Nachdem
ich vor ein paar Tagen die Rezension
zum Buch „Die Feuerschreiber“ hier im Blog veröffentlicht
habe, nahm ich Kontakt mit der Autorin Claudia Schmid auf. Ihr durfte
ich ein paar Fragen zu ihrem Buch, ihrer Arbeit und der
Reformationszeit stellen. Nachfolgend meine Fragen mit den Antworten
von Frau Schmid.
1.
Hallo Frau Schmid, bitte stellen Sie sich doch einmal kurz vor: Ihren
Werdegang und besonders auch wie es zu Ihrem Interesse an der
Reformation gekommen ist.
Claudia
Schmid: Ich habe nach einigen Jahren der Berufstätigkeit Germanistik
und Betriebswirtschaftslehre studiert, mein Ehemann und ich haben
eine gemeinsame erwachsene Tochter. Wir wohnen ziemlich mittig
zwischen Heidelberg und Mannheim in der Nähe des Neckars. Vor
beinahe zehn Jahren veröffentlichte ich meine erste Kurzgeschichte.
Mittlerweile sind es über vierzig, dazu haben sich sechs Bücher
gesellt.
Mein
Mann und ich haben in der Nikolaikirche in Isny im Allgäu
geheiratet, weil mein Mann von dort stammt. In deren Turm befindet
sich ein kostbares Kleinod, nämlich die Prädikantenbibliothek. Sie
ist in ihrem Original-Zustand erhalten, sogar der Teppich, der zum
Schutz auf dem Tisch lag, weil die Bücher ja regelrecht
„aufgeschlagen“ wurden, ist noch ein Original. Gegen Ende des
dreißigjährigen Krieges gab es einen verheerenden Stadtbrand in
Isny, wie durch ein Wunder blieb der Kirchturm mit dieser Bibliothek
erhalten. Während meines allerersten Besuchs in der
Prädikantenbibliothek, als ich in diesem ganz besonderen Raum mit
diesen kostbaren Bücherschätzen stand, fing ich Feuer für das
Zeitalter der Reformation.
Denn
in Isny gründete einer der Männer, der bei Luthers Heidelberger
Disputation im April 1518 anwesend war, die erste hebräische
Druckerei im deutschen Sprachraum, auch Bücher aus dieser Druckerei
befinden sich in der Prädikantenbibliothek. Er arbeitete gemeinsam
mit dem jüdischen Gelehrten Elias Levitha, der dazu, wie damals
üblich, zu Fuß anreiste. Von Venedig über die Alpen, und das,
obwohl er bereits siebzig Jahre alt war. Der Reformator war Paul
Fagius, geboren in Rheinzabern. Das liegt in der Nähe unseres
Wohnortes, und so kam es, dass ich anfing, mich mit der Reformation
zu beschäftigen. Zuerst habe ich mich dem Thema mit historischen
Kurzgeschichten angenähert, dann habe ich vor einigen Jahren den
Roman „Die brennenden Lettern“, quasi eine Romanbiographie des
Paul Fagius, geschrieben. Daraufhin entstand bei mir der Wunsch,
nochmals einen Reformationsroman zu schreiben, bei dem ich so richtig
tief in die Materie eintauchen konnte. Ich gestehe, dass ich es
liebe, ausdauernd und umfassend zu recherchieren und mich mit
Empathie in meine Figuren einzufühlen. Mit der Arbeit an dem Roman
„Die Feuerschreiber“ ist dieser Herzenswunsch in Erfüllung
gegangen. Dafür bin ich dem Verlag Fontis sehr dankbar.
2.
Was ist Ihnen bei Ihrer Beschäftigung mit der Reformationszeit
wichtig geworden? Gibt es Dinge, die Sie ganz neu erkannt haben?
Claudia
Schmid: Philipp Melanchthon setzte sich unermüdlich für die Bildung
aller ein, etliche Schulgründungen entsprangen seiner Initiative.
Für ihn war Bildung unerlässlich. Alle Reformatoren, auf die ich
während meiner Recherche aufmerksam wurde, waren fürsorgliche
Familienväter, die viel Kraft aus der Liebe zu ihren Familien
schöpften. Und, was ein wesentlicher Punkt ist, sie hatten keine
Angst vor falschen Autoritäten.
Geschichte
ist immer auch eine Geschichte der Macht, von Beherrschung, Bedrohung
und von der Gier nach Reichtum. Ich gewann den Eindruck, dass es den
Reformatoren nicht um Macht und um eigene Vorteile ging. Sie wollten
eine Erneuerung der Kirche zum Wohle aller Menschen, die Gemeinschaft
sollte davon profitieren. Es waren mutige Menschen, von denen etliche
sogar ihr Leben riskierten und auch ließen, weil sie etwas Höheres
als sich selbst gesehen haben, sich dabei aber nicht über die
anderen stellten.
3.
Was können heutige Kirchen und Freikirchen ganz konkret von der
Reformationszeit lernen?
Claudia
Schmid: Mein historischer Roman bietet einen Einstieg in die Thematik
der Reformation. Weiterreichendes können Interessierte im
Selbststudium und im Rahmen ihrer Gewissensbildung für sich selbst
erarbeiten und selbst Rückschlüsse daraus auf unser Leben heute
übertragen.
4.
Sie hatten für Ihre Recherche die Gelegenheit, eine ganze Menge
Literatur zu Luther, Melanchthon und auch zur Reformation insgesamt
zu wälzen – wohl mehr als ich im ganzen Leben werde lesen können.
Mal angenommen, es gibt Blogleser, die durch Ihr Buch ein großes
Interesse an der Reformation und den Protagonisten gewonnen haben.
Welche (für Laien einfach verständliche) Literatur würden Sie
empfehlen, um fortzufahren?
Claudia
Schmid: Ich habe wirklich sehr viel gelesen! Über die Fernleihe der
hiesigen Universitätsbibliothek habe ich unzählige Bücher bestellt
und ich war in Archiven, um dort vor Ort in der vorhandenen Literatur
zu lesen. Es ging für mich als Romanautorin zusätzlich zu
theologischen Aspekten auch darum, herauszufinden, wie die Menschen
damals lebten, wie haben sie sich ernährt, wovor hatten sie Angst,
was hat sie beschäftigt, wie war die politische und soziale Lage.
Was hat sie angetrieben, was wollten sie verändern und erreichen?
Mein
absoluter Favorit ist über all die Jahre, in denen ich mich mit dem
Thema Reformation beschäftige, das 1000seitige Buch von Diarmaid
MacCulloch, „Die Reformation 1490 – 1700“ geblieben. Es hat
einen Ehrenplatz in meinem Bücherregal. Ich liste es mit einigen
weiteren Titeln in der Literaturliste meines Romans „Die
Feuerschreiber“ auf.
5.
Gibt es für Sie persönlich Fragen, die noch offen geblieben sind?
Über welche Themen und Fragen würden Sie gern mit den Reformatoren
sprechen, wenn das möglich wäre?
Claudia
Schmid: Das ist eine sehr interessante Frage! Ehrlich gesagt, habe
ich sie mir noch nie gestellt. Für mich als Schriftstellerin wirft
sie eine Reihe von weiteren Fragen auf, etwa: In welcher Form wäre
ich den Reformatoren begegnet? Welcher sozialen Schicht hätte ich
angehört? Würde es mir gelingen, von meinem Hier und Jetzt zu
abstrahieren und mich im Kontext der damaligen Zeit zu bewegen und zu
denken? Das ist sehr spannend. Ich denke, ich wäre gerne bei einer
Arbeitssitzung dabei gewesen, als die Gelehrten im Schwarzen Kloster
gemeinsam an der Übersetzung des Alten Testaments arbeiteten. Aber
als stille Beobachterin. Und sobald die Zeitmaschine mich wieder ins
Heute befördert hätte, hätte ich sofort ALLES aufgeschrieben.
6.
Gibt es schon weitere Projekte, an denen Sie arbeiten, und von denen
Sie ein wenig erzählen können?
Claudia
Schmid: Die gibt es. Aber ich gehöre zu den Kreativen, die ihren
eigenen „workflow“ ausbremsen, sobald sie darüber reden. Soviel:
Das Zeitalter der Reformation bleibt meine bevorzugte Epoche für
historische Texte.
7.
Welche Tipps würden Sie jemandem geben, der mit dem Gedanken spielt,
selbst einen historischen Roman zu schreiben?
Claudia
Schmid: Für ein Thema bedingungslos brennen! Lesen, lesen, lesen!
Alles, aber auch wirklich alles, was damit zu tun hat und was man
bekommen kann. Die ganz alten Bücher darf man ja nicht ausleihen
oder sie sind in einer Form verfasst, die für uns heute schwer
lesbar ist, beispielsweise in einer Schriftart, die nicht mehr
gebräuchlich ist. Da ist es dann zu empfehlen, zu recherchieren, ob
dieses Buch in einer neuen Herausgabe erhältlich ist. Unbedingt an
die Orte reisen und verweilen, an denen der Roman handelt! Versuchen,
einzutauchen in die damalige Zeit und vom Heute abstrahieren, sich
selbst zurücknehmen. Und dann, wenn man sich an so einem Ort
befindet und ihn mit all seinen Sinnen aufnimmt, wenn die
Romanfiguren zum Leben erwachen, wenn man sie sieht und riecht und
sie zu einem sprechen, dann ist es soweit, mit dem Schreiben zu
beginnen.
Vielen
Dank für Ihre wertvollen Antworten!
Claudia
Schmid: Ich bedanke mich für die Fragen und für das Interesse an
meinem Roman.
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