Dienstag, 8. Juli 2014

Lobpreiskultur – Auf die Liedwahl kommt es an

Im zweiten Blogpost zum Thema „Lobpreiskultur - für wen machen wir das eigentlich?“ haben wir gesehen, dass unsere Motive, unsere Beweggründe für den Lobpreis wichtig sind. Lobpreis zu leiten ist eine pastorale Aufgabe, und das sollte stets so geschehen, dass niemand vom Lobpreis ausgeschlossen wird – weder bewusst noch unbewusst. Hier hat die Auswahl der Lieder eine wichtige Funktion.

Von allen Lobpreisliedern, die schon geschrieben wurden, sind etwa 2% so gut, dass sie ein Jahrhundert oder noch länger überdauern können. Viele andere stehen später zwar immer noch in den Liederbüchern, aber weil sie niemand mehr kennt, gehen sie dennoch unter. Wir haben heute das große Vorrecht, auf den Liedschatz der besten 2% der Lieder aus 2000 Jahren Kirchengeschichte zurückgreifen zu können – und zugleich die Verantwortung, die Lieder unserer Zeit zu prüfen und die besten 2% zu finden. Wir müssen nicht auf jeden neuen Zug aufspringen. Weniger ist hier oft mehr, denn jedes neue Lied, das gelernt werden muss, bedeutet für die Gemeinde wieder eine neue Aufgabe, die es zu bewältigen gibt. Dies ist keinesfalls ein Aufruf, auf neue Lieder zu verzichten, aber zumindest die Bitte, sich zum Wohl der Gemeinde bei jedem neuen Lied, das eingeführt werden soll, noch ein zweites und drittes Mal zu fragen, ob das Lied tatsächlich der ganzen Gemeinde dient und folgende drei Kriterien erfüllt.

1. Lieder mit Botschaft und Tiefgang
Das erste und vermutlich wichtigste Kriterium ist inhaltlicher Art. Es geht um die Theologie, die hinter einem Text steht. Hat das Lied eine Botschaft? Erzählt es von der Gnade, von der Größe, Herrlichkeit, Heiligkeit, Gerechtigkeit und Liebe Gottes? Von der Ewiggültigkeit und absoluten Zuverlässigkeit der Bibel? Von der Schöpfung und Erlösung? Von der Reinigung und Heiligung von der Sünde durch den Heiligen Geist? Von der Sündhaftigkeit des Menschen? Von der Wiederkunft Jesu Christi als Richter aller Lebenden und Toten? Vom Leben und Auftrag der Kinder Gottes? Von der Schönheit der Gemeinde?

Nicht jedes dieser Themen muss in jedem Lied vorkommen, aber es geht im Lobpreis nicht darum, Jesus als Kumpel von nebenan zu begrüßen und ein wenig auf schöne Family zu machen. Auch sind Zweizeiler, die 50 Mal wiederholt werden müssen, um von der Länge her als Lied wahrgenommen zu werden, nicht gerade besonders tiefgründig.

2. Lieder mit verständlichen, korrekten Texten
Jeder sollte verstehen können, was er singt. Das ist zunächst eine Frage der Sprache eines Liedes. Versteht jede und jeder in der Gemeinde die englische Sprache so gut, dass man ganze Lieder in jener Sprache singen kann? Da kann die Situation in einem Jugendgottesdienst schon ganz anders sein. Bei übersetzten Liedern gibt es wieder etwas zu bedenken: Stimmt denn der deutsche Text inhaltlich überhaupt noch mit dem englischen Original überein? Da wäre zum Beispiel das absolut schöne englische Lied „In Christ Alone“ von Keith Getty und Stuart Townend. In der deutschen Version ist ein neues Lied entstanden, das außer der Melodie kaum noch etwas mit dem englischen Original gemeinsam hat. Hier wäre allerdings auch nötig, dass die deutsche Lobpreisszene wachsen kann. Und nicht zuletzt ist auch die Rechtschreibung eine häufig vernachlässigte Kunst. Doch wird in der Gemeinde durch falsche Ordokravieh – äh, pardon, natürlich Orthographie, wem ist es denn aufgefallen? – auch nur eine Person vom Singen abgehalten, so sind wir wieder unserer Aufgabe, jedem das Mitmachen zu ermöglichen, nicht gerecht geworden.

3. Lieder mit klarer, singbarer Melodie und Tonlage
Was der Gemeinde ebenso beim Mitsingen hilft, ist eine klare, deutliche und singbare Melodie. Sie sollte innerhalb des singbaren Spektrums liegen. Da auch zu Hause immer seltener gesungen wird, fehlt am Sonntag bei den meisten Gottesdienstbesuchern die Übung, die nötig ist, um ein möglichst großes Spektrum abzudecken. Kenny Lamm bestimmt in einem sehr lesenswerten (englischen) Artikel das ideale Spektrum zwischen dem A in der tieferen Oktave und dem D eine Oktave höher. Lieder, deren Spektrum noch weiter auseinandergeht, sind für den durchschnittlichen Gottesdienstbesucher gar nicht singbar. Wir tun deshalb auch gut daran, die Lieder so zu transponieren, dass die gesamte Melodie innerhalb dieses Spektrums bleibt. Zuweilen führt dies zu komplizierten Akkorden, aber gerade damit können wir wieder zeigen, dass eine gute Gruppe von Musikern auch das schafft. Professionalität zeigt sich beim Lobpreis gerade nicht darin, zu zeigen, was andere nicht können, sondern sich auf die Bedürfnisse der Gottesdienstbesucher einzustellen und ihnen zu dienen. 

Vielleicht wäre es auch an der Zeit, die guten neuen Lobpreislieder wieder zweistimmig zu komponieren und zu singen?


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