Bevor
ich mich mit einzelnen Argumenten auf beiden Seiten auseinandersetze,
möchte ich zunächst die Begrifflichkeiten klären. Es ist nämlich
gar nicht so einfach, zu definieren, wer sich wie sieht oder benennen
würde. Vielleicht nähern wir uns deshalb am besten der Frage, indem
wir sie wie eine Zwiebel angehen und ihr schichtweise die Haut
abziehen.
Cessationismus
stammt vom lateinischen Verb „cessare“ und bedeutet „zögern,
aufhören, nachlassen, ruhen, untätig sein“. Continuationismus
stammt vom ebenfalls lateinischen Verb „continuare“ mit der
Bedeutung „fortlaufen, fortfahren, aneinander reihen, erweitern,
zusammenhängen, fortdauern, andauern“.
Man
merkt schon an der Bedeutungsbreite dieser Verben, dass da ein
gewisser Spielraum bleibt, was eine Definition betrifft. Nur mal so
ein mögliches Beispiel: Man kann darüber streiten, ob der
Cessationismus für das vollständige Aufhören oder für das
vorübergehende Ruhen einer Sache steht. Diese Unschärfe lässt zu,
dass Cessationisten zwischen den beiden möglichen Definitionen hin-
und herspringen und sich dabei immer missverstanden fühlen. Ebenso
ist es schwierig, zu definieren, ob Continuationisten vom lediglichen
Fortdauern ebenjener Sache ausgehen, oder ob sie eine zusätzliche
Erweiterung vertreten.
Deshalb
ist der nächste Schritt die Eingrenzung der „Sache“. Es geht um
die Gaben des Heiligen Geistes, die in den Gabenlisten des Neuen
Testaments angesprochen werden – oder zumindest um einen Teil
davon. Gabenlisten finden sich in Römer 12, 1. Korinther 12, Epheser
4 und 1. Petrus 4, wobei wiederum je nach Definition zum Teil nur die
ersten zwei oder drei der genannten Kapitel tatsächlich als
Gabenlisten anerkannt werden. Ebenso vertreten viele beider Lager die
Ansicht, dass all diese Listen zusammen nur ein kleines Spektrum
aller möglichen Gaben abbilden, das heißt, dass es unerwähnterweise
noch weitere gibt.
Es
gibt dabei zwei weitere unabhängige Unterscheidungen, welche die
ganze Diskussion noch etwas komplizierter machen: Die Unterscheidung
zwischen „natürlich“ vs „übernatürlich“ und die
Unterscheidung zwischen „Gabe“ vs „Vorsehung“. Das bedarf
einer näheren Erklärung. Die Unterscheidung zwischen natürlichen
und übernatürlichen Gaben geht dabei eigentlich darauf zurück,
dass jeder Mensch bestimmte Stärken hat, die ihm leichter fallen.
Mir persönlich fällt es zum Beispiel leicht, Sprachen zu lernen und
anzuwenden. Ob man das nun als Gabe des Heiligen Geistes bezeichnen
soll oder nicht, lasse ich für den Moment dahingestellt. Es gibt
Dinge, die der Mensch lernen kann. Auch diese zählen in dem Fall zu
den „natürlichen Gaben“. Aber Dinge, die unser menschliches
Können und Wissen übersteigen, werden bei dieser Unterscheidung zu
den „übernatürlichen Gaben“ gezählt. Also Dinge über eine
Person zu wissen, die sonst keiner auf natürliche Weise wissen kann.
Dabei
stellt sich aber schon eine weitere Frage: Könnte es nicht sein,
dass alles, was innerhalb der natürlichen Schöpfung passiert,
einfach nur natürlich sein? Sind Engel etwa übernatürliche Wesen,
nur weil sie üblicherweise nicht gesehen werden? Fragen über
Fragen, auf die ich in einem späteren Teil noch eingehen möchte.
Die
zweite Unterscheidung betrifft „Gaben vs Vorsehung“. Hinter
diesem Konzept steckt die Idee, dass eine Gabe etwas so Starkes ist,
dass der Begabte mit seiner Gabe so gut wie alles machen kann, was er
will. Wer die Gabe der Heilung habe, so dieses Konzept, könne ganze
Krankenhäuser arbeitslos machen. Wer hingegen hin und wieder
einzelne Heilungen erlebt, da sei das „nur Vorsehung“, das heißt
Gottes gnädiges Eingreifen auf ein Gebet hin, aber keine „richtige
Gabe“. Mit dieser Vorsehung dürfe jeder rechnen und deshalb auch
dafür beten.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen