Ich
möchte heute auf das Problem der Buchstabe-vs-Geist-Argmentation
eingehen. Dabei werde ich jedoch diesmal nicht exegetisch vorgehen.
Das habe ich hier
(Link) schon getan. Wer das diskutieren möchte, mag in jenem
anderen Artikel kommentieren. Vielleicht komme ich mal noch dazu, das
Ganze etwas zu erweitern.
Heute
werde ich nur ein Beispiel unter die Lupe nehmen, wohin dieses
Argument in der Kirchengeschichte schon geführt hat. In der Zeit
nach dem Unabhängigkeitskrieg im neu entstandenen Amerika war die
Bibel ganz wichtig. Wer etwas erreichen wollte, musste mit der Bibel
argumentieren. Das war eine gute Sache. Doch dann gab es eine Frage,
und die hatte es in sich. Es ging um den Streit in der Sklavenfrage.
Wer sich mit der Sklavenfrage aus biblischer Perspektive beschäftigen
möchte, kann meinen
Artikel dazu hier (Link) lesen und kommentieren.
Das
Problem in Amerika war: Es gab die Sklavenhalter, die mit der Bibel
argumentierten, und Befürworter der Abschaffung der Sklaverei, die
mit der Bibel argumentierten. Und da stellte sich die Frage: Wie geht
man damit um? Alle lesen die gleiche Bibel; alle sagen, sie würden
die Bibel allein lesen, und doch kam man auf unterschiedliche
Antworten. Es gab verschiedene Argumente auf beiden Seiten, und doch
hat sich auf der Seite derer, welche die Sklaverei abschaffen
wollten, ein Argument besonders hartnäckig gehalten. Dies ging
folgendermaßen: Dem Buchstaben nach befürwortet die Bibel
eigentlich Sklaverei, aber wer dem Buchstaben folgt, wird in die Irre
geführt, denn der Buchstabe tötet. Zwischen den Zeilen gibt es aber
noch den Geist, und dieser Geist Christi will die Abschaffung der
Sklaverei.
Eins
war klar: Es gab viele, deutlich bessere Argumente gegen die
Sklaverei. Und doch hat sich dieses eine (in Wirklichkeit falsche)
Argument letztendlich durchsetzen können. Denn: Warum sollte man
sich lange mit verschiedenen guten Argumenten herumplagen, wenn man
mit dem Bulldozer-Argument alle gegnerischen Argumente plattwalzen
konnte? So wurde das Bulldozer-Argument vom Geist Christi, der dem
Buchstaben der Bibel entgegengesetzt sei, beliebt. Und am Ende sah es
so aus, als könnte man nur mit einer Hermeneutik der Bibelkritik
gegen die Sklaverei sein. Zu allem Überfluss war es dann auch noch
genau dieser Winkelzug, welcher die historisch-kritischen Methoden
(sog. „German higher criticism“ da der Ursprung dieser Methoden
in Deutschland lag) in die Denominationen der USA brachte. Heute sind
leider viele der großen Denominationen in den USA von dieser Kritik
verseucht. Wir sehen somit, dass dieses Argument eigentlich kein
Argument, sondern lediglich eine Eisesgese (hineinlesen von etwas,
was nicht da steht) ist und darüber hinaus auch der Bibelkritik Tor
und Türe öffnet. Im Grunde genommen ist das Argument schon
Bibelkritik, denn es wird der Heilige Geist, der ja der Urheber der
ganzen Bibel ist, gegen den Wortlaut der Bibel ausgespielt.
Das
amerikanische Problem lag jedoch noch etwas tiefer. Die Verwendung
des Arguments ist nur ein Symptom einer philosophischen Krankheit
namens „Common Sense“. Diese Philosophie ist in Schottland
entstanden und hat sich in Amerika um die Zeit der Unabhängigkeit
herum rasant verbreitet. Sie besagt, dass der gesunde
Menschenverstand und die menschliche Wahrnehmung die oberste
Autorität des Menschen sein soll. Mit einer solchen Philosophie im
Hinterkopf ging es denn im Kampf um die Sklaverei an die Bibel ran.
Man wollte die Bibel allein mit „Common Sense“ lesen und
verstehen. Das ist an sich ein nobles Unterfangen, welches jedoch zum
Scheitern verurteilt ist.
Wir
wisse heute, dass jeder irgendwelche Voraussetzungen an die Bibel
heranträgt. Daher ist es gut, wenn wir uns beim Bibellesen auch
immer wieder bewusst werden, worum es da geht. Was wir brauchen, ist
eine Hermeneutik. Hermeneutik ist eine Art Regel, die uns hilft, dass
wir uns dabei aufs Wesentliche konzentrieren. Ich möchte zum Schluss
drei der wichtigsten Regeln dazu kurz vorstellen:
1.
Kontext ist King. Kontext ist der Text, der um etwas herum ist,
zum Beispiel das eine Kapitel, in dem ein Vers steht. Dann das Buch,
in dem das Kapitel steht. Dann die Schriften des jeweiligen Autors.
Und nicht zuletzt auch die Frage, wie diese Einheit in die ganze
Bibel hineinpasst. Wer hat das geschrieben? An wen wurde es
geschrieben? Unter welchen Umständen wurde es geschrieben?
2.
Heilsgeschichte beachten. Die ganze Bibel hat einen roten Faden.
Dieser rote Faden ist die Heilsgeschichte. Diese Geschichte beginnt
mit Gottes Schöpfung aus dem Nichts, geht weiter mit dem Sündenfall
und danach beginnt die Geschichte Gottes mit der Wiederherstellung
der Beziehung des Menschen zu IHM. Diese Geschichte kulminiert am
Kreuz von Golgatha. Dort am Kreuz ist der Mittelpunkt der gesamten
Weltgeschichte. Alles was jemals in dieser Welt passiert ist, deutet
aufs Kreuz hin oder vom Kreuz weg in die noch ausstehende Wiederkunft
Jesu und die Ewigkeit.
3.
Jesus als „rosa Brille“. Eine „rosa Brille“ färbt alles
rosa. So ähnlich ist es, wenn wir alles durch den Herrn Jesus
anschauen, was wir in der Bibel lesen. Mit dem Unterschied, dass uns
die „rosa Brille“ verblendet, während uns die Jesus-Brille
erleuchtet und alles in den richtigen Farben erstrahlen lässt.
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