Teil 2 / Teil 3 / Teil 4
In diesem und ein paar weiteren Blogposts möchte ich auf ein Buch von Prof. Dr. Siegfried Zimmer eingehen. Er war Professor für Ev. Theologie und Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Das Buch „Schadet die Bibelwissenschaft dem Glauben? - Klärung eines Konflikts“ ist sein Versuch, einer Leserschaft mit einem „fundamentalistischen Bibelverständnis“ die historisch-kritischen Methoden schmackhaft zu machen. Aufmerksam wurde ich besonders, als ich erfuhr, dass er als Sprecher für das FreakStock (OpenAir-Festival der „Jesus Freaks“-Gemeinden) mehrere Jahre eingeladen wurde. Das hat mich nachdenklich und traurig gestimmt, da ich in früheren Jahren gerne und mit gutem Gewissen ein Besucher jenes Festivals war.
In diesem und ein paar weiteren Blogposts möchte ich auf ein Buch von Prof. Dr. Siegfried Zimmer eingehen. Er war Professor für Ev. Theologie und Religionspädagogik an der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg. Das Buch „Schadet die Bibelwissenschaft dem Glauben? - Klärung eines Konflikts“ ist sein Versuch, einer Leserschaft mit einem „fundamentalistischen Bibelverständnis“ die historisch-kritischen Methoden schmackhaft zu machen. Aufmerksam wurde ich besonders, als ich erfuhr, dass er als Sprecher für das FreakStock (OpenAir-Festival der „Jesus Freaks“-Gemeinden) mehrere Jahre eingeladen wurde. Das hat mich nachdenklich und traurig gestimmt, da ich in früheren Jahren gerne und mit gutem Gewissen ein Besucher jenes Festivals war.
Bevor
ich auf den Inhalt des Buches im Einzelnen eingehe (dies wird, wie
gesagt, mehrere Blogposts in Anspruch nehmen), möchte ich den Aufbau
und damit zugleich die Gliederung der Argumentation untersuchen.
Das
erste Kapitel handelt davon, worin sich alle Christen in Bezug auf
die Bibel einig sind (oder laut Zimmer einig sein sollten). Zunächst
kommt Zimmer auf sein eigenes Bibelverständnis zu sprechen: „Ich
bin davon überzeugt, dass Gott auch heute durch die Bibel zu uns
Menschen – zu unserem Herz und Gewissen – spricht. […] [Diese
Überzeugung] entspricht dem Verständnis, das sowohl Jesus, als auch
die Schreiber der neutestamentlichen Schriften hatten. Sie entspricht
der zweitausendjährigen Erfahrung der Christenheit. Und sie
entspricht meiner eigenen Erfahrung.“ (S. 13) Und weiter: „Die
Kirche darf nichts lehren, was dem Evangelium von Jesus Christus
widerspricht. In diesem Sinn ist die Bibel der Maßstab (Kanon) für
den Glauben, die Lehre und das Leben der Christen.“ (S. 14)
Das
hört doch schon mal gut an, mag sich manch ein Leser denken. Doch
schon wenige Seiten später klingt das Ganze dann so: „Gott
selbst macht einen Unterschied zwischen dem Wichtigen und dem weniger
Wichtigen in der Heiligen Schrift.“ (S. 17) Im Kontext geht es
darum, dass Jesus nicht alle Gebote gleich wichtig gewesen sein
sollen. Manche Gebote wie das Doppelgebot der Liebe sei wichtiger als
die anderen Gebote. Das ist nun eindeutig falsch, denn Jesus sagt ja,
dass alle Gebote in diesen zweien enthalten sind. Das ganze Gesetz
und die Propheten hängen an diesen zwei Geboten – aber nicht, wie
Zimmer behauptet, „wie die Tür in den Angeln“ (ebd.),
sondern indem sich alle Gebote in diese zwei Kategorien einteilen
lassen: Zahlreiche Gebote als Liebe zu Gott und die anderen Gebote
als Nächstenliebe.
Auf
den nächsten Seiten – immer noch unter der Überschrift dessen,
was alle Christen einen sollte – erweist sich Zimmer als Barthianer
(Nachfolger Karl Barths), der gern von der Wirkung der Bibel spricht:
„Von Gottes Wort kann man nicht reden, ohne von seiner Wirkung
zu reden. Ein kraftloses Wort, das nichts Neues schafft, und den
Menschen nicht verändert, ist nicht Gottes Wort.“ (S. 19)
Spätestens hier sollte der Leser zu denken beginnen. Wer sagt denn
nun, welches Wort der Bibel wirkt und verändert? Ich habe noch kein
Wort in der Bibel gefunden, das mich nicht beständig herausfordert
und verändern möchte, und wäre es noch so ein kleines „und“
oder „aber“.
Im
zweiten Kapitel geht es um die Spaltung der Christenheit, um den Ort,
wo der „Riss“ zwischen den Christen mit „fundamentalistischem
Bibelverständnis“ und denen ohne ein solches durchgehen soll. Ich
werde darauf im nächsten Post dazu noch eingehen. Daran schließt
sich ein Exkurs an, weshalb Zimmer den Begriff „Fundamentalismus“
trotz aller Gefahren gebraucht. Ich bin mit diesem Begriff nicht
glücklich, einige evangelikale Theologen haben dazu schon Stellung
genommen, darunter ist besonders auch Prof.
Thomas Schirrmacher hervorzuheben.
Das
dritte und vierte Kapitel hat die Überschrift: „Die Unterscheidung
von Gott und Bibel“, sowie „Die Unterscheidung von Jesus Christus
und Bibel“. Hier geht es jeweils um eine billige Argumentation,
dass Bibelfundamentalisten die Bibel auf dieselbe Ebene wie Gott
(bzw. Jesus Christus) heben würden. Hier fällt auch der
hermeneutische Schlüssel, also der philosophische Hintergrund, wie
Zimmer die Bibel auslegen will: „Kein
Satz der Bibel darf an Jesus Christus vorbei Autorität erhalten.
Entscheidend ist nicht, dass ein Satz in der Bibel steht.
Entscheidend ist, in welcher Nähe oder Ferne er zu Jesus Christus
steht. Nicht alles, was in der Bibel steht, hat die Qualität von
Jesus Christus. Deshalb dürfen wir nicht nur, sondern müssen wir
die Bibel kritisch lesen.“ (S. 95) Was das im Detail
bedeutet, möchte ich ebenfalls andernorts noch etwas ausführlicher
besprechen. Das vierte Kapitel endet mit einer Polemik gegen die
sogenannte „Chicago-Erklärung“ (ein Dokument, welches ein
internationales Gremium namhafter Theologen ausgearbeitet hat, in
welchem es um die Bedeutung der Bibel geht).
Das
Argument vom „verborgenen Gott“ darf natürlich an der Stelle
nicht fehlen. Gott sei so demütig und würde sich so gut verstecken
wollen, dass man in der Bibel nach dem echten Wort Gottes suchen
müsse. Gott habe sich in der Schwachheit und Demut offenbart –
warum sollte das dann nicht auch für die Bibel gelten? „Viele
Christen wollen keine Bibel, in der es auch Schwachheiten und
Unscheinbares gibt. Das entspricht nicht ihren Vorstellungen und
Bedürfnissen. Sie wollen eine Imponierbibel, die ihre
Sicherheitsbedürfnisse rasch und komplett befriedigt. Passt aber
eine solche Bibel zum 'Wort vom Kreuz' (1Kor 1,18)?“ (S. 53)
Man
merkt bereits hier, dass das Buch ein rhetorisches Meisterwerk ist.
Der Leser wird zuerst mit einigen nichtssagenden Sätzen eingelullt
(nichtssagend deshalb, weil sie jeder wieder nach Belieben anders
verstehen kann), und wer den ersten Aussagen noch zustimmen kann,
wird plötzlich in einen Konflikt kommen, weil der Autor ja so
sympathisch schreibt und da kann er doch nur recht haben. Wer in den
ersten vier Kapiteln noch nicht wachgerüttelt ist, wird am Ende in
einem noch größeren Konflikt aufwachen: Ab dem fünften Kapitel
geht es nämlich erst recht zur Sache.
Zunächst
bespricht nämlich Zimmer, was man alles unter dem Satz „Die Bibel
ist Gottes Wort“ verstehen kann. Hier tut sich nun der ganze
Abgrund des bibelkritischen Vokabulars auf. Am Ende des Kapitels geht
er wieder einen Schritt auf den Leser zu, indem er seine Nähe
beteuert, weil er ja auch die Sichtweise vertrete, dass der Satz „Die
Bibel ist Gottes Wort“ theologisch angemessen sei – und das,
obwohl ja so viele andere Theologen da anderer Meinung seien.
Im
sechsten Kapitel wird der Begriff der Inspiration behandelt. Auch
hier kann sich Zimmer nicht eines grundlegenden
„Fundamentalisten“-Bashings enthalten. Das fällt ihm überhaupt
sehr schwer, weshalb sich das Buch vielerorts etwas zäh liest –
und das trotz der Kürze und obwohl in den meisten Fragen das
Wichtigste fehlt: „Bei den fundamentalistischen
Inspirationstheorien geht es nicht mehr um Kopernikus, Galilei,
Kepler und Newton. Man fühlt sich durch andere Gefahren bedroht:
durch die moderne Bibelwissenschaft, die Evolutionstheorie und den
modernen Liberalismus.“ (S. 127) An dieses Kapitel ist wiederum
ein Exkurs gehängt, welcher die Inspirationsverständnisse im
orthodoxen Judentum, im Islam und im fundamentalistischen
Bibelverständnis vergleicht und in vielen Punkten einander
gleichsetzt.
Das
siebte Kapitel ist die Einleitung in den Höhepunkt des Buches,
nämlich die Verteidigung der historisch-kritischen Methoden und
beginnt – wie so oft bei Zimmer – ganz harmlos mit einem durchaus
berechtigten Thema: Die Bibel enthält unterschiedliche Arten von
Texten, die unterschiedlich verstanden und ausgelegt werden wollen.
Ein Brief ist etwas anderes als ein Bericht von einem Ereignis.
Schnell folgt aber der inzwischen vorhersehbare Umschwung: Wer das
anerkennt, muss auch jede Menge anderer Arten und Methoden der
historischen Kritik an der Bibel zulassen und gutheißen. Im achten
Kapitel beschreibt Zimmer die Entstehung und weitere Entwicklung der
„modernen Bibelwissenschaft“ (ein Begriff, den er übrigens
nirgendwo definiert noch abgrenzt, aber das fürs Erste nur mal am
Rande dazu).
Zum
Schluss führt Zimmer noch „Ausgewählte Brennpunkte“ ein. Als
Erstes ein Beispiel, wie die historisch-kritische Wissenschaft
arbeiten kann, will oder soll. Als Beispiel wird natürlich wieder
das Beliebteste gewählt, nämlich die Historizität des Buches Hiob,
und zwar deshalb, weil zu diesem Buch bisher die meiste Zustimmung
auch aus dem evangelikalen Lager gekommen ist, es für unhistorisch
zu halten. Und als zweiten „Brennpunkt“ geht Zimmer auf den
Beginn eines Theologiestudiums ein und versucht, irenisch wie am
Anfang, den Schluss positiv abzurunden. Es sei ja echt schwer für
einen Bibelfundamentalisten, mit dieser ganzen Bibelwissenschaft
klarzukommen, es sei eine große Herausforderung, die sich auch in
der Biographie niederschlagen würde, und endet mit Tipps wie dem
Folgenden (man achte auf die Überheblichkeit des weiter
Fortgeschrittenen): „Suchen Sie das offene und vertrauensvolle
Gespräch mit den Dozenten und mit älteren Studierenden, die auf dem
Weg der Öffnung schon ein Stück weiter vorangekommen sind.“
(S. 205)
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