Ich
habe in den letzten Tagen das Buch „Paid
for“ von Rachel Moran gelesen. Es geht um ihren Weg in die
Prostitution, was sie darin erlebt hat und wie sie wieder
herausgekommen ist nach sieben Jahren als Prostituierte in Irland.
Sie erzählt dabei nicht nur von sich selbst, sondern bezieht die
Erfahrungen vieler anderer Frauen mit ein, die sie dabei
kennengelernt hatte und sieht deshalb auch viele Dinge, die quer
durch die Prostitution hindurch gültig sind. Auch wenn mir vieles
darin bereits bekannt war, hat mich das Buch immer wieder betroffen
gemacht.
Die
zentrale Aussage des Buches ist ungefähr die: Eine Frau, die sich
prostituiert, erlaubt damit dem Mann, der sie bezahlt, dass er sie
sexuell missbrauchen darf. Sie hat damit ihr Recht verkauft, den
sexuellen Ausbeuter verklagen zu können – und damit hat sie sich
selbst verarscht.
Wie
kommen Frauen in die Prostitution? Rachel Moran kam aus einem sehr
schwierigen Elternhaus. Fünf Kinder, die von Eltern erzogen wurden,
die beide erhebliche psychische Probleme hatten. Der Vater wurde oft
in einer psychiatrischen Klinik stationär behandelt, die Mutter war
manisch-depressiv und hatte Angst vor der Umwelt. Alle Menschen waren
böse, die Kinder wurden eingeschlossen ins Haus und durften nur zur
Schule oder um das Nötigste einzukaufen das Haus verlassen. Rachel
fühlte sich deshalb schon als Kind als Außenseiter der
Gesellschaft. Sie konnte sich kaum vorstellen, einen respektablen
Beruf auszuüben. Als sie etwa dreizehn war, beging der Vater
Selbstmord und wenige Monate darauf wurde sie von der Mutter aus dem
Haus geworfen. Sie war obdachlos geworden.
Obdachlosigkeit
und die finanzielle Lage sind Probleme, die viele Frauen in die
Prostitution bringen. Wer obdachlos ist, hat überhaupt kein Zuhause
mehr, absolut keine Sicherheiten, und das ist ein riesiger Druck. Ein
Freund, der auch obdachlos war, empfahl ihr, es mal mit der
Prostitution zu versuchen. Sie hörte auf ihn, und war bald darauf
(mit 15 Jahren!) eine Straßenprostituierte.
Die
ganzen brutalen Erlebnisse erspare ich dem Leser mal, wer mehr wissen
möchte, kann sich das Buch auch besorgen. Ok, ein Erlebnis ist mir
ganz tief unter die Haut gegangen, das erzähle ich doch nach.
Einmal, als sie mit 15 auf der Straße stand, kam ein Auto und ein
Vater wollte seinem Sohn die Entjungferung durch eine junge
Prostituierte schenken. Das finde ich ganz was Schreckliches, die
Frage ist doch: Was geben wir der nächsten Generation für ein Bild
von der Frau weiter? Auf diese Art lernte doch der Junge, dass sein
Vater die Frau nur als ein Stück Fleisch auf dem Markt ansieht. Kein
Wunder, dass die Probleme so zunehmen.
Als
sie etwa 3 Jahre in der Prostitution war, führte Irland ein neues
Gesetz ein, das die Prostitution von der Straße in die Bordelle und
Call-Agenturen verbannte. Das Gesetz war dazu gedacht, die Sicherheit
der Prostituierten zu erhöhen, aber es führte zum Gegenteil dessen:
Auf der Straße war es Moran möglich, sich die „Kunden“ erst mal
anzuschauen und dann auszusuchen, ob sie das Angebot annahm. Sie
konnte so etwa Betrunkene am Atem herausriechen und wieder
wegschicken. Im Call-Center war das nur anhand der Stimme viel
schwieriger; auch wollten die Betreiber, dass sie nicht nein sagen.
Dies führte zu viel mehr Gewalt und Leid (mal davon abgesehen, dass
jeder Kunde eine Menge Leid und Gewalt bedeutete).
Nach
sieben Jahren hörte sie auf. Sie hatte ein starkes Drogenproblem
entwickelt – außerdem hatte sie einen Sohn, der in der Zeit in der
Prostitution zur Welt gekommen war. Doch was konnte sie tun? Im
ersten Jahr stieg sie aus den Drogen aus. Doch sie konnte sich kaum
vorstellen, einen „normalen“ Beruf zu lernen, weil sie sich als
Außenseiterin fühlte. Respektable Arbeiten können doch nur
respektable Menschen tun. Und dazu zählte sie sich nicht. Doch Stück
für Stück während vieler Jahre konnte sie einen Schulabschluss
(College) nachholen und an der Universität in Dublin Journalismus
studieren. Dies nur, weil sie Menschen um sich bekam, die ihr halfen,
sie hatte ja keine Ahnung von all den Möglichkeiten.
Was
können wir tun?
Zunächst
ist es wichtig, dass wir Prostitution als das sehen, was sie ist:
Nämlich sexueller Missbrauch gegen Bezahlung. Am Missbrauch ändert
die Bezahlung nichts. Deshalb sollte die Inanspruchnahme dieser
Dienste verboten werden – und gleich bestraft wie sexueller
Missbrauch ohne Bezahlung. Vielleicht wäre es an der Zeit, eine
Petition dazu zu starten.
Sodann
ist es auch wichtig, was wir der nächsten Generation darüber
weitergeben. Die Prostitution ist ein Thema, das nicht verschwiegen
werden darf. Kinder werden früher oder später darüber stolpern;
etwa wenn sie an der Schule die ersten Schimpfwörter entdecken und
nach Hause bringen. Spätestens dann – besser vorher – ist
Aufklärung darüber nötig.
Die
Frage ist auch, wie wir Prostituierte sehen. Sie sind da, sie leiden
unter ihrem Leben. Sie können häufig nichts dafür, wo sie gelandet
sind. Sie brauchen Hilfe. Sie belügen sich selbst, weil sie keinen
anderen Ausweg wissen, als eben in der Prostitution zu bleiben. Der
Schritt heraus ist sehr schwierig und braucht viele Menschen und
Hilfe.
Können
wir Auffangnetze für diese Frauen aufbauen? Könnten das unsere
Gemeinden sein? Könnte es sogar sein, dass das eine unserer Aufgaben
als Gemeinden ist? Darüber lohnt sich nachzudenken.
Wenn
Du weitere Gedanken, Fragen und Ideen hast, bin ich dafür immer
dankbar!
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