte Tierhaltung gibt, wird jeder feststellen können, der sich eine Weile damit befasst. Die Frage muss also anders gestellt werden: Kann der Verzicht auf Fleisch etwas an dieser Lage ändern? Bisher lautet die Antwort: Nein. Es werden nach wie vor viele Tiere zum Schlachten gezüchtet und gemästet. Sie werden geschlachtet und zum Verzehr bereitet. Es ist wie oben beim Passahlamm bereits gesehen: Was nicht gegessen wird, wird verbrannt, bzw. kommt in den Müll.

Es gibt natürlich das Argument: Ich esse kein Fleisch, ich bin dagegen, und mache mich somit an dieser Gesellschaft nicht schuldig. Dieses Argument erinnert mich immer an einen Song von den Ärzten. Doch so einfach ist das leider nicht. Einzig dagegen zu sein rettet keinem einzigen Tier das Leben. Außerdem muss man sich fragen, was mit all den Schlachttieren geschehen soll, falls sie nicht geschlachtet werden sollen. Tierheime sind jetzt schon überfüllt und auch nicht unbedingt in der tierfreundlichsten Art ausgestattet.


11. Zu guter Letzt: Verzicht auf Medizin und Kosmetik?
Und dann muss in der ganzen Debatte um das Tierleid auch die Frage nach konsequenter Umsetzung gestellt werden. Hier kommen wir zurück auf eine Aussage, die ich im zweiten Abschnitt vom Sündenfall und der Technologie gemacht habe: „Je weiter die Technologie fortschreitet, desto größer wird die Kluft zwischen dem Segen der gut gebrauchten Technologie und dem Fluch der missbrauchten Technologie.“ Das wird nirgendwo deutlicher als in der heutigen Forschung und Medizin. Ich bin dankbar für alle Erkenntnisse und Medikamente, die ich nutzen darf. Zugleich muss ich mir aber auch bewusst sein, dass diese ebenfalls mit Tierleid verbunden sind.

Wer also konsequent gegen Tierleid ist und darauf verzichten will, sollte zunächst damit beginnen, auf jede Art von Kosmetika und Medikamenten zu verzichten. Das wäre eine konsequente Haltung, die allerdings auch andere Konsequenzen mit sich ziehen kann. Etwa die Verkürzung des Lebens und ein Mehr an Menschenleid.


12. Schlusswort
Nach dieser Betrachtung sollte klar geworden sein, dass das Thema keinesfalls so leichtfertig beantwortet werden kann. Die Bibel und Kirchengeschichte geben keinen Hinweis darauf, dass der Mensch langfristig für Vegetarismus geschaffen wurde. Doch ist andererseits das Problem der schlechten Tierhaltung auch nicht zu übersehen. Was es hier bräuchte, wären alternative Ansätze, etwa die Förderung lokaler Anbieter von artgerecht gehaltenen Tieren. Oder der Umstieg auf Selbstversorgung. Da dies jedoch nicht allen von uns möglich sein wird, schon allein deshalb, weil es in unseren westeuropäischen Staaten nicht ganz einfach ist, an die Lizenzen und Werkzeuge zum Jagen und Schlachten zu kommen, werden wir auch weiter mit der ethischen Spannung leben müssen. Wer in unsere Gesellschaft hineingeboren wurde und bleibt, um hier zu leben, ist darin nun mal mitgegangen und mitgefangen. Ob er nun Fleisch isst oder nicht.

Montag, 17. November 2014

Bibliothek der Weltliteratur 4: Bekenntnisse von Aurelius Augustinus

Bekenntnisse des heiligen Augustinus. Ungekürzte Ausgabe nach der Übersetzung von O. Bachmann, Atlas-Verlag Köln 1956

Heute wieder ein Griff in die Bibliothek der Weltliteratur und ein weiteres Buch, das es wert ist, auch heute noch gelesen zu werden. Die Bekenntnisse von Augustinus sind wohltuend ehrlich und realistisch in unserer Zeit der stumpfsinnigen Gleichgültigkeit gegenüber der Sünde im Leben. Augustinus schrieb keine Autobiographie, denn er geht nicht auf alle Zeiten seines Lebens ein. Auch sind es keine Memoiren, denn sie wurden mitten im Leben geschrieben. Es ist vielmehr eine Sammlung von Rückblicken auf sein Leben, die er mit zwei Dingen verbindet: Erstens mit dem Lobpreis Gottes, der ihn gerettet, erlöst, befreit hat aus den Ketten der Sünde, ihm die Augen für die Wahrheit geöffnet und sein Herz mit Liebe zu Gott erfüllt hat, aber auch eine entwaffnend ehrliche und realistische Sicht auf die Sünde, die sein Leben so ruiniert hat, bevor er von Gott bezwungen wurde.

Augustinus kam am 13. November 354 in Thagaste (im heutigen Algerien) zur Welt. Seine Mutter Monica war Christin, die ihn so zu erziehen versuchte. Er hatte in der Zeit seiunes Studiums eine große Abneigung gegen die griechischen Philosophen, wie er in den Bekenntnissen bezeugt. Er studierte Rhetorik und wurde dann selbst Lehrer. In dieser Zeit führte er ein ausschweifendes Leben und wandte sich dann dem Manichäismus zu. Das war eine pseudochristliche gnostische Religion, die von einem starken Dualismus geprägt war: In der Welt herrscht ein Kampf zwischen dem Licht und der Finsternis. Das Licht ist in der Gefangenschaft der Finsternis und das Leben der Menschen spielt dabei eine Rolle, um das Licht aus dieser Gefangenschaft zu befreien. Nebst den Menschen, die keine Manichäer sind, gibt es zwei Arten von Menschen: Die Hörer und die Erwählten. Die Erwählten müssen immer ganz streng asketisch leben (kein Sex, reiner Vegetarismus, kein Alkohol, keine manuelle Arbeit, etc.), die Hörer nur am Sonntag. Durch dieses asketische Leben kann der Mensch mithelfen, das Licht zu befreien, bis es irgendwann ganz frei sein wird.

Augustinus ist also Lehrer der Rhetorik und Anhänger des Manichäismus. In diese Zeit fällt eine schwere Krankheit, die sowohl körperlich als auch psychisch zu begründen ist. Er stand immer unter Druck, als Manichäer Gott durch ein asketisches Leben gefallen zu wollen, aber er merkt, wie er es nicht schafft. Er muss seinen Beruf aufgeben und beschließt, sich noch mehr dem Dienst Gottes zu widmen. Mit den Worten von Römer 13, 13 – 14 wird Augustinus nun endlich zum einen Gott der Bibel bekehrt. Als er seiner Mutter davon erzählt, freute sie sich: „Wir erzählten ihr, wie es geschehen war; sie jubelte und triumphierte, und sie pries dich, der überschwenglich mehr tun kann über alles, das wir bitten oder verstehen, da sie sah, dass ihr von dir weit mehr gewährt worden war, als sie in ihrem Jammer und ihren Tränen zu bitten pflegte.“ (S. 131)

In einem ähnlichen Stil ist das ganze Buch als eine Zwiesprache mit Gott aufgebaut, das überall von Lobpreis und Gebeten, Danksagungen und Bitten durchdrungen ist. Etwa so: „Erhöre, o Gott, mein Gebet, dass meine Seele nicht müde werde unter deiner Zucht und dass ich nicht lass werde im Bekenntnis deines unendlichen Erbarmens, durch welches du mich von allen Irrwegen abgebracht hast, dass du mir süßer wirst als alle Verführungen, denen ich folgte, dass ich dich liebe mit allen Kräften und deine Hand erfasse mit ganzem Herzen und du mich entreißest aller Versuchung bis ans Ende. Denn dir, o Herr, mein König und mein Gott, deinem Dienste sei gewidmet, was ich als Knabe Nützliches erlernte, was ich spreche, schreibe, lese und zähle; wenn ich Eitles erlernte, züchtigtest und vergabst du mir meine sündhafte Lust an solcherlei Eitelkeiten. Und ich lernte durch sie wohl viel nützliche Worte, die aber auch ohne eitle Dinge erlernt werden können, und das ist der sichere Weg, auf dem die Knaben wandeln sollten.“ (S. 17 - 18)

Wer das Buch noch nicht gelesen hat, sollte dies unbedingt noch nachholen. Ich wünschte mir, dass mehr Bücher in diesem Stil geschrieben würden. Mit so viel Gottes- und Selbsterkenntnis, so viel Ehrlichkeit und mit einem Herzen, das vom Gotteslob überfließt.

Mittwoch, 12. November 2014

Eine Singkultur entwickeln

Die letzten Wochen ist es ruhig geworden um meine noch nicht abgeschlossene Serie zum Thema „Lobpreiskultur“. Dies hat nicht nur damit zu tun, dass ich nebst dem Bloggen viel anderes zu tun hatte, sondern auch damit, dass der heutige Teil eine ganz besondere Herausforderung ist. Bisher habe ich mich damit befasst, wie man der Gemeinde das Mitsingen einfacher machen kann (Teil 1, Teil 2, Teil 3, Teil 4). Heute möchte ich den Kern des Problems angehen: Viele Menschen singen nicht mit, weil sie keine Gelegenheit hatten, eine Singkultur zu entwickeln. Noch vor einigen Jahrzehnten war es in manchen Berufen üblich, bei der Arbeit zu singen, aber versuche man dies heute mal in der Firma... Vielerorts würde das nicht einmal geduldet. Stattdessen wurde das aktive Singen durch passive Berieselung durch Radio, CD oder Ähnliches ersetzt.

Heute möchte ich ein paar Vorschläge machen, wie man als Gemeinde eine Singkultur entwickeln kann. Ich habe dazu in den vergangenen zwei Monaten einige Blogs und Predigten von Pastoren anderer Gemeinden gelesen und nach Hinweisen dazu gesucht. Eines ist aber wichtig, bevor ich zu den Vorschlägen komme. Wir müssen versuchen, die Hemmschwelle von Anfang an möglichst tief zu halten. Somit sollten die ersten drei oder vier Teile der Serie zumindest überdacht werden, was in der Hinsicht noch vereinfacht werden könnte.

1. Wir brauchen eine tief gegründete Theologie des Lobpreises
Singen ist nicht nur eine Sache, die uns Menschen gut tut. Das stimmt zwar auch, aber ist sekundär. Primär müssen wir sehen, dass wir einen singenden Gott haben. Dies wird in Zephanja 3,17 deutlich. Und weil Gott ein singender Gott ist und uns nach Seinem Bilde geschaffen hat, dürfen wir ein singendes Gottesvolk sein. Lobpreis ist außerdem eine wichtige Art der Antwort von uns Menschen an Gott – oder auch zuweilen ein Gebet oder eine Frage. Lobpreis kann Wunder tun – so etwa die Türen des Gefängnisses öffnen und manch anderes mehr. Beginnen wir also damit, über die Wichtigkeit und Bedeutung des Lobpreises nachzudenken und lassen unser Herz damit erfüllt sein.

2. Wir brauchen eine gesunde Lehre über den Lobpreis
Aus der tief gegründeten Theologie des Lobpreises folgt die gesunde Lehre in der Gemeinde. Wir Menschen tendieren dazu, die Wichtigkeit von Dingen aufgrund der Häufigkeit zu bewerten. Wenn häufig über den Lobpreis gelehrt wird, werden wir ihn auch als etwas Wichtiges empfinden. So braucht es immer wieder eine Erinnerung daran – und zwar nicht nur vom Lobpreisleiter, sondern auch in der Predigt. Es braucht also Predigten über den Lobpreis. Manche Prediger nutzen auch die Predigt-Einleitung, um ein Thema des Lobpreises noch einmal aufzugreifen und zeigen damit, dass er wichtig ist.

3. Wir brauchen gute Vorbilder im Lobpreis
Menschen brauchen sichtbare Vorbilder. Wenn die Ältesten und Leiter der Gemeinde passiv sind im Lobpreis, werden die übrigen Gemeindemitglieder – insbesondere die Männer unter ihnen – sich das zum Vorbild nehmen. Aktive Vorbilder, die mitsingen und sich auch sonst am Lobpreis beteiligen, haben es leichter, eine Singkultur in der Gemeinde zu etablieren. Dabei ist es unwichtig, ob man darin besonders begabt ist oder nicht – das sichtbare Vorbild macht Welten aus.

4. Wir brauchen Lobpreis in allen Bereichen der Gemeinde
Das ist jetzt eine Frage von Gemeindekonzepten. Der Lobpreis soll nicht auf den Gottesdienst am Sonntag beschränkt sein. Sei es bei Lehr- oder Gebetsveranstaltungen, im Kindergottesdienst oder bei den Royal Rangers (oder Jungschar, Pfadfinder oder wie auch immer man das nennt) und in der Jugend. Wenn möglich auch in Hauskreisen und ähnlichen Veranstaltungen. Wenn viel und häufig die Möglichkeit zum Singen geschaffen wird, fällt es leichter, mit einzustimmen.

5. Wir brauchen singende Familien
Ich denke, hier liegt ein großer Knackpunkt. Wer als Kind in der Familie ganz natürlich zum Singen angeleitet wird, hat es auch im späteren Leben viel leichter beim Mitsingen. Ideal wäre natürlich auch eine musikalische Familie, wo zusätzlich gemeinsam Instrumente gespielt werden. Ich persönlich hatte das Privileg, so aufzuwachsen und kann es nur weiterempfehlen. Dies jedoch von jeder Familie zu verlangen, wäre mehr als unrealistisch. Aber zumindest gemeinsame Zeiten des Singens in der Familie – und sei es zu einer leisen Hintergrund-CD – müsste machbar sein. Die heutigen Kinder werden eines kommenden Tages die Instrumentalisten und Sänger in der Gemeinde sein. Durch die Lieder im Lobpreis wird viel wichtige Lehre über Gott weitergegeben. Man darf nicht vergessen, dass die Psalmen mit ihren wunderbaren Aussagen über Gott das Liederbuch, der „Pfingstjubel“ der Bibel sind. Der Befehl von Kolosser 3,16 gilt auch der Familie, sie ist die kleinste Einheit einer göttlichen Versammlung von Menschen.

6. Wir brauchen Anleitung zu allen diesen Punkten
Zum Schluss möchte ich etwas noch einmal verdeutlichen: Nichts von all dem oben Genannten wird einfach so von selbst passieren. Alle diese Punkte brauchen klare Anleitung und Anweisung – und zwar nicht nur einmal, sondern immer wieder. Wir brauchen immer wieder die Reflektion einer Theologie des Lobpreises. Wir brauchen immer wieder Lehre darüber. Wir brauchen immer wieder Ermutigung und Anleitung dazu, wie das in den verschiedenen Bereichen der Gemeinde und auch des Familienlebens umgesetzt werden kann.


Donnerstag, 6. November 2014

Moralistisch-therapeutischer Deismus: Lösungsansätze

Gestern habe ich den Begriff des „moralistisch-therapeutischen Deismus“ vorgestellt. In einem späteren Kapitel seines Buches „Soul Searching – The Religious and Spiritual Lives of American Teenagers“ versucht Christian Smith, konstruktive Lösungsansätze zu entwickeln. Er kommt zu folgenden Schlüssen (Übersetzung jeweils von mir):

Die beste Art, um die meisten Jugendlichen stärker und ernsthafter in Bezug auf ihre Glaubensgemeinschaft miteinbezogen zu bekommen, besteht darin, ihre Eltern stärker und ernsthafter in Bezug auf ihre Glaubensgemeinschaft miteinzubeziehen. Für Jahrzehnte bestand in vielen religiösen Traditionen die vorherrschende Art der Jugendarbeit darin, die Teenager von ihren Eltern wegzuziehen. In manchen Fällen haben Jugendpastoren sogar begonnen, die Eltern als Feinde zu betrachten. Es gibt ohne Zweifel eine Zeit und einen Platz für Situationen und Aktivitäten nur unter Teenagern; doch unsere Erkenntnisse zeigen, dass insgesamt eine Jugendarbeit am besten im größeren Kontext einer Familienarbeit betrieben wird, dass Eltern als unverzichtbare Partner in der religiösen Formung der Jugend betrachtet werden müssen.“ (S. 267)

Eltern und Glaubensgemeinschaften sollten sich nicht davor scheuen, Teenager zu lehren. Erwachsene zögern nicht, Teenager anzuweisen und von ihnen bestimmte Dinge zu erwarten, wenn es um Schule, Sport, Musik und mehr geht. Aber es scheint eine merkwürdige Zurückhaltung unter Erwachsenen zu geben, Teenager zu belehren, wenn es um den Glauben geht. Erwachsene scheinen häufig nicht mehr zu tun wollen, als Teenager mit dem Glauben in Kontakt zu bringen. Viele Erwachsene scheinen uns beinahe eingeschüchtert zu sein von Teenagers, sie haben Angst davor, als „uncool“ gesehen zu werden. Und es scheint, dass viele Jugendmitarbeiter unter einem großen Druck stehen, die Teenager zu unterhalten. Tatsächlich jedoch glauben wir, dass die meisten Teens belehrbar sind, auch wenn sie selbst das nicht wirklich wissen oder sich anmerken lassen, dass sie interessiert seien.“ (S. 267)

Drittens scheint es uns, dass religiöse Erzieher viel stärker an der Artikulation arbeiten müssen. Wir waren erstaunt, zu realisieren, dass es für viele der Teens, die wir interviewten, schien, als ob unser Interview das erste Mal war, dass irgend ein Erwachsener sie überhaupt gefragt hätte, was sie glaubten. Im Gegensatz dazu konnten sich dieselben Teenagers erstaunlich gut zu anderen Themen äußern, in denen sie ausgebildet wurden, wie etwa das Trinken [von Alkohol], Drogen, Geschlechtskrankheiten und Empfängnisverhütung. Es war auch überraschend, wie viele christliche Teens zum Beispiel sich dabei wohl fühlten, allgemein über Gott zu reden, aber nicht spezifisch über Jesus.“ (S. 267)

Religiöse Gemeinschaften sollten sorgfältiger darüber nachdenken und auch der Jugend helfen, darüber nachzudenken, was die Unterschiede sind zwischen (1) ernsthaftem, gut verständlichem, persönlich überzeugtem und gemeinschaftlichem Glauben gegenüber (2) respektvollem, bürgerlichem Diskurs im pluralistischen öffentlichen Bereich gegenüber (3) anstößigem, offensivem Reden über den Glauben, der lediglich die Leute abstößt. Die meisten Teens in den USA halten sich eifrig an das Zweite und verzichten auf das Dritte von diesen. Aus einem allgemeinen Mangel an Unterscheidung zwischen diesen dreien scheint es, dass das Erste oft verloren geht.“ (S. 268)

Glaubensgemeinschaften würden auch gut daran tun, so denken wir, sich bewusst zu werden, dass eine primär instrumentalistische Sicht vom Glauben ein zweischneidiges Schwert ist. Für viele Eltern sind die religiösen Gemeinschaften gut und wertvoll, weil sie in ihren Kindern gute Ergebnisse erzielen. Viele Gemeinden scheinen daraus Kapital zu schlagen, um an Familien von Kindern und Jugendlichen zu appellieren. Es ist eine empirische Tatsache, dass Jugendliche, die im Glauben engagiert sind, im Leben weiter kommen als Jugendliche, die nicht im Glauben engagiert sind, und zwar aus verschiedenen Gründen. Das kann ermutigend sein für Gläubige. Aber das zur hauptsächlichen Legitimation des Glaubens zu machen, verkommt leicht zu einer „Gemeinde-ist-gut-weil-sie-hilft-meinem-Kind-von-den-Drogen-wegzubleiben-und-die-Benutzungsrate-der-Sicherheitsgurte-erhöht“-Mentalität.“ (S. 270)

Mittwoch, 5. November 2014

Moralistisch-therapeutischer Deismus

Mit dem Begriff „moralistisch-therapeutischer Deismus“ fasst der Soziologe Christian Smith seine Ergebnisse einer groß angelegten Studie in Nordamerika in seinem Buch „Soul Searching – The Religious and Spiritual Lives of American Teenagers“, das 2005 erschien, zusammen. Der Begriff lässt sich mit fünf Grundsätzen festlegen:

1. Es gibt einen Gott, der die Welt geschaffen hat, der sie ordnet und über das menschliche Leben auf der Erde wacht.
2. Gott will, dass die Leute gut sind und nett und fair miteinander umgehen, wie es in der Bibel und in den meisten Weltreligionen gelehrt wird.
3. Das zentrale Ziel im Leben ist es, glücklich zu sein und sich gut zu fühlen.
4. Gott muss nicht besonders ins Leben einbezogen werden, es sei denn,wenn Gott gebraucht wird, um ein Problem zu lösen.
5. Gute Menschen kommen in den Himmel, wenn sie sterben.
(Christian Smith, Soul Searching, S. 162f, Übersetzung von mir)

Das ist also so ungefähr das Glaubensbekenntnis eines großen Teils der nordamerikanischen Jugend von heute. Und vermutlich nicht nur von Nordamerika. Dieses Denken ist schon lange über den großen Teich zu uns herübergeschwappt.

Das Ziel eines solchen Lebens besteht im stets gesuchten Wohlfühlen, ein Wellness-Evangelium nach dem Motto: Ich bin ok, du bist ok, wir sind alle gleich, also sind alle Unterschiede gleichgültig und egal. Christian Smith beschreibt diese Haltung des moralistisch-therapeutischen Deismus mit den drei Stichworten:

Moralistisch: Um ein gutes, glückliches Leben zu führen, müsse man eine gute, moralische Person sein. Wenn man sehe, dass man nicht so gut sei, müsse man einfach versuchen besser zu werden, das sei alles, meinte jemand in einem Interview.

Therapeutisch: Im Zentrum des Lebens stehe das Wohlbefinden, das Sich-gut-Fühlen, Probleme zu lösen, etc. Es geht also nicht mehr um Gott als Zentrum des Lebens, sondern nur um „ich ich ich“, um ich, mich, mein und mir. Gott hat eine Statistenrolle als Glücklichmacher, und damit hat es sich dann auch.

Deismus: Gott hält sich nach dieser Vorstellung weitgehend aus dem täglichen Leben heraus, stellt keine Ansprüche, will nur, dass der Mensch sich wohl fühlt und sein Leben in den Griff bekommt. Solange der Mensch kein Eingreifen Gottes in sein Leben wünscht, hält sich dieser deistische Götze ganz brav aus dem Leben heraus.

Was auffällt, ist die zunehmende Unfähigkeit, den eigenen Glauben klar zu sehen, zu reflektieren und zu artikulieren. Das ist unter anderem auf einen großen Mangel an klarer biblischer Lehre zurückzuführen. Was wir brauchen, ist mehr Bibellehre. Die großen Linien der Heilsgeschichte, die sich als roten Faden durch jedes Buch der Bibel hindurchzieht. Die großen Lehren von der Dreieinigkeit Gottes, von der Menschwerdung Christi, der Erlösung am Kreuz von Golgatha, von der Auferstehung, von Pfingsten und der Anwendung der Erlösung auf unser Leben. Vom rettenden Glauben, der Heiligung und der letztendlichen Verherrlichung. Und ebenso brauchen wir mehr Apologetik, also die Fähigkeit, den christlichen Glauben in Worte zu fassen und ihn zu verteidigen.

Die heutige Jugend lebt in einem Zeitalter, das von einer Vielzahl von Ideologien geprägt ist. In dieser Zeit ist es wichtig, dass man fähig ist, Ideologien an der Bibel zu prüfen. Gott möchte, dass die aufwachsende Generation stark ist und nicht ständig von allen möglichen Ideologien und Lehren hin- und hergeworfen wird. Auch heute hat Gott Menschen eingesetzt, welche die Dienste erfüllen sollen, von denen Paulus schreibt: 

Und Er hat etliche als Apostel gegeben, etliche als Propheten, etliche als Evangelisten, etliche als Hirten und Lehrer, zur Zurüstung der Heiligen, für das Werk des Dienstes, für die Erbauung des Leibes des Christus, bis wir alle zur Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes gelangen, zur vollkommenen Mannesreife, zum Maß der vollen Größe des Christus; damit wir nicht mehr Unmündige seien, hin- und hergeworfen und umhergetrieben von jedem Wind der Lehre durch das betrügerische Spiel der Menschen, durch die Schlauheit, mit der sie zum Irrtum verführen, sondern, wahrhaftig in der Liebe, heranwachsen in allen Stücken zu ihm hin, der das Haupt ist, der Christus. Von ihm aus vollbringt der ganze Leib, zusammengefügt und verbunden durch alle Gelenke, die einander Handreichung tun nach dem Maß der Leistungsfähigkeit jedes einzelnen Gliedes, das Wachstum des Leibes zur Auferbauung seiner selbst in Liebe.“ (Epheser 4, 11 - 16)


Sonntag, 2. November 2014

Robert Letham – Die heilige Dreieinigkeit

Letham, Robert, The Holy Trinity, P&R Publishing Company, Phillipsburg, 2004, 551 Seiten

Wer mich kennt, weiß, dass ich ein begeisterter Leser bin, der an Büchern so ziemlich alles verschlingt, was ihm in die Hände gerät. Doch um dieses Buch zu beschreiben, sind wohl so ziemlich alle Superlative zu klein. Ich möchte es vergleichen mit Jostein Gaarders „Sofies Welt“, das mir vor 20 Jahren den Blick für die interessanten Fragen der Philosophie und die Wichtigkeit der Kulturgeschichte geöffnet hat, oder mit Stephen Kings „Es“, welches ich vor etwa 15 Jahren kaum aus den Händen legen konnte. Doch dieses Buch von Letham ist anders. Es ist kein Roman, sondern eigentlich ein Lehrbuch. Es geht um die biblische Lehre von der göttlichen Dreieinigkeit. In vier Teilen und insgesamt 20 Kapiteln wird dargelegt, was die Bibel dazu sagt, wie sich die Lehre in der frühen Theologiegeschichte entwickelt hat, was wichtige Theologen des 20. Jahrhunderts dazu geschrieben haben und welche praktischen Auswirkungen diese Lehre für unser tägliches Leben haben. Eins ist das Buch allerdings nicht – es ist keine trockene Abhandlung von Lehrsätzen, sondern ein fesselndes Werk, das ich trotz der Länge von über 500 Seiten in wenigen Tagen verschlungen habe.

Zu Beginn – noch in der Einleitung – kommt Letham zum Schluss, dass die Dreieinigkeit nicht nur lange Zeit stark vernachlässigt wurde, sondern auch in der heutigen Zeit häufig zu falschen Lehren führt. Er zeigt auf, dass die Dreieinigkeit – ein Gott in drei Personen und drei Personen in einem Gott – wie eine Schaukel ist, auf der man auf zwei Seiten kippen kann. Wenn man die Einheit Gottes zu stark betont, lehrt man sehr schnell drei Personen, die lediglich verschiedene Erscheinungsformen desselben Gottes sind, und dabei die ewigen Unterschiede zwischen den drei Personen verwischt. Das nennt man „Modalismus“ (von lateinisch „modus“ für „Erscheinungsform“). Auf der anderen Seite steht man in Gefahr, die Unterschiede der drei Personen zu stark zu betonen, was dazu führt, dass man Gott Sohn (Jesus) und den Heiligen Geist zu niedrigeren Personen macht als Gott Vater. Das nennt man „Subordinationismus“, weil man damit den Sohn und den Geist dem Vater unterordnet. Letham zeigt auf, dass die meisten Christen in unserer westlichen Gesellschaft in der Praxis Modalisten sind.

Darauf folgt in den ersten drei Kapiteln ein relativ schneller Durchgang durch die Bibel. Im ersten Kapitel geht es um das Alte Testament, in welchem vor allem der eine Gott betont wird. Israel lebte unter fremden Völkern, die allesamt polytheistisch geprägt waren, also an viele Götter glaubten. Deshalb musste der eine Gott betont werden. Und trotzdem gab es implizit immer wieder Hinweise auf die Mehrzahl der Personen der Dreieinigkeit. Im zweiten Kapitel geht es um die Menschwerdung Jesu und die Beziehung Jesu zum Vater, während sich das dritte Kapitel speziell mit dem Heiligen Geist und mit den Abschnitten befasst, in welchen alle drei Personen genannt werden. An das dritte Kapitel ist ein Exkurs angehängt, der sich noch im Detail mit der Dreieinigkeit im Epheserbrief befasst. Damit ist der erste Teil „Scripture“ abgeschlossen. Mit 88 Seiten ist der Platz recht knapp bemessen, aber Letham schafft das Erstaunliche, so ziemlich alles total Wichtige in diese Seiten hineinzulegen. Die Fußnoten sind auch immer einen Blick wert und haben mir manch ein weiteres Buch schmackhaft gemacht. So ähnlich geht es mir beim Lesen von guten Büchern oft: Ein Buch ist abgehakt, dafür ein gutes Dutzend neue auf der Liste.

Der zweite Teil besteht aus den Kapiteln vier bis zwölf. In diesen wird die Auseinandersetzung um die Lehre von der Dreieinigkeit behandelt. Letham zeigt, dass die biblische Idee von der Dreieinigkeit, die ja bereits im Neuen Testament deutlich angelegt war, von Anfang an in der frühen Kirche anerkannt war. Der Begriff selbst kam jedoch erst auf, als eine erste Bewegung diese Lehre verwerfen wollte und man sie daher begründen musste. So befasst sich das vierte Kapitel mit den ersten Christen, das fünfte mit dieser ersten Gegenbewegung, mit der arianischen Kontroverse. Im sechsten Kapitel wird uns Athanasius vorgestellt, der als Erster eine extensive Abhandlung über den Heiligen Geist geschrieben hat. Das siebte Kapitel berichtet von den drei „kappadozischen Vätern“, die aus der Gegend von Kappadozien stammten, weshalb man sie so nannte. Diese drei, Basilius der Große, sein Bruder Gregor von Nyssa und deren beider Freund Gregor von Nazianz, haben sich alle drei sehr stark mit den Fragen um die Dreieinigkeit befasst. Die Beschlüsse des Konzils von Konstantinopel 381 n. Chr gehen in großen Teilen auf diese drei zurück. Das Konzil selbst und das Glaubensbekenntnis, das dort geschrieben wurde, wird im achten Kapitel angesprochen. Das neunte Kapitel zeigt den Einfluss von Augustinus auf. Dann kommt eine längere Zeit, in der wenig geschehen ist. Die Sicht von Augustinus war für den westlichen Teil der Kirche wichtig, die Arbeit der kappadozischen Väter für den östlichen Teil der Kirche, doch zunehmend wurden die Differenzen größer. Die Ostkirche betonte immer mehr die Unterschiede der drei Personen, die Westkirche immer mehr die Einheit. Was daraus folgte, war 1054 n. Chr die Trennung der beiden Kirchen in die katholische und die orthodoxe Kirche. Letham zeigt diese Entwicklung und die Spaltung in den Kapiteln zehn und elf auf, und widmet das zwölfte Kapitel dem Reformator Johannes Calvin.

Im dritten Teil geht es in den Kapiteln 13 – 16 um die wichtigsten Theologen des 20. Jahrhunderts. Zuerst um Karl Barth. Dieser hat die Dreieinigkeit als Zentrum der Theologie aufgestellt. Seine Schwäche ist jedoch, dass er den Heiligen Geist nicht als Person, sondern vielmehr als eine Kraft betrachtet. Im Kapitel 14 geht Letham auf die drei westlichen Theologen Karl Rahner, Jürgen Moltmann und Wolfhart Pannenberg ein. Alle drei neigen zu einer Art Panentheismus (der Lehre, dass Gott zwar von der Schöpfung zu unterscheiden ist, aber dass Gott in der Schöpfung und die Schöpfung in Gott ist und deshalb Gott von der Schöpfung oder vom Menschen in gewisser Weise abhängig ist). Letham beschreibt dies natürlich weitaus ausführlicher, ich empfehle jedem, der dies anders sieht, das Kapitel bei Letham selbst zu lesen. Drei Theologen der Ostkirche werden im Kapitel 14 beschrieben: Sergius Bulgakov, Vladimir Lossky und Dumitru Staniloae. Wie bereits gesehen, ist die Gefahr im Osten groß, dass man die drei Personen zu stark betont, was auf Kosten der Einheit des einen Gottes zu drei einzelnen Göttern führt. Das 16. Kapitel stellt den Theologen Thomas F. Torrance vor, dessen Auseinandersetzung mit der Dreieinigkeit laut Letham die stärkste ist unter den wichtigen zeitgenössischen Beiträgen. Torrance hat unter Karl Barth studiert, ist aber kein typischer Barthianer, sondern versucht auf kreative Weise zu zeigen, dass sich die östliche und die westliche Kirche im Prinzip eben doch nicht so sehr unterscheiden. Er möchte mehr Einheit unter den Kirchen erreichen. Er geht deshalb hinter Augustinus zurück, dorthin, wo sich alle noch einig waren über das Wesen der Lehre von der Dreieinigkeit.

Der vermutlich wichtigste Teil für unsere Zeit ist der krönende Abschluss des Buches. In den Kapiteln 17 – 20 geht es um die Praxis. Letham zeigt, welche Konsequenzen die Lehre von der Dreieinigkeit für unser Leben im Alltag und in der Gemeinde hat. Hierzu ein paar wichtige Zitate:

We worship the Father, who chose us in Christ before the foundation of the world, who planned our salvation from eternity, who sent his Son into the world and gave him up for us. We worship the Son, in filial relation to the Father, who willingly "for us and our salvation" was made flesh, who submitted himself to a life in a fallen world, who trod a path of lowliness, temptation, and suffering, leading to the cruel death of the cross. [...] We worship the Holy Spirit, who gives life and breath to all, who grants us the gift of faith, who sustains us through the difficulties of life as Christians in a world set in hostility to God, and who testifies the Son.“ (S. 419)

There is a need to refocus Western hymnody. We need more Trinitarian hymns. There was an outpouring of such hymns following the Trinitarian crisis, but by the high Middle Ages this had slowed to a trickle, eventually to dry up altogether.“ (S. 422)

Chief of all, the Trinity must be preached and must shape our preaching. Preaching is the high point of worship. Not only must the Trinity be preached, but all preaching must be shaped by the active recognition that the God who is proclaimed is triune. A Trinitarian mind-set must become as integral to the preacher as the air we breathe.“ (S. 423)

Who can listen to [Beethoven's] Piano Trio in B-flat, Op. 97 (the "Archduke"), especially the third movement - the andante cantabile - and not be led behind the mundane? The question of Beethoven's beliefs is beside the point. It is irrelevant. He was a man, made in God's image, the master of a creative medium that God himself has made for our good and as a vehicle to glorify him. He was working with a genre that owed its development to the Christian faith. The whole notion of developing a theme, of moving progressively and purposefully to a goal, of returning after a myriad of complex modulations to a resolution, of a variety of instruments playing different notes that are all part of a single score, is based on the matrix of realities found in the created order, which the Holy Trinity put there in the work of creation itself, and reflects who he is. The turbulent rationalist Beethoven, the angst-ridden Mahler, the syphilitic Schubert, the scatological Mozart, as well as the pious Bruckner and Johann Sebastian Bach, all testify - whether deliberately, as in the case of the last two, or unwittingly - to the triune God who made them and the world around them, to his unity in diversity, purpose, structure, and beauty, which such human creativity mirrors.“ (S. 438f)

The two major challenges to the Christian faith today - the postmodern thinking of our own culture and Islam - are both deviations from the created order of unity in diversity and diversity in unity that the Holy Trinity has embedded in the world.“ (S. 442)

Postmodernism asks us to accept for itself what it denies to everything and everyone else. It denies and deconstructs absolute truth claims, yet its own claims are absolute, excluded from the relativism that it foists on the assertions of others. It claims that all human language refers only to itself. This is an absolute claim, applying to all human discourse, spoken or written. It is also reductionistic, reducing the whole of reality to one form, in this case a particular theory of language. Such reductionism is not a claim about language so much as a philosophy, a worldview, a fundamentally religious worldview.“ (S. 453)

Since God himself is love (1 John 4:16), and we have fellowship and communion with him, love is the acid test of our discipleship. If we love others, we belong to Jesus Christ. If we lack love, we are not his at all. God is a triune communion of persons. Love is intrinsic to who he is. Attributes like grace, mercy, justice, and even holiness are all relative to creatures. His wrath is relative to sinners, as the expression of his holiness in response to human sin. Love, however, belongs to who he is in himself in the undivided communion of the three persons.“ (S. 477)

Das Buch ist ein echter Genuss. Es ist leicht verständlich geschrieben, wenn auch mit einigen theologischen Fachausdrücken. Diese werden jedoch bei der Einführung des jeweiligen Begriffs sehr gut, anschaulich und verständlich erklärt. Wer also einigermaßen geübt ist im Lesen von englischen Texten und die Angst vor den Fremdwörtern überwinden kann, wird das Buch auch ohne theologische Vorbildung verstehen. Außerdem ist nach den zwei Appendizes (Anhängen) auch ein Glossar angehängt, in welchem die Fremdwörter auf insgesamt 7 Seiten noch einmal erklärt werden. Auch hier wieder verständlich und einfach. Auch ist das ganze Buch von Bibelzitaten geradezu durchtränkt und hat mich immer wieder in Lobpreis geführt beim Lesen. Es ist auch wohltuend, wie Letham sich konstruktiv-kritisch mit den Beiträgen auseinandersetzt. Es geht ihm nicht um das Abkanzeln bestimmter Autoren, sondern er sucht das Gespräch mit den Büchern der einzelnen Autoren und setzt sich wirklich konstruktiv mit ihnen auseinander. Davon will ich mir noch eine Scheibe abschneiden.

Zwei kleine Mängel sind mir dennoch aufgefallen. Zunächst gibt es Abschnitte im Buch, die mehrmals mehr oder weniger eins zu eins identisch übernommen werden. So etwa wichtige Zitate von den kappadozischen Vätern. Eins davon erscheint in der Einleitung, dann im Kapitel über die Kappadozier und im letzten Teil des Buches, bei der praktischen Anwendung gleich noch ein drittes Mal. Mit einzelnen anderen Abschnitten verfährt Letham ähnlich. Das fand ich etwas schade. Auch die Auswahl der Theologen – gerade was Mittelalter und Reformation, sowie die Zeit danach betrifft, empfand ich als etwas dürftig. Warum bei der Behandlung der Reformation etwa Martin Luther, Huldrych Zwingli oder Heinrich Bullinger gänzlich außen vor gelassen wurden, konnte ich nicht verstehen. Ebensowenig die Aussage, dass John Owen und Jonathan Edwards keine nennenswerten neuen Beiträge zur Lehre von der Dreieinigkeit beigetragen hätten (vgl. S. X im Vorwort), kann ich nicht unterschreiben.

Davon abgesehen möchte ich das Buch sehr empfehlen. Es wäre außerdem zu wünschen, dass das Buch auf Deutsch übersetzt und herausgegeben werden könnte.