Donnerstag, 29. September 2016

Das Problem der Buchstabe-vs-Geist-Argumentation

Ich möchte heute auf das Problem der Buchstabe-vs-Geist-Argmentation eingehen. Dabei werde ich jedoch diesmal nicht exegetisch vorgehen. Das habe ich hier (Link) schon getan. Wer das diskutieren möchte, mag in jenem anderen Artikel kommentieren. Vielleicht komme ich mal noch dazu, das Ganze etwas zu erweitern.

Heute werde ich nur ein Beispiel unter die Lupe nehmen, wohin dieses Argument in der Kirchengeschichte schon geführt hat. In der Zeit nach dem Unabhängigkeitskrieg im neu entstandenen Amerika war die Bibel ganz wichtig. Wer etwas erreichen wollte, musste mit der Bibel argumentieren. Das war eine gute Sache. Doch dann gab es eine Frage, und die hatte es in sich. Es ging um den Streit in der Sklavenfrage. Wer sich mit der Sklavenfrage aus biblischer Perspektive beschäftigen möchte, kann meinen Artikel dazu hier (Link) lesen und kommentieren.

Das Problem in Amerika war: Es gab die Sklavenhalter, die mit der Bibel argumentierten, und Befürworter der Abschaffung der Sklaverei, die mit der Bibel argumentierten. Und da stellte sich die Frage: Wie geht man damit um? Alle lesen die gleiche Bibel; alle sagen, sie würden die Bibel allein lesen, und doch kam man auf unterschiedliche Antworten. Es gab verschiedene Argumente auf beiden Seiten, und doch hat sich auf der Seite derer, welche die Sklaverei abschaffen wollten, ein Argument besonders hartnäckig gehalten. Dies ging folgendermaßen: Dem Buchstaben nach befürwortet die Bibel eigentlich Sklaverei, aber wer dem Buchstaben folgt, wird in die Irre geführt, denn der Buchstabe tötet. Zwischen den Zeilen gibt es aber noch den Geist, und dieser Geist Christi will die Abschaffung der Sklaverei.

Eins war klar: Es gab viele, deutlich bessere Argumente gegen die Sklaverei. Und doch hat sich dieses eine (in Wirklichkeit falsche) Argument letztendlich durchsetzen können. Denn: Warum sollte man sich lange mit verschiedenen guten Argumenten herumplagen, wenn man mit dem Bulldozer-Argument alle gegnerischen Argumente plattwalzen konnte? So wurde das Bulldozer-Argument vom Geist Christi, der dem Buchstaben der Bibel entgegengesetzt sei, beliebt. Und am Ende sah es so aus, als könnte man nur mit einer Hermeneutik der Bibelkritik gegen die Sklaverei sein. Zu allem Überfluss war es dann auch noch genau dieser Winkelzug, welcher die historisch-kritischen Methoden (sog. „German higher criticism“ da der Ursprung dieser Methoden in Deutschland lag) in die Denominationen der USA brachte. Heute sind leider viele der großen Denominationen in den USA von dieser Kritik verseucht. Wir sehen somit, dass dieses Argument eigentlich kein Argument, sondern lediglich eine Eisesgese (hineinlesen von etwas, was nicht da steht) ist und darüber hinaus auch der Bibelkritik Tor und Türe öffnet. Im Grunde genommen ist das Argument schon Bibelkritik, denn es wird der Heilige Geist, der ja der Urheber der ganzen Bibel ist, gegen den Wortlaut der Bibel ausgespielt.

Das amerikanische Problem lag jedoch noch etwas tiefer. Die Verwendung des Arguments ist nur ein Symptom einer philosophischen Krankheit namens „Common Sense“. Diese Philosophie ist in Schottland entstanden und hat sich in Amerika um die Zeit der Unabhängigkeit herum rasant verbreitet. Sie besagt, dass der gesunde Menschenverstand und die menschliche Wahrnehmung die oberste Autorität des Menschen sein soll. Mit einer solchen Philosophie im Hinterkopf ging es denn im Kampf um die Sklaverei an die Bibel ran. Man wollte die Bibel allein mit „Common Sense“ lesen und verstehen. Das ist an sich ein nobles Unterfangen, welches jedoch zum Scheitern verurteilt ist.

Wir wisse heute, dass jeder irgendwelche Voraussetzungen an die Bibel heranträgt. Daher ist es gut, wenn wir uns beim Bibellesen auch immer wieder bewusst werden, worum es da geht. Was wir brauchen, ist eine Hermeneutik. Hermeneutik ist eine Art Regel, die uns hilft, dass wir uns dabei aufs Wesentliche konzentrieren. Ich möchte zum Schluss drei der wichtigsten Regeln dazu kurz vorstellen:
1. Kontext ist King. Kontext ist der Text, der um etwas herum ist, zum Beispiel das eine Kapitel, in dem ein Vers steht. Dann das Buch, in dem das Kapitel steht. Dann die Schriften des jeweiligen Autors. Und nicht zuletzt auch die Frage, wie diese Einheit in die ganze Bibel hineinpasst. Wer hat das geschrieben? An wen wurde es geschrieben? Unter welchen Umständen wurde es geschrieben?
2. Heilsgeschichte beachten. Die ganze Bibel hat einen roten Faden. Dieser rote Faden ist die Heilsgeschichte. Diese Geschichte beginnt mit Gottes Schöpfung aus dem Nichts, geht weiter mit dem Sündenfall und danach beginnt die Geschichte Gottes mit der Wiederherstellung der Beziehung des Menschen zu IHM. Diese Geschichte kulminiert am Kreuz von Golgatha. Dort am Kreuz ist der Mittelpunkt der gesamten Weltgeschichte. Alles was jemals in dieser Welt passiert ist, deutet aufs Kreuz hin oder vom Kreuz weg in die noch ausstehende Wiederkunft Jesu und die Ewigkeit.
3. Jesus als „rosa Brille“. Eine „rosa Brille“ färbt alles rosa. So ähnlich ist es, wenn wir alles durch den Herrn Jesus anschauen, was wir in der Bibel lesen. Mit dem Unterschied, dass uns die „rosa Brille“ verblendet, während uns die Jesus-Brille erleuchtet und alles in den richtigen Farben erstrahlen lässt.


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