Mal wieder ein Griff in
die Bibliothek der Weltliteratur: Heute möchte ich das Buch Parzival
von Wolfram von Eschenbach vorstellen. Parzival ist einer der
wichtigsten und bekanntesten Romane des Hochmittelalters. Vermutlich
wurde dieser Roman im ersten Jahrzehnt des dreizehnten Jahrhunderts
geschrieben und war danach weit verbreitet. Er ist ein
mittelalterliches Heldenepos in Versform. Die Übersetzung von Karl
Simrock aus dem Mittelhochdeutschen ist leicht verständlich und
lässt sich so auch flüssig lesen, obwohl auch sie in Versform
gehalten ist.
Was ist das Ziel des
Romans? Wolfram möchte seinen Lesern, wie er in seinem ausführlichen
Vorwort erklärt, die ritterlichen Tugenden nahebringen. Er stellt
fest, dass im Leben vieler Menschen Widersprüchliches vorhanden ist:
Verzagtheit und Kühnheit, Treue und Untreue. Diese Widersprüche
vergleicht er mit dem Gefieder einer Elster, das zugleich schwarze
und weiße Teile trägt. Deshalb möchte er mit seinem Roman die
Tugenden Weisheit, Treue, Mut, und so weiter lehren. Diese Lehren
sind nicht nur an Ritter (oder Männer allgemein) gerichtet, sondern
auch an alle Frauen:
„Aber
nicht allein den Mann
Gehn
alle diese Lehren an;
Ich
stecke dieses Ziel den Frauen:
Die
meinem Rate will vertrauen,
Die
wisse wohl, wohin sie kehre
Ihren
Preis und ihre Ehre
Und
welchem Mann sie sei bereit
Mit
ihrer Lieb und Würdigkeit,
Auf
dass sie nicht gereue
Ihrer
Keuschheit, ihrer Treue.“
(2,23 – 3,2)
Zuerst erzählt Wolfram
die Geschichte von Parzivals Vater Gahmuret. Dieser war der
zweitgeborne Sohn des Königs Gandin von Anschau (Anjou), weshalb er
beim Tod des Vaters kein Erbe erhielt. So zog er umher und ließ sich
von verschiedenen Leuten zu ihren Diensten anwerben. Bei einem dieser
Dienste, als er in Baldag (Bagdad) der dunkelhäutigen Königin
Belakane half, war sie bereit, ihn zu heiraten. Doch noch bevor ihrer
beider Sohn zur Welt gekommen war, hatte sich Gahmuret wieder auf den
Weg gemacht. Er hatte bei der Königin in Bagdad zu wenig Abenteuer
und Kämpfe zu bestehen, weshalb er ihr untreu wurde und sie bei
Nacht und Nebel verlassen. Der Sohn, der aus dieser Verbindung zur
Welt kam, war schwarz und weiß gefleckt, wie eine Elster.
Im zweiten Teil ist
Gahmuret wieder auf europäischem Boden. Ein großer Teil der
Erzählung ist einem Ritterturnier gewidmet, nach welchem Gahmuret
Herzeleide, die Königin von Waleis, ehelichte. Doch auch hier war er
relativ bald wieder unterwegs. Auch hier hinterieß er einen noch
ungeborenen Sohn, den Parzival, und ging wieder in den Nahen Osten,
wo er daraufhin bei einem Kampf sein Leben verlor. Herzeleide war
durch die Nachricht von seinem Tod sehr betrübt, sodass sie ihren
Sohn Parzival davor schützen wollte, die Grausamkeit des Lebens am
Hof (oder als Ritter) kennenlernen zu müssen. Sie zog in einen Wald,
wo sie ihn erzog und versuchte, zu vermeiden, dass Parzival je einen
Ritter sah. Doch es kam wie es kommen musste: Parzival sah eines
Tages Ritter durch den Wald reiten – und schon war es um ihn
geschehen: So einer wollte er werden.
Der Rest der Geschichte
zeigt die Erfahrungen, die ein junger Ritter machen musste, der nicht
am Hof und in den ritterlichen Tugenden erzogen worden war. Er lernte
durch viele Fehler und häufig sind seine Erlebnisse ebenso komischer
wie tragischer Art. Er ist der tragische Held der Geschichte, der die
Lehren des Lebens auf die harte Tour lernen musste, dadurch aber über
sich selbst hinauswächst und am Ende kann es nur noch sein
Halbbruder Feirefiss – der Sohn der Königin Belakane – mit ihm
aufnehmen. Sie geben sich einander gegenseitig zu erkennen und
schließen Frieden:
„Der
reiche Feirefiss begann:
"Held,
bei deiner Zucht, sag an,
Da
dir ein Bruder leben soll,
Wie
sieht der aus? Du weißt es wohl.
Beschreibe
mir sein Angesicht;
Seine
Farbe hehlte man dir nicht."
Da
sprach den Herzeleid gebar:
"Wie
beschrieben Pergament fürwahr,
Schwarz
und weiß dort und hier;
Ekuba
beschrieb ihn mir."
"Der
bin ich," versetzt der Heide.
Nicht
lange säumten sie da beide,
Feirefiß
und Parzival,
Von
Helm und Härsenier zumal
Entblößten
sie sich gleich zur Stund.
Parzival
fand lieben Fund,
Den
liebsten, den er jemals fand.
Den
Heiden hatt er bald erkannt:
Sein
Antlitz zeigte Elsternfarben.
Hass
und Groll im Kuss erstarben
Dem
Getauften und dem Heiden.
Freundschaft
ziemt' auch besser beiden
Denn
ihnen stünde Hass und Neid.
Treu
und Liebe scheid den Streit.
Mit
Freuden sprach der Heide da:
"O
wohl mir, dass ich dich ersah, [...]“
(747,19 – 748,14)
Eine zweite Geschichte
ist mit der des Parzival verflochten: Gawan steht Parzival gegenüber.
Während Zweiterer alles selbst lernen musste, hatte Ersterer eine
solide Ausbildung in jungen Jahren gemacht.
Was gefällt mir an
Parzival?
Parzival ist ein
spannender Roman, der tatsächlich viel Weisheit fürs Leben enthält.
Hier wird dem Leser die Ehrlichkeit, die Treue (gerade eheliche Treue –
denn die Liebe ist am Ende das, was die erfolgreichen Ritter siegen
lässt), der Mut, die Freundlichkeit und Höflichkeit, der
Durchhaltewillen, das Dranbleiben, die Demut und viele weitere wertvolle Tugenden nahegebracht. Viele Tugenden, die heutzutage
immer mehr verloren gehen, können bei Wolfram schätzen gelernt
werden. Außerdem zeigt uns Parzival, dass das Lernen dieser Dinge in
den jungen Jahren wertvoll ist und viele spätere Schwierigkeiten
erspart. Auch an heutige Eltern ist das ein wertvoller Appell.
Es gibt zahlreiche
Anspielungen auf die Bibel. So muss Gawan ein Schloss erobern, das
unter der Herrschaft böser Mächte steht. Am Ende wird er von einem
Löwen angegriffen. Er attackiert den Löwen, besiegt ihn mit dem
Schwert und landet am Ende auf dem Schild, welcher sein Schutz ist.
Die Hinweise auf 1. Petrus 5,8 und Epheser 6,16 sind hier mehr als
deutlich.
Auch die Ästhetik des
Textes spricht mich an. Ich habe den mittelhochdeutschen Text nur
knapp in einzelnen Fällen konsultiert, dafür ist aber auch die
Simrock'sche Übersetzung an Sprachgewalt kaum zu überbieten.
Das Buch lässt sich übrigens im Projekt Gutenberg vom SpOn online lesen: Link.
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