Aufmerksam wurde ich auf
dieses Buch durch eine längere Rezension von Hanniel Strebel, die
auf TheoBlog veröffentlicht wurde.
Da ich mich schon seit Längerem mit Fragen der Weltanschauung, aber
auch der Wissenschaften und der Geschichte beschäftige, war mein
Interesse sofort geweckt.
Das Herzstück von
Pearceys Argumentation findet ist die Kritik an der Zweiteilung der
Welt in die Sphären „Herz“ gegen „Hirn“, oder wie sie es
auch nennt: „private Sphäre“ gegen „öffentliche Sphäre“
oder „subjektive Werte“ gegen „objektive Fakten“. Das Problem
besteht darin, dass sich Evangelikale mit dieser Zweiteilung des
Lebens abgefunden haben, ja sogar so weit gehen, diese Zweiteilung
auch zu lehren und in den Köpfen zu verfestigen. Der Gedanke
dahinter ist, dass wenn man sich in die private, subjektive Sphäre
zurückzieht, dass man dann gegen die Angriffe immun sei.
Hinter dieser Sichtweise
entlarvt Pearcey eine bestimmte Weltanschauung, die nicht einfach aus
dem Nichts entstanden ist, sondern sich im Laufe der Zeit
eingeschlichen hat. Doch zuerst kommt sie allgemein zum Thema
Weltanschauung. Die Weltanschauung befasst sich mit der Sichtweise,
die jemand von der Welt – also von der Gesamtheit der Realität –
hat. Man muss sehen, dass hinter jeder Aussage und jedem Gedanken
auch eine bestimmte Weltanschauung steckt. Diese ist jedoch nichts,
was sich wissenschaftlich beweisen ließe, sondern sie ist von einer
bestimmten Philosophie oder Ideologie geleitet.
Nun müssen an jede
Weltanschauung drei Fragen gestellt werden: Wie hat alles begonnen?
(Schöpfung) Was ist schief gelaufen? (Sündenfall) Was sollen wir
jetzt tun? (Wiederherstellung). Mit diesen drei Begriffen Schöpfung,
Sündenfall und Wiederherstellung lässt sich jede dieser Ideologien
und Philosophien überprüfen und beurteilen. Dazu lässt sich anhand
der Bibel zugleich eine biblische Weltanschauung aufbauen. Dies ist
sehr wichtig, wenn wir wollen, dass die Bibel für unser Leben
relevant sein soll und auch umgesetzt wird.
Das Buch besteht aus vier
Teilen mit insgesamt 13 Kapiteln. Im ersten Teil geht es um das Thema
„Weltanschauung“: Woraus besteht diese? Was gibt es für
Weltanschauungen? Wie sind diese im Lichte der Bibel zu beurteilen?
Wie kann man eine biblische Weltanschauung aufbauen? Mit vielen
Beispielen aus dem Leben zeigt Pearcey, wie sehr eine zertrennte
Weltanschauung zu großen Schwierigkeiten im Leben führt:
„Wir müssen
sichergehen, dass, wenn unsere Kinder das Haus verlassen, dieselbe
Überzeugung tief in ihr Gedächtnis eingebrannt ist – dass das
Christentum fähig ist, wenn es auf dem Marktplatz der Ideen
herausgefordert ist, in sich zu verhalten. Es reicht nicht, junge
Gläubige einfach zu lehren, wie man eine persönliche „Stille
Zeit“ hält, wie man ein Bibellernprogramm befolgt und wie man mit
einer christlichen Gruppe auf dem Campus Verbindung aufnimmt. Wir
müssen sie auch darin anleiten, wie man auf intellektuelle
Herausforderungen antwortet, die ihnen im Schulzimmer begegnen
werden. Bevor die das Haus verlassen, sollten sie mit all den
„-ismen“ wohlbekannt sein, vom Marxismus zum Darwinismus bis zum
Postmodernismus. Es ist am besten für junge Gläubige, wenn sie von
diesen Ideen zuerst von den vertrauten Eltern, Pastoren oder
Jugendleitern hören, welche sie in den Strategien trainieren können,
um die konkurrierenden Ideologien analysieren zu können.“ (Total Truth, S.
125; Übersetzung von mir)
Im zweiten Teil, welcher
die Kapitel 5 – 8 enthält, geht es in erster Linie um die
Grundlage des ersten Teils der Weltanschauung: Um die Schöpfung.
Anhand vieler neuerer Beispiele zeigt Pearcey, dass die Schöpfung
durch einen intelligenten Designer keinesfalls veraltet ist, sondern
es einfach auf die Unterdrückung durch bestimmte philosophische
Behauptungen zurückzuführen ist, dass inzwischen auch in den
Gemeinden immer mehr von Modellen der Evolution die Rede ist. Auch
hier zeigt sie sehr schön die historischen Linien auf, die zu diesem
Denken führten. Es wird gar nicht erst nach der Möglichkeit eines
Designers gefragt, sondern dieser wird a priori ausgeschlossen wie
zum Beispiel Richard Dawkins zeigt:
„Ein Atheist oder
philosophischer Naturalist in diesem Sinn vertritt also die Ansicht,
dass es nichts außerhalb der natürlichen, physikalischen Welt gibt:
keine übernatürliche kreative Intelligenz, die hinter dem
beobachtbaren Universum lauert, keine Seele, die den Körper
überdauert, und keine Wunder außer in dem Sinn, dass es
Naturphänomene gibt, die wir noch nicht verstehen. Wenn etwas
außerhalb der natürlichen Welt zu liegen scheint, die wir nur
unvollkommen begreifen, so hoffen wir darauf, es eines Tages zu
verstehen und in den Bereich des Natürlichen einzuschließen.“
(Dawkins, Richard, Der Gotteswahn, S. 25 - 26)
Dieser naturalistischen
Sichtweise wird die biblische Sichtweise entgegen gestellt, die auf
der Auffassung beruht, dass die Bibel auch dort irrtumslos ist, wo
sie Aussagen über die Entstehung der Arten, die Biologie oder die
Astronomie, und so weiter, macht. Pearcey zeigt, dass die biblische
Weltanschauung in sich deutlich stimmiger ist als die
naturalistische.
Im dritten Teil wird die
Geschichte des Evangelikalismus genauer unter die Lupe genommen. Die
Frage dahinter lautet: Wie kam es, dass die Evangelikalen sich den
Bereich des Denkens und der Fakten einfach so wegnehmen ließen? Auch
hier verfolgt Pearcey die Spuren in den Bereichen der Epistemologie,
der Arbeit und zuletzt auch in der Bewegung des Feminismus. Sie kommt
zum Schluss: Wo immer die Christenheit auf die Kultur gestoßen ist,
waren es nicht so sehr die Christen, die die Kultur verändert haben,
sondern vor allem die Kultur, welche die Christen verändert hat.
Dies sollte uns zu denken geben.
Abgerundet wird das Buch
mit dem vierten Teil, das nur aus dem Kapitel 13 besteht. Dort geht
es um die praktische Umsetzung des Bisherigen. Spätestens hier wird
man daran erinnert, dass sie eine Schülerin von Francis Schaeffer
ist. In Wirklichkeit natürlich schon viel früher, da sie in groben
Zügen seine Art der Apologetik übernimmt. Aber hier wird es
deutlich wie nie zuvor, denn es geht um das Ausleben der tätigen
christlichen Nächstenliebe. Wahrheit muss immer in Liebe kommen. Die
Christenheit hat zu lange versucht, das Richtige mit weltlichen
Mitteln zu erreichen. Sie muss deshalb „der Welt sterben“ und nur
noch zu den biblischen Methoden der Liebe und Wahrheit greifen. Wo
gottlose Methoden aus dem Marketing übernommen werden, kann der
Segen Gottes auch nicht auf unserem Tun liegen:
„Traurigerweise
leben viele Christen den größten Teil ihres Lebens so, als ob die
Naturalisten recht hätten. Sie stimmen den großen Wahrheiten der
Bibel verstandesmäßig zu, aber ihre praktischen, täglichen
Entscheidungen machen sie nur auf der Grundlage dessen, was sie
sehen, hören, messen und berechnen können. […] Sie mögen ja
aufrichtig tun wollen, was Gott von ihnen wünscht, aber sie tun es
auf die Art und Weise der Welt – indem sie weltliche Methoden
benutzen und sich von weltlichen Wünschen motivieren lassen, um
Erfolg und Beifall zu bekommen.“ (Total Truth, S. 362; Übersetzung von mir)
Das Buch ist sehr
lesenswert. Ich empfehle es jedem sehr, der sich mit Fragen der
Weltanschauung, der Wissenschaft aus biblischer Sicht oder der
Entwicklung des Christentums in den letzten Jahrhunderten
interessiert. Gute Englischkenntnisse sind von Vorteil, da Pearcey
ein breites Spektrum dieser Sprache benutzt. Es kann hier bestellt werden.
Gegen Ende des Buches
würde man sich wünschen, es hätte ebenso viele Kapitel über die
praktische Umsetzung des Bisherigen. Viele wichtige Themen sind kurz
angerissen, würden aber weiteres Nachdenken erfordern. Auch fände
ich es sehr wertvoll, wenn solche Bücher auf deutsch erscheinen
könnten.
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