Selig
sind die Barmherzigen; denn sie werden Barmherzigkeit erlangen! (Matthäus 5, 7)
Bisher haben wir uns mit den in den Versen 3 – 6 ausgeführten
Merkmalen des christlichen Charakters befasst. Nach diesen kommen in
den Versen 7 – 10 die Merkmale des christlichen Verhaltens. Das
erste dieser Merkmal ist, dass ein Christ barmherzig ist. Es ist von
großer Bedeutung, dass wir wissen, dass das Verhalten immer ein
sichtbarer Ausdruck des Charakters ist. Deshalb kommt auch hier in
den Seligpreisungen zuerst der Charakter zur Sprache. Der Charakter
ist immer das Fundament, auf dem das Verhalten aufgebaut ist, denn
jedes Verhalten ist eine Frucht des Charakters. Nur so ist es zu
verstehen, dass Paulus und Jakobus beide Abraham als Vorbild für die
Rechtfertigung nehmen: Bei Paulus ist er ein Vorbild für den
Glauben, der ein Teil des Charakters ist, und bei Jakobus ist Abraham
das Vorbild für das Verhalten, welches ein sichtbarer Ausdruck, eine
Manifestation dieses glaubensvollen Charakters ist.
So ist jedes Verhalten erst dann verständlich, wenn wir den
Charakter unter die Lupe genommen haben aber zugleich kann man den
Charakter aus dem Verhalten ableiten. Wenn wir einen Becher mit
frischem Wasser füllen und sich das Wasser im Becher verfärbt, so
können wir daraus schließen, dass der Becher nicht ganz sauber war.
So widerspiegelt jedes Verhalten ein Stück vom Charakter der
jeweiligen Person. So sind auch unsere hiesigen Seligpreisungen ein
sehr guter Maßstab für unseren Glauben. An ihnen lässt sich
erkennen, dass wir noch nicht ganz am Ziel angelangt sind. Zugleich
sollten wir an ihnen auch erkennen können, dass wir dennoch im Laufe
der Jahre ein Stück weit auf dieses Ziel zu gewachsen sind. Das
können wir dann sehen, wenn wir unser Leben seit dem Zeitpunkt der
Bekehrung bis heute durch das Fernglas dieser Verse betrachten.
Glückselig sind die Barmherzigen. Barmherzigkeit bedeutet, dass wir
erstens erkennen, worin unsere Mitmenschen unter dem Fluch leiden,
den die Ursünde über die Welt gebracht hat. Menschen, die krank
sind, Schmerzen haben, trauern, ächzen und stöhnen unter der Last
ihrer Arbeit, Ehen, die zerbrechen, eine Gesellschaft der Korruption,
und so weiter. Die gesamte Pervertierung der so wunderbar
geschaffenen Welt, der göttlichen Schöpfung, ist die Folge von
Sünde. Gegenseitige Ausbeutung ist Sünde. Streit um des Gewinnens
willen ist Sünde. Gemachte Versprechen brechen und dadurch andere
Menschen enttäuschen, ist Sünde. Alles Elend dieser Welt lässt
sich mit einem Wort zusammenfassen: Sünde. Und hier beginnt nämlich
der erste Schritt der Barmherzigkeit, dass wir erkennen, dass dies
der Fall ist.
Doch Barmherzigkeit bleibt nie beim Erkennen stehen. Leider meinen
viele Menschen, dass die Probleme der Welt allein dadurch gelöst
werden können, dass man sie anspricht. Doch wahre Barmherzigkeit
spricht die Probleme nicht nur an, sie leidet mit. Sie tröstet die
Trauernden, weint mit den Weinenden, beichtet mit den Beichtenden und
gibt sich so an diejenigen hin, die ganz besonders am Fluch der Sünde
zu leiden haben.
Drittens aber, und das ist das Wichtigste, Barmherzigkeit tut alles,
um die Folgen der Sünde zu beseitigen. Wer wirklich barmherzig im
Sinne Gottes ist, der gibt sich auch der Aufgabe hin, die Probleme zu
lösen, welche das Resultat dieses Fluchs sind. Barmherzigkeit nimmt
sich derer an, die an sich verzweifeln und gibt dort den Samen des
Evangeliums in den Boden hinein, der, durch das schwere Leid
gepflügt, tiefe Furchen aufweist. Manchen Menschen sieht man die
Furchen des Herzens auch im Gesicht an. Gerade auch dort finden wir
sehr oft einen Herzensboden vor, der über viele Jahre hinweg
vernachläßigt wurde, und doch wunderbar vorbereitet ist. Oft ist
der Boden derart ausgetrocknet, dass der Same erst dann wirklich
keimen kann, wenn er durch die Gießkanne des Gebets mit genügend
Wasser des Heiligen Geistes bewässert wurde. Vielfach lohnt es sich
sehr, diesen Versuch zu wagen und vom Herrn Jesus zu erzählen. In
unserer Zeit der fehlenden Werte und einer lügnerischen Toleranz
hungern viele Menschen nach Verbindlichkeit und Wahrheit.
Als
Christen dürfen wir wissen, dass Gott uns versprochen hat: Weil wir
barmherzig sind, werden wir auch Barmherzigkeit empfangen. Gott weiß
um unsere Nöte und leidet mit uns. Und eines Tages wird Er auch alle
unsere Nöte beseitigen. Er wird neue Himmel und eine neue Erde
schaffen. Wir werden aus diesem Leib des Todes und de Sünde
herausgerissen und in Auferstehungsleibern die gesamte Ewigkeit mit
unserem Herrn und Retter zusammen verbringen. Und gerade da wir Gott
als den Barmherzigen als unser Vorbild haben, dürfen auch wir als
Barmherzige leben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen