„Ihr Wesen ist weder
Denken noch Handeln, sondern Anschauung und Gefühl. Anschauen will
sie das Universum, in seinen eigenen Darstellungen und Handlungen
will sie es andächtig belauschen, von seinen unmittelbaren
Einflüssen will sie sich in kindlicher Passivität ergreifen und
erfüllen lassen.“ (Friedrich Daniel Ernst Schleiermacher, Über
die Religion. Reden an die Gebildeten unter ihren Verächtern.
Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen, 2. Aufl. der Ausgabe zum
Hundertjahr-Gedächtnis, herausgegeben von Rudolf Otto, S. 32)
Diese Gefühlsvergötzung
greift in unserer Zeit um sich wie kaum zuvor. Das Denken und
Erfassen mit dem Verstand wird immer mehr vernachlässigt, vielmehr
steht das Gemeinschaftserlebnis und die dabei entstehenden Gefühle
von Massensuggestion im Mittelpunkt. Nach Schleiermacher hat der
Glaube also nichts mehr mit Nachdenken und auch nichts mit ethischem
Handeln zu tun. Das gehört für ihn auch zum Leben, aber er teilt
das ganze Leben in zwei getrennte Bereiche ein: Auf der einen Seite
das Denken, Wollen und Handeln, das der Wissenschaft entspringt und
auf der anderen Seite die Gefühlswelt und das passive
Sich-Ergreifen-Lassen vom Unbekannten in – wie er das nennt -
„kindlichem“ Glauben.
Wir müssen zwei Dinge
dazu festhalten: Die Bibel spricht an keiner Stelle gegen Gefühle,
denn die Gefühle gehören zu unserem Leben dazu, genauso wie das
Denken auch. Aber die Bibel ruft zu einer Nüchternheit auf, was
bedeutet, dass Gefühle – genau so wie das Denken – an einem
absoluten Maßstab, nämlich der Bibel, geprüft werden müssen. Die postmoderne Haltung sagt aus: es ist gut, solange es mir ein
gutes Gefühl gibt. Diese Haltung verkennt, dass Satan, der
Gegenspieler Gottes, wie ein Engel des Lichts ist. Er kann ebenfalls
wunderschöne Gefühle machen. Und als Drittes leben wir in einem
menschlichen Körper, in dem man mit bestimmten Dingen ebenfalls
Hormone ausschütten lassen kann, die uns dann ein gutes Gefühl
geben. Ein gutes Beispiel ist die Tafel Schokolade, die uns einen
Moment lang ein wunderbares Gefühl gibt, doch schon bald ihre
Schwäche zeigt, indem man an den ungewolltesten Orten zuzunehmen
beginnt.
Ein Zweites dazu: Die
Bibel ruft uns dazu auf, uns verändern zu lassen. Dies geschieht
dadurch, dass Gott uns einen fixen Maßstab gibt, der durch alle
Jahrhunderte und Jahrtausende Gültigkeit hat. An diesem Maßstab
muss unser Denken, Fühlen, Wollen und Handeln geprüft werden. Nicht
unser Gefühl ist dabei ausschlaggebend, nicht unsere Erfahrung,
sondern Gottes Wort, die Bibel. Gott möchte, dass wir uns an Seinen
Maßstab anpassen, keinesfalls aber die Bibel an unseren persönlichen
Maßstab. Paulus schreibt zu dieser Veränderung: Ich ermahne euch
nun, ihr Brüder, angesichts der Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure
Leiber darbringt als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges
Opfer: das sei euer vernünftiger Gottesdienst! Und passt euch nicht
diesem Weltlauf an, sondern lasst euch [in eurem Wesen] verwandeln
durch die Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was der
gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist.
(Römer 12, 1 – 2)
Diese Veränderung ist
es, die wir brauchen. Ein neues Vertrauen in das irrtumslose Wort
Gottes und eine gewisse Art von Zweifel an uns selbst. Wir haben in
unserer Zeit nicht zu wenig Selbstvertrauen, sondern eher zu viel
Selbstvertrauen und zu wenig Gottesvertrauen.
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