Als
langjähriger Bücherfreund habe ich schon immer sehr gerne gelesen.
Bücher waren für mich seit jeher neue Welten, in die ich mit meiner
Phantasie abtauchen konnte. Und das gilt nicht nur für Romane und
Biographien, sondern in ähnlicher Weise für Sachbücher und
Abhandlungen aller Art.
Vor
ein paar Tagen bin ich über eine wunderbare Beschreibung gestolpert.
Hanniel Strebel bezeichnete ein Buch, das er gelesen hatte, als
„steile
Bergtour“. Ja, auch ich kenne diese Bücher, die eine steile
Bergtour sind. Im Rückblick würde ich sagen, dass das vierbändige
Hauptwerk Immanuel Kants über die Möglichkeiten und Grenzen der
Vernunft, das ich im Zuge meines Theologiestudiums (freiwillig)
gelesen habe, die vermutlich steilste Bergtour meines bisherigen
Leselebens war.
Für
mich ist Lesen eine Sache, die mich in vielen Bereichen meines Lebens
wachsen lässt. Was mache ich, um vom Lesen möglichst viel
profitieren zu können?
1.)
Ich lese regelmäßig und viel
Im
Durchschnitt lese ich pro Jahr um die 50 Bücher. Um ein
„Buch“ zu sein, muss es nicht unbedingt sehr dick sein. Rein
gefühlsmäßig fängt für mich ein Buch bei etwa 30 Seiten an,
wobei eine Zeitschrift dennoch kein Buch ist, auch wenn sie häufig
mehr als 30 Seiten hat. Alles in allem lese ich so ungefähr 1500
Seiten an Bücher im Monat. Einen Teil davon macht selbstverständlich
meine tägliche Ration Bibel in der nicht sehr stillen „Stillen
Zeit“ aus. Dies mache ich seit einem halben Jahr nach der Methode
von James Martin Gray, die ich hier
vorgestellt habe.
2.)
Ich lese in die Breite und Tiefe
Manchmal
lese ich nur ein einzelnes Buch von einem Autor, manchmal auch eine
ganze Reihe von Büchern, die zusammengehören. Manche Bücher sind
aus der neusten Zeit und manche sind älter. Manche lese ich zum
ersten Mal, andere frische ich wieder auf. Bei jedem Buch lerne ich
die Welt des Autors kennen, versuche, mit seinen Augen zu sehen und
in seine Schuhe zu schlüpfen. Ich will nicht nur Bücher lesen, bei
denen ich zu allem „Ja“ und „Amen“ sagen kann, sondern möchte
auch herausgefordert werden, neue Blicke auf die Welt zu bekommen.
Meine Faustregel ist dabei ungefähr die, welche ich von C. S. Lewis
übernommen habe und die ich hier
zitiere: Pro Buch der neusten Zeit (bei mir heißt das: Das Buch
wurde in der ersten Auflage innerhalb der letzten 30 Jahre verfasst)
lese ich eines, welches davor geschrieben wurde. Das muss nicht immer
1:1 abwechseln in der Zeit, es kann auch eine neue Buchserie sein,
die durch eine ältere Buchserie abgelöst wird.
3.
Ich lese Bücher analog und digital
Wenn
ich ein unbegrenztes Bücherbudget und unbegrenzt Platz im
Bücherregal hätte, würde ich am allerliebsten jedes Buch „in
echt“ kaufen. Echte Bücher sind für mich nur die analogen Bücher,
die man in den Händen halten, richtige Seiten umblättern und das
Papier riechen kann. Leider ist bei mir beides nicht zutreffend,
somit lese ich halt – etwas grummelnd – auch digitale Bücher.
Vor allem ältere Bücher gibt es immer mehr kostenlos in einem
digitalen Format. Als PDF oder auch im Kindle-Format, für den mein
Laptop auch einen Reader installiert hat. Hier ist meine Faustregel:
Mindestens die Hälfte der Bücher will ich analog lesen. Von vielen
Büchern gibt es in Online-Antiquariaten günstige Ausgaben, bei
denen man fast nur das Porto bezahlen muss. Der Artikel hier
(englisch) gibt mir übrigens recht, wenn ich vor zu vielen
digitalen Büchern warne.
4.
Ich lese ganz bewusst schwierige Bücher
Was
ein schwieriges Buch ausmacht, ist natürlich individuell
verschieden. Ich persönlich empfinde es als wichtig, meine
intellektuellen Fähigkeiten durch das Lesen schwieriger Bücher
immer wieder zu trainieren. Wir haben als Christen die Aufgabe, Gott
nicht nur mit unseren Gefühlen und nicht nur mit unserem Tun,
sondern auch mit dem Verstand zu lieben. Und natürlich andererseits
nicht nur mit dem Verstand, sondern auch mit unseren Gefühlen.
Dieser ganze Befehl gilt nicht nur für Einzelne, die halt „besonders
intellektuell“ oder „besonders gefühlsmäßig“ veranlagt sind,
sondern der gesamte Befehl gilt jedem einzelnen Christen. Und eine
Art, wie man Gott mit dem Verstand lieben kann, besteht nun eben
darin, sein intellektuelles Vermögen zu erweitern.
Ich
vergleiche das gern mit meinem momentanen Lieblingssport: Dem
Ausdauerlaufen. Wenn jemand auf einen Wettlauf hin trainiert, so ist
es so, dass jeder Mensch eine individuelle äußerste
Belastungsgrenze hat. Also eine Grenze, die durch seinen Körper
vorgegeben ist. Aber bis zu dieser absoluten Grenze kann jeder
ziemlich viel trainieren und sich mit dem entsprechenden Training
sehr stark verbessern. Natürlich gesetzt den Fall, dass man bereit
ist, die nötige Zeit und Kraft in dieses Training zu investieren.
Wenn jemand auf einen Wettlauf trainieren will, so schreibt Hubert
Beck in „Das
große Buch vom Marathon“ folgendes: „Joggen kann fast
jederzeit und überall ausgeübt werden. Mit relativ niedrigen Kosten
kann das Hobby Marathon und Fitness von jedermann realisiert werden,
der gesund ist und dafür durchschnittlich 1,5 Stunden pro Tag
investiert.“ (S. 12)
Für
das Hobby Marathon muss man also im Schnitt 1,5 Stunden pro Tag
investieren. Das ist ungefähr so viel Zeit, wie ich mir persönlich
an einem durchschnittlichen Tag fürs Lesen nehme. Ungefähr
eineinhalb bis maximal zwei Stunden. Viel mehr Zeit bleibt mir dafür
auch nicht. Vereinzelt auch noch an den Wochenenden etwas mehr, aber
das ist eher die Ausnahme. Ich würde aber sagen, dass auch eine
Dreiviertelstunde Lesen pro Tag sehr viel bringen würde, um die
intellektuelle Fähigkeit weiterzuentwickeln.
5.
Ich bereite mich auf das Lesen vor
Normalerweise
bereite ich mich auf ein neues Buch vor, indem ich drei Dinge tue:
1.
Ich lese auf Wikipedia den Eintrag zum Autor des Buches nach, wenn er
genügend bekannt ist. Interessant sind für mich Informationen über
die Zeit, in welcher der Autor lebte, den familiären Hintergrund und
ein kurzer Lebenslauf, wo ich erfahre, in welchem Lebensabschnitt das
jeweilige Buch geschrieben wurde.
2.
Ich erstelle in OpenOffice eine neue Datei zum Buch. Dort kommen
zuerst zwei bis vier der wichtigsten Stichwörter zum Autor rein.
3.
Ich schaue mir das Inhaltsverzeichnis an und übertrage es ins
OpenOffice-Dokument. Das Inhaltsverzeichnis sagt viel über das Buch
aus: Wie wird es aufgebaut? Wie verläuft der Gedanke und die Folge
der Argumente des Autors? Ich frage mich dabei: Würde ich auch so
vorgehen? Was finde ich an der Herangehensweise interessant? Was will
ich beim Lesen genauer wissen? Wo hat der Aufbau seine Schwächen?
Und
dann beginnt der Leseprozess. Kapitelweise übertrage ich die
wichtigsten Zitate in meine OpenOffice-Datei und gebe jeweils die
Seitenzahl mit dazu an. Wenn ich am Ende das Gefühl habe, dass ich
zum Buch eine Rezension veröffentlichen möchte, steht dann mein
Gerüst bereits, es braucht nur noch etwas „Fleisch auf den
Knochen“.
Dieses
Jahr nehme ich mir als meine persönliche Herausforderung vor, Martin
Heideggers Buch „Sein und Zeit“ zu lesen. Bisher hatte ich mir
davon erst einzelne kurze Abschnitte zu Gemüte geführt. Und mit
Hilfe der Trainingspläne im oben erwähnten Buch zum Marathon möchte
ich versuchen, eine gute Zeit über 10km zu erreichen und vielleicht
auch schon eine Halbmarathonstrecke am Stück abzujoggen (zweiteres
wohl eher ohne Wettkampf).
Und
was ist Deine persönliche „Challenge“ für 2015? Was war bisher
Deine „steilste Bergtour“?
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