Auslegung
Zunächst halten wir fest: Paulus ist gerade dabei, Fragen zu beantworten, die ihm die Korinther (oder zumindest vereinzelte von ihnen) gestellt hatten.
Paulus beginnt das Kapitel (eigentlich die Kapitel 12 – 14, die alle zusammen eine feste Einheit bilden) mit den Worten: Über die geistlichen (Dinge). Wörtlich steht da nur „über die Geistlichen“ (aber es geht ganz bestimmt nicht um Pfarrer oder Pastoren oder so...).
Es gab in Korinth eine bestimmte Gruppe, die eine Speziallehre angenommen haben. Wir haben aus dieser allerersten Zeit leider keine genauen Dokumente aber schon von wenigen Jahrzehnten später liegen uns die Schriften einer solchen Sekte vor. Diese hat die Menschen in drei Klassen eingeteilt: Normale Menschen, die waren und blieben unerrettet. Dann gab es die Psychiker, die waren gläubig, aber konnten trotzdem Gott nicht erkennen. Und schlussendlich noch die Pneumatiker, die einzigen, welche imstande waren, Gott zu erkennen. Sie waren dazu vorherbestimmt, Pneumatiker zu sein, und deshalb durften sie tun was immer sie wollten, es konnte ihnen nichts anhaben. Vermutlich haben wir hier in Korinth eine Vorgängergruppe von dieser Sekte. Paulus brauch hier nämlich das Wort Pneumatika für Geistesgaben, an allen anderen Stellen verwendet er sonst immer Charismata. Das scheint deshalb ein Hinweis zu sein, dass sich diese korinthische Sondergruppe schon als Pneumatiker bezeichneten.
Paulus will nicht, dass sie unwissend bleiben. Das griechische Wort Gnosis wurde von genau den oben genannten Sondergruppen gebraucht, um ihre Form der Gotteserkenntnis zu bezeichnen. „aginoskein“, also „unwissend sein“ ist somit für diese Gruppierung, die Paulus an der Stelle speziell ansprechen möchte, das Gegenteil von Gotteserkenntnis haben. Paulus fordert sie also heraus: Dann, wenn sie mit dem Nachfolgenden, nämlich diesen drei Kapiteln des Briefes, einverstanden sind, dann zählen sie zu denjenigen, die wirklich Gott erkennen und den Begriff Pneumatiker (also Geistbegabte) auf sich selbst anwenden dürfen. Interessanterweise kommt Paulus am Ende dieser Kapitel, nämlich in 14,37 noch einmal darauf zu sprechen: „Wenn jemand glaubt, ein Prophet zu sein oder geistlich, der erkenne, daß die Dinge, die ich euch schreibe, Gebote des Herrn sind.“
Im zweiten Vers kommt Paulus auf zwei interessante Punkte zu sprechen: In der Zeit, bevor die Korinther sich bekehrt haben, waren sie Götzendiener. Sie haben falsche Götzen angebetet. Das tun auch heute alle Ungläubigen (und zuweilen auch Gläubige...) indem sie den Menschenverstand, ihre Triebbefriedigung, ihren Geldbeutel, das Auto, die Ehre vor den Menschen und manch anderes an die Stelle setzen, die einzig und allein Gott gehört. Die Götzen, die sie anbeteten, waren stimmlos und eigentlich auch leblos. Doch es gab eine Kraft, die sie zu diesen Götzen trieb. Das war die Kraft der Sünde und des menschlichen Fleisches. Indem sie nun zuließen, dass diese Kraft sie gewaltsam zu diesen Götzen trieb, wurden sie von Gott weggetrieben. Sie verfinsterten sich selbst ihren Verstand, indem sie mit sich geschehen ließen, wie ihnen ihr Fleisch gerade tun hieß. Das ist ein erster Unterschied zwischen dem Heiligen Geist und anderen Geistern: Der Heilige Geist zwingt niemanden zu irgend etwas. Alles, was er an uns tut, lässt er uns frei-willig, also mit unserem bewussten Willen, tun.
Im dritten Vers kommt er noch einmal auf die Gotteserkenntnis zu sprechen, indem er ungefähr so formuliert: Aus diesem Grund mache ich euch wissend; oder: gebe ich euch die Gotteserkenntnis, nämlich dass man noch an mehr Merkmalen herausfinden kann, ob jemand wirklich aus dem Geist Gottes heraus spricht oder nicht. Das erste Merkmal war: Der Geist Gottes zwingt niemanden gegen seinen Willen. Das zweite Merkmal ist: Wer im Heiligen Geist redet, kann niemals Jesus verfluchen. Es ist nicht ganz einfach, zu wissen, worauf sich das genau bezieht. Es wäre zu einfach zu sagen, dass es nur darum ginge, dass niemand in einer echten prophetischen Botschaft oder einer Zungenrede tatsächlich einen solchen Fluch aussprechen könne. Wenn man die Bibel gründlich studiert und nach dem „verflucht sei...“ sucht, so stößt man auf das erste Kapitel des Galaterbriefes. Dort schreibt Paulus nämlich, dass jeder, er sei ein Mensch oder Engel oder was auch immer, der ein anderes Evangelium verkündet als das eine Evangelium von Jesus Christus, der als wahrer Mensch und wahrer Gott zugleich auf die Erde kam und für unsere Sünden starb, der sei verflucht. Etwas weiter gesucht, stößt man im ersten Johannesbrief im vierten Kapitel, dass man die Echtheit einer Geistesgabe daran erkennen kann, dass derjenige, der sie ausübt, davon überzeugt ist, dass Gott im Herrn Jesus wirklich „ins Fleisch hinein“ gekommen ist.
Auch hier haben wir wiederum einen Hinweis auf diese Lehre von den Psychikern und Pneumatikern. Diejenigen, die nämlich diese Lehre vertraten, die haben sich folgendes einfallen lassen: Sie sagen, dass am Menschen nur der Geist gut ist und der Körper und die Seele sind schlecht, der Mensch ist in seinem Körper wie in ein Gefängnis hinein gebannt und gefangen, und nur der Geist (Pneuma) ist das Gute am Menschen. Und die haben dann auch gesagt, dass Gott in Jesus nicht wirklich in menschliches Fleisch hineinkommen konnte, sondern nur einen Scheinleib trug (so etwas, was so aussieht wie ein menschlicher Körper aber keiner ist). Somit kann also nur derjenige aus Gottes Geist heraus reden, der sagt, dass der Herr Jesus wirklich Gott und wirklich Mensch war.
Das Gleiche kommt in dem Vers noch ein zweites Mal vor. Niemand kann sagen Kyrios Jesus außer im Heiligen Geist. Kyrios ist die griechische Übersetzung des Gottesnamens Jahwe. Somit kann man ferner erkennen, ob jemand im Heiligen Geist spricht, wenn er davon überzeugt ist, dass Jesus wirklich Jahwe, der Gott des Alten Testaments, der Schöpfergott, ist. Ein weiterer Hinweis auf diese christliche Sekte: Die behauptete nämlich, dass der Schöpfergott (Demiurg genannt) ein böser Gott ist, weil er den menschlichen Geist (das Pneuma) in die bösen Körpergefängnisse hineingesteckt hat. Und dann sagten sie, dass Jesus gekommen ist, um diesen Schöpfergott zu besiegen, indem er uns sagte, wie wir uns aus diesem Gefängnis heraus befreien können. Dazu braucht man dann eben diese Erkenntnis, wie das geht. Das ist dann eine ziemlich okkulte Geschichte mit ekstatischem Herumgetanze bis man das Bewusstsein verliert und ähnlichem mehr.
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