Freitag, 11. November 2016

Was sind „Gated Communities“?

Als Gated Communities bezeichnet man schon länger Wohnkomplexe oder -gebiete, die in sich geschlossen sind. Der Begriff bedeutet übersetzt so etwas wie „eingezäunte Gemeinschaften“. Dabei spielt es keine Rolle, worin der Zaun besteht. Manchmal werden solche Wohnkomplexe durch Security überwacht, aber in den allermeisten Fällen ergibt sich der Zaun von selbst. Im Ostberlin der DDR war das Wohngebiet der Funktionäre der DDR ein solches abgeriegeltes Wohngebiet. Wer drin war, kam nicht raus, und wer draußen war, kam nicht rein. Außer man wurde zum Funktionär ernannt. Schulen, Einkaufszentren, alles Notwendige war in diesem Gebiet.

Ein anderer Zaun kann zum Beispiel auch das Einkommen, die politische Einstellung oder die Hautfarbe sein. Wer gerne Filme schaut, dem wird bestimmt schon aufgefallen sein, wie diese gepflegten Vorortgebiete der oberen Mittelschicht eine besondere Rolle spielen. Dorthin zu kommen ist der Traum der meisten Amerikaner, denn wer dort ein hübsches Einfamilienhaus beziehen kann, der hat es zu was gebracht. In diesen Filmen wird ganz bewusst mit diesem Traum gespielt. In den Innenstädten gibt es ebenso homogene Straßen und Wohngebiete. Das ganze Leben spielt sich zunehmend in diesen homogenen Kreisen ab. Während ein Land nach außen hin immer vielfältiger aussieht, geschieht innen das Gegenteil: Es entstehen viele homogene Subkulturen, die unter sich bleiben.

Etwas Ähnliches geschieht auch online. Während das Internet zahllose Informationen bereitstellt, die einem ein Fenster zur ganzen Welt bieten könnten, stellt sich heraus, dass das die meisten Menschen überfordert. So viele Menschen, so viele Meinungen, so viele Probleme, die erst durch die Globalisierung sichtbar werden. Der Schutzmechanismus besteht für die meisten Menschen darin, sich in „Gated Communities“ zu verschanzen. Wenn man von den Kulturen überfordert ist, die man antrifft, dann zieht man sich lieber in die wohlige, homogene Subkultur zurück. In den sozialen Medien, die durchaus asozial werden können, sucht man sich den Freundes- oder Bekanntenkreis nach Kriterien der Gemeinsamkeit aus. Wenn man alle Fans von Sahra Wagenknecht und Frauke Petry, Claudia Roth oder Horst Seehofer aus der Freundesliste gekickt hat, dann lebt es sich sehr wohlig in der eingezäunten Blase der eigenen Selbstgenügsamkeit.

Das Problem dabei ist das: Wenn man immer nur von Menschen umgeben ist, welche die eigene Meinung bestätigen, geschieht in diesen eingezäunten Kreisen automatisch eine Radikalisierung. Für andere Sichtweisen ist man nicht mehr offen, da man beständig die Bestätigung der Freunde bekommt. Unbemerkt schleicht sich in diese Kreise eine stetige Radikalisierung ein, eine Spirale, die immerzu weiter in diese Radikalisierung und Blindheit für alles andere führt. Der Hass auf die andersdenkenden Menschen wächst. Man mag nur noch die lauten Schreier; wer die anderen nicht mit möglichst großer Häme oder Hass überhäuft, von dem lassen wir uns nichts sagen. So konnte sich der frisch gewählte US-Präsident profilieren.

Gestern kam in einem SWR2-Interview der Begriff der Anti-Politik auf. Auch diese Anti-Politik hat eine Menge mit den „Gated Communities“ zu tun. Die Frage ist: Wem vertrauen wir noch? Wer in einer solchen Meinungsblase lebt, vertraut nur noch jenen, welche die eigene Sichtweise bestätigen. Da sich die Politik jedoch von diesen Gated Communities dadurch unterscheidet, dass sie sich ständig mit vielen verschiedenen Meinungen und Wünschen auseinandersetzen muss, und deshalb oft zu differenzierteren Ergebnissen kommt, verliert sie an Vertrauen jener, welche sich in diese eingezäunten Gemeinschaften zurückziehen. Wohin das führen wird, dürfen wir auch hier in Europa bald sehen.


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