Heute vor 300 Jahren, am
16. Dezember 1714, ist George Whitefield geboren. George Whitefield?
Wer soll denn das sein? Leider ist er schon länger nicht mehr so
bekannt wie er sein sollte. Er war einer der größten und gesegnetsten Evangelisten des 18. Jahrhunderts. Millionen von Menschen
haben ihn predigen gehört; und das ist etwas Spezielles – gab es
doch damals weder Lautsprecher noch Rundfunk, Fernsehen oder gar
Internet.
George Whitefield wuchs
unter einfachen Verhältnissen auf. Sein Vater starb, als George zwei
Jahre alt war. Acht Jahre später heiratete seine Mutter Elizabeth
ein zweites Mal, doch diese Ehe war so schwer, dass sie es nicht
lange mit diesem zweiten Mann aushielt. Obwohl das „Bell Inn“,
der Gasthof, den sie führte, ziemlich erfolgreich und beliebt war,
ging es mit dem Geschäft in der zweiten Ehe beständig abwärts, bis
es so schlecht lief, dass George, der inzwischen an der Lateinschule
war, diese abbrechen musste, um zu Hause im Gasthof mitzuhelfen.
George war damals 15 Jahre alt. Kurz darauf verließ Elizabeth ihren
zweiten Mann. George folgte ihr und sie lebten deswegen sehr einfach.
Da er sich kein Studium
einfach so aus dem Ärmel schütteln konnte, verdiente er es sich als
Diener der reicheren Studenten, die ihm für seine Dienste (er weckte
sie, putzte die Zimmer, machte ihnen Besorgungen, und so weiter) ihre
alten Bücher fürs Studium und etwas Geld gaben. In dieser Zeit in
Oxford lernte er die Brüder John und Charles Wesley kennen, die als
Gründer der Metodistenkirche bekannt sind. Um diese beiden Brüder
herum sammelte sich eine kleine Gruppe von Leuten, die mit dem
Glauben besonders ernst machen wollten. Sie wurden deshalb als „Holy
Club“ (Heiliger Verein) und als „Methodisten“ verspottet. In
diesem Kreis auferlegten sie sich strenge Pflichten wie das
regelmäßige Fasten, gemeinsames Lesen von Erbauungsliteratur, sowie
das Führen eines Tagebuchs mit regelmäßiger Selbstprüfung. In
seinem Eifer schoss der junge George dabei weit über das Ziel
hinaus, bis er durch seine asketischen Übungen krank wurde. Dann
endlich fand er den echten Frieden mit Gott – nicht durch
Selbstkasteiung, sondern durch die Gnade allein.
Noch während seines
Magisterstudiums wurde er von einem befreundeten Pfarrer gebeten, ihn
für zwei Monate in London zu vertreten. In dieser Zeit kamen immer
mehr Leute in diese Kirche, die den jungen Mann über die neue Geburt
sprechen hören wollten. Kurze Zeit später dasselbe wieder, als er
dann auch nach Dummer gerufen wurde, um auch dort jemanden zu
vertreten. In dieser Zeit wuchs sein Entschluss, er wolle als
Missionar nach Georgia über den großen Teich reisen. Doch noch
während er sich auf die Reise in die Staaten vorbereitete, gab es
plötzlich über Nacht eine Erweckung: Überall, wo er durchreiste
und sich verabschieden wollte, wurde er gebeten, zu predigen – und
überall wurden von seiner Predigt riesige Massen von Menschen
angezogen und viele Herzen aufgeschreckt.
Nach mehreren Monaten
Verzögerung konnte er endlich einschiffen und fuhr über den großen
Teich in die Staaten. Inzwischen war aber noch etwas anderes
passiert: John Wesley, der sein Studium schon früher beendet hatte,
war auch als Missionar nach Georgia gereist. Und genau in der Zeit,
als Whitefield darauf wartete, dass sein Schiff auslaufen konnte,
kehrte Wesley zurück. Ihm war in der Zeit in Georgia bewusst
geworden, dass er selbst auch noch eine echte Wiedergeburt nötig
hatte. Whitefield kam in die Staaten und predigte in Georgia mehrmals
täglich auf den Plätzen, besuchte die Leute, gründete zwei
Schulen, und sein Herz wurde vor allem für eine Tätigkeit
vorbereitet, die ihn den Rest seines Lebens begleiten sollte: Er
wollte in Georgia ein Waisenhaus gründen.
An der Stelle möchte ich
kurz innehalten und über etwas nachdenken, was wir von vielen
Menschen lernen können, die in der Welt etwas bewegt haben. Der
Management-Experte Fredmund Malik hat dafür viele Biographien
studiert und sagt etwas ganz Wichtiges dazu: „Das Wesentliche
ist, sich auf Weniges zu beschränken, auf eine kleine Zahl von
sorgfältig ausgesuchten Schwerpunkten, wenn man an Wirkung und
Erfolg interessiert ist.“ (Malik, Fredmund, Führen, Leisten,
Leben, Campus-Verlag, 2. Aufl. 2006, S. 110) Bei George Whitefield
wird das gut sichtbar, es gab für ihn nämlich ganz exakt zwei
Schwerpunkte, auf die er sich spezialisiert hatte: Das Evangelium
predigen und Geld sammeln für sein Waisenhaus in Georgia. Und diese
beiden Dinge konnte er gleichzeitig machen. 13 Mal hat er unter
großen Strapazen den Ozean überquert, der Europa von Amerika
trennt, und was ihn dazu getrieben hat, war seine Sorge um sein
Waisenhaus. Vermutlich wäre die große Erweckung in den
amerikanischen Staaten nicht so schnell und so stark ausgebrochen,
wenn Whitefield nicht dort gewesen wäre. Und vermutlich wäre er
nicht dort gewesen, wenn er sein Waisenhaus in Georgia nicht gehabt
hätte. Ich glaube, dass wir hier einiges zu lernen haben: Uns auf
bestimmte einzelne Dinge – unsere Stärken – zu beschränken,
diese dafür umso mehr zu trainieren, und nicht mehr alles selbst in
der Hand haben zu wollen.
Als Whitefield nach
England zurückkam nach seiner ersten Reise, war die Lage verändert.
Er konnte zunächst noch in verschiedenen Kirchen predigen, aber
immer mehr Pfarrer wurden ihm feindlich gesinnt, weil er so offen und
kompromisslos von der Notwendigkeit der Wiedergeburt sprach. Immer
öfter wurden ihm die Kanzeln verboten. So wagte er eines Tages den
Schritt ins Freie. Durch diesen Schritt wurde eine Grenze gesprengt:
Waren seine Predigten bisher durch die Größe der Kirchen begrenzt,
konnten jetzt viel mehr Leute kommen, um ihm zuzuhören. Nach kurzer
Zeit waren es schon mehrere tausend Zuhörer, die kamen, um ihn zu
hören. So ähnlich hört sich der Rest seines Lebens an. Er predigte
– wohlgemerkt: ohne Mikrophon, ohne Verstärker und Lautsprecher –
vor riesigen Mengen. Einmal müssen es um die 80'000 Personen gewesen
sein, die gekommen waren, um ihn zu hören. Und seine Stimme war laut
und durchdringend: Sie konnten ihn alle hören.
Als Whitefield 26 Jahre
alt war, heiratete er Elizabeth James, eine Witwe, die er bei seinen
Reisen in Wales kennengelernt hatte. Sie war zehn Jahre älter als
er. Auf mehrere Reisen begleitete sie ihn zunächst, so etwa auch auf
die dritte Amerikareise. Später hörte sie jedoch damit auf, ihn
dabei zu begleiten. Benedikt Peters schreibt dazu: „Mrs.
Whitefield begleitete ihren Mann auf seinen zwei nächsten größeren
Reisen: Auf seiner dritten Fahrt nach Amerika und einmal nach
Schottland. Danach zog sie es aber vor, zu Hause zu bleiben. Das muss
für sie weniger schwer gewesen sein. Jede Frau eines reisenden
Reichsgottesarbeiters kennt dieses Dilemma. Sie ist gerne mit ihrem
Mann zusammen; wenn sie aber mit ihm auf Dienstreise ist, so ist sie
zwar bei ihm, und doch nicht bei ihm, weil der Dienst ihn meist so
beansprucht, dass er keine Zeit für seine geliebte Frau hat. So
findet sie es weniger schmerzlich, in der gewohnten Umgebung des
Heimes zu sein und dort wenigstens die Ruhe zu haben, die sie auf den
Reisen nicht findet.“ (Peters, Benedikt, George Whitefield,
CLV, 2. Aufl. 2003, S. 263)
Nach vielen Jahren treuen
und rastlosen Evangelistendienstes (es wird geschätzt, dass er
insgesamt ungefähr 30'000 Predigten gehalten habe) zeigte sich, dass
der Mensch auch Raubbau mit seinem Körper treiben kann. Täglich
viele Kilometer zu reisen und mehrmals pro Tag zu großen Mengen von
Menschen zu sprechen, belastet den Körper auf Dauer sehr. Die
meisten Prediger und Pastoren kennen auch das Dilemma der selbständig
einzuteilenden Zeit: Zeit für die Gemeinde, Zeit für die Familie,
Zeit für gesellschaftliche Verpflichtungen, Zeit für sich selbst.
Das ist immer wieder neu zu bedenken. Whitefield war mit 55 Jahren
verbraucht. Brennend für Gott, die Rettung von Sündern und Gottes
Reich – aber auch ausgebrannt. So starb er auf der siebten Reise in
Amerika am 30. September 1770 um 6 Uhr früh. Noch am Abend davor
hatte er unter großer Anstrengung gepredigt – in der Nacht hatte
er mit Asthmaanfällen zu kämpfen und ging heim in die Ewigkeit.
Wer nach diesem kurzen
Überblick Lust auf mehr bekommen hat, findet bei CLV das oben
zitierte Buch von Benedikt Peters – entweder zum Kauf als
Hardcover oder als kostenloser PDF-Download.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen