Sönke
Neitzel / Harald Welzer, Soldaten. Protokolle vom Kämpfen, Töten
und Sterben, S. Fischer Verlag, 3. Aufl. 2011 Amazon-Link
Da
mich Geschichte und Politik sehr interessiert, habe ich kürzlich das
Buch „Soldaten“ von Sönke Neitzel und Harald Welzer gelesen. Das
Buch gibt einen sehr spannenden, wenn auch durchaus
gewöhnungsbedürftigen Einblick in die Welt der Soldaten im 2.
Weltkrieg. Es ist sehr lebhaft und interessant geschrieben. Die
Soldaten, welche in den britischen und amerikanischen
Gefangenenlagern waren, wurden bei ihren Gesprächen abgehört und
die wichtigsten Gespräche wurden gleich mitgeschrieben. So kam es zu
rund 150'000 Seiten Quellenmaterial, das lange Zeit in den Archiven
verstaubte. Einige der Gespräche wurden ausgewählt und auszugsweise
im Buch wiedergegeben. Dazwischen werden die Gespräche immer wieder
im soldatischen Referenzrahmen eingebettet und so besser verständlich
gemacht.
Was
ist denn nun so ein Referenzrahmen? Ich möchte dazu ein paar Zitate
aus dem Buch anführen: „Menschen sind keine Pawlow'schen Hunde.
Sie reagieren nicht mit konditionierten Reflexen auf vorgegebene
Reize. Zwischen Reiz und Reaktion gibt es bei Menschen etwas
Hochspezifisches, das ihr Bewusstsein ausmacht und die menschliche
Gattung von allen anderen Lebewesen unterscheidet: Menschen deuten,
was sie wahrnehmen, und erst auf Grundlage dieser Deutung ziehen sie
Schlussfolgerungen, entscheiden und agieren sie.“ (S. 16)
Dieses „Hochspezifische“ wird im Buch als der Referenzrahmen
bezeichnet. „Referenzrahmen
gewährleisten Handlungsökonomie: Das allermeiste, was geschieht,
lässt sich in eine bekannte Matrix einordnen. Das wirkt entlastend:
Kein Handelnder muss immer wieder bei null beginnen und stets aufs
Neue die Frage beantworten: Was geht hier eigentlich vor? Der
allergrößte Teil der Antworten auf diese Frage ist voreingestellt
und abrufbar - ausgelagert in einen kulturellen Orientierungs- und
Wissensbestand, der weite Teile der Aufgaben im Leben in Routinen,
Gewohnheiten, Gewissheiten auflöst und den Einzelnen kolossal
entlastet.“
(S. 17)
„Moderne
Menschen müssen beständig zwischen unterschiedlichen
Rahmenanforderungen – als Chirurg, als Vater, als Kartenspieler,
als Sportler, als Mitglied einer Eigentümergemeinschaft, als
Bordellbesucher, als Patient im Wartezimmer, etc. - hin- und
herwechseln und die mit jeder Rolle verbundenen Anforderungen
bewältigen können. Dazu gehört auch, dass man das, was man im
Rahmen der einen Rolle tut, aus der Sicht der anderen Rolle
distanziert betrachten und beurteilen kann – dass man also zu
unterscheiden in der Lage ist, wo Emotionslosigkeit und
professionelle Kälte gefragt sind (bei einer Operation) und wo nicht
(beim Spiel mit den Kindern).“ (S. 23)
(Mein
Einwurf) Der Referenzrahmen ist also die kulturelle Eingebettetheit,
in der eine Weltanschauung entsteht. Weltanschauungen lassen sich von
uns reflektieren. Beim Referenzrahmen ist das viel schwieriger, weil
dieser nicht nur von einem selbst abhängt, sondern von der ganzen
Umwelt (Kultur) mitgeprägt wird. Hier bedarf es immer wieder einer
objektiven, mit der Geschichte abgeglichenen Sicht aus der Distanz
und das Bewusstsein, dass unsere Zeit und Kultur kein Deut besser
sind als alle anderen. Das Problem unserer Zeit besteht darin, zu
glauben, dass man tolerant sei, aber zugleich die eigene Toleranz
vergötzt, erhöht und versucht, andere Kulturen zur selben Toleranz
zu missionieren. (Ende Einwurf)
Wie
kommt es, dass im 2. Weltkrieg so viel Gewalt normal war? Sie war es
deshalb, so die Autoren, weil der Krieg ein Umfeld schuf, in dem die
Gewalt erwünscht war und so auch genügend Gelegenheiten dazu gab.
Letzten Endes gibt es immer Gewalt, die Frage ist nur, in welcher
Form: „Im häuslichen Bereich gibt es nach wie vor Gewalt gegen
Partnerinnen und Partner, gegen Kinder und Haustiere, in
abgeschotteten sozialen Räumen wie in Kirchen oder Internaten
ebenfalls. In öffentlichen Räumen wie Stadien, Diskotheken,
Kneipen, in U-Bahnen oder auf der Straße finden Schlägereien und
Überfälle, auch Vergewaltigungen statt. Daneben gibt es reguläre
Formen öffentlichen Gewaltgebrauchs jenseits des staatlichen
Gewaltmonopols, etwa im Kampf- oder Boxsport und in den
Inszenierungen von Sado-Maso-Clubs. Jede Fahrt auf einer deutschen
Autobahn belehrt einen über die chronische Gewalt-, gelegentlich
sogar Tötungsbereitschaft ganz normaler Menschen.“ (S. 91)
(Mein
Einwurf) Die Bibel macht uns klar, dass es Gewalt gibt seit dem
Sündenfall. Bereits in der zweiten Generation der Menschheit gibt es
Mord und Totschlag, Neid und Hass. Das sind keine „Mythen mit
tieferer Bedeutung“, sondern ist so geschehen, wie Gottes Wort
bezeugt. Es sollte uns also nicht erstaunen, dass es in jeder
Generation sehr viel Gewalt gibt. Wir sollten uns also auch nicht
einbilden, besonders gut zu sein, denn obiges Zitat zeigt, dass wir
nicht besser sind, sondern lediglich die Situationen und Legitimation
anders geworden sind. Dafür dürfen wir dankbar sein. (Ende Einwurf)
Der
Krieg war für viele Soldaten ein Abenteuer. Er gab ihnen die
Möglichkeit, sich besser zu fühlen. Sie wurden gebraucht. Sie
bekamen einen Sinn im Leben an der Front. Sie konnten Rache nehmen
für bereits getötete Freunde und Kollegen. Sie hatten eine Menge
neuer Technik, auf die sie stolz waren. Sie konnten ihre Tapferkeit
unter Beweis stellen. Und nicht zuletzt konnten sie auch Abzeichen
sammeln, die besonders hervorragenden verliehen wurden. All das ist
kurz zusammengefasst der wichtigste Inhalt der Protokolle. Man sollte
nicht vergessen, dass der Soldat ein Arbeiter im Krieg war. Seine
Arbeit war das Töten und Zerstören. Das ist der Unterschied. Die
meisten Arbeiten sehen sonst das Aufbauen von etwas vor. Im Krieg ist
es das Gegenteil. „Soldaten lösen ihre Aufgabe mit Gewalt; das
ist schon das Einzige, was ihr Tun systematisch von denen anderer
Arbeiter, Angestellten und Beamten unterscheidet. Und sie produzieren
andere Ergebnisse als zivile Arbeitende: Tote und Zerstörung.“
(S. 418)
Die
Autoren kommen zur Schlussfolgerung: „Man sollte sich besser
fragen, ob und unter welchen sozialen Bedingungen Menschen vom Töten
ablassen können. Dann könnte man aufhören, jedes Mal, wenn sich
Staaten dazu entscheiden, Krieg zu führen, in ostentative
Erschütterung darüber zu verfallen, dass es dabei Verbrechen und
Gewalt gegen Unbeteiligte gibt. Die gibt es deswegen, weil der
Referenzrahmen 'Krieg' Handlungen gebietet und Gelegenheitsstrukturen
entwickelt, in denen Gewalt nicht oder nicht vollständig eingehegt
und begrenzt werden kann. […] Wenn man aufhört, Gewalt als
Abweichung zu definieren, lernt man mehr über unsere Gesellschaft
und wie sie funktioniert, als wenn man ihre Illusionen über sich
selbst weiter teilt. Wenn man also Gewalt in ihren unterschiedlichen
Gestalten in das Inventar sozialer Handlungsmöglichkeiten
menschlicher Überlebensgemeinschaften zurückordnet, sieht man, dass
diese immer auch Vernichtungsgemeinschaften sind. Das Vertrauen der
Moderne in ihre Gewaltferne ist illusionär. Menschen töten aus
verschiedensten Gründen. Soldaten töten, weil das ihre Aufgabe
ist.“ (S. 421f)
Was
dem Buch fehlt, ist der positive Ausblick, den uns Gottes Wort, die
Bibel, gibt. Und das in zweifacher Form. Sie weiß darum, dass der
Mensch durch eine echte Bekehrung und Wiedergeburt durch Gottes Kraft
verändert werden kann. Sie weiß um die Versöhnung, die schon hier
auf Erden möglich ist. Und sie weiß darum, dass das Leben in dieser
Welt nicht das letzte Wort sein wird. Deshalb ist es die Aufgabe der
weltweiten christlichen Kirche, die gute Nachricht von Jesus Christus
weiterzugeben. Weil ER der Einzige ist, der uns tatsächlich von
innen nach außen verändern und ein neues Herz mit Liebe statt Hass
schenken kann.
Was
mir beim Lesen immer wieder aufgefallen ist, ist die Tatsache, dass
viele Soldaten ihr Heil im Krieg gesucht haben. Sie sahen im Krieg
den Sinn ihres Lebens. Sie wollten immer wieder den kurzen Kick des
Spaßes und des Machtgefühls, wenn man seine Gegner umlegen kann.
Sie suchten das Abenteuer und die Belohnung im Krieg – wenn sie nur
gewusst hätten, dass das größte Abenteuer ein Leben mit Jesus
Christus und die größte Belohnung das ewige Leben mit Gott ist.
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