1.
Was ist Dein persönlicher Hintergrund zum Buch oder Film? Wie bist
Du darauf gestoßen? Was hast Du davon erwartet?
Zum
ersten Mal bin ich drauf aufmerksam geworden, als die Verfilmung von
dem Herr der Ringe in die Kinos kam. Einer meiner Kollegen in der
Ausbildung damals war ein begeisterter Fan von Mittelerde. Er riet
mir auch dazu das Buch zu lesen (und zwar die Übersetzung von
Margeret Carroux). Irgendwann habe ich dann eine antiquarische
Ausgabe bei einem Buchhändler gefunden und ohne zu zögern
zugegriffen. Die Filme gefielen mir außerordentlich gut, aber die
Bücher sind mir noch lieber. Ich hatte erwartet, dass das Buch recht
nah an den Filmen angesiedelt ist. Im nachhinein wurde meine
Erwartung übertroffen, da nach meinem Empfinden, die Bücher noch
mehr Tiefe enthalten, als es der Film wiedergeben kann. Doch ich bin
mir bewusst, dass es sich dabei um zwei unterschiedliche Medien
handelt und man schwerlich beide eins zu eins vergleichen kann.
Ich
habe nicht mitgezählt, aber in den letzten Jahren habe ich das Buch
mindestens 1-mal pro Jahr durchgelesen und werde diese Tradition
beibehalten.
2.
John R. R. Tolkien wollte keine „biblische Geschichte“ schreiben,
sondern einfach eine unterhaltsame Geschichte. Dennoch finden sich
viele Bezüge dazu. Was denkst Du, woher das kommt?
Ich
denke das war für jemanden wie Tolkien unvermeidbar. Tolkien selbst
bezeichnete sich als (katholischer) Christ. Seinen Briefen und
Biografien ist zu entnehmen, dass er daran glaubte, dass es ein Eden
in dieser Welt gab, dass durch den Sündenfall verloren gegangen ist,
aber dieses Echo aus Eden immer noch in jedem Menschen zu vernehmen
ist. Jeder Geschichte liegt eine gewisse Weltanschauung zugrunde.
Tolkien schrieb auf dem Hintergrund seiner christlichen
Weltanschauung und webte dadurch das grundlegende Konzept von
Schöpfung-Fall-Wiederherstellung in seine fiktiven Geschichten ein.
3.
Was ist überhaupt eine Weltanschauung? Was sind die Grundpfeiler der
biblischen Weltanschauung?
Unter
Weltanschauung verstehe ich die Antworten, die sich jemand auf die
grundlegenden Fragen der Menschheit stellt: Wer bin ich, wo komme ich
her, wo gehe ich hin? Daraus ergeben sich natürlich noch eine Menge
weiterer Fragen, die wir uns stellen, um unsere Existenz zu erklären.
Grundpfeiler einer biblischen Weltanschauung sind für mich, dass es
einen Schöpfergott gibt, der alles Leben schuf und dem wir gegenüber
verantwortlich; dass wir Menschen gegen unseren Schöpfer
rebellierten und die Sünde dadurch Einzug in diese Welt erhielt,
dass aber Gott sich uns Menschen offenbarte um uns Seine
Heilsabsichten in Jesus Christus deutlich zu machen.
4.
In „Herr der Ringe“ finden sich viele Bezüge auf diese biblische
Weltanschauung. Welche davon sind Dir beim Lesen oder Ansehen
besonders wichtig geworden?
Wer
sich einmal „Das Silmarillion“ durchgelesen hat, der wird sofort
an den biblischen Schöpfungsbericht und Sündenfall denken (sofern
er die Bibel gelesen hat). Tolkiens Schöpfungsmythos folgt den
Schilderungen der Bibel insoweit, dass es einen Schöpfergott am
Anfang gab, und das eines seiner Geschöpfe „abfiel“ und danach
trachtete die gute Schöpfung Gottes zu zerstören. Ein weiteres
Merkmal ist die Tatsache, dass eine geistliche Welt hinter der
natürlichen Welt steckt und eng mit dieser verbunden ist.
5.
Im „Herr der Ringe“ findet sich nicht eine einzelne Erlöser-Figur
wie das Jesus Christus in der Bibel ist, vielmehr handelt es sich um
eine ganze Reihe von Helden, die gemeinsam Mittelerde erlösen.
Welche Personen machen welche Aspekte der „Erlösung“ aus?
Ich
sehe verschiedene „Anklänge“. Bei Gandalf denken wir sofort an
die Rückkehr von den Toten, der in neuer Herrlichkeit erscheint.
Aragorn ist der rechtmäßige König Gondors, der aus dem Exil
zurückkehrt um die Herrschaft anzutreten und die Welt der Menschen
zu ordnen. Frodo ist der demütige Held, der den Weg des Leidens geht
(notfalls bis in den Tod) um das Böse endgültig zu vernichten. Alle
diese Aspekte finden wir im Erlösungswerk Jesu vereint: Jesus ist
der Gesandte, der starb und zu neuer Herrlichkeit auferstand; Er ist
der rechtmäßige König aus der Linie Davids der die Herrschaft
antritt, um alle Dinge in Ordnung zu bringen (endzeitlich betrachtet)
und Er ist der leidende Gottesknecht, der den Weg der Schmerzen ging.
Der Unterschied zwischen Mittelerde und der biblischen Botschaft ist,
dass bei Tolkien es nicht den einen Erlöser gibt, es sich also nicht
auf eine Person konzentriert, wobei im Christentum Jesus Christus der
zentrale Erlöser ist – und der einzige und endgültige Weg zur
Erlösung von der Macht der Sünde.
6.
Gibt es Punkte an „Herr der Ringe“, die dem biblischen Weltbild
widersprechen und die Du kritisieren würdest?
Das
ist schwierig, da Tolkien sich darüber im Klaren war, dass er keine
„christliche“ Welt mit Mittelerde entwarf. Eine Sache, die immer
wieder von Kritikern hervorgebracht wird, betrifft den Gebrauch von
Magie im Buch. Gandalf tritt als Zauberer auf, was für viele
Christen problematisch ist, da es nach der biblischen Darstellung
keine „guten“ Zauberer gibt. Wenn man sich jedoch die weitere
Biografie von Gandalf anschaut, dann wird deutlich, dass er ein
Gesandter der göttlichen Mächte, die unter der Herrschaft des einen
Gottes stehen, ist, um im Krieg gegen Sauron zu helfen. Gandalf ist
kein autonomer Zauberer, der alles zu tun vermag, sondern er ist in
seiner Macht begrenzt und hat einen bestimmten Auftrag. In dieser
Hinsicht erinnert er mich an einen Propheten des AT: Ein von Gott
gesandter Bote, der dazu befähigt werden konnte Wunder zu tun. Nach
meiner Sicht jedoch ist auch die Verwendung von Magie im Herrn der
Ringe bei weitem nicht so vorherrschend, wie man es vielleicht
erwarten würde. Zumindest im Buch wird die Geschichte fast
ausschließlich aus der Sicht der Hobbits erzählt, die wiederum
wenig oder nichts mit Magie am Hut haben, aber auf ihrer Wanderung
damit in Berührung kommen.
7.
Wenn junge Autoren heute von Tolkien lernen wollen, was würdest Du
ihnen empfehlen, aus dem „Herr der Ringe“ zu lernen, wenn sie
auch eine unterhaltsame Geschichte auf der Basis der biblischen
Weltanschauung schreiben möchten?
Schreibe
eine Geschichte, die du gerne lesen würdest! Denn das hat Tolkien
(und C.S.Lewis) erst dazu gebracht Romane zu schreiben. Schreibe
zunächst einmal für dich selbst und nicht für den Büchermarkt.
Des Weiteren halte ich es für unabdingbar, dass Autoren eine
christliche Weltanschauung einverleibt haben müssen. Das bedeutet,
dass ihr ganzes Denken von einer christlichen Weltanschauung geprägt
sein muss. Wenn das der Fall ist, dann wird die Geschichte
automatisch christliche Züge annehmen. Mein Rat ist: Regelmäßig
die Bibel lesen (ca. 1-mal im Jahr) und sich mal die Zeit nehmen eine
der großen biblischen Theologien zu lesen und zu studieren (wie z.B.
die Institutio von Johannes Calvin).
8.
Welche anderen Bücher kannst Du empfehlen, die auch unterhaltsame
Geschichten auf der Basis der biblischen Weltanschauung sind?
Zum
einen natürlich die Narnia-Chroniken von C.S.Lewis. Gefallen hat mir
ebenfalls die Trilogie „Das Lied von Albion“ von Stephen Lawhead.
Über
mich: Andreas Münch (Jahrgang 1984) ist glücklich verheiratet und
stolzer Vater eines Sohnes. Als Pastor und Autor ist er unterwegs in
den Fußstapfen Calvins und Tolkiens. Weitere Infos unter:
www.andreas-muench.com
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