Mittwoch, 19. November 2014

Die Bibel und der Vegetarismus

Nachdem es in zahlreichen Diskussionen immer wieder um das Thema Vegetarismus und Bibel ging, möchte ich heute mal ein wenig tiefer graben, wie das mit den Argumenten für den Vegetarismus tatsächlich aussieht.

1. Die Schöpfung und der Mensch
Gehen wir zunächst ganz an den Beginn der Bibel: In den ersten zwei Kapiteln finden wir den Bericht über die Tatsachen, wie Gott die Welt geschaffen hat. Dieser Bericht zeigt uns eine ganze Menge wichtiger Dinge – ich beschränke mich hier auf das, was uns zu unserem Thema weiterhilft:

1. Die Schöpfung ist für Gott. Gott hat alles geschaffen, um erkannt zu werden. Gott hat alles zu Seinem Lob, zu Seiner Ehre geschaffen. Gleich zu Beginn der Schöpfung offenbart Sich Gott als der Dreieine: Gott Vater spricht, Gott Sohn (das Wort, Jesus Christus) erschafft die Dinge, Gott Heiliger Geist schwebt oder besser übersetzt „brütet“ über den Wassern und sorgt für die exakte Ausführung.

2. Der Mensch hat eine besondere Stellung. Er ist im Ebenbild Gottes geschaffen. Er soll alles beherrschen, und zwar im vollen Sinne von: Bewahren, pflegen, nutzen, vermehren, verarbeiten, und so weiter. Er ist im Ebenbild Gottes geschaffen. Das heißt, dass die Menschheit als einzige Kreatur die ganze Dreieinigkeit Gottes so widerspiegelt wie das kein anderer Teil der Schöpfung kann. Deshalb ist der Wert des Menschen unendlich viel größer als derjenige der gesamten restlichen Schöpfung.

3. Gott schafft als Krone der Schöpfung den Sabbat. Dieser Tag ist gemacht, damit der Mensch und die ganze Schöpfung an einem Tag pro Woche die Gemeinschaft mit Gott in besonderer Weise feiern und auch genießen kann.

4. Gott hat alles sehr gut geschaffen. Das Paradies war von Anfang an sehr gut – aber es war nicht für die Ewigkeit geschaffen, denn es sollte erlöst werden. Die Notwendigkeit der Erlösung war von der frühesten Zeit bereits in die Schöpfung eingebaut – und diente wie alles andere auch dazu, um Gott zu offenbaren, also Gottes Wesen bekannt zu machen.

5. Gott schafft den Menschen als Mann und Frau. Das ist etwas ganz Besonderes. Mann und Frau sind beide gleichwertig aber unterschiedlich gemacht. Das Geschlecht ist keine gesellschaftliche Zuordnung, sondern von Gott geschaffen, damit der Mensch in seiner Unterschiedlichkeit Gottes Ebenbild sein kann.

6. Der Mensch hat einen Erhaltungsauftrag der Schöpfung gegenüber bekommen. Dieser Auftrag beinhaltet auch die Arterhaltung, wozu die Haltung von Nutztieren einen wichtigen Beitrag leistet.


2. Der Sündenfall und seine Folgen
Doch dann kam der Sündenfall. Der Mensch ist von Gott ganz und gar abgefallen. Die Entfremdung von Gott, von den Mitmenschen (insbesondere auch vom anderen Geschlecht), von sich selbst und von der Natur hat seine Auswüchse bis in die heutige Zeit. Je weiter die Technologie fortschreitet, desto größer wird die Kluft zwischen dem Segen der gut gebrauchten Technologie und dem Fluch der missbrauchten Technologie.

Doch interessant ist, was Gott direkt nach dem Sündenfall macht:

Und Gott der Herr machte Adam und seiner Frau Kleider aus Fell und bekleidete sie. (1. Mo. 3,21)

Gott war also der Erste, der ein Tier genommen hat und – um dem Tier das Fell abzuziehen – es töten musste. Das erste Tieropfer stammt somit vom allmächtigen, ewigen Gott Selbst, der damit Hand an Seine Schöpfung angelegt hat. Das war die Konsequenz des Sündenfalls für die Natur. Der Mensch ist über sie gestellt, er sorgt für sie, aber verfügt auch über sie, deshalb steht sie seit dem Sündenfall unter dem Fluch. Und die Menschen fahren fort, Tiere zu opfern – und wie man feststellen kann, ist das die einzig richtige Art zur damaligen Zeit, mit der menschlichen Sünde umzugehen, denn nur dort kann Schuld vergeben werden, wo Blut fließt.


3. Der Bund mit Noah
Und dann kommt es gleich noch viel heftiger: Die Menschheit wird immer schlimmer, und weil die Menschheit so schlimm wird, dass sie nicht mehr auszuhalten ist, muss halt die Tierwelt auch gleich mit dran glauben. Die große Flut wird von Gott, dem ewigen, allmächtigen, allwissenden, barmherzigen, heiligen, liebenden Gott initiiert und kostet vermutlich Millionen von Tieren das Leben. Wer damit ein Problem hat, darf sich gern an den Schöpfer wenden. Auch hier sehen wir wieder einmal, dass die Tierwelt dem Menschen direkt unterstellt ist, denn die Tiere müssen die Sünde des Menschen mitbezahlen.

Und nach der Sündflut kommt das erste offizielle Bündnis Gottes mit dem Menschen seit dem Sündenfall:

Und Gott segnete Noah und seine Söhne und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch und erfüllt die Erde! Furcht und Schrecken vor euch soll über alle Tiere der Erde kommen und über alle Vögel des Himmels, über alles, was sich regt auf dem Erdboden, und über alle Fische im Meer; in eure Hand sind sie gegeben! Alles, was sich regt und lebt, soll euch zur Nahrung dienen; wie das grüne Kraut habe ich es euch alles gegeben. Nur dürft ihr das Fleisch nicht essen, während sein Leben1, sein Blut, noch in ihm ist! Jedoch euer eigenes Blut will ich fordern, von der Hand aller Tiere will ich es fordern und von der Hand des Menschen, von der Hand seines Bruders will ich das Leben des Menschen fordern. Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll auch durch Menschen vergossen werden; denn im Bild Gottes hat Er den Menschen gemacht. Ihr aber, seid fruchtbar und mehrt euch und breitet euch aus auf der Erde, daß ihr zahlreich werdet darauf! (1. Mo. 9, 1 - 7)

Das ist keine Notverordnung weil es etwa keine Pflanzen mehr gegeben hätte, sondern dieser Bund mit Noah ist ein Teil des wunderbaren Heilsplans Gottes. Im Garten bei Eden gab es noch keinen Tod, keine Schmerzen, keine Geburtswehen, keine schweißtreibende Arbeit. All das kam erst durch den Sündenfall. Und solange Geburten unter Schmerzen vonstatten gehen, solange Menschen altern und sterben, solange ist auch der Fleischgenuss erlaubt und gottgewollt. Und auch hier sehen wir wieder den überragenden Wert des Menschen: Wer einen Menschen tötet, der hat sein Leben verwirkt – bei einem Tier ist das nicht der Fall.


4. Das Passahlamm
Als Gott durch Mose das Volk Israel aus Ägypten führen lassen wollte, wurde das Passahmahl eingesetzt. In der Nacht vor dem Abmarsch musste an jede Türe der Israeliten das Blut von einem Lamm gestrichen werden. Der Engel Gottes ging in der Nacht von Haus zu Haus und holte in jedem Haus, an dem kein Blut zu sehen war, den ältesten Sohn:

Und der Herr redete zu Mose und Aaron im Land Ägypten und sprach: Dieser Monat soll euch der Anfang der Monate sein, er soll für euch der erste Monat des Jahres sein. Redet zu der ganzen Gemeinde Israels und sprecht: Am zehnten Tag dieses Monats nehme sich jeder Hausvater ein Lamm, ein Lamm für jedes Haus; wenn aber das Haus zu klein ist für ein Lamm, so nehme er es gemeinsam mit seinem Nachbarn, der am nächsten bei seinem Haus wohnt, nach der Zahl der Seelen; dabei sollt ihr die Anzahl für das Lamm berechnen, je nachdem jeder zu essen vermag. Dieses Lamm aber soll makellos sein, männlich und einjährig. Von den Schafen oder Ziegen sollt ihr es nehmen, und ihr sollt es aufbewahren bis zum vierzehnten Tag dieses Monats. Und die ganze Versammlung der Gemeinde Israels soll es zur Abendzeit schächten. Und sie sollen von dem Blut nehmen und damit beide Türpfosten und die Oberschwellen der Häuser bestreichen, in denen sie essen. Und sie sollen das Fleisch in derselben Nacht essen: am Feuer gebraten, mit ungesäuertem Brot; mit bitteren Kräutern sollen sie es essen. Ihr sollt nichts davon roh essen, auch nicht im Wasser gekocht, sondern am Feuer gebraten, sein Haupt samt seinen Schenkeln und den inneren Teilen; und ihr sollt nichts davon übriglassen bis zum anderen Morgen. Wenn aber etwas davon übrigbleibt bis zum Morgen, so sollt ihr es mit Feuer verbrennen. So sollt ihr es aber essen: eure Lenden umgürtet, eure Schuhe an euren Füßen und eure Stäbe in euren Händen, und in Eile sollt ihr es essen; es ist das Passah des Herrn. Denn ich will in dieser Nacht durch das Land Ägypten gehen und alle Erstgeburt im Land Ägypten schlagen, vom Menschen bis zum Vieh, und ich will an allen Göttern der Ägypter ein Strafgericht vollziehen, ich, der Herr. Und das Blut soll euch zum Zeichen dienen an euren Häusern, in denen ihr seid. Und wenn ich das Blut sehe, dann werde ich verschonend an euch vorübergehen; und es wird euch keine Plage zu eurem Verderben treffen, wenn ich das Land Ägypten schlagen werde. (2. Mose 12, 1 - 10)

Hier haben wir nicht nur den Befehl Gottes, ein Tier zu schlachten, sondern vielmehr noch den Befehl, es auch zu essen. Es soll nichts davon übrigbleiben – was übrigbleibt, müsste weggeworfen werden. So viel also zur befohlenen „Verschwendung“ von Fleisch. Wohl dem Israeliten, der kein Vegetarier war! Und diese Mahlzeit wurde später eingesetzt zur Erinnerung an das erste Passahmahl – es musste jedes Jahr wiederholt werden. Zur Ehre Gottes, des Allmächtigen, der die Erstgeborenen Israels vor Seinem gerechten Zorn gerettet hat.


5. Du sollst nicht töten?
Israel zog aus Ägypten aus. In der Wüste gibt es nichts zu essen. Das Volk schreit zu Gott – und was gibt es? Wachteln! Vögel schickt Gott Seinem Volk. Aber, Herr, was essen denn nun die Vegetarier?

Und dann kam Israel an den Sinai und bekam die Zehn Worte. Eines davon wird heute häufig missbraucht mit der Übersetzung: „Du sollst nicht töten“. Sollte Gott etwa tatsächlich gegen Sein eigenes Gebot verstoßen haben, als Er dem ersten Menschenpaar Kleider aus Fell machte?

Bei näherem Hinsehen entpuppt sich das Gebot etwas anders. Besser übersetzt müsste da stehen: „Morde nicht!“ Das ist ein riesiger Unterschied, denn das hebräische Wort, was hier für „morden“ steht, wird nur auf Menschen angewendet und zwar nur auf Menschen, welche hinterhältig und unbegründet umgelegt werden. Streng genommen kann dieses Gebot weder gegen die Todesstrafe, noch gegen den Militärdienst noch gegen die Selbstverteidigung im Falle eines Falles verwendet werden. Dies aber nur am Rande.

Somit wird klar: Das Mordverbot kann im Fall der Tierschlachtung nicht angewendet werden. Ebenso wird einmal mehr klar, dass der Wert des Menschenlebens unendlich weit über dem Wert eines Tierlebens steht. Ok, wer mir das „unendlich“ anzweifeln will, darf das tun, verpflichtet sich damit aber, mir zu erklären, wie viele Tierleben den Wert eines Menschenlebens aufwiegen.


6. Die Opfergesetze
Über die Jahrhunderte – zwischen dem Auszug aus Ägypten und dem ersten Kommen Jesu liegen ungefähr 15 Jahrhunderte – wurden auf den Befehl Gottes hin Millionen von Tieren gezüchtet und gepflegt, um dann anschließend als Opfertier ihr Leben lassen zu müssen. All das waren nicht etwa Erfindungen des Menschen um Gott zu gefallen, sondern die Umsetzung von Gottes direktem Befehl. Das Tieropfer diente dazu, dass der Mensch sich immer wieder seiner Verantwortung und seiner Herrschaft über die Schöpfung bewusst wurde, indem er einsehen musste, dass die Vergebung menschlicher Schuld nur mit Blut gesühnt werden kann – entweder mit dem Blut und Leben des Schuldigen, oder mit dem stellvertretenden Blut und Leben eines perfekten Opfertiers, welches eine Vorschattung auf das war, was Jesus auf Golgatha für uns getan hat. Das Opfer Jesu ist also so groß, dass Gott das ganze Tierleid nicht zu schade war, welches in diesen Opfern zustande kam.


7. Gott auf Erden isst Fleisch
Und dann – als die Zeit erfüllt war – kam Gott als Mensch auf die Erde. Und macht was? Isst Fleisch. Hilft den Fischern, einen größeren Fang zu machen als jemals bisher. Also ein größeres Schlachten von Fischen (Lukas 5,9). Und isst mit Seinen Jüngern Fisch zum Frühstück:

Jesus spricht zu ihnen: Kommt zum Frühstück! Aber keiner der Jünger wagte ihn zu fragen: Wer bist du? Denn sie wußten, daß es der Herr war. Da kommt Jesus und nimmt das Brot und gibt es ihnen, und ebenso den Fisch. (Joh. 21, 12-13)

Und isst mit ihnen das Passahlamm:

Sie gingen hin und fanden es, wie er ihnen gesagt hatte; und sie bereiteten das Passah. Und als die Stunde kam, setzte er sich zu Tisch und die zwölf Apostel mit ihm. Und er sprach zu ihnen: Mich hat herzlich verlangt, dieses Passah mit euch zu essen, ehe ich leide. Denn ich sage euch: Ich werde künftig nicht mehr davon essen, bis es erfüllt sein wird im Reich Gottes. (Luk. 22,13-16)


8. Paulus und das Götzenopferfleisch
Häufig wird auch darauf hingewiesen, dass schon Paulus den Vegetarismus angesprochen habe. Dies stimmt, doch ist es ein weiterer Missbrauch der Bibel, diese Passagen bei Paulus so zu missdeuten, als ob es Paulus um das Essen von Fleisch an sich ginge. Das ist falsch, denn Paulus spricht damit lediglich den Fall an, in welchem das Fleisch, welches auf dem Markt verkauft wurde, zuvor einem falschen Götzen geopfert wurde. In dem Fall sagt Paulus:

Was nun das Essen der Götzenopfer betrifft, so wissen wir, daß ein Götze in der Welt nichts ist, und daß es keinen anderen Gott gibt außer dem Einen. Denn wenn es auch solche gibt, die Götter genannt werden, sei es im Himmel oder auf Erden — wie es ja wirklich viele »Götter« und viele »Herren« gibt —, so gibt es für uns doch nur einen Gott, den Vater, von dem alle Dinge sind und wir für ihn; und einen Herrn, Jesus Christus, durch den alle Dinge sind, und wir durch ihn. Aber nicht alle haben die Erkenntnis, sondern etliche machen sich ein Gewissen wegen des Götzen und essen [das Fleisch] noch immer als Götzenopferfleisch, und so wird ihr Gewissen befleckt, weil es schwach ist. Nun bringt uns aber eine Speise nicht näher zu Gott; denn wir sind nicht besser, wenn wir essen, und sind nicht geringer, wenn wir nicht essen. Habt aber acht, daß diese eure Freiheit den Schwachen nicht zum Anstoß wird! (1. Kor. 8, 4-9)

Mit diesem Hintergrund wird auch die Stelle im Römerbrief klarer:

Nehmt den Schwachen im Glauben an, ohne über Gewissensfragen zu streiten. Einer glaubt, alles essen zu dürfen; wer aber schwach ist, der ißt Gemüse. Wer ißt, verachte den nicht, der nicht ißt; und wer nicht ißt, richte den nicht, der ißt; denn Gott hat ihn angenommen. (Röm. 14,1-3)

Später fährt er fort:

Darum laßt uns nicht mehr einander richten, sondern das richtet vielmehr, daß dem Bruder weder ein Anstoß noch ein Ärgernis in den Weg gestellt wird! Ich weiß und bin überzeugt in dem Herrn Jesus, daß nichts an und für sich unrein ist; sondern es ist nur für den unrein, der etwas für unrein hält. Wenn aber dein Bruder um einer Speise willen betrübt wird, so wandelst du nicht mehr gemäß der Liebe. Verdirb mit deiner Speise nicht denjenigen, für den Christus gestorben ist! So soll nun euer Bestes nicht verlästert werden. Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude im Heiligen Geist; wer darin Christus dient, der ist Gott wohlgefällig und auch von den Menschen geschätzt. So laßt uns nun nach dem streben, was zum Frieden und zur gegenseitigen Erbauung dient. Zerstöre nicht wegen einer Speise das Werk Gottes! Es ist zwar alles rein, aber es ist demjenigen schädlich, der es mit Anstoß ißt. Es ist gut, wenn du kein Fleisch ißt und keinen Wein trinkst, noch sonst etwas tust, woran dein Bruder Anstoß oder Ärgernis nehmen oder schwach werden könnte. Du hast Glauben? Habe ihn für dich selbst vor Gott! Glückselig, wer sich selbst nicht verurteilt in dem, was er gutheißt! Wer aber zweifelt, der ist verurteilt, wenn er doch ißt, weil es nicht aus Glauben geschieht. Alles aber, was nicht aus Glauben geschieht, ist Sünde. (Röm. 14,13 - 23)

So wird klar, dass für Paulus die Freiheit wichtig ist, er die Angst vor dem Götzenopferfleisch jedoch als eine Schwäche im Glauben verstanden hat. Zugleich warnt er ganz klar vor allen, die versuchen, andere zum Vegetarismus zu bekehren:

Der Geist aber sagt ausdrücklich, daß in späteren Zeiten etliche vom Glauben abfallen und sich irreführenden Geistern und Lehren der Dämonen zuwenden werden durch die Heuchelei von Lügenrednern, die in ihrem eigenen Gewissen gebrandmarkt sind. Sie verbieten zu heiraten und Speisen zu genießen, die doch Gott geschaffen hat, damit sie mit Danksagung gebraucht werden von denen, die gläubig sind und die Wahrheit erkennen. Denn alles, was Gott geschaffen hat, ist gut, und nichts ist verwerflich, wenn es mit Danksagung empfangen wird; denn es wird geheiligt durch Gottes Wort und Gebet. (1. Tim. 4,1 - 4)


9. Vegetarismus in der Kirchengeschichte
Nachdem gegen Ende des ersten Jahrhunderts nach unserer Zeitrechnung die Schriften des Neuen Testaments vollständig fertiggestellt warn, dauerte es nicht lange, bis such zu erfüllen begann, wovor der Apostel Paulus seinen Mitarbeiter Timotheus gewarnt hatte:

1. Ebioniten
Eine der ersten Bewegungen, die in der Kirchengeschichte als Vertreter des Vegetarismus bekannt ist, waren die Ebioniten (wörtlich übersetzt: Die Armen). Sie sahen sich als Juden, die an Jesus glaubten, lehnten aber die Schriften von Paulus ab, ebenso den stellvertretenden Tod Jesu am Kreuz. Sie lehnten das Tieropfer ab und verboten den Fleischgenuss.

2. Enkratiten
In der Mitte des zweiten Jahrhunderts entstand die Sekte der Enkratiten (wörtlich übersetzt: Die Enthaltsamen). Das war eine stark asketische Bewegung, in welcher das Heiraten, bzw. jede sexuelle Tätigkeit und der Genuss von Fleisch untersagt wurde. Das Ziel des Ganzen war, dass der Mensch ein Leben wie ein Engel führen solle, um so durch ein Christus-ähnliches Leben erlöst zu werden. Aller Genuss sei fleischlich und damit abzulehnen.

3. Eustathianer
Eine weitere Gruppierung der frühen Geschichte waren die Eustathianer, die nach dem angenommenen Gründer Eustathios von Antiochia benannt wurden. Sie verlangten ein komplett besitzloses Leben, verboten zu heiraten und Fleisch zu essen. Außerdem lehnten sie das Feiern von Gottesdiensten ab. Ihre Irrlehren wurden 340 auf der Synode von Gangra verurteilt.

4. Bogomilen
Auch im Mittelalter traten vereinzelt wieder Gruppierungen auf, welche den Vegetarismus vertraten. Im 10. Jahrhundert nach unserer Zeitrechnung entstanden in Osteuropa die Bogomilen (der Name kommt vom bulgarischen Namen des Gründers Bogomil – zu deutsch etwa „Gottlieb“). Auch hier gab es wieder einen neuplatonischen Dualismus mit der Ablehnung von allem Materiellen. Dies führte zur Ablehnung einiger Teile des Alten Testaments und so unter anderem auch zum Verbot des Fleischgenusses.

5. Katharer
Ab dem 12. Jahrhunder traten in Westeuropa, insbesondere in Frankreich, auch die Katharer (wörtlich übersetzt: Die Reinen) auf. Sie waren ein westlicher Abklatsch der östlichen Bogomilen und beriefen sich auch auf dieselben häretischen Schriften wie jene. Für die Katharer ist die Welt das böse Gefängnis der an sich guten Seele, weshalb diese aus dem Gefängnis befreit werden solle. Dies könne nur durch das so genannte Consolamentum – eine Art Initiationsritus zum Katharer – geschehen. Nach einem Noviziat (eine Vorbereitungszeit) gehörte man zu den Perfekten, welche sich aller materiellen Genüsse – so etwa des Fleisches – zu enthalten hatten.


10. Von der Freiheit eines Christenmenschen
Nach dieser Betrachtung wird deutlich, dass es sehr sehr schwer wird, sich die Bibel oder die Geschichte der Kirche zunutze zu machen, um für den Vegetarismus zu plädieren. Eines bleibt vorerst noch zu sagen: Die Bibel schätzt die Freiheit des Christen sehr hoch ein. Insofern ist es natürlich erlaubt, auf das Essen von Fleisch zu verzichten. Wo es jedoch zu Problemen kommt, ist dort, wo Menschen versuchen, ihren Lebensstil als Vegetarier anderen aufzuschwatzen, was häufig passiert.

Nichtsdestotrotz muss natürlich auch gesehen werden, dass es menschliche Gründe gibt, auf Fleisch verzichten zu wollen. Manche Menschen mögen einfach kein Fleisch, und das ist natürlich ok. Dagegen gibt es nichts einzuwenden.

Auch ist das Argument von der schlechten Tierhaltung nicht ganz von der Hand zu weisen. Dass es schlechte Tierhaltung gibt, wird jeder feststellen können, der sich eine Weile damit befasst. Die Frage muss also anders gestellt werden: Kann der Verzicht auf Fleisch etwas an dieser Lage ändern? Bisher lautet die Antwort: Nein. Es werden nach wie vor viele Tiere zum Schlachten gezüchtet und gemästet. Sie werden geschlachtet und zum Verzehr bereitet. Es ist wie oben beim Passahlamm bereits gesehen: Was nicht gegessen wird, wird verbrannt, bzw. kommt in den Müll.

Es gibt natürlich das Argument: Ich esse kein Fleisch, ich bin dagegen, und mache mich somit an dieser Gesellschaft nicht schuldig. Dieses Argument erinnert mich immer an einen Song von den Ärzten. Doch so einfach ist das leider nicht. Einzig dagegen zu sein rettet keinem einzigen Tier das Leben. Außerdem muss man sich fragen, was mit all den Schlachttieren geschehen soll, falls sie nicht geschlachtet werden sollen. Tierheime sind jetzt schon überfüllt und auch nicht unbedingt in der tierfreundlichsten Art ausgestattet.


11. Zu guter Letzt: Verzicht auf Medizin und Kosmetik?
Und dann muss in der ganzen Debatte um das Tierleid auch die Frage nach konsequenter Umsetzung gestellt werden. Hier kommen wir zurück auf eine Aussage, die ich im zweiten Abschnitt vom Sündenfall und der Technologie gemacht habe: „Je weiter die Technologie fortschreitet, desto größer wird die Kluft zwischen dem Segen der gut gebrauchten Technologie und dem Fluch der missbrauchten Technologie.“ Das wird nirgendwo deutlicher als in der heutigen Forschung und Medizin. Ich bin dankbar für alle Erkenntnisse und Medikamente, die ich nutzen darf. Zugleich muss ich mir aber auch bewusst sein, dass diese ebenfalls mit Tierleid verbunden sind.

Wer also konsequent gegen Tierleid ist und darauf verzichten will, sollte zunächst damit beginnen, auf jede Art von Kosmetika und Medikamenten zu verzichten. Das wäre eine konsequente Haltung, die allerdings auch andere Konsequenzen mit sich ziehen kann. Etwa die Verkürzung des Lebens und ein Mehr an Menschenleid.


12. Schlusswort
Nach dieser Betrachtung sollte klar geworden sein, dass das Thema keinesfalls so leichtfertig beantwortet werden kann. Die Bibel und Kirchengeschichte geben keinen Hinweis darauf, dass der Mensch langfristig für Vegetarismus geschaffen wurde. Doch ist andererseits das Problem der schlechten Tierhaltung auch nicht zu übersehen. Was es hier bräuchte, wären alternative Ansätze, etwa die Förderung lokaler Anbieter von artgerecht gehaltenen Tieren. Oder der Umstieg auf Selbstversorgung. Da dies jedoch nicht allen von uns möglich sein wird, schon allein deshalb, weil es in unseren westeuropäischen Staaten nicht ganz einfach ist, an die Lizenzen und Werkzeuge zum Jagen und Schlachten zu kommen, werden wir auch weiter mit der ethischen Spannung leben müssen. Wer in unsere Gesellschaft hineingeboren wurde und bleibt, um hier zu leben, ist darin nun mal mitgegangen und mitgefangen. Ob er nun Fleisch isst oder nicht.

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