Heute
möchte ich ein Buch vorstellen, das mich in ganz besonderer Weise
geprägt hat. Ich bin damit vor 20 Jahren erstmals in Berührung
gekommen. Damals war ich 9 Jahre alt und gerade bei meinen Großeltern
zu Besuch. Damit mich damals ein Buch faszinieren konnte, musste es
mindestens 300 Seiten haben – je dicker desto besser. Und so habe
ich mich bei meinem Opa in sein kleines Lese- und Schreibstüble
zurückgezogen und durchsuchte das Bücherregal nach interessanten
Büchern. Dabei stieß ich auf eins, das mir dick genug erschien. Es
trug den Titel: Sofies Welt. Roman über die Geschichte der
Philosophie. In meinen jungen Jahren habe ich noch nicht alles
verstanden, was ich darin gefunden habe. Aber mein Interesse war
geweckt. Inzwischen habe ich das Buch dreimal gelesen und
hoffentlich etwas mehr davon kapiert. Was mich jedoch von den ersten
Seiten des ersten frühen Lesedurchgangs geprägt hat, sind drei
Dinge:
1.
Geschichte ist wichtig. Man kann unsere Zeit und unser Leben nur
verstehen, wenn man die Geschichte des menschlichen Lebens verfolgt.
2.
Tiefes und scharfes Nachdenken darf nicht vernachlässigt werden. Ich
bin von meiner Persönlichkeit her ein eher emotionaler Mensch, und
ich denke, dass mir diese Liebe zum tiefen Nachdenken
hilft, die Balance zu halten.
3.
Es ist wichtig, dass man in allem erst einmal die verschiedenen
Sichtweisen anschaut, bevor man sich einer Meinung anschließt.
Ok,
soweit erst mal meine persönliche Reise zu und mit dem Buch Sofies
Welt. Der Autor des Buches, Jostein Gaarder, hat Philosophie,
Theologie und Literaturwissenschaft studiert und ist freier
Schriftsteller und Autor zahlreicher Bücher in Norwegen. Er löste
vor ein paar Jahren eine Kontroverse aus, weil er sich gegen Israel
als Staat gewandt hatte. Da kann ich mit ihm nicht mitgehen. Auch das
Buch Sofies Welt enthält manche Punkte, in denen ich mit Gaarder
nach einigem Überlegen nicht einig bin. Aber auch hier gilt: Prüfet
alles und das Gute behaltet. Und davon enthält der Roman eine ganze
Menge.
Sofies
Welt hat eine doppelte Rahmenerzählung, die ihrerseits auch wieder
philosophisch ist. Das macht das Buch etwas kompliziert zu lesen. Bei
meinem ersten Durchgang vor 20 Jahren bin ich manchmal an diesem
doppelten Rahmen beinahe verzweifelt. Im äußeren Rahmen geht es um
Hilde und ihren Vater Albert Knag. Doch diese werden erst später im
Roman eingeführt. Zu Beginn findet sich der Leser gleich in der
inneren Rahmenhandlung, wo Sofie Amundsen, nach welcher das Buch
benannt ist, Briefe von einem Alberto Knox bekommt. Dieser gibt ihr
einen Philosophiekurs, in dessen Verlauf deutlich wird, dass sie
„nur“ Figuren in der Fantasie eines Majors (Hildes Vater) sind.
Sie bemerken das auch und versuchen, sich zu verselbständigen. Gegen
Ende des Buches verschwimmen die Grenzen der zwei Rahmenhandlungen –
bis es Sofie und Alberto gelingt, zu fliehen.
Der
eigentlich wichtige Inhalt sind jedoch die einzelnen Teile des
Philosophiekurses, den Alberto Sofie gibt. Die Rahmenhandlungen haben
vor allem zwei Aufgaben: Die Spannung aufrechterhalten – das Buch
hat über 600 Seiten – und in sie sind auch immer wieder Beispiele
eingeflochten, die dem Leser helfen, die eigentlichen Lektionen des
Buches zu verinnerlichen. Sofie ist eine sehr neugierige Schülerin,
sie stellt immer wieder Fragen und will Beispiele wissen, welche die
gesamte Philosophiegeschichte sehr gut verständlich machen.
Gaarder
beginnt mit der antiken Mythologie und arbeitet deren Weltbild
heraus. Dann geht es weiter über die Vorsokratiker und die großen
Philosophen der griechischen Antike. Jeder Philosoph wird
vorgestellt, seine wichtigsten Gedanken zusammengefasst und mit
vielen lebensnahen und leicht verständlichen Beispielen geschmückt.
Die Reise führt weiter über das Mittelalter, unter anderen etwa
Descartes und seine Zeit, die Aufklärung, wobei ich sagen muss, dass
ich Kant und Hegel ganz besonders gut dargestellt finde. Das sind
zwei Denker, die es ihren Lesern nicht gerade einfach machen. Mit Ch.
Darwin und S. Freud hört die Darstellung der einzelnen Philosophen
auf. Der Philosophiekurs endet mit einem kurzen Überblick über das
20. Jahrhundert aus der Vogelperspektive, bevor ganz am Ende die
beiden Rahmenhandlungen zusammenfallen und den Leser etwas überrascht
und unzufrieden zurücklassen.
Gaarder
lädt ein zum Nachdenken, zum Hören auf frühere Stimmen, zum Lernen
aus der Vergangenheit. Auch wenn man seiner Beurteilung der
Philosophen nicht unbedingt in allen Fällen zustimmen muss, hat er
ein sehr wertvolles Werk geschaffen, das ich gerne weiterempfehle.
Auch
unsere Zeit ist nicht das Nonplusultra. Jede Zeit hat ihre Stärken,
Schwächen und blinden Flecken. Wie C. S. Lewis einmal sinngemäß
sagte: Wir können leider nicht auf die zukünftigen Stimmen hören,
wie sie unsere Zeit eines Tages beurteilen werden. Deshalb brauchen
wir die früheren Stimmen, die uns viel zu sagen haben.
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