Dietrich
Bonhoeffer – Gemeinsames Leben
Die letzten 10 Tage habe
ich in kleinen Häppchen das Buch „Gemeinsames
Leben“ von Dietrich Bonhoeffer gelesen. Es ist ein wahrer Genuss.
Meine Ausgabe stammt von 1955 und wurde im Chr. Kaiser Verlag München
gedruckt. Nachfolgend ein paar der besonderen Leckerbissen:
Von der christlichen
Gemeinschaft
"Christliche
Gemeinschaft heißt Gemeinschaft durch Jesus Christus und in Jesus
Christus. Es gibt keine christliche Gemeinschaft, die mehr, und
keine, die weniger wäre als dieses. Von der kurzen einmaligen
Begegnung bis zur langjährigen täglichen Gemeinschaft ist
christliche Gemeinschaft nur dieses. Wir gehören einander allein
durch und in Jesus Christus.
Was heißt das? Es heißt erstens, dass ein Christ den anderen braucht um Jesu Christi willen. Es heißt zweitens, dass ein Christ zum anderen nur durch Jesus Christus kommt. Es heißt drittens, dass wir in Jesus Christus von Ewigkeit her erwählt, in der Zeit angenommen und für die Ewigkeit vereinigt sind." (S. 8)
Was heißt das? Es heißt erstens, dass ein Christ den anderen braucht um Jesu Christi willen. Es heißt zweitens, dass ein Christ zum anderen nur durch Jesus Christus kommt. Es heißt drittens, dass wir in Jesus Christus von Ewigkeit her erwählt, in der Zeit angenommen und für die Ewigkeit vereinigt sind." (S. 8)
Von der seelischen und
der geistlichen Liebe
"Seelische Liebe ist
ihrem Wesen nach Begehren, und zwar Begehren nach seelischer
Gemeinschaft. So lange sie dies Begehren noch irgendwie befriedigen
kann, wird sie es nicht aufgeben, auch um der Wahrheit willen nicht,
auch um der wahren Liebe zum Anderen willen nicht. Wo sie aber für
ihr Begehren keine Erfüllung mehr erwarten kann, dort ist sie am
Ende, nämlich beim Feind. Hier schlägt sie um in Hass, Verachtung
und Verleumdung.
Eben hier ist aber auch
der Ort, an dem die geistliche Liebe anfängt. Darum wird die
seelische Liebe zum persönlichen Hass, wo sie der echten geistlichen
Liebe begegnet, die nicht begehrt, sondern dient. Seelische Liebe
macht sich zum Selbstzweck, zum Werk, zum Götzen, den sie anbetet,
dem sie alles unterwerfen muss. Sie pflegt, sie kultiviert, sie liebt
sich selbst und sonst nichts auf der Welt. Geistliche Liebe aber
kommt von Jesus Christus her, sie dient ihm allein, sie weiß, dass
sie keinen anderen unmittelbaren Zugang zum anderen Menschen hat.
Christus steht zwischen mir und dem Andern. Was Liebe zum Andern
heißt, weiß ich nicht schon im Voraus aus dem allgemeinen Begriff
von Liebe her, der aus meinem seelischen Verlangen erwachsen ist, -
das alles mag vielmehr vor Christus gerade Hass und böseste
Selbstsucht sein, - was Liebe ist, wird mir allein Christus in seinem
Wort sagen." (S. 18f)
Vom Wert der täglichen
Losung
"Wir sind fast alle
mit der Meinung groß geworden, es handle sich in der Schriftlesung
allein darum, das Gotteswort für den heutigen Tag zu hören. Darum
besteht die Schriftlesung bei Vielen nur aus einigen kurzen,
ausgewählten Versen, die das Leitwort des Tages ausmachen sollen. Es
ist nun kein Zweifel, dass etwa auf den Losungen der Brüdergemeinde
für alle, die sie gebrauchen, bis zur Stunde ein wirklicher Segen
liegt. Gerade in den Kampfzeiten der Kirche ist das vielen zu ihrem
großen und dankbaren Erstaunen aufgegangen. Aber es kann ebensowenig
ein Zweifel darüber bestehen, dass kurze Leit- und Losungsworte
nicht an die Stelle der Schriftlesung überhaupt treten können und
dürfen. Die Losung für den Tag ist noch nichtz die Heilige Schrift,
die durch alle Zeiten hindurch bis in den jüngsten Tag bleiben wird.
Die Heilige Schrift ist mehr als Losung. Sie ist auch mehr als "Brot
für den Tag". Sie ist Gottes Offenbarungswort für alle
Menschen, für alle Zeiten. Die Heilige Schrift besteht nicht aus
einzelnen Sprüchen, sondern sie ist ein Ganzes, das als solches zur
Geltung kommen will." (S. 30f)
Gottes Wort, das Lied
der Kirche und das Gebet der Gemeinde
"Gottes Wort, das
Lied der Kirche und das Gebet der Gemeinde stehen am Anfang des
Tages. Erst wenn die Gemeinschaft mit dem Brote des ewigen Lebens
versorgt und gestärkt worden ist, vereinigt sie sich, um von Gott
das irdische Brot für dieses leibliche Leben zu empfangen.
Danksagend und um Gottes Segen bittend nimmt die christliche
Hausgemeinde das tägliche Brot aus der Hand des Herrn. Seit Jesus
Christus mit seinen Jüngern zu Tische saß, ist die
Tischgemeinschaft seiner Gemeinde durch seine Gegenwart gesegnet."
(S. 42)
Einsam in der
unchristlichen Umwelt
"Jeder Tag bringt
dem Christen viele Stunden des Alleinseins mitten in einer
unchristlichen Umwelt. Das ist die Zeit der Bewährung. Das ist die
Probe auf eine rechte Meditationszeit und auf eine rechte christliche
Gemeinschaft. Hat die Gemeinschaft dazu gedient, den einzelnen frei,
stark und mündig zu machen, oder hat sie ihn unselbständig und
abhängig gemacht? Hat sie ihn eine Weile an die Hand genommen, damit
er wieder lernt, eigene Schritte zu tun, oder hat sie ihn ängstlich
und unsicher gemacht? Das ist eine der ernstesten und schwersten
Fragen an jede christliche Lebensgemeinschaft. Weiter wird sich hier
entscheiden, ob die Meditationszeit den Christen in eine unwirkliche
Welt geführt hat, aus der er mit Schrecken erwacht, wenn er wieder
in die irdische Welt seiner Arbeit hinaustritt, oder ob sie ihn in
die wirkliche Welt Gottes geführt hat, aus der er gestärkt und
gereinigt in den Tag hineingeht?" (S. 59)
Von der Demut
"Wer lernen will zu
dienen, der muss zuerst lernen, gering von sich selbst zu denken.
"Niemand halte weiter von sich, denn sich gebührt zu halten"
(Röm. 12, 3) "Sich selbst recht kennen und gering von sich
denken zu lernen, das ist die höchste und nützlichste Aufgabe.
Nichts aus sich selber machen und dabei stets von anderen eine gute
Meinung haben, das ist große Weisheit und Vollkommenheit"
(Thomas a Kempis). "Haltet euch nicht selbst für klug"
(Röm. 12,17). Nur wer aus der Vergebung seiner Schuld in Jesus
Christus lebt, wird in rechter Weise gering von sich denken, der wird
wissen, dass seine Klugheit hier ganz an ihr Ende kam, als Christus
ihm vergab, der erinnert sich der Klugheit der ersten Menschen, die
wissen wollten, was gut und böse ist und in dieser Klugheit umkamen.
Der erste aber, der auf dieser Erde geboren wurde, war Kain, der
Brudermörder. Das ist die Frucht der Klugheit des Menschen. Weil der
Christ nicht mehr sich selbst für klug halten kann, darum wird er
auch von seinen Plänen und Absichten gering denken, er wird wissen,
dass es gut ist, dass der eigene Wille gebrochen wird in der
Begegnung mit dem Nächsten. Er wird bereit sein, den Willen des
Nächsten für wichtiger und dringlicher zu halten als den eigenen.
Was schadet es, wenn der eigene Plan durchkreuzt wird? Ist es nicht
besser, dem Nächsten zu dienen, als den eigenen Plan durchzusetzen?"
(S. 64)
Keiner zu gut, dem
Nächsten zu dienen
"Keiner ist für den
geringsten Dienst zu gut. Die Sorge um den Zeitverlust, den eine so
geringe und äußerliche Hilfeleistung mit sich bringt, nimmt meist
die eigene Arbeit zu wichtig. Wir müssen bereit werden, uns von Gott
unterbrechen zu lassen. Gott wird unsere Wege und Pläne immer
wieder, ja täglich, durchkreuzen, indem er uns Menschen mit ihren
Ansprüchen und Bitten über den Weg schickt. Wir können dann an
ihnen vorübergehen, beschäftigt mit den Wichtigkeiten unseres
Tages, wie der Priester an dem unter die Räuber Gefallenen
vorüberging, vielleicht - in der Bibel lesend. Wir gehen dann an dem
sichtbar in unserem Leben aufgerichteten Kreuzeszeichen vorüber, das
uns zeigen will, dass nicht unser Weg, sondern Gottes Weg gilt. Es
ist eine seltsame Tatsache, dass gerade Christen und Theologen ihre
Arbeit oft für so wichtig halten, dass sie sich darin durch nichts
unterbrechen lassen wollen. Sie meinen damit Gott einen Dienst zu
tun, und verachten dabei den 'krummen und doch geraden Weg' Gottes
(Gottfried Arnold). Sie wollen von den durchkreuzten Menschenweg
nichts wissen. Es gehört aber zur Schule der Demut, dass wir unsere
Hand nicht schonen, wo sie Dienst verrichten kann, und dass wir
unsere Zeit nicht in eigene Regie nehmen, sondern sie von Gott füllen
lassen." (S. 67f)
Vom Wert der Beichte
"In der Beichte
geschieht der Durchbruch zur Gemeinschaft. Die Sünde will mit dem
Menschen allein sein. Sie entzieht ihn der Gemeinschaft. Je einsamer
der Mensch wird, desto zerstörender wird die Macht der Sünde über
ihn, und je tiefer wieder die Verstrickung, desto heilloser die
Einsamkeit. Sünde will unerkannt bleiben. Sie scheut das Licht. Im
Dunkel des Unausgesprochenen vergiftet sie das ganze Wesen des
Menschen. Das kann mitten in der frommen Gemeinschaft geschehen. In
der Beichte bricht das Licht des Evangeliums in die Finsternis und
Verschlossenheit des Herzens hinein. Die Sünde muss ans Licht. Das
Unausgesprochene wird offen gesagt und bekannt. Alles Heimliche und
Verborgene kommt nun an den Tag. Es ist ein harter Kampf, bis die
Sünde im Geständnis über die Lippen kommt. Aber Gott zerbricht
eherne Türen und eiserne Riegel (Ps. 107, 16). Indem das
Sündenbekenntnis im Angesicht des christlichen Bruders geschieht,
wird die letzte Festung der Selbstrechtfertigung preisgegeben. Der
Sünder liefert sich aus, er gibt all sein Böses hin, er gibt sein
Herz Gott, und er findet die Vergebung all seiner Sünde in der
Gemeinschaft Jesu Christi und des Bruders." (S. 77f)
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