Donnerstag, 23. Februar 2017

Gastbeitrag: Ich habe abgetrieben und bereue es!


Wer meinen Blog regelmäßig liest, weiß, dass ich hin und wieder etwas für das Leben und gegen die Abtreibung schreibe. Oft bekomme ich als Antwort, dass ich als Mann dazu nichts zu sagen hätte. Jutta hat sich nun bereit erklärt, einen Gastbeitrag zu schreiben, in welchem sie zu ihrer Abtreibung und deren Folgen, aber auch zum Weg der Heilung von dieser Entscheidung berichtet. Ich habe sie gebeten, zunächst etwas über sich selbst zu schreiben, damit wir ihren Hintergrund besser verstehen können. Vielen Dank für den mutigen und offenen Bericht, Jutta!

Ich bin seit ca 5 Jahren im Glauben, mit anfangs noch einigen Ausrutschern in die feministische Theologie.. und bin auch momentan ohne Gemeinde. Das aber ist ein anderes Thema. Ich tendiere aber eher zu den Brüdergemeinden und einer sehr nüchternen, "strengen" Auslegung ... die aber, wie ich mittlerweile glaube, tatsächlich daher rührt, dass ich so lange in der Welt gelebt habe, nämlich knapp 47 Jahre .. und ziemlich genau weiß, was die Welt mit einem macht ... das konnte ich ja nun an mir beobachten und auch an anderen. (Vor allem was das leidige Thema „Musik“ betrifft .. und die Gefahren, die moderne Musik mit sich bringt.)

Ich war in meinem "früheren" Leben, in dem die Abtreibung stattfand, Schauspielerin. Richtige, ausgebildete Schauspielerin und habe auch einige Engagements gehabt, konnte tatsächlich eine Zeit lang von dem Beruf leben, was nicht selbstverständlich ist. Zur ganz großen Karriere, obwohl man mir die mehrmals prophezeit hat, kam es nie. Ich war schön, süß, auch begabt - sicher nicht brillant, hatte aber doch das gewisse Etwas, das Geheimnisvolle. Das haben mir vor allem auch die weiblichen Kollegen bestätigt – ganz wichtig! Denn Männer sind sehr unzuverlässig in der Beurteilung von Frauen, da in dieser Branche, ebenso wie in der Musik, alles selber schuld ist, was nicht bei drei auf den Bäumen ist ... und der Sinnenrausch erfasst einen ... unterstützt durch Drogen und Alkohol, vorwiegend.

Ich war süchtig nach Leben - aber sehr gehemmt - süchtig nach großen Erlebnissen - aber viel zu langweilig und normal und vernünftig um in die völlig "abgefahrenen" Kreise aufgenommen zu werden. Ich hatte zu nichts eine wirkliche Beziehung. Ich war eine schöne, leblose Maske. Das ist die eine Hälfte. Gleichzeitig war da natürlich, wie bei jedem Menschen, egal ob Mann, Frau oder Kind ... die Sehnsucht nach Liebe. Nach Angenommen werden. Nach Zuhause. Ich war auch sensibel, fürsorglich, feinfühlig, kontaktfreudig, neugierig, interessiert an Menschen, an Philosophie ...

Ja, ich bin ohne Gott aufgewachsen. Aber meine Eltern sind für meine Entscheidung nicht mitverantwortlich zu machen. Ihre Erziehung ist nicht verantwortlich für meine Entscheidung damals. Ja, wir hatten kein gutes Verhältnis. Aber meine Eltern sind seit über 57 Jahren verheiratet und das die größte Zeit glücklich. Sie nehmen einander bedingungslos an und sind gemeinsam durch alles durchgegangen. Es war ganz allein meine eigene Entscheidung damals ... und wer weiß, hätte ich über meinen Schatten springen können damals .. vielleicht hätte ich das Kind bekommen. Allerdings war ich in keiner festen Beziehung, ich hatte, was man so landläufig eine Affäre nennt, und eine zweite, parallel dazu, bahnte sich an. Denn ich wusste ja, dass die Affäre, die ich hatte und der letztendlich der Vater des Kindes war, wie ich nach längerem Überlegen doch herausgefunden habe, sich von seiner damaligen Freundin nicht trennen würde. Das hat er mir ganz deutlich zu verstehen gegeben, als wir diese Liebelei begannen. Naja, Frauen denken ja dann oft: ich schaff das schon, dass er sich ganz zu mir bekennt ... und hoffen und hoffen ...

Ich betrieb das, was die Bibel Hurerei und Unzucht nennt. Nicht wahllos ... es gab auch lange Zeitabschnitte, in denen ich allein war und das auch gut aushalten konnte ... aber ich hatte nie eine gesunde Sexualität. (Also, es gab keine Verdrehtheiten, letztendlich, was ich damit sagen will, mit gesunder Sexualität ist: dass ich meiner Begierde sofort nachgegeben habe und der des Mannes, in der Regel. Wobei es die Frau ist, die aussucht .. wenn es normal läuft und wenn sie das Signal gibt .. auf welch geheimnisvolle Weise das auch immer ablaufen mag, kommt der Stein ins Rollen.) Auch das hat nur mit mir zu tun, mit meinen Anlagen, mit meiner eigenen Schändlichkeit und nichts mit der Erziehung. Denn meine Eltern haben mir ja eine treue Ehe vorgelebt.

Als ich schwanger war, habe ich das die ersten zweieinhalb Monate aber gar nicht registriert. ich hatte damals kein gutes Verhältnis zu meinem Körper, und dass die Regel ausblieb, das habe ich gar nicht so bewusst wahrgenommen, bis es mir dann doch merkwürdig wurde... Damals lebte ich in einer Einzimmerwohnung, hatte die Ausbildung abgeschlossen, war bei einer renommierten Schauspielagentur, die mich vermitteln sollte ... und lebte von Arbeitslosenhilfe. Alle Bewerbungen und Versuche, an Arbeit zu kommen, waren fruchtlos gewesen. Meinen Liebhaber habe bei den ersten Dreharbeiten, die ich in meinem Leben erlebt hatte, kennengelernt. Als Hauptrolle. Er hat nie erfahren, dass ich schwanger war.

Es gab dann noch - heute würde ich behaupten wollen, dass GOTT mir damit einen Ausweg zeigen wollte, ich war aber zu verstört, um dieser Frau, die mir auch wenig seltsam erschien ... zu vertrauen. Sie hatte mir angeboten - sie traute mir auch etwas zu ... sie fand meine Begabung, auch sprechtechnisch für entwicklungsfähig und sie hatte ein sehr feines Ohr - mir zu helfen. Ich solle das Kind bekommen und dann würden wir weitersehen.

Ich sehe uns noch in ihrer kleinen Küche sitzen, in ihrer Wohnung, die ziemlich überfüllt war - eine kultivierte, leise und doch etwas seltsame Frau ... wie ich ihr das alles erzähle … Ich wünschte heute, ich hätte diese Hilfe angenommen. Es hätte einem Menschen das Leben gerettet und es hätte für mich bestimmt auch andere Arbeit gegeben, als die der Schauspielerin, denn wirklich geeignet war ich ohnehin nicht - mir fehlte dieser "Killerinstinkt", dieser unbedingte Ehrgeiz es zu schaffen. Ohnehin liebte ich das Theater und wollte mithelfen, die Welt zu verändern. Der Welt einen Spiegel vorhalten. Das Katharsiserlebnis.

Heute weiß ich, dass das niemals funktioniert und dass auch Brecht sich getäuscht hatte, als er sein episches Theater "erfand" .. um die Welt und die Gesellschaft zu erziehen, verändern, aufzurütteln. Brechts Lieblingslektüre - so habe ich es mal gelesen - war die Bibel. Er hat auch Stücke geschrieben ... die den Menschen besser machen sollten .. aber er ist gescheitert. Die Synthese aus Bibel und Theater funktioniert nicht.

Ich wollte zwar mithelfen, die Welt zu verändern, bin aber selbst tragisch daran gescheitert, mein eigenes Leben auf die Reihe zu bekommen, und habe mich - nachdem ich aufgrund meines Unwohlseins und meiner Irritation endlich den Ganz zum Frauenarzt gewagt habe - fast ohne Gefühl, bzw. mit dem Gefühl der Hilflosigkeit, des Überfordertseins, des Ärgers - zur Abtreibung entschieden .. ich musste mich schnell entscheiden - auch damit war ich überfordert, denn ich war schon in der 10. Woche. Und Abtreibungen sind ja nur bis zur 12. Woche erlaubt. Und wir hatten verhütet ... zu der Zeit habe ich keine Pille genommen ... aber es gibt ja noch andere Möglichkeiten … Hätte ich noch etwas gewartet ....

Ich bin dann zum vorgeschriebenen Termin bei Pro Familia ... konnte glaubhaft machen, dass ich mit dem Vater keine Beziehung habe, auch nicht will ... das Kind ohne Vater ... usw .. wenn ich das jetzt schreibe, kommt mir das ungeheuer kaltblütig vor .. was es ja auch war. Anstatt die Konsequenzen anzunehmen .. war ich bereit lieber zu töten, als zu riskieren, das Kind ohne Vater zu bekommen, und zu haben ... und es wäre ja auch möglich gewesen, noch jemanden kennenzulernen … Und dann ging alles ganz schnell ... ich habe dann sofort einen Termin in der Klinik bekommen .. meine damalige Agentur und Schauspiellehrerin haben mich "beglückwünscht" dass ich eine "vernünftige Entscheidung getroffen habe ... eine damalige gute Bekannte, die, wie ich später erfahren habe, drei Abtreibungen hinter sich hat, und ich war wie gefühllos ... ich habe wirklich gar nichts gefühlt. Weder Erleichterung noch Trauer. Schmerzen hatte ich - wie es mir schien - nur körperliche.

Danach verlief das Leben wie immer. Ich habe nicht eine lange, funktionierende Partnerschaft erlebt, geschweige denn eine Ehe. Ich habe keine Kinder. Ich bin aber auch nie wieder schwanger geworden - ich habe mir dann später die Spirale einsetzen lassen. Weil ich diese Hormone der Pille nicht mehr wollte. Heute weiß man, dass mit Pille und Spirale auch so etwas wie Abtreibungen stattfinden ... das ist dann der Empfängnisschutz. Wobei ich sicher bin, dass es natürliche Empfängnisverhütungsmittel gibt ... und die Temperaturmessmethode kann auch funktionieren. Allerdings ist man dann halt weder allzeit bereit noch allzeit verfügbar.

Ich bin absolut sicher, dass meine Depressionen - wobei ich schon immer - trotz aller Lebensgier - ein doch auch sehr nachdenklicher Mensch gewesen bin, kompliziert, hochsensibel - meine Selbstmordgedanken, meine Lebensangst ... vielleicht nicht ursächlich vom Schwangerschaftsabbruch, also der Tötung meines Kindes herzuleiten sind, aber die Anlage dazu massiv verstärkt wurde. Was mich davon überzeugt hat, dass wir, vor allem die Frauen, im tiefsten Inneren wissen, dass es Mord ist und etwas zutiefst Verbotenes und Abscheuliches, ist, dass wenn man jemandem von der Vergangenheit erzählt, diese Sache meistens verschweigt. Ich habe eine gute Bekannte verloren, weil ich es ihr erzählt habe. Auch noch einer Frau, die unbedingt ein Kind wollte, aber keines bekommen konnte ... ich wollte aber nichts verschweigen ...

Selbst (oder vor allem?) Mitchristen konnte ich davon kaum erzählen, aus Angst verurteilt zu werden und eine nicht vergebbare Sünde begangen zu haben. Interessanterweise hatte ich weniger Angst vor GOTT als vor den Menschen. GOTT hat mich durch die Trauer geführt und ER weiß, dass ich wirklich, zutiefst und lange getrauert habe. In meiner Vorstellung wäre es ein Mädchen gewesen, mit lockigen braunen Haaren, darin hätte es seinem Vater geähnelt.

Als ich dann eine Weile im Glauben war, begann mich die Frage zu bewegen: wo ist mein Kind jetzt ? Ist es im Himmel, ist es verdammt aufgrund dessen, was ich, die Mutter, zu verantworten habe. Was wird der Herr Jesus mir sagen, wenn ich dereinst mal vor IHM stehe .. werde ich das Kind kennenlernen, welches Alter wird es haben, in welchem Zustand werde ich es antreffen ... ? Ich habe dann von Norbert Lieth einen Vortrag gesehen, und ich denke, es ist im Himmel, beim Herrn. Es ist gut aufgehoben ... aber ich habe mir durch eigene Schuld ein Glück und eine Wachstumsmöglichkeit genommen... und eine Aufgabe zu erfüllen, die mir wohl durchaus zugedacht war. Mutter zu sein.

Ich habe ganz lange nichts mit Kindern zu tun haben können .. und in der Gemeinde, in der ich doch eine längere Zeit war, die viele Kinder hat ... fiel mir das sehr schwer. Erst habe ich gedacht, weil ich Lärm nicht gut vertrage und Durcheinander ... und wirklich sehr schnell überfordert bin ... das hätte nur damit zu tun. Aber es ist ja so, dass, wenn man spät zum Glauben kommt, viel aufzuarbeiten hat im Licht der Bibel. Und ich hatte keinen Seelsorger, der mich aufgefangen hätte ... so hat vieles wahrscheinlich auch länger gedauert und ich habe auch bestimmt vieles erst sehr langsam verstanden ... überhaupt bin ich sehr langsam und auch eine sehr langsame Bibelleserin ... ich habe immer die neuen Christen beneidet, die zum Glauben kamen, flugs die Bibel gelesen und verstanden und entweder - als Mann - sofort gepredigt habe - oder als Frau tausende "Werke" in Angriff genommen …

Da hinke ich absolut hinterher. Ich habe genug damit zu tun meinen Alltag auf christliche Art und Weise zu bewältigen (Gal 5, 22) .. diese "Werke" zu tun .. zu erkennen, wo und wie ich Zeugnis geben kann … Und im Zuge dessen, habe ich gemerkt, als ich die Abtreibung aufgearbeitet habe, dass ich diese Scheu vor Kindern, diese Angst, mit diesem Erleben zu tun hatte. So langsam lässt das nach. Ich liebe Kinder. Ich kann nach wie vor (wir haben hier, wo ich wohne , viele Kinder) den Lärm schlecht ertragen ... bin nach wie vor schnell überfordert ... aber trotzdem ist es anders geworden, seit der Herr Jesus mein Heiland ist.

Wie viele Frauen wurden grade von Christen im Stich gelassen, weil sie schwanger wurden .. unverheiratet ... aus Unvorsichtigkeit, Leichtsinn ... und es gab ja damals vor allem die christlichen Grundsätze, nachdem ja auch - wenn ich das richtig überblicke - unser Grundgesetz gestaltet ist. Frauenhäuser wurden gebaut, damit diese Frauen ihre Kinder bekommen konnten ... denn Abtreibung, die es zwar gibt, seit es Menschen gibt ... war ja damals verboten und wurde vom Staat bestraft. Ja, sie muss auch "bestraft" werden ... die Frage ist eben nur wie.

Eines weiß ich auf alle Fälle: keine Frau macht es sich einfach mit dieser Entscheidung ... auch wenn es so wirken mag ... selbst wenn die Ausrede auch ist: kein Geld, Karriere.. usw … Dass dies alles so fabrikmäßig abläuft in unserer modernen, westlichen, sogenannten zivilisierten Welt, ist, denke ich, mit ein Erbe, dass es hier gelingt, den Menschen immer mehr zu entmenschlichen.

Ihn zu reduzieren auf: Steuerzahler. Erfolgreich. Studium. Eigenes Haus. Schicke Frau. Schicker Mann. Erstmal das Leben genießen. Kinder ? OH, zu anstrengend, Dann kann ich nicht in Urlaub fahren, nicht mehr machen was ich will.

Wo und wie werden die Mütter, die auf so vieles verzichten, geehrt ? Was bleibt am Ende eines tätigen Mutterlebens übrig, wie soll eine Mutter von der Rente, die ihr zusteht, eben weil sie Kinder aufgezogen hat, anständig leben ?

Überall grinst einem die "Sexyness" von den Plakaten an .. Lüsternheit allüberall ... und wenn es ein Problem gibt ... hat man für alles eine Lösung? Kein Wunder, dass diese unsere Gesellschaft nicht respektiert wird ... und die Christen viel zu wenig und zu handzahm sind. ( Davon nehme ich mich nicht aus. )

Was kann man tun?
Die Geschichte von Jesus erzählen, dass ER uns alle liebt .. und dass auch die Frau geliebt ist, die versagt hat, dass das werdende Leben gewollt ist und geliebt wird ... dass jemand da ist der beisteht, dass finanziell und wohnungsmäßig gesorgt wird .. aber auch eine konsequente Aufarbeitung, wie eine solche Entscheidung entstehen konnte .. . und auch den WERT des Lebens aufzeigen. Das biblische Bild von Sexualität und Ehe klar aufzeigen und bewusst machen, dass Sexualität etwas sehr Kostbares ist ... und von GOTT keinesfalls verboten .. dass aber in der Ehe die Sexualität am Besten aufgehoben ist. Frauen bewusst machen, wie billig sie sich machen, wenn sie sofort mit einem Mann ins Bett gehen und sich überreden lassen so nach dem Motto: wenn du mich liebst .. Männer, die so reden, taugen nicht viel. Das müssen Frauen endlich kapieren und nicht so größenwahnsinnig sein und meinen: sie würden den Mann heilen, retten, eines Besseren belehren usw …

Klarmachen, wie eine Abtreibung das Kind tötet ... dass es wirklich gefoltert wird, im Mutterleib, und dass es lang dauert, es klammert sich ans Leben .. es ist kein Zellhaufen, es hat schon Bewusstsein! Im Buch von Lothar Gassmann gibt es Bilder dazu ... grauenhaft. Aber das darf nicht verschwiegen werden, denn irgendwann findet man das sowieso heraus …

Man kann aber keine Frau überreden, ihr Kind zu bekommen und Liebe kann ebenso wenig verordnet werden ... Und mittlerweile gibt es glücklicherweise viele säkulare Psychologen, die ebenso die Gefahren und Spätfolgen einer Abtreibung aufzeigen können.

Wie ich trotz dieser Entscheidung heil geworden bin?
Nun, das war der Schritt zu lernen, dass GOTT mich ganz und gar angenommen hat, so wie ich bin ... dass ich aber nicht so bleiben kann, wie ich bin. Dass ER mich verändern muss und dass ich dazu ja sagen muss … Es geht ja auch darum, beten zu lernen ... zu benennen, was ist .. nicht nur zu sagen: ach, der HErr weiß ja, dass es mir leid tut, es reicht wenn ich das denke ... ER weiß ja alles ... und da fing ich dann an, mich mit meiner Vergangenheit auseinanderzusetzen ... im Licht der Bibel .. so gut wie ich das eben konnte allein .. ich hatte zwar schon eine Menge guter Gespräche ... mit einer Gläubigen aus einer russlanddeutschen Gemeinde ... aber ich habe mich zurückgehalten. Ich konnte meine Trauer ihr gegenüber oder auch anderen nicht zulassen, oder formulieren und mir sozusagen Trost holen .. vielleicht geht das, was dieses Thema betrifft, auch nicht ... es ist zu persönlich ... es ist interessanterweise leichter, darüber zu schreiben als zu sprechen …

Aber ich weiß, dass ich egal wo ich war, egal was ich gemacht habe, damit fertig werden musste, dass ich in Gottes Augen Gott selbst gespielt habe, dass ich gemordet habe, und dass ich Menschen - das wurde mir sogar erst kürzlich richtig klar, als ich in der Zeitschrift „idea“ gelesen habe über diesen Klinikchef, der zurückgetreten ist, weil er in seiner Klinik keine Abtreibungen mehr haben will .. - mit in dieses Verbrechen gezogen habe .... das ist so schlimm, dass man das erstmal gar nicht wahrhaben will ... man sucht Ausflüchte .. Begründungen ... und weiß doch in der Tiefe des Herzens um die Sünde und Schande ... ich habe immer und immer wieder mir gewünscht, die Zeit zurückdrehen zu können ... um das alles ungeschehen zu machen ... und geheult und geheult …

Dabei wusste ich aber, dass GOTT mir wirklich vergeben hat ... aber da kommt jetzt das berühmte: " ich kann mir aber selbst nicht vergeben " ... und das ist ja sehr zwiespältig ... : man braucht eine Weile um zu begreifen, dass man sich bzw. ich mich damit über Gott setzt - gesetzt habe.. weil ich erst wirklich lernen musste , dass GOTT die Macht hat, jede Sünde zu vergeben .. dass das Sühnopfer Jesu, Sein Blut wirklich reinwaschen kann .. wenn man aufrichtig bereut ... und Buße tut .. umkehrt ... und dass GOTT auch vergeben will ... aber zu Seinen Bedingungen.

Die Heilung geschieht prozesshaft und es gibt keinen Zeitpunkt, von dem an man sagen kann: jetzt bin ich geheilt. Zudem ist das ein Schmerz, der hier auf Erden niemals ganz verschwinden wird … und die Folgen und Konsequenzen sind hart. Ich bin davon überzeugt, dass man davor zurückschreckt, Menschen, die man neu kennenlernt, oder vielleicht sogar einen potentiellen Ehemann (also, in meinem Fall ist das nun nicht mehr relevant ;-) ) alles zu erzählen, wirklich offen zu sein ... denn die meisten sogar weltlichen Menschen haben ein Problem mit Frauen, die abgetrieben haben, da kann man noch so modern tun. Eher noch gibt man einen schweren Betrug zu.

Also steht da immer etwas im Raum, vielleicht nicht sehr fassbar, nicht groß ... aber es ist da ... vor allem die bange Frage: inwieweit hat mir der Eingriff auch körperlich geschadet? Kann man noch Kinder bekommen? Aber so nach zwei Jahren – und in diesem Prozess auch das Lernen, dass es gar nicht wichtig ist, dass ich mir nicht selbst vergeben kann, weil es nicht auf mich ankommt ... ebbte diese große Trauer ab …

Ich denke auch, man kann jemandem nur Mut machen, sich ganz fest an Gott zu klammern und an Seine Liebe und Vergebung glauben ... und einfach da sein. Sagen kann man nichts und man muss dem entgegenwirken, wenn gesagt wird: ich kann mir selbst nicht vergeben. Darauf kommt es nicht an, denn das Opfer Jesu ist ausreichend ... mehr als das ... und in diesem Prozess klein zu werden und schwach und hilflos ... und das zuzulassen ... und genug Raum für Trauer ... es gibt wenig Menschen, die Trauer aushalten können. Auch im christlichen Bereich hat man ganz schnell Angst vor Selbstmitleid. "Reiß Dich zusammen", etc. All diese Beschwichtigungen. Und gerade jetzt, da ich das schreibe, wird mir ganz neu die Bedeutung des „Seid still“ klar (Psalm 46, 11).

Heilung kommt auch durch die tägliche Stille Zeit. Der Eine oder Andere wird auch einen Tag Pause brauchen, um das zu verarbeiten, da sollte man kein Drama draus machen, Zeit Bibel zu lesen und zu beten ... und man muss sich nicht immer konkret mit diesem Thema auseinandersetzen .. wer kennt das nicht, dass man ohnehin gewisse Bereiche im Leben mit zunehmendem Verständnis der Bibel immer wieder neu sehen lernt .. immer besser erkennt, wo die eigenen Schwächen liegen und falschen Standpunkte und ebenso lernt, zu loben und zu danken .. dass GOTT vergeben hat ... dass wir IHM vertrauen dürfen, dass egal was Menschen sagen, ER zu Seiner Zeit schenken wird, was wir brauchen .. dass wir aber immer Seiner Liebe gewiss sein dürfen.

Für Menschen mit tiefen Wunden und Depressionen, Selbstmordabsichten ist es wichtig, sich dieser Liebe bewusst zu sein ... und gewiss .. und alles "Ich" abzugeben ... zu erkennen, dass wir nichts in der Hand haben ... und dass wir das auch gar nicht müssen.


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