Postmoderne
Geschichtenerzähler und die Veränderung des Denkens
Und paßt euch nicht
diesem Weltlauf an, sondern laßt euch [in eurem Wesen] verwandeln
durch die Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was der
gute und wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist. (Römer
12, 2)
Wir Menschen der
Postmoderne lieben Geschichten. Wir lieben sie so sehr, dass viele
Prediger inzwischen auf den Zug des Geschichtenerzählens
aufgesprungen sind, sodass manche Predigten zu einer Art
Geschichtenmarathon geworden sind. Ich möchte zuerst aufzeigen,
warum wir Geschichten so sehr lieben, danach diese Gründe auf den
Vers von Paulus aus dem Römerbrief beziehen und zum Schluss
aufzeigen, wie in der Bibel Geschichte und Geschichten erzählt
werden und was wir daraus lernen können für unser eigenes Leben.
1. Warum wir
Geschichten lieben
Die Gründe hierfür kann
man in bewusste und unbewusste, bzw. in vordergründige und
hintergründige Arten von Gründen einteilen. Die bewussten und damit
vordergründigen hören sich in der Regel sehr positiv an:
- Diese Geschichten
kommen direkt aus dem Leben.
- Diese Geschichten
bewirken etwas in mir.
- Diese Geschichten kann
ich mir gut einprägen.
Nichtsdestotrotz muss man
festhalten, dass durch diese Geschichten sehr wenig wirkliche,
bleibende Veränderung (die Bibel nennt das „Frucht“)
festzustellen ist. Deshalb müssen wir uns auch mit den unbewussten,
hintergründigen und plötzlich nicht mehr so positiven Gründen
unserer Kultur der Geschichten befassen:
- Die Geschichten
wühlen unsere Gefühle auf und vernebeln damit das klare Denken.
Wir haben uns in unserer Gesellschaft (auch als Christen) angewöhnt,
die Gefühle als Maßstab für unsere Situation zu betrachten. Auch
wenn wir das abstreiten oder uns nicht bewusst sind, es ist dennoch
so. Wir werden von Kindesbeinen dazu erzogen, nach unseren Gefühlen
zu urteilen und zu handeln. Weil uns keine absoluten Maßstäbe mehr
beigebracht werden, müssen wir subjektive Maßstäbe suchen; und
sobald wir mit dem Willen nicht festen Maßstäben folgen, setzen
sich automatisch immer die Gefühle durch und bestimmen unser
Handeln. Wir müssen hier aufpassen, dass wir die Gefühle nicht
gänzlich beiseite schieben, denn auch sie sind uns von Gott gegeben
und haben ihre bestimmte Funktion, aber innerhalb fester Grenzen des
durch Gottes Wort veränderten Denkens. Zurück zu den Geschichten:
Sie sind heutzutage immer so aufgebaut, dass sie einem Drama gleichen
mit einem Höhe- (besser gesagt Tief-)punkt und dem darauf folgenden
Happy-End. Dies lässt den Hörer innerlich mitgehen, er
identifiziert sich für die Dauer der Geschichte mit der Hauptperson
und das wirkt sich natürlich automatisch auf die Gefühle aus. Der
Hörer „fühlt“ sich verändert, während lediglich seine Gefühle
mitgegangen sind. Und dies vernebelt sein ganzes Denken, denn
einerseits werden die Hormone in Wallung gebracht und andererseits
bildet er sich gleich darauf ein, richtig verändert worden zu sein.
- Die Geschichten sind
zu persönlich und zu detailreich. Während der Hörer sich bei
der Erzählung dieser Geschichte mit der Hauptperson identifiziert,
hört dies nach dem Ende der Geschichte plötzlich auf. Man
realisiert: ich bin nicht die Person, sondern es ist die andere
Person, die das subjektiv und persönlich so erlebt hat. Im Sinne
von: Was Gott mit der anderen Person vorhat, wird bestimmt nicht bei
mir der Fall sein. Wir werden noch sehen, wie Jesus in den
Gleichnissen sehr weise mit diesem Problem umgegangen ist.
- Die Geschichten
„müssen“ nicht beurteilt werden. Wir haben als Kinder
unserer Zeit eine panische Angst davor, zu urteilen, sehr oft gepaart
mit einer Faulheit, die das noch verstärkt. Jesus befahl uns, alles
zu prüfen und wachsam zu sein. Bei Geschichten haben wir das
Problem, dass sie subjektiv erlebt wurden und deshalb schon als
solche „echte Erlebnisse“ gar nicht erst an der Bibel geprüft
werden „dürfen“. Denn es ist ja das Erleben jener Person, also
„muss“ es echt sein. Alles bewusst in Anführungszeichen, denn
das Denken ist falsch. Auch das Erlebte (genauso wie alle unsere
Gefühle) müssen an der Bibel ganz klar und bewusst geprüft werden.
Mit Geschichten kann man das Problem „Lehre trennt, Liebe eint“
(so ein typisches falsches postmodernes Denken) elegant umgehen.
2. Die Erneuerung
eures Sinnes
Unsere Welt liebt
Geschichten, weil sie ein schnelles Ergebnis bringen (Stichwort:
Konsumgesellschaft), denn sie sorgen für schnelle, schöne Gefühle.
Geschichten werden so zu einer Art Droge, was auch in unserer
evangelikalen Welt zu einer Art Event-Christentum geführt hat. Um
dies wirksam zu bekämpfen, werden nun diese Gefühls-Events durch
das Geschichten-Predigen in die einzelnen Ortsgemeinden
hineingetragen.
Und genau hier greift das
Wort von Paulus: Passt euch nicht dem Weltlauf an. Besser übersetzt:
Lasst euch nicht der Welt gleichförmig machen. Wir sollen als
Christen nicht gleich sein wie die Welt, sondern uns verändern
lassen. Die Schwierigkeit ist folgende: Veränderung hat ihren Preis.
Der Welt gleichförmig wird man automatisch. Veränderung kostet
Zeit, Kraft, die Bereitschaft, auch weniger beliebt zu sein in der
Welt, und so weiter. Wenn wir bei Paulus weiter lesen, wird uns
bewusst, was genau verändert werden muss: Nicht die Gefühle,
sondern unser Denken. Gefühle sind wie der Wind, sie kommen und
gehen wie immer sie gerade wollen. Sie können leicht beeinflusst
werden, aber sind sehr unstet. Unser Denken besitzt eine gewisse
Konstante, die sich durchaus verändern lässt, aber durch diese
Konstante ist diese Veränderung des Denkens mit deutlich mehr
Aufwand verbunden. Echte Veränderung des Denkens findet dort statt,
wo der Mensch sich und sein bisheriges Denken von Gottes Wort
beurteilen und verurteilen lässt und aus dieser Verurteilung dazu
geführt wird, das falsche Denken durch richtiges Denken zu ersetzen.
Aus dem richtigen Denken gespeist können dann auch erst die
richtigen Worte und Handlungen kommen.
Und dann kommt Paulus zum
eigentlichen Grund, weshalb wir unser Denken überhaupt verändern
lassen sollen: Damit ihr prüfen könnt, was der gute und
wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist. Ohne das veränderte
Denken sind wir also nicht imstande, Gottes Willen zu erkennen! Ich
denke schon, dass der Großteil der Christen wissen möchte, was
Gottes Wille für sein Leben ist. Wo wir also unsicher sind, was
Gottes Wille ist, da liegt es sehr oft an unserer Unfähigkeit, zu
prüfen, was der Wille Gottes ist. Es liegt daran, dass wir am Anfang
des Christenlebens stehen bleiben, uns von Events und Geschichtchen
hin- und hertreiben lassen, uns dabei zwar für kurze Zeit gut
fühlen, aber nicht wirklich im Glauben voran gehen können. Wir
stehen uns selbst im Weg. Und das ist eine Katastrophe, die uns tief,
tief bestürzen und ins Gebet treiben sollte.
3. Trotzdem
Geschichten erzählen?
Mit dem bisher Gesagten
wurde über unsere heutige Art, Geschichten zu erzählen, ein
vernichtendes Urteil ausgesprochen. Nun mag der Leser einwenden: Das
mag ja alles stimmen, aber man hat doch zu allen Zeiten Geschichten
erzählt und Jesus war auch ein großer Geschichtenerzähler. In der
Tat stimmt dies. Deshalb möchte ich zum Abschluss einen kurzen
Exkurs anfügen, wie dennoch Geschichten nach dem Vorbild der
Gleichnisse Jesu erzählt werden können.
Wenn man die Gleichnisse
Jesu aus der Vogelperspektive überfliegt, so fällt auf, dass sie
alle Konstrukte sind, die der Verdeutlichung eines bestimmten
Umstands dienen. Sie gleichen einem Strichmännchen beim
„Sonntagsmaler“, das eine bestimmte Tätigkeit zeigen soll. Sie
sind auf das Wesentliche gekürzt, es sind keine Wendungen darin
enthalten, die Anlass geben, sich mit der Person auf emotionaler
Ebene zu identifizieren. Es sind keine unnötigen Details enthalten,
jedes Detail, jeder Nebensatz dient lediglich der Verdeutlichung der
Hauptaussage des Gleichnisses. Abgesehen von Lazarus wird keine
Person mit Namen genannt, und auch dort nur, um aufzuzeigen, dass im
Himmel die Namen der Gläubigen bekannt sind und um dies in den
Gegensatz zum „unbekannten“ reichen Mann zu setzen. Ansonsten
geht es immer um einen Sämann, einen König, ein Ackerfeld, ein
Knecht, und so weiter. Deshalb fällt die Anwendung auf die eigene
Person auch viel leichter. Und genau das bezwecken diese Geschichten
Jesu auch. Es geht um die Anwendung, also um die Veränderung des
Denkens und dadurch des Handelns.
Wenn wir also Geschichten
erzählen wollen, so ist es wichtig, dass danach der Zusammenhang auf
jeden einzelnen Hörer ganz deutlich herausgearbeitet wird.
Geschichten verändern nicht von sich aus, es ist die aus ihr
gewonnene Lehre, die, auf den Hörer angewandt, zu einer Veränderung
führt. Jesus gibt uns als ein wunderbares Beispiel die Deutung vom
Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld. Er wendet es Schritt für Schritt
auf seine Zuhörer an. Nach diesem Vorbild können auch wir vorgehen.
Aber wir dürfen niemals bei der Geschichte stehen bleiben und den
Rest dem Hörer überlassen. Die Hauptaufgabe bei jeder dieser
Geschichten ist die Auslegung und Anwendung auf den einzelnen Hörer.
Ebenso müssen wir lernen, sie so zu beschränken, dass jedes Detail
dann tatsächlich auch angewandt werden kann. Und dies ist eine ganz
große Herausforderung in einer Zeit, von der Paulus sagte, dass die
Menschen „immerzu lernen und doch nie zur Erkenntnis der Wahrheit
kommen können“ (2. Tim. 3, 7) und den Fabeln hinterherjagen und
dem, was in den Ohren kitzelt (also dem, was sich gut anfühlt).
Hier ist unsere große
Verantwortung, zur Gleichförmigkeit mit der postmodernen Welt ein
klares „Nein“ zu haben und uns gegen diese falsche Kultur des
Geschichten Erzählens zur Wehr zu setzen. Sei gesegnet mit der Kraft
Gottes dazu!
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