Etwa
10 – 15% aller Bücher, die ich pro Jahr lese, sind Biographien.
Zur Zeit bin ich an Manfred Kühns Kant-Biographie. Biographien
stehen bei mir häufig am Anfang einer Zeit, in welcher ich mich mit
dem Werk oder der Zeit der jeweiligen Person befassen will.
In
der Einleitung zur Kant-Biographie stellt Kühn eine interessante
Frage, die mich einmal mehr zur Reflexion über meine Gründe zum
Studium von Biographien angeregt hat. Hier das Zitat von Kühn:
„Ich
weiß nicht wirklich, was Biographien für so viele Leser eine
derartige Faszination verleiht. Ist es einfach die Neugier zu wissen,
wie die 'Berühmten' gelebt haben? Ist es Voyeurismus, ein unschöner
Drang, einen Einblick in die schmutzigen kleinen Geheimnisse der
'Großen' zu bekommen? Ist es Eskapismus, ein Versuch eines
stellvertretenden Lebens, eine Art Romanze für Menschen mit eher
intellektuellen Neigungen? Oder ist es eine Art Versuch, in unserem
eigenen Leben Sinn zu finden? Zahlreiche Selbsthilfebücher sind
Zeugnis dafür, dass das Bedürfnis nach einem 'erfolgreichen' Leben
weit verbreitet ist. Von erfolgreichen Menschen könnte man meinen,
sie hätten dieses flüchtige Ziel erreicht - und erfolgreiche
Philosophen, also Menschen, die darüber nachgedacht haben, was zum
Erfolg führt, könnten mehr zu bieten haben als die meisten.“
(S. 38)
Ich
habe mir Gedanken gemacht, warum ich Biographien lese. Unter anderem
aus den folgenden sieben Gründen:
1.
Biographien erweitern meinen Horizont.
Wenn
ich eine Biographie lese, so muss ich über meinen Tellerrand
hinausschauen. Ich darf die Welt mit fremden Augen sehen und
erkennen, wie andere Menschen zu anderen Zeiten gelebt, geliebt,
gelacht und gearbeitet haben. Meist bin ich dann so richtig dankbar,
heute leben zu dürfen. Sehr viel Armut ist inzwischen erfolgreich
bekämpft worden. Es gibt dafür andere Sachen anzupacken.
2.
Biographien bewahren mich vor dem „chronologischen
Snobismus“.
Beim
Lesen einer Biographie darf ich aber auch erkennen, dass weder ich
noch meine Zeit der Nabel der Welt sind. C. S. Lewis sprach davon,
dass es leider nicht möglich sei, in die Zukunft zu reisen, um zu
sehen, wie unsere Zeit und unser Handeln dereinst gesehen würden.
Deshalb brauchen wir den Blick früherer Zeiten, der uns eine etwas
objektivere Sichtweise auf unsere Zeit schenkt. Jedes Zeitalter hat
eine ganze Menge blinder Flecken, und deshalb gibt uns die Kenntnis
des eigenen plus mehrere anderer Zeitalter so etwas wie ein
mehrdimensionales Bild der Realität.
3.
Biographien zeigen mir den Denkweg auf.
Jeder
Mensch verändert sich im Laufe seines Lebens. Das ist ganz normal
und gesund so. Wenn ich eine Biographie lese, möchte ich etwas über
das Erleben der Person erfahren, welches zu diesen Veränderungen
geführt hat. Das hilft mir, sowohl dessen Werk zu verstehen, als
auch zugleich meine eigene persönliche Biographie zu reflektieren.
4.
Biographien erweitern meinen Geschichtshorizont.
Ich
habe anderswo
geschrieben, warum die Auseinandersetzung mit Geschichte (und da
nicht nur mit den letzten 80 Jahren) so immens wichtig ist. Durch
eine Biographie lerne ich diese Zeiten noch besser und persönlicher
kennen, weil ich Personen kennenlerne, welche in dieser Zeit gelebt
und gewirkt haben. Das hilft mir, die Geschichte noch besser zu
kennen.
5.
Biographien helfen mir, richtig und falsch zu unterscheiden.
Bei
diesem Punkt muss ich natürlich ein wenig aufpassen, dass das nicht
falsch verstanden wird. Was ich damit meine, ist folgendes: Wenn ich
die Biographien mit einer biblischen Weltanschauung im Hinterkopf
lese; besser noch: Wenn ich gleichzeitig in der Bibel blättere,
während ich die Biographie lese und die Biographie anhand der
Heiligen Schrift beurteile, dann erweitert die Biographie mein
Unterscheidungsvermögen von gut und böse, richtig und falsch.
Anders gesagt: Mein Gewissen wird sensibilisiert und hilft mir
dadurch auch im Alltag.
6.
Biographien ermutigen mich.
Wenn
eine Biographie nicht gerade eine realitätsferne Hagiographie ist
(und solche versuche ich nach Möglichkeit zu vermeiden), dann lerne
ich einen einfachen Menschen kennen, der mit seinem Leben etwas
erreicht hat. Ich lerne seine Schwierigkeiten, Trauer, Freude,
alltäglichen Gewohnheiten kennen und sehe, wie einfache Menschen
gebraucht werden, um Großes zu erreichen. Jeder von uns ist in einem
Netzwerk von Menschen eingegliedert, wo wir Tag für Tag einen
Unterschied machen können. Wenn wir das tun, dann haben wir Großes
erreicht. Das lehren mich die meisten Biographien.
7.
Biographien führen mich in die Anbetung Gottes.
Ob
ich der Person zustimme oder nicht, über welche die Biographie
geschrieben wurde, aber jede Biographie führt mich dazu, Gott
anzubeten. Manche dieser Menschen haben uns viel Verständnis von der
Welt gegeben, indem sie geforscht und nachgedacht haben. Andere haben
eine Menge für Gottes Reich getan. Und dann gibt es auch noch jene
Biographien, die mich dankbar machen, dass ich nicht so viel Macht
bekommen habe wie andere, weil diese Macht so schnell einen Menschen
betrügt und seine schlimmsten Seiten zeigt.
Und
was sind Deine Gründe, um Biographien zu lesen?
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