Foto: Christian Langbehn |
Vor einer Weile habe ich das Buch „Ein
bisschen Glauben gibt es nicht“ von Daniel Böcking gelesen und
rezensiert. Nun habe ich Herrn Böcking neun Fragen gestellt, die
nach dem Lesen des Buches noch offen geblieben sind, zum Buch, dem Glauben, seinem
Beruf und mehr.
- Herr Böcking, Sie berichten in Ihrem Buch, dass die Suche nach einer Gemeinde zunächst von einem Church-Hopping geprägt war. Wie sieht das jetzt aus? Haben Sie da eine feste „Heimat“ gefunden?
Ich
bin mir oft nicht ganz sicher, was mit der „Gemeinde“ als Heimat
gemeint ist. Ich habe eine Gemeinde gefunden, zu der ich sehr gerne
sonntags in den Gottesdienst gehe. Das ist das „Berlin Projekt“.
Es gibt aber auch viele Sonntage, an denen ich stattdessen etwas
Anderes mit meiner Familie unternehme - zum Beispiel, wenn die Kinder
unbedingt schwimmen gehen wollen. Dieses „Gemeinde-Ritual“ ist
mir also bis heute nicht so vertraut. Gleichzeitig habe ich das
Gefühl, dass ich eine wundervolle Gemeinde im Sinne von
„Gemeinschaft mit anderen Christen“ erleben darf, dass ich eine
Heimat bei Jesus und im Glauben und im Austausch mit Christen habe.
Diese „Gemeinde“ treffe ich mal im Job, mal in Einzelgesprächen,
bei gemeinsamen Frühstücken oder sogar online bei Facebook. Es sind
also viele unterschiedliche Christen, mit denen ich großartigen
Austausch habe. Aber nicht die eine Gemeinde im klassischen Sinne.
- Wie würden Sie die Bedeutung der Gemeinde beschreiben? Was macht die Gemeinde so besonders oder wertvoll?
Ich
glaube, dass die Gemeinschaft mit Christen ungeheuer wichtig ist.
Schon allein deshalb, weil ich immer wahnsinnig viele Fragen habe.
Selbstverständlich auch, weil es nicht immer schnurstracks auf dem
Weg läuft, weil man Ermutigung braucht – und weil ich es ganz,
ganz toll finde, wenn mich zum Beispiel jemand fragt, ob er für mich
beten darf. In meinem persönlichen Fall wäre ich nie umgekehrt,
hätte es nicht andere Christen gegeben, die mich begleitet haben.
Wenn Sie aber danach fragen, ob es DIE EINE Gemeinde geben muss, in
der ich mich zuhause fühle: So ist es mir bislang nicht ergangen.
- Wie wird das umgekrempelte Leben von Ihrem Umfeld (Familie, Freunde, Beruf) inzwischen gesehen? Stoßen Sie da noch auf Ablehnung? Wenn ja, wie gehen Sie damit um?
Ich
würde gerne von heroischen Gottesbekenntnissen allen Widerständen
zum Trotz berichten. Aber so ist es nicht. Meine Erfahrung ist: Wir
Christen halten uns manchmal für sonderbarer, als wir gesehen
werden. Ich habe kaum Ablehnung erlebt. Klar, nicht jeder teilt meine
Jesus-Begeisterung. Aber eben erst habe ich mit einem älteren Herrn
aus Berlin telefoniert und wir sprachen zufällig über den Glauben.
Ich erzählte ihm, wie gern ich bete. Und er sagte ganz gelassen:
„Wissense, dat muss jeder für sich selbst entscheiden.“ Spott
oder sogar harte Ablehnung habe ich kaum erfahren. Im Gegenteil: sehr
viel Unterstützung. Auch von Nicht-Gläubigen, die aber honorierten,
dass jemand zu seinem Glauben und zu seinen Werten steht.
- Welche praktischen Auswirkungen hat der Glaube auf Ihre beruflichen Tätigkeiten? Gibt es da etwas, was sich geändert hat? Neue Themen? Andere Schwerpunkte? Verzicht auf bestimmte Themen?
Bevor
ich öffentlich über den Glauben geschrieben habe, habe ich mir
selbst diese Frage nie gestellt, da ich mich sowohl beruflich als
auch persönlich als Christ rundum wohl bei BILD fühle. Ich arbeite
gerne hier und weiß, wie professionell wir alle uns mit Themen
auseinandersetzen und wie schwer wir uns auch oft mit Entscheidungen
tun.
Mir
ist bewusst, dass man unsere Arbeit kritisiert und auch kritisieren
soll und kann. Schließlich sind auch wir keine Kinder von
Traurigkeit. Aber bei manchen Vorwürfen mir gegenüber habe ich das
Gefühl, dass jemand BILD einfach persönlich ablehnt – was sein
gutes Recht ist - und das mit Glaubensargumenten vermischt. Ich habe
viele Diskussionen darüber geführt. Am Ende ist stets die innere
Gewissheit geblieben, dass es sehr gut und richtig für mich ist, bei
BILD zu sein und dass es wunderbar ist, an einem Ort zu arbeiten, der
solche Diskussionen zulässt und mir die Freiheit schenkt, auch
öffentlich darüber zu sprechen. Ein Sprichwort, das ich sehr mag,
sagt: „Wo Gott dich hingesät hat, da sollst du blühen.“
- Sie sind ja täglich mit den Online-Medien beschäftigt. Was würden Sie der jungen Generation, die jetzt damit aufwächst, mitgeben, wie ein gesunder, sinnvoller Umgang damit (auch gerade vom christlichen Standpunkt aus gesehen) aussehen könnte?
Mir
gefiel stets der Ratschlag: Zeig/schreib/poste nur das, was auch
deine Mutter und dein Chef oder Lehrer sehen kann. Mein Ratschlag
wäre eher für die ältere Generation: Seht euch das genau an –
auch digital gibt es lebendige Christengemeinschaft. Mir begegnen
inzwischen immer häufiger Christen zum Beispiel auf Facebook, die
ihren ganz privaten ‚Gottesdienst’ von ihrem Sofa live ins
Internet übertragen. Da gucken dann mal 50, mal 100 andere zu und
kommentieren. Das wirkt erstmal etwas schräg – aber mich freut es
jedes Mal, weil es zeigt, wie groß die Möglichkeiten im Netz sind.
Anderes Beispiel: Ich habe diverse Gemeinde-Podcasts abonniert und
höre mir deren Predigten beim Joggen an. Ist doch wundervoll, wie
leicht es ist, geistlich aufzutanken dank der Digitalisierung.
- Was wäre Ihre Empfehlung an junge Menschen, die selbst im Journalismus arbeiten wollen, welche Gewohnheiten machen einen guten Journalisten aus, und wie können diese geübt werden?
Neugier
ist da natürlich eine der wichtigsten Tugenden. Ansonsten gibt es
kaum noch einen klassischen Weg in den Journalismus. Früher war es:
Freie Mitarbeit, Volontariat, evtl vorher noch ein Studium. Heute
gibt es so viele unterschiedliche Möglichkeiten, Geschichten zu
erzählen, dass jemand, der wunderschöne Grafiken auf Facebook
postet, von uns vielleicht mit Kusshand genommen wird – auch wenn
er vorher noch nie journalistisch gearbeitet hat. Das können wir ihm
ja noch beibringen. Das ist eine der großen Veränderungen: ALLE
Disziplinen im digitalen Journalismus kann man kaum noch beherrschen.
Deswegen ist es total sinnvoll, viel auszuprobieren – und sich dann
zu spezialisieren.
- Wo sehen Sie in Ihrem persönlichen Leben gerade Punkte, an denen Sie am Lernen sind oder neue Schritte gehen?
Ich lerne von morgens bis
abends dazu. Das ist mir wichtig zu betonen: Ich weiß, dass ich ein
Buch schreiben durfte und Interviews geben darf, weil die Mischung
aus „Christ“ und meinem Job offenbar ganz interessant ist. Nicht,
weil ich besonderes Wissen oder irgendwelche neuen Erkenntnisse
hätte. Deshalb ist es mein voller Ernst, wenn ich sage, dass ich in
Dauer-Lern-Schleife bin. Ich entdecke jeden Tag etwas Neues. Ich muss
lernen, dass die Jesus-Begeisterung auch mal abflaut. Dass ich mich
auch mal anstrengen muss, damit die Beziehung zu ihm so wach und
lebendig bleibt. Aktuell frage ich mich oft, wie denn sein Masterplan
für mich aussieht. Dann komm ich ins Grübeln. Neulich stolperte ich
in so einem Moment wieder über einen meiner Lieblingsverse:
„Trachtet zuerst nach dem Reich Gottes und nach seiner
Gerechtigkeit. So wird euch das alles zufallen.“ Das hat mich dann
wieder ruhig gestimmt und mir einen Fokus gegeben.
.
- Sie berichten von der Flüchtlingsarbeit in Berlin. Wie sieht die Lage derzeit aus? Wo gibt es noch Handlungsbedarf, falls ein Leser sich da auch noch beteiligen möchte?
Wenn
jemand helfen möchte, dann sollte er sich am besten zum Beispiel an
die Caritas wenden und eine ehrenamtliche Vormundschaft für
unbegleitete minderjährige Flüchtlinge übernehmen. Da wird
händeringend gesucht. Vermutlich gibt es noch viele Möglichkeiten
zu helfen. Aber hier weiß ich, dass der Bedarf groß ist und den
Geflüchteten wirklich etwas bringt.
- Haben Sie sonst noch etwas auf dem Herzen, was möglichst jeder hören und lesen soll?
Ich
habe eh schon viel zu lang geantwortet. Ich hoffe einfach, dass noch
viele Menschen dieselbe Entdeckung machen, die ich machen durfte: Wie
wundervoll, vernünftig, einladend, rettend und begeisternd der
Glaube an Jesus Christus ist. Viel zu oft verbinden Menschen mit dem
Glauben etwas Hartes, Unsympathisches. Ich habe ihn als genau das
Gegenteil kennengelernt. Als Liebe pur.
Vielen
Dank für die Antworten!
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