Fjodor
M. Dostojewski, Schuld und Sühne, 573 Seiten, kostenloses
Kindle-Buch.
https://www.amazon.de/Schuld-S%C3%BChne-Fjodr-Michailowitsch-Dostojewski-ebook/dp/B004UBCWK6/
Vor
150 Jahren (1866) veröffentlichte Fjodor M. Dostojewski sein Buch „Schuld
und Sühne“, das von Thomas Mann als „den größten Kriminalroman
aller Zeiten“ bezeichnet wurde. Es ist wirklich ein faszinierendes
Werk der russischen Weltliteratur, das an Aktualität nichts
eingebüßt hat. Dostojewski lotet die Grenzen der Moral aus, und
zwar in gekonnter Weise, psychologisch und schriftstellerisch
exzellent.
Ich
bin lange vor den großen russischen Schriftstellern zurückgeschreckt
und habe diese immer noch etwas weiter hinausgeschoben. Der Stil ist
etwas eigen und Gewöhnung ist vonnöten. Als Marcus Hübner auf
seinem Blog die Serie „Dostojewski
lesen“ begonnen hat, fand ich das spontan eine gute Idee. Er
bespricht wochenweise Kapitel der „Brüder Karamasow“. Hier muss
ich zugeben, die ersten 100 Seiten fand ich schwierig, weil mir der
Schreibstil Dostojewskis fremd war. Doch dranbleiben lohnt sich –
das Buch hat mich gepackt und ich hatte es in zwei Monaten komplett
durch. Vielleicht werde ich dazu auch noch mehr schreiben.
In
„Schuld und Sühne“ geht es um einen Studenten, Rodion
Raskolnikow, der sehr klug ist, aber leider auch sehr arm, und
deshalb sein Studium nicht zu Ende finanzieren konnte. Nun lebt er in
St. Petersburg, häuft sich einen Schuldenberg an, den er nicht bezahlen kann,
und hofft auf finanzielle Unterstützung von zu Hause.
Ziemlich
am Anfang des Buches lernt er einen ehemaligen Beamten kennen, der
durch seine Trunksucht ebenfalls verarmt war, so sehr verarmt, dass
seine Tochter Sonja auf den Strich gehen muss, sich zu prostituieren,
um so die Familie über Wasser halten zu können. Kurz darauf erhält
er einen Brief von seiner Mutter, in dem sie ihm berichtet, dass
seine Schwester Dunja einen deutlich älteren aber vermögenden Mann
heiraten wolle. Rodion vermutet, dass sie diesen hauptsächlich
deshalb heiraten wolle, um ihn, Rodion, finanziell besser
unterstützen zu können. Er empfindet diesen Schritt als demjenigen
Sonjas sehr ähnlich.
Die
Haupthandlung des Buches betrifft jedoch etwas anderes. Rodion hat
eine fixe Idee, welche er in einem Zeitschriftenartikel dargelegt
hatte: Wenn jemand, der ein seltenes Genie ist, in seinem Tun und
seiner Zukunft bedrängt würde, so habe dieser ein Recht, so zu
handeln, dass er das umsetzen kann, wozu er gemacht sei. So hätte
etwa ein Napoleon das Recht gehabt, Menschen aus dem Weg zu schaffen,
die versucht haben wollten, seine Zukunft zu verhindern. Da Rodion
sich selbst für ein solches Genie hält, will er wissen, zu welcher
Sorte Mensch er gehört. Er sieht da zwei Sorten: Die Menschen, also
diese seltenen Genies, und den Rest der Menschheit nennt er „Läuse“.
Um herauszufinden, was er ist, will er einen Mord begehen. Diesen
verübt er an einer alten Frau, namentlich seiner Pfandleiherin, bei
welcher er schon zweimal Pfand für Gegenstände bekommen hatte. Da
die Schwester der Pfandleiherin im falschen Moment zu ihr kommt,
nämlich kurz nach dem Mord, aber noch bevor Rodion das Haus
verlassen konnte, muss auch sie dran glauben.
Dieser
Mord lässt ihn nicht mehr los, das Gewissen meldet sich, eine
Krankheit bricht aus, Rodion ist mehrere Tage bewusstlos, in den
Zeiten, in welchen er wach ist, ist er immer unruhig. In der
Zwischenzeit waren seine Mutter und Schwester zu Besuch gekommen. Es
stellt sich heraus, dass der Zukünftige seiner Schwester ein
ungehobelter Rüpel ist, der die Armut der Familie ausnutzen wollte,
um eine demütige, ihn bewundernde Frau zu bekommen. Die Sache
eskaliert schnell und die Verlobung wird aufgelöst.
Rodion
ist sich nun beständig unsicher: Wieviel weiß die Polizei? Könnte
sein Artikel in der Zeitschrift ihn verraten? Wie kann er den
Verdacht von sich ablenken? Über diesem ständigen Grübeln wird er
immer sehr schnell aufgebracht und lenkt auch öfter mal den Verdacht
auf sich. Nach einigem Hin und Her stellt sich dann heraus, dass er
tatsächlich verdächtigt wird. Auf viel Zureden von verschiedenen
Seiten meldet er sich am Schluss freiwillig und gesteht die Tat.
Einsichtig wird er nicht, dass er dadurch schuldig geworden ist.
Das
Happy End zeichnet sich im Arbeitslager in Sibirien ab. Die treue
Sonja, die ihn dorthin begleitet, wird ihm zur besten Freundin und
mit der Zeit auch zur Geliebten. Eine große Frage bleibt offen: Wird
er am Ende doch noch gläubig?
Ich
meine, dass dies eine Schwäche des Buches ist. Dostojewski liebt es,
sich in den finsteren Abgründen der menschlichen Seele aufzuhalten.
Der Glaube ist etwas Wichtiges bei ihm, aber am Ende der
Geschichte(n) bleibt häufig ein schaler Geschmack zurück – es
fehlt etwas. Die Auflösung der größten und wichtigsten Frage im
Leben eines jeden Menschen.
Davon
abgesehen ist es ein großartiger Roman – Thomas Mann ist wohl
zuzustimmen: Es ist zumindest einer der größten und besten
Kriminalromane.
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