Immer
wieder fällt mir auf, wie viele Menschen zurückhaltend sind, am
liebsten schweigen, sich bloß nicht zu weit aus dem Fenster lehnen
wollen. Aus Angst. Angst, sie könnten damit einen Fehler machen.
Angst, sie würden damit Gott enttäuschen. Angst, sie würden nicht
mehr ernst genommen. Angst, einen „Shitstorm“ auszulösen. Ein
paar Gedanken dazu.
Jeder
von uns wird immer wieder Fehler machen.
Wenn
jemand an einen Unfall heranläuft, gibt es nur einen Fehler: Nichts
zu machen. Wer keine Ausbildung in der Rettung hat, kann für Fehler
nicht belangt werden. Wenn etwas passiert, was dem Verunfallten
zusätzlich Schaden zufügt, so ist der Ersthelfer immer auf der
sicheren Seite. Es ist natürlich ein Unterschied, wenn vorsätzlich
Schaden zugefügt wird, aber davon gehen wir ja nicht aus. Wer hilft,
möchte Leben retten. Und so ist es da gesetzlich geregelt, dass
Ersthelfer nicht belangt werden können. Das Schlimmste, was man
machen kann, ist nichts zu machen, aus Angst, etwas falsch zu machen.
Seien wir ganz ehrlich: Jedem wird es immer wieder passieren, dass
wir Fehler machen. Manchmal gibt es auch Situationen, wo wir uns nur
zwischen schlechten Wahlmöglichkeiten entscheiden können. Das ist
in unserer gefallenen Welt etwas ganz Normales. Damit müssen wir
klarzukommen lernen. Wer das nicht einsehen will, verweigert sich der
Realität. Auch in solchen Momenten ist es wichtig, dass wir irgend
eine Entscheidung treffen und daran festhalten. Das Schlimmste ist,
wenn wir nichts tun, weil dann wird die Entscheidung doch getroffen –
aber nicht von uns selbst, sondern von den Umständen. In solchen
Momenten ermutigt uns Martin Luther mit seinem Wort, das er schon
1521 seinem Freunde Melanchthon schrieb: „Sündige kräftig, aber
glaube noch kräftiger.“ Wenn wir uns nur zwischen schlechten
Möglichkeiten entscheiden können, so sollen wir nach bestem Wissen
und Gewissen eine Entscheidung treffen und dies im Glauben an den
Gott, der größer ist als unsere Entscheidungen.
Gott
ist immer noch größer.
Das
führt mich zu einem zweiten Gedanken. Es geht bei der Freiheit des
Christen nicht darum, dass wir tun und lassen sollen, was uns gerade
einfällt. Freiheit bedeutet nicht nur von etwas befreit zu werden,
sondern vor allem zu etwas. Christus befreit uns von unserm Selbst.
Vom Kämpfen um ein Selbst-Wertgefühl. Vom Stolz auf sich selbst und
was man schon alles erreicht hat. Von der Selbst-Überhebung, mit der
man sich besser fühlen will als der andere. Gott ist das Zentrum des
Christen, weshalb dieser sich selbst verleugnen muss, damit er
aufhört, um sich selbst zu drehen. Selbstverleugnung bedeutet, sich
selbst zu sterben. Sich bewusst zu werden, dass man es nicht schafft.
Dass man Jesus braucht. Dass man die Kraft der Auferstehung und ein
neues Herz nötig hat, um Gott und seinen Nächsten zu lieben. Und da
merken wir: Gott ist größer. Es geht nicht so sehr um uns selbst,
es geht um Ihn. Gott ist größer als all unsere Fehler. Er ist so
groß, dass Er unsere Fehler schon kennt, bevor wir sie begehen. Er
ist so groß, dass Er unsere Fehler nutzen kann, um Geschichte zu
schreiben. Das bedeutet nun keinesfalls, dass wir unsere
Entscheidungen auf die leichte Schulter nehmen sollen. Es bedeutet
aber, dass wir im Fall eines Falles wissen dürfen, dass unser Gott
immer noch größer ist. Er wird nicht von uns enttäuscht oder
überrumpelt von unseren Fehlern. Joseph wurde von seinen Brüdern
verkauft und kam so nach Ägypten. Gott gebrauchte diese schreckliche
Sünde, um damit Weltgeschichte und Heilsgeschichte zu schreiben und
eine ganze Gegend in der Hungersnot zu bewahren.
Werdet
wie die Kinder.
Wenn
ich unseren Sohn beim Wachsen und Lernen zuschaue, so freue ich mich
immer über alles Neue, was er lernt. Zur Zeit ist er immer wieder
dabei, neue Wörter zu testen und zu lernen. Kinder lernen sehr
leicht, weil sie sich keine Gedanken über Fehler machen müssen. Sie
freuen sich, wenn sie was sagen können und besonders wenn sie auch
noch verstanden werden. Wir dürfen auch hier von den Kindern lernen.
Mir ist das Lernen von Sprachen schon immer recht leicht gefallen,
weil ich da wenig Hemmungen habe, Fehler zu machen, korrigiert zu
werden und daraus zu lernen. Korrektur ist nichts Schlechtes, sie ist
nichts, dessen wir uns schämen müssen. Sie ist notwendig für jeden
von uns. Leben ist lernen. Lernen bedeutet Fehler zu machen und zu
korrigieren.
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